Drucksache 16/4457 09. 01. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anne Spiegel und Dr. Dr. Rahim Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rezeptfreie „Pille danach“ Die Kleine Anfrage 2931 vom 18. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Die sogenannte „Pille danach“ ist ein hormonelles Präparat, um ungewollte Schwanger schaf ten zu verhindern. Laut Bundesgesundheitsministerium wurde sie im Jahr 2013 in Deutsch land 200 000-mal verschrieben. In nahezu allen europäischen Ländern sowie in den USA ist die „Pille danach“ bereits rezeptfrei zu erwerben. In Deutschland hingegen ist bisher ein Arztbesuch notwendig, um ein Rezept für die „Pille danach“ zu bekommen. Nun hat die EU-Zulassungsbehörde EMA Ende November 2014 empfohlen, die „Pille danach“ rezeptfrei in Apotheken erwerben zu können. Bundesgesundheitsminister Gröhe hat eine Prüfung der Empfehlung angekündigt. Sollte die EU-Kommission die Rezeptpflicht aufheben , würde dies auch für Deutschland gelten. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der Empfehlung der EU-Zulas sungs behörde die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ in der Apotheke unter Berücksichtigung der derzeitigen Rezeptpflicht? 2. Wie kann sich die Landesregierung jeweils bei der Europäischen Union und dem Bund vor dem Hintergrund deren Zuständig- keiten für die rezeptfreie Zulassung der „Pille danach“ einsetzen? 3. Wie sieht die Landesregierung eine gute Beratung in der Apotheke bezüglich der rezeptfreien Ausgabe der „Pille danach“ ge- währleistet? 4. Wann werden sich nach Kenntnis der Landesregierung die EU-Kommission und die Bundesregierung mit den Empfehlungen der EU-Zulassungsbehörde EMA bezüglich der Aufhebung der Rezeptpflicht auseinandersetzen? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 8. Januar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich bereits seit lan gem für die Freistellung der „Pille danach“ aus der Verschreibungs - pflicht ausgesprochen und diese Position sowohl im Landtag als auch im Bundesrat mit der Mehrheit der Länder vertreten. Diese Ini tiativen bezogen sich auf in Deutschland zugelassene Notfallkontra zeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel, zu dem schon seit über zehn Jahren Daten zu einer sicheren Anwendung vorliegen. Dabei stützen sich die Länder auf Empfehlungen des Sachverständigen ausschusses des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinpro dukte, der bereits im Jahr 2003 und erneut im Januar 2014 für die Freistel lung der „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht votiert hat. Bislang hat die Bundesregierung mit Hinweis auf eine ihrer Meinung nach unerlässliche ärztliche Be ratung bei der Abgabe der „Pille danach “ die Freistellung von der Verschreibungspflicht beharrlich verhindert. Ende November 2014 hat sich die Europäische Zulassungsagentur EMA, die im Auftrag der Europäischen Kommission zentral zugelas sene Arzneimittel bearbeitet und bewertet, dafür ausgesprochen, die „Pille danach“ EllaOne© mit dem neuen Wirkstoff Ulipristalacetat, die seit dem Jahr 2009 europaweit zugelassen ist, aus der Verschreibungs pflicht zu entlassen. Der zuständige Fachausschuss der EMA stützt sich bei dieser Empfehlung auf umfangreiche Daten europaweit zu Wirksamkeit und Sicherheit bei der Anwendung der „Pille danach“ mit dem Wirk stoff Ulipristalacetat. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. Februar 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4457 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die rheinland-pfälzische Landesregierung begrüßt diese auf wissen schaftlichen Daten beruhende Empfehlung der EMA zur Freistellung der „Pille danach“ aus der Verschreibungspflicht und sieht vor die sem Hintergrund auch die in Deutschland bestehende Rezeptpflicht für Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel mit guten Erfahrungen bei der Anwendung über mehr als zehn Jahre als nicht mehr zeitge mäß an. Zu 2.: Die Zulassung und systematische Beobachtung beziehungsweise Erfassung von Nebenwirkungen von Arzneimitteln liegt im Rahmen des Zulas sungsverfahrens bei europäischen Zulassungen bei der EMA, wäh rend bei rein nationalen Zulassungen in Deutschland das Bundesin stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beziehungsweise das Paul-Ehrlich-Institut zuständig sind. Diese Einrichtungen bearbeiten die jeweili gen Zulassungen allein nach fachlichen Kriterien und sind dabei un abhängig. Die Länder sind demgegenüber für die Überwachung des ord nungsgemäßen Arzneimittelverkehrs zuständig. Die Landesregierung kann auf europäischer Ebene nicht direkt ein greifen, sondern nur mittelbar über die Bundesregierung Bitten an die Kommission adressieren. Auf nationaler Ebene kann die Lan desregierung keinen Einfluss auf das eigentliche Zulassungsverfah ren nehmen. Die Länder können sich jedoch wegen ihrer originären Zuständigkeit für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs bei der Umsetzung von Abgabebestimmungen im Rahmen der Arzneimittel verschreibungsverordnung für eine rezeptfreie Abgabe von Arznei mitteln einsetzen. Diese Möglichkeit hat die Landesregierung im Bundesrat im Falle der „Pille danach“ auch regelmäßig wahrgenommen. Zu 3.: Die Apothekenleiter sind bei der Abgabe von Arzneimitteln gemäß der einschlägigen Regelungen der Apothekenbetriebsordnung zur Qualitätssicherung zu einer hinreichenden Information und Beratung verpflichtet. Aufgrund ihrer Ausbildung und fachlichen Qualifikation sind Apothekerinnen und Apotheker als Fachleute für die Arznei mittelanwendungssicherheit für diese Beratung auch prädestiniert. Das kann in Einzelfällen auch bedeuten, Frauen zur weitergehenden Abklärung an eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen zu verwei sen. Der deutsche Apothekertag hat bereits im Jahr 2013 die Bereit schaft der deutschen Apothekerinnen und Apotheker zur Über nahme dieser Beratungsaufgabe bei der Abgabe der „Pille danach“ bekundet. Dieses Votum wurde vom Präsidenten der Bundesapo thekerkammer sowie von der Landesapothekerkammer Rheinland–Pfalz in letzter Zeit mehrfach ausdrücklich be stätigt. Zu 4.: Voraussichtlich bis Ende Januar 2015 wird sich die EU-Kommission mit der Empfehlung beschäftigen und dazu einen Beschluss fassen . Erfahrungsgemäß orientiert sie sich dabei an den Voten der EMA und des zugehörigen Fachausschusses CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use). Auf Bundesebene wird Mitte des Jahres 2015 nach den von Bun desgesundheitsminister Hermann Gröhe angekündigten Gesprä chen mit den Verbänden der Gynäkologen, der Apothekerschaft sowie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit einem Vorschlag zur Umsetzung zu rechnen sein. Eine Freistellung der „Pille danach“ aus der Verschreibungspflicht auf europäischer Ebene würde nicht automatisch für Deutschland bindend sein, weil die einzelnen Mitgliedsstaaten beim Verkauf und der Abgabe emp fängnisverhütender oder schwangerschaftsunterbrechender Arz neimittel eigenverantwortlich Einschränkungen vornehmen können. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin