Drucksache 16/4418 19. 12. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Dr. Rahim Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Sachstand zur Anschaffung und Bevorratung von antiviralen Arzneimitteln Die Kleine Anfrage 2898 vom 9. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Bundesregierung hält an einer weiteren Bevorratung und an einem möglichen Einsatz der Grippemittel Tamiflu und Relenza fest, trotz des geringen Nutzens und der hohen Kosten. Dabei widerspricht diese Haltung neueren wissenschaftlichen Ergebnissen und eine Kosten-Nutzen-Bewertung der Medikamente wird vermieden. Hinzu kommt, dass die offizielle Haltbarkeit der behördlich angelegten Vorräte bald abläuft. Daher ist eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Verteilung von Investitionsmitteln zu zukünftiger Forschung notwendig. Das ist vor allem im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung von enormer Bedeutung. Demzufolge besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein großes Interesse an einer Abfrage über den aktuellen Umfang und konkreter Gesamtkosten der Beschaffung, der Lagerhaltung, aber auch über die Haltbarkeit sowie die Vernichtung der Vorräte bzw. zum möglichen Neukauf der Grippemittel in Rheinland-Pfalz. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele der momentan gelagerten Dosen Grippeimpfmittel sind noch haltbar bzw. bereits abgelaufen? Um eine Unterschei- dung zwischen antiviralen Arzneimitteln und pandemischem Impfstoff wird gebeten. 2. Wie hoch sind die jährlichen Kosten zur Beschaffung und Bereitstellung von Grippeimpfmitteln? Um eine Unterscheidung zwischen antiviralen Arzneimitteln und pandemischem Impfstoff wird gebeten. 3. Sind Ersatzbeschaffungen bereits vorgenommen worden oder geplant? Um eine Unterscheidung zwischen antiviralen Arznei- mitteln und pandemischem Impfstoff wird gebeten. 4. Unter welchen Bedingungen werden abgelaufene Präparate vernichtet? Um eine Unterscheidung zwischen antiviralen Arznei- mitteln und pandemischem Impfstoff wird gebeten. 5. Welche weiteren Schritte zur Intensivierung der Forschung hinsichtlich eines wirksamen Grippeimpfmittels beabsichtigt die Landesregierung? 6. Inwieweit gibt es Pläne den Pandemieplan im Gespräch zwischen Bund und Ländern zu überarbeiten? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Zurzeit sind keine Grippeimpfmittel mehr gelagert; sie wurden im Anschluss an die H1N1-Pandemie am 29. November 2011 im Müllheizkraftwerk Magdeburg zentral für alle Länder ordnungsgemäß verbrannt. Gelagert sind nach wie vor antivirale Medikamente zur Versorgung der Bevölkerung, vor allem zu Beginn einer Pandemie, bis ein spezifischer und wirksamer Impfstoff in ausreichender Menge vorliegt. Das auf dem Medikament ausgewiesene Haltbarkeitsdatum ist bei Teilen der Ware überschritten. Die Verlängerung des Haltbarkeitsnachweises bedeutet für die Hersteller eine kosten- und zeitaufwändige Untersuchung. Daher werden im Auftrag der Länder regelmäßig Wirksamkeitsuntersuchungen durchgeführt, die bisher eine einwandfreie Qualität und Wirksamkeit für die eingelagerten Bestände an Relenza® und an Tamiflu® ergeben haben. Das gilt auch für das Wirkstoffpulver „Oseltamivir-Phosphat“, das im Bedarfsfall zur Herstellung von antiviralen Medikamenten genutzt werden soll. Dieser Wirkstoff zeichnet sich bei der ordnungsgemäßen Lagerung in Fässern unter Inertgas durch eine nahe- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Januar 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4418 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode zu unbegrenzte Stabilität aus und ist deshalb auch nicht mit einem spezifischen Haltbarkeitsdatum gekennzeichnet. Rheinland-Pfalz hat vor diesem Hintergrund circa 70 Prozent seiner Vorräte an antiviralen Arzneimitteln für pandemische Ereignisse in Form dieses Wirkstoffpulvers eingelagert. Zu 2.: Es gibt keine jährliche Beschaffung von Grippeimpfmitteln oder Arzneimitteln durch die Landesregierung. Die Kosten für die saisonalen über die Apotheken zu beschaf fenden Grippeimpfstoffe werden von den Krankenkassen getragen. Das gilt auch für die medizinisch indizierte Verwendung antiviraler Arzneimittel. Zu 3.: Eine Ersatzbeschaffung von pandemischem Impfstoff wäre erst bei Auftreten einer Pandemie möglich, da erst dann ein entsprechend spezifischer Impfstoff produziert werden könnte. Es ist aber vorgesehen, dass sich die Länder mit Hilfe von Options verträgen Kontingente eines solchen zukünftigen pandemischen Impfstoffes für den Ereignisfall sichern. Auf europäischer Ebene wurde aufgrund der Erfahrungen mit der letzten Pandemie das Joint Procurement Agreement (JPA) entwickelt, mit dem ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Beschaffung von medizinischen Gegenmaßnahmen für schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren möglich ist. Unter „medizinischen Gegenmaßnahmen“ sind alle Arzneimittel, Medizinprodukte sowie sonstige Waren oder Dienstleistungen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren zu bekämpfen. Die Zeichnung des Verwaltungsabkommens durch die Bundesländer und den Bund ist für Januar 2015 vorgesehen. Im Anschluss können sich die Länder an einem Vergabeverfahren für die Beschaffung pandemischer Impfstoffe beteiligen. Die Vorräte an antiviralen Medikamenten sind nach wie vor in ausreichender Menge vorhanden. Grundsätzlich wäre auch eine Neubeschaffung von antiviralen Medika menten im Rahmen des JPA denkbar. Da bisher aber keine Hinweise für einen Wirksamkeitsverlust vorliegen, gibt es keine Pläne zur Ersatzbeschaffung antiviraler Medikamente. Zu 4.: Arzneimittel, deren Verwendbarkeitsdatum abgelaufen ist, unterliegen den Vorschriften des Abfallrechts. Die Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes (Kranken häuser, Pflegeheime, Apotheken, Arztpraxen, Blutbanken usw.) ist in der Mitteilung 18 der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) geregelt. Danach sind Arzneimittel grundsätzlich dem Abfallschlüssel 18 01 09 zuzuordnen und dürfen durch Verbrennung unter hohen Temperaturen in geeigneten Entsorgungsbetrieben vernichtet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach Aussage des Bundesministeriums für Gesundheit bei Altmedikamenten auch die gemeinsame Ent sorgung mit Siedlungsabfall zulässig, wenn der Hausmüll einer geeigneten Weiterverarbeitung , beispielsweise in Müllverbrennungsanlagen, zugeführt wird. Die Menge an entsorgten Medikamenten wird dabei in der Regel nicht erfasst. Altmedikamente sind zudem kein gefährlicher Abfall; es gibt daher keine Pflicht, abfallrechtliche Nachweise zu führen. Zytostatika (Abfallschlüssel 18 01 08) hingegen sind gefährliche Abfälle und unterliegen der abfallrechtlichen Nachweispflicht . Sowohl Influenza-Impfstoffe als auch antivirale Arzneimittel unterliegen als nicht ge fährliche Abfälle den Regelungen des erwähnten Abfallschlüssels 18 01 09 und können durch Verbrennung bei hohen Temperaturen fachgerecht entsorgt werden (wie in der Antwort zu Frage 1 beschrieben). Der Vorteil dieses Hochtemperatur-Verbrennungsprozesses ist eine komplette, unwiderrufliche Vernichtung der Produkte, wodurch ein möglicher Missbrauch von Arzneimittelrestbeständen verhindert wird. Gleichzeitig wird im Verbrennungsprozess durch exotherme Reaktionen zusätzlich Energie gewonnen, die genutzt werden kann. Zu 5.: Die Forschung hinsichtlich wirksamer Grippeimpfstoffe ist keine Aufgabe der Landes regierung. Dies ist Aufgabe der pharmazeutischen Unternehmen. Die Politik ist aber gefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Forschung und Entwicklung ermöglicht beziehungsweise gefördert werden. Dem tragen die Forschungs- und Bildungsministerien von Bund und Ländern auch regelmäßig im Rahmen von Exzellenzinitiativen zur Grundlagenforschung Rechnung. Die Zulassung pandemischer Impfstoffe erfolgt auf Basis einschlägiger Regelungen bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Auftrag der Kommission. In die sem Verfahren kann die EMA beschleunigte, vereinfachte Bedingungen und redu zierte Kostentatbestände anwenden. Diese Möglichkeit wird im Pandemiefall auch regelmäßig durch die Europäische Kommission genutzt. Zu 6.: Der Nationale Pandemieplan wird derzeit auf Fachebene von Bund und Ländern mit Unterstützung der medizinischen Fachgesell- schaften fortgeschrieben. Ein Entwurf soll bis zur Gesundheitsministerkonferenz 2015 vorliegen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin