Drucksache 16/4470 12. 01. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dorothea Schäfer und Bettina Dickes (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Gesundheitsmanagement an Schulen Die Kleine Anfrage 2911 vom 12. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Nach einer aktuellen Studie des „Aktionsrats Bildung“ fühlt sich jeder dritte Lehrer in Deutschland ausgebrannt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Studie „Burnout im Bildungssystem – Prävention und Intervention in den Ländern. Eine Zwischenbilanz“? 2. Was sind nach Ansicht der Landesregierung die Ursachen für die psychischen Probleme bei Lehrerinnen und Lehrern? 3. Gibt es in Rheinland-Pfalz Evaluationen und Statistiken über psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal? 4. Welche Maßnahmen ergreift das Land Rheinland-Pfalz zur Burnout-Prophylaxe und zum Erhalt der psychischen Gesundheit der Beschäftigten im Bildungssystem? 5. Würde sich nach Ansicht der Landesregierung eine Erhöhung der Grundversorgung der Schulen mit mehr als 100 % des Bedarfs an Lehrerwochenstunden stressmindernd auf das Lehrpersonal auswirken? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 12. Januar 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Landesregierung ist sich der elementaren Bedeutung eines effektiven Gesundheitsmanagements im Schulbereich bewusst. Bereits 2007 wurde in einem vom damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz durchgeführten Projekt zur „Konzeptentwicklung einer arbeitsmedizinischen Betreuung von Lehrkräften in Rheinland-Pfalz“ ein übergreifendes, ressourcenorientiertes Konzept zur arbeitsmedizinischen Betreuung und Gesundheitsförderung von Lehrkräften in Rheinland-Pfalz entwickelt, das sich an den Belastungen und Bedürfnissen der Betroffenen, den rechtlichen Vorgaben sowie den Möglichkeiten der praktischen Umsetzung orientiert . Hieraus resultierte der Ministerratsbeschluss vom 31. August 2010, wonach die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung aller staatlichen Lehrkräfte sowie der pädagogischen Fachkräfte in Rheinland-Pfalz durch die Gründung eines Instituts für Lehrergesundheit/Fachberatungszentrum für arbeitsmedizinische Betreuung beim Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz sichergestellt werden sollte. Das Institut für Lehrergesundheit (IfL) wurde im Januar 2011 unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Letzel errichtet und übernimmt seitdem die Betreuung der Beschäftigten an rheinland-pfälzischen Schulen im Rahmen des Gesundheitsmanagements sowie der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung. Dies vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff „Burnout“ keine definierte Belastungs- oder Erkrankungssituation dargestellt wird. Es handelt sich dabei vielmehr um verschiedene Anpassungsstörungen bis hin zu klinisch manifesten Erkrankungen wie z. B. Depressionen. Ebenso vielfältig wie die gesundheitlichen Störungen, die mit dem Begriff „Burnout“ verknüpft werden, sind deshalb auch Prävention, Diagnostik und Behandlung. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 30. Januar 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4470 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Ergebnisse der Studie der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V. (vbw) sind nicht neu, da in den letzten Jahren bereits zahlreiche Studien zu Burnout und psychischen Erkrankungen veröffentlicht wurden. So werden im Gesundheitsbericht des IfL für das Schuljahr 2012/2013 zahlreiche Forschungsergebnisse zur Lehrergesundheit, darunter auch diejenigen zu psychischen Belastungen, in einem eigenen Kapitel gegenübergestellt und bewertet. Eine Besonderheit des vorliegenden Monitoring-Berichts liegt in dem Versuch darzustellen, welche Maßnahmen und Projekte in den Bundesländern existieren, um einer Burnout-Erkrankung bei den in Bildungssystemen tätigen Menschen zu begegnen. Angesichts des geringen Rücklaufs (18 Antworten bei 182 Anfragen) hat der Bericht das selbst gesteckte Ziel, „wie im Bildungswesen tätige Personen identifiziert und unterstützt werden können, die sich aufgrund eines inadäquaten Umgangs mit hohen beruflichen Anforderungen chronisch überbelastet fühlen und – möglicherweise – eine qualitätsgeminderte Arbeit leisten“, nicht erreicht. Für Rheinland-Pfalz, das auf die Befragung geantwortet hat, muss zudem darauf hingewiesen werden, dass der vbw lediglich die wesentlichen Maßnahmen und Aktivitäten mitgeteilt wurden, die für die Anfrage relevant erschienen. Eine vollständige Darstellung hätte aufgrund der Vielfältigkeit den Rahmen gesprengt, zumal eine Zuordnung zum Ziel „burnoutpräventiv“ auch nicht immer eindeutig hätte erfolgen können. Insgesamt kann den wesentlichen Forderungen des Aktionsrates zugestimmt werden, insbesondere auch den Empfehlungen für Interessierte am Lehramtsstudium und während des Studiums und des Referendariats. Die Bewertung der aktuellen Bemühungen der sich an der Umfrage beteiligenden Länder muss hingegen teilweise in Frage gestellt werden. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass die getroffenen Schlussfolgerungen nicht immer zwingend erscheinen, z. B. wenn unterstellt wird, dass sich bei einer Befragung von Schulen auf freiwilliger Basis insbesondere „die vergleichsweise gut aufgestellten und weniger belasteten Schulen und Lehrkräfte“ beteiligen (Seite 51 des Berichts). Auf der Basis der Erfahrungen des IfL ist eher davon auszugehen, dass insbesondere belastete Schulen oder Lehrkräfte auf entsprechende Erhebungen reagieren, weil diese ihnen die Möglichkeit bieten, auf bestehende Probleme aufmerksam zu machen. Zu den Fragen 2 und 5: Eine eindeutige Ursache für psychische Belastungen gibt es weder im Allgemeinen noch für den Beruf einer Lehrkraft. Regelmäßig wirken individuelle, strukturelle und berufliche, schulspezifische Faktoren zusammen, die nachfolgend beispielhaft genannt werden. Individuelle Faktoren können u. a. eigene psychische Grunderkrankungen (Depressionen, Persönlichkeitsstörungen), Belastungssituationen im privaten Umfeld, aber auch eine mangelnde Eignung für den Beruf mit einem damit verbundenen erhöhten Belastungsempfinden sein. Insbesondere die Diskrepanz zwischen den selbst gestellten Zielen und der Konfrontation mit der beruflichen Realität ist hier als mögliche Ursache zu nennen. Strukturelle Faktoren können geänderte Rahmenbedingungen im Schulalltag sein, etwa Veränderungen in bekannten Organisationsstrukturen , aber auch Belastungen durch zunehmende Aufgaben neben den unterrichtlichen Tätigkeiten sowie durch Vertretungsstunden . Bei den schulspezifischen Faktoren kann es sich z. B. um Konflikte im Kollegium oder mit der Schulleitung, Schwierigkeiten mit Schülerinnen und Schülern oder deren Eltern handeln. Auch räumliche Rahmenbedingungen können als belastend empfunden werden. Vor diesem Hintergrund ist die Landesregierung der Überzeugung, dass zielführende Maßnahmen zur arbeitsmedizinischen Betreuung gerade im Bereich des Burnouts individuell auf der Basis einer Gefährdungsbeurteilung zu treffen sind. Die Landesregierung sieht sich daher in ihrer Entscheidung bestätigt, das Institut für Lehrergesundheit zu etablieren, da den betroffenen Personen auf individuelle Probleme spezifische Handlungsempfehlungen gegeben werden können und deren Wirksamkeit sowie Nachhaltigkeit überprüft werden kann. Zu Frage 3: Psychische Belastungen werden in Rheinland-Pfalz weder evaluiert noch statistisch erfasst, da entsprechende Daten nicht zur Verfügung stehen. Einerseits ist Burnout kein klar definiertes Erkrankungsbild, andererseits werden dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn grundsätzlich im Krankheitsfall keine Diagnosen mitgeteilt. Daten zu psychischen Belastungen bei Lehrkräften gewinnt das IfL aber im Rahmen der arbeitsmedizinischen Betreuung der Lehrkräfte . Diese werden in den jährlichen Gesundheitsberichten des IfL – unter Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht – anonymisiert statistisch aufbereitet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegenden Daten auf Befragungen jener Lehrkräfte basieren, die bisher seitens des IfL betreut wurden. Sie können daher nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Zu Frage 4: Der langfristige und nachhaltige Erhalt und gegebenenfalls die Wiederherstellung der psychischen Gesundheit der Beschäftigten an rheinland-pfälzischen Schulen ist der Landesregierung ein besonderes Anliegen. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen, die Schulleitungen mit Unterstützung des IfL durchführen, werden daher einerseits anonyme Online-Befragungen zur Erfassung der individuellen Arbeitssituation und des Gesundheitsempfindens durchgeführt und durch das IfL ausgewertet. Ergänzend gibt es 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4470 eine individuelle Feinanalyse zur Erfassung der psychosozialen Arbeitsbelastung, Ressourcen und Beanspruchungsreaktionen. Hierfür stehen vom IfL entwickelte Online-Tools zur Verfügung, die es den Schulleitungen sowie den Lehrkräften ermöglichen, eine systematische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Aus den Ergebnissen werden seitens des IfL u. a. Implikationen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit abgeleitet und mit betroffenen Schulleitungen und Lehrkräften erörtert. Bei Bedarf werden Schulleitungen und Lehrkräfte bei den erforderlichen Maßnahmen unterstützt und begleitet. Darüber hinaus haben alle Lehrkräfte die Möglichkeit, sich im Rahmen der arbeitsmedizinischen Betreuung persönlich durch das IfL ärztlich und/oder psychologisch beraten zu lassen. Neben einer telefonischen Beratung oder dem Kontakt per E-Mail besteht die Möglichkeit, die Sprechstunde des IfL in Mainz oder die regionalen Sprechstunden an ausgewählten Standorten in RheinlandPfalz aufzusuchen. In allen Sprechstunden wird den Lehrkräften auch ein umfassender Gesundheits-Check-up angeboten. 2014 wurde überdies zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur und den Hauptpersonalvertretungen des Schulbereichs eine Dienstvereinbarung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement im Schuldienst geschlossen , die als weiterer Bestandteil des Gesundheitsmanagements die Wiedereingliederung von langfristig (gegebenenfalls auch psychisch ) erkrankten Beschäftigten zum Ziel hat. Lehrkräften, aber auch Beamtinnen und Beamten im Vorbereitungsdienst sowie Interessierte am Lehramtsstudium vor Studienbeginn , stehen darüber hinaus zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, sich mit der Fragestellung auseinanderzusetzen. Verschiedene Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, wie z. B. – das Institut für Lehrergesundheit – das Projekt Lehrergesundheit der ADD – das Pädagogischen Landesinstitut – die Landeszentrale für Gesundheitsförderung – die Unfallkasse Rheinland-Pfalz – das Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung – das Erziehungswissenschaftliche Fort- und Weiterbildungsinstitut bieten hierzu zahlreiche Möglichkeiten an, die aufgrund ihrer Vielfalt lediglich beispielhaft genannt werden: – Fortbildungsveranstaltungen zum Thema – Lehrergesundheit – Burnout-Prophylaxe – Stress- und Zeitmanagement – Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeit – Resilienztraining – Work-Life-Balance – Entspannung und Bewegungsausgleich – fachliche und pädagogische Kompetenzen – Einzelberatung, Teamsupervision, Coaching Bereits diese beispielhafte Aufzählung verdeutlicht, dass sich die Landesregierung der Bedeutung der angesprochenen Problematik bewusst ist und gerade deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen ergreift, um die psychische Gesundheit der Lehrkräfte dauerhaft zu erhalten. In Vertretung: Hans Beckmann Staatssekretär 3