Drucksache 16/4441 23. 12. 2014 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Ulrich Steinbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Maßnahmen zur Begrenzung des Automatenglücksspiels in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2899 vom 9. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag und ergänzenden Landesgesetzen soll ein Rückgang der Spielhallenstandorte und -geräte erreicht werden. Dies soll einerseits über die Beschränkung der Mehrfachkonzessionen und Mindestabstandsregelungen erfolgen. Andererseits wird über Zertifikate sowie technische Standards diskutiert. Außerdem steht ein Geldgewinnspielgeräteregister (ähnlich dem Waffenregister) in der Diskussion, denn es mangelt an einem handhabbaren Instrument für die Ordnungsämter, um vor Ort legale Geräte an legalen Standorten von illegalen Geräten und illegalen Standorten zu unterscheiden. Dieses Register erfasst die glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Aufstellung, Ort, Gerätenummer und Softwareversion und erlaubt so eine wirksame und effiziente Kontrolle. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Wirkungen der Beschränkung der Mehrfachkonzessionen und Mindestabstandsregelungen hinsichtlich der Anzahl und der Qualität der Standorte für Geldspielgeräte? 2. Sieht die Landesregierung qualitative Ansätze, zum Beispiel in Form einer gesetzlich normierten Zertifizierung als Vorausset- zung für zukünftige glücksspielrechtliche Erlaubnisse, um ebenfalls eine signifikante, aber an Qualitätsstandards orientierte Reduzierung des Angebots zu erreichen? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Einführung und Handhabung eines Geldgewinnspielgeräteregisters? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Das im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) vom 15. Dezember 2011 und im Landesglücksspielgesetz (LGlüG) vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166) erstmalig verankerte Verbot mehrfachkonzessionierter Spielhallen hat die Expansion des Spielhallenmarktes gestoppt, wie die Untersuchungsergebnisse des Arbeitskreises gegen Spielsucht belegen (vgl. Trümper/Heimann, Angebotsstruktur der Spielhallen und Geldspielgeräte in Deutschland, Stand: 1. Januar 2014, S. 13 f.; http://akspielsucht.de/). Ihren Höhepunkt erreichte die expansive Entwicklung des Spielhallenmarktes in den Jahren zwischen 2010 und 2012. Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages und des Landesglücksspielgesetzes am 1. Juli 2012 reduzierte sich bundesweit die Anzahl der Spielhallenstandorte um 0,77 Prozent. Zwar stiegt die Zahl der Spielhallenkonzessionen um 0,84 Prozent, diese Steigerung liegt aber verglichen mit den Vorjahren im marginalen Bereich (Trümper/Heimann, a. a. O., S. 14). Speziell in Rheinland-Pfalz ging die Zahl der Spielhallenstand - orte vom 1. Januar 2012 bis zum 1. Januar 2014 um 0,88 Prozent zurück, die Zahl der Spielhallenkonzessionen verringerte sich im selben Zeitraum um 0,81 Prozent (Trümper, Heimann, a. a. O., S. 475). Deutlichere Rückgänge der Anzahl der Spielhallenstandorte und -konzessionen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt zu verzeichnen sein. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich das Verbot der Mehrfachkonzessionen und das Abstandsgebot zunächst nur auf neu zu errichtende Spielhallen auswirken. Spielhallen, die bereits vor dem 28. November 2011 bestanden haben (sog. Bestandsspielhallen ), sind nämlich gem. § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV für einen Zeitraum von fünf Jahren – d. h. bis zum 30. Juni 2017 – von Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Januar 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4441 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode dem Verbot der Mehrfachkonzessionen und dem Abstandsgebot des § 25 Abs. 1 und 2 GlüStV befreit. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes, der voraussichtlich im ersten Quartal des Jahres 2015 in Kraft treten wird, Befreiungsregelungen für Bestandsspielhallen vor. Das bedeutet, dass bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages am 30. Juni 2021 Bestandsspielhallen von dem Verbot der Mehrfachkonzessionen befreit werden können, sofern die Gesamtzahl der Geldspielgeräte der in einem baulichen Verbund untergebrachten Spielhallen 48 nicht überschreitet. Zudem können Bestandsspielhallen bis zum 30. Juni 2021 auch von der Einhaltung des Mindestabstandsgebots befreit werden. Grund für die Befreiungsregelungen sind Vertrauens- und Bestandsschutzinteressen der Spielhallenbetreiber. Spätestens ab dem 1. Juli 2021 soll aber nach dem im Glücksspielstaatsvertrag zum Ausdruck gekommenen politischen Willen der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder pro Standort nur noch eine Spielhalle zulässig sein. Damit wird sich zwangsläufig auch die Anzahl der Geldspielgeräte in Spielhallen verringern. Zu Frage 2: Eine freiwillige Zertifizierung der Spielhallen ist aus ordnungsrechtlicher Sicht zu begrüßen. Eine gesetzlich normierte Zertifizierung für Spielhallen als Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis wird jedoch aus folgenden Gründen abgelehnt: Die Automatenbranche verfolgt mit der Zertifizierung von Spielhallen als Voraussetzung für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle im Wesentlichen zwei Ziele: – Zum einen ist die Automatenbranche bestrebt, das Image der Spielhallen zu verbessern, indem über das Zertifizierungsverfahren diejenigen Spielhallen vom Markt gedrängt werden sollen, die nicht willens oder in der Lage sind, das Zertifizierungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Dagegen ist aus ordnungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. – Zum anderen und in erster Linie dürfte es der Automatenbranche aber darum gehen, den Bestand ihrer Spielhallen möglichst ungeschmälert über die Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages, d. h. über den 30. Juni 2021 hinaus, zu sichern. Dieses Ziel widerspricht dem im Glücksspielstaatsvertrag perpetuierten politischen Willen, der klar darauf abzielt, das gewerbliche Automatenspiel wegen seines hohen Suchtpotentials und der zu verzeichnenden expansiven Entwicklung zusätzlichen Beschränkungen zu unterwerfen. Insbesondere durch das Verbot der Mehrfachkonzessionen soll das Spiel auf das Maß von bloßen Unter - haltungsspielen zurückgeführt und die Entstehung spielbankenähnlicher Großspielhallen verhindert werden (Landtagsdrucksache 16/1179, S. 61, 73). Das von der Automatenbranche mit einer Zertifizierung langfristig verfolgte Ziel einer Bestandssicherung von Spielhallen steht daher nicht mit dem politischen Willen zur Begrenzung der Anzahl der Spielhallen und der Gewinn - spielgeräte in Einklang. Eine Zertifizierung als Voraussetzung für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis begegnet darüber hinaus folgenden rechtlichen Bedenken: – Der Zertifizierung könnte als Anforderungskatalog die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (insbesondere des Landesglücksspielgesetzes und der bundesrechtlichen Spielverordnung) zugrunde gelegt werden. Wenn jedoch das Ergebnis der Überprüfung – in Form eines erteilten oder nicht erteilten Zertifikats – Eingang in die Entscheidung der Aufsichtsbehörde über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis finden soll und sich damit im hoheitlichen Bereich niederschlägt, könnte der TÜV Rheinland als private Institution nicht – wie sich das die Automatenbranche vorstellt – als Zertifizierungsstelle auftreten. Die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben ist grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörde. Bei dieser Aufgabe handelt es sich um eine originär hoheitliche Tätigkeit, die nicht durch ein privates Unternehmen übernommen werden kann. Natürliche oder juristische Privatpersonen dürfen Verwaltungsaufgaben nur dann selbstständig wahrnehmen, wenn sie „Beliehene“ sind, d. h. wenn ihnen durch oder aufgrund eines Gesetzes die Wahrnehmung der Aufgabe übertragen worden ist. Grenze der Beleihung ist die Erfüllung staatlicher Kernaufgaben, die nicht delegiert werden darf. Ob eine Beleihung hier möglich ist, kann dahinstehen, da der TÜV Rheinland nicht als „Beliehener“, sondern als (private) Zertifizierungsstelle agieren soll. Ob Spielhallenbetreiber gesetzliche Vorgaben erfüllen, kann der TÜV Rheinland aber im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens nicht selbstständig prüfen, wenn das Ergebnis der Prüfung Eingang in die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis finden soll. – Denkbar wäre auch, dass der einer Zertifizierung zugrunde liegende Anforderungskatalog Zusatzkriterien beinhaltet, die zwar gesetzlich nicht vorgegeben sind, deren Erfüllung aber zu einer weiteren Verbesserung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Sicherheit und Transparenz des Spielbetriebs führen kann (z. B. Einsatz von Präventionsberatern, Einführung eines Beschwerdemanagements , verlängerte Sperrzeiten). Grundvoraussetzung einer Zertifizierung wäre zwar auch hier, dass der Spielhallenbetreiber die gesetzlichen Vorgaben beachtet, deren Einhaltung würde aber wie bislang allein von den Aufsichtsbehörden überwacht , so dass die Zertifizierung zwar die Gesetzeskonformität voraussetzt, sich selbst aber ausschließlich auf überobligatorische Prüfkriterien beziehen würde. Eine Zertifizierung, die sich auf die Erfüllung überobligatorischer Anforderungen bezieht, ist aus ordnungsrechtlicher Sicht durchaus sinnvoll. Problematisch ist dieser Anforderungskatalog jedoch, wenn an den Erhalt des Zertifikats rechtliche Konsequenzen geknüpft werden. Das ist hier besonders augenscheinlich, denn wenn die Erfüllung der Kriterien , die der Zertifizierung zugrunde liegen, gesetzlich nicht verlangt wird, wäre es widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber an deren Nichterfüllung rechtliche Sanktionen knüpfen würde. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4441 – Besondere Probleme wirft zudem die Frage nach der Gewichtung der einzelnen Vorgaben im Rahmen der Zertifizierung auf, denn die Erteilung eines Zertifikats dürfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht allein daran scheitern, dass vereinzelt Verstöße festgestellt worden sind. Erforderlich wären vielmehr Verstöße, die nach Art, Umfang und Anzahl so schwerwiegend sind, dass eine Zertifizierung ausgeschlossen ist. Eine Gewichtung der Vorgaben bzw. Verstöße könnte in Form eines Punkteverfahrens erfolgen, indem jedes Prüfkriterium mit einem bestimmten Punktewert verbunden wird, der vergeben wird, wenn die Vorgabe erfüllt wurde. Für den Erhalt eines Zertifikats müsste dann ein bestimmter Prozentsatz der insgesamt zu vergebenden Punkte erreicht werden. Ein solches Verfahren dürfte rechtlich jedoch an seine Grenzen stoßen, wenn das Zertifikat – wie von der Automatenbranche gefordert – gesetzliche Voraussetzung für den Erhalt einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist. Spielhallen , die mangels Zertifizierung keine Erlaubnis erhalten können, würden gegen die Ablehnung ihres Erlaubnisantrags klagen und damit auch das Zertifizierungsverfahren einer gerichtlichen Überprüfung zuführen. Es liegt auf der Hand, dass ein anhand eines mehr oder weniger willkürlich festgelegten Punktebewertungssystems durchgeführtes Zertifizierungsverfahren einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Zu Frage 3: Die Einführung eines Geldgewinnspielgeräteregisters unterliegt nicht der Gesetzgebungszuständigkeit des Landes. Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 ist das „Recht der Spielhallen“ in Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG aus der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes ausgenommen und in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder übertragen worden. Die Reichweite der Regelungszuständigkeit der Länder im Einzelnen ist zwar umstritten. Unstreitig ist aber, dass dem Bund nach der Föderalismusreform 2006 die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungsinhalte der §§ 33 c bis 33 h der Gewerbeordnung verblieben ist. Für gerätebezogene Regelungen zur Aufstellung und technischen Gestaltung der einzelnen Spielgeräte sowie zum Spielvorgang ist nach wie vor der Bund zuständig. Bundesrechtlich ist geregelt, dass selbständige Gewerbetreibende, denen die Erlaubnis nach § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO zur Aufstellung der von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit erteilt wurde, diese nur an Orten aufstellen dürfen, deren Eignung ihnen zuvor von der zuständigen Behörde schriftlich bestätigt wurde (sogenannte Geeignetheitsbescheinigung gemäß § 33 c Abs. 3 Satz 1 GewO). Die Geeignetheitsbescheinigung ist objektiv und nicht gerätebezogen. Der Erlaubnisinhaber kann deshalb jederzeit die von der PTB zugelassenen Geldspielgeräte durch andere zugelassene Geldspielgeräte ersetzen, ohne hierfür eine neue Erlaubnis oder neue Geeignetheitsbestätigung zu benötigen. Da die Schaffung eines Geldgewinnspielgeräteregisters die bestehende Rechtsposition des Erlaubnisinhabers einschränken würde, wäre hierfür eine Änderung der bundesgesetzlichen Regelungen erforderlich. In Vertretung: Randolf Stich Ministerialdirektor 3