Drucksache 16/4452 09. 01. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Gabriele Wieland (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Armutsgefährdung von Älteren in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 2923 vom 18. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Rheinland-Pfalz hat – nach dem Saarland – deutschlandweit nach aktuellen Berichten (z. B. Pressemitteilung des Statistischen Bundes - amts vom 19. November 2014, Pfälzischer Merkur vom 20. November 2014) aufgrund von Zahlen des Statistischen Bundesamts die höchste Armutsgefährdungsquote in der Altersgruppe 65 Jahre und älter. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse zur besonders hohen Armutsgefähr dungsquote älterer Menschen in Rheinland- Pfalz? 2. Worin sieht die Landesregierung die diesbezüglichen Ursachen, nach Möglichkeit auch im Vergleich zu den anderen Bundes- ländern? 3. Welche Regionen und Bevölkerungsgruppen sind insbesondere betroffen? 4. Welche politischen Ansätze zur Armutsbekämpfung in Rheinland-Pfalz haben versagt? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 8. Januar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Altersarmut ist besonders problematisch, da einerseits bei Älteren die Wahrscheinlichkeit einer andauernden Armutslage sehr hoch ist. Andererseits zeigt sich gerade bei Älteren, dass eine schlechtere materielle Lage mit Teilhabeproblemen und vielen anderen Formen der Ausgrenzung einhergehen kann. Hinsichtlich der Armutsgefährdungsquote ist darauf hinzuweisen, dass hier nach einem bestimmten Messkonzept das relative Risiko dargestellt wird, in Bezug auf einen gesetzten Schwellenwert einkommensarm zu sein. Die Armutsgefährdungsquote wird – entsprechend dem EU-Standard – definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung beträgt. Die Armutsrisikoquote liefert jedoch keine Information über indivi - duelle Bedürftigkeit im Sinne von existenzieller Not, sondern ist lediglich ein Indikator, der auf ein mögliches Armutsrisiko hinweist . Der Schwellenwert beträgt nach der Haushaltsbefragung Mikrozensus 2013 für eine Alleinlebende beziehungsweise einen Alleinlebenden in Rheinland-Pfalz 920 Euro im Monat. In Deutschland war im Jahr 2013 mehr als jeder Sechste (15,5 Prozent) von Armut bedroht. Nach Ergebnissen des Mikrozensus im Jahr 2013 beträgt in Rheinland-Pfalz die Armutsrisikoquote – gemessen am Bundesmedian – 15,4 Prozent. Die relative Armutsrisikoquote Älterer – gemessen am Bundesmedian – lag in Rheinland-Pfalz im Jahr 2013 bei 17,8 Prozent. Anders stellt sich die Situation dar, wenn man die Zahl der Leistungsberechtigten mit Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung heranzieht, bei der im Zuge der Bedarfsprüfung durch die Grundsicherungsämter das vorhandene Einkommen und Vermögen betrachtet wird. Der Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 65 Jahren lag in Rheinland-Pfalz nach der Stichtagserhebung zum 31. Dezember 2013 bei 2,6 Prozent. Im Vergleich der alten Bundesländer haben nur Baden-Württemberg mit einer Quote von 2,3 Prozent und Bayern mit einer Quote mit 2,6 niedrigere beziehungsweise gleich niedrige Quoten. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Januar 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4452 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Rheinland-Pfalz bei der Mindestsicherungsquote insgesamt vergleichsweise günstig steht. Zum Jahresende 2013 waren in Rheinland-Pfalz 6,9 Prozent der Bevölkerung auf Mindestsicherung angewiesen, das heißt, auf finanzielle Hilfen des Staates und der Kommunen, um ihren grundlegenden Lebensunterhalt zu sichern. Unter den Ländern weist Rheinland-Pfalz nach Bayern (4,5 Prozent) und Baden-Württemberg (5,1 Prozent) die drittniedrigste Quote auf. Deutschlandweit sind 9,1 Prozent der Bevölkerung auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen. Rheinland-Pfalz belegt darüber hinaus auch seit Jahren den drittbesten Platz im Vergleich der Arbeitslosenquoten der Länder. Sie liegt bei 5,0 Prozent (Stand November 2014). Die SGB II-Quote beträgt in Rheinland-Pfalz 6,9 Prozent (Stand November 2014). Das ist die drittniedrigste Quote in Deutschland nach Bayern (4,1 Prozent) und Baden-Württemberg (5,0 Prozent). Bundesweit liegt die SGB II-Quote bei 9,4 Prozent. Zu 2.: Armut im Alter ist im hohen Maße durch die jeweiligen Erwerbsbiografien bedingt. Geringe Rentenansprüche und fehlendes Vermögen sind in der Regel das Ergebnis von Lebensläufen, in denen sich zum Beispiel längere Phasen der Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen und fehlende Absicherung in der Sozialversicherung ergeben haben. Bei den Bestandsrenten wirken sich nach Erkenntnissen der Armutsforschung auch noch – was die sehr niedrigen durchschnittlichen Zahlbeträge in Rheinland-Pfalz erklärt – die niedrigen Löhne lange vergangener Jahrzehnte in Regionen mit später Anpassung der Wirtschaftsstruktur aus, aber auch geringe Löhne am aktuellen Rand. Die in Rheinland-Pfalz im gesamtdeutschen Vergleich besonders niedrigen durchschnittlichen Zahlbeträge der Renten haben sich im vergangenen Jahrzehnt ähnlich wie in Bayern dem westdeutschen Niveau zwar „von unten“ angenähert. Die schwächere Wirtschaftskraft und -struktur der weiteren Vergangenheit (ursprünglich landwirtschaftliche Prägung) wirkt sich aber besonders bei den Bestandsrenten immer noch aus. Bei den Neurenten geht die Armutsforschung mittlerweile dagegen zunehmend davon aus, dass bundesweit wie auch in Rheinland-Pfalz die Folgen der lange andauernden Massenarbeitslosigkeit und gewandelten Beschäftigungsformen ihre Wirkungen zeigen. Zu 3.: Die Armutsrisikoquote der Frauen über 65 Jahren fällt deutlich höher als die der älteren Männer aus. Die Armutsrisikoquote der Frauen über 65 Jahren lag im Jahr 2013 bei 20,6 Prozent, die Armutsrisikoquote der Männer in der gleichen Altersgruppe bei 14,3 Prozent. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter wurden hauptsächlich Frauen gewährt. Zum Stichtag 31. Dezember 2013 waren 14 200 Frauen leistungsberechtigt, was einem Anteil von 65,3 Prozent der Leistungsberechtigten entspricht. Die Zahl der Männer mit Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lag bei 7 540 beziehungsweise 34,7 Pro - zent der Leistungsberechtigten. Zur regionalen Verteilung der Armutsrisikoquoten sind keine Aussagen möglich. Die Veröffentlichungen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zu Armutsgefährdungsquoten nach tiefer regionaler Gliederung enthalten keine Angaben zu regionalen Armutsrisikoquoten der über 65-Jährigen. Der Mikrozensus erlaubt aufgrund seines begrenzten Stichprobenumfangs auch keine verlässlichen Aussagen zu Armutsrisikoquoten auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte. Zur Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen auf die Anzahl der Leistungsberechtigten im Alter ab 65 Jahren wird auf die beigefügte Tabelle im Anhang verwiesen. Zu 4.: Ein entscheidender Faktor für die heutige Altersarmut liegt – wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt – in den niedrigen Löhnen früherer Jahrzehnte in Regionen mit später Anpassung der Wirtschaftsstruktur. Mit Blick auf die Vermeidung zukünftiger Altersarmut sind die wichtigsten Ursachen Arbeitslosigkeit, Arbeit zu Armutslöhnen sowie fehlende sozialversicherungsrechtliche Absicherung . Diese Feststellungen bestätigen die Richtigkeit der rheinland-pfälzischen Politik gegen Armut. So ist die gesamte Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung darauf ausgerichtet, Arbeitslosigkeit zu reduzieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Der Arbeitsmarkt soll stärker von gerechter Entlohnung, sozialer Gerechtigkeit, Teilhabe und gesundheitsbewussten Arbeitsbedingungen geprägt werden . Und deshalb hat sich die Landesregierung frühzeitig und mit Nachdruck für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns eingesetzt. Vorrangiges Ziel ist es, dass alle erwerbsfähigen Menschen die Möglichkeit bekommen, ihren Lebens - unterhalt zu erarbeiten. Um Armut zu reduzieren, muss die Einkommenssituation der Betroffenen verbessert werden. Dazu gehört die möglichst nachhaltige Integration aller erwerbsfähigen Menschen in den Arbeitsmarkt. Wesentliches Anliegen der Landesregierung ist zudem, der Zunahme atypischer und häufig prekärer Beschäftigung entgegenzuwirken. Zur Wirkung dieser Ansätze wird auf die Ausführungen zur Mindestsicherungsquote, SGB II-Quote und Arbeitslosenquote in der Antwort zu Frage 1 verwiesen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4452 3 Anlage