Drucksache 16/4478 13. 01. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Gerd Schreiner und Dr. Adolf Weiland (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Folgerungen aus dem Konsolidierungscheck Bundesländer des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Die Kleine Anfrage 2918 vom 18. Dezember 2014 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Bewertung, dass Rheinland-Pfalz zu den Ländern gehört, die am weitesten von einem Haushalt oh- ne Neuverschuldung entfernt sind? 2. Teilt die Landesregierung die Feststellung des IW, dass Rheinland-Pfalz im Jahr 2013 das dritthöchste strukturelle Finanzie- rungssaldo je Einwohner aller Länder nach Bremen und dem Saarland vorweist? 3. Teilt die Landesregierung die in den Fragen 1 und 2 genannten Einschätzungen vor dem Hintergrund, dass nach Länderfinanz- ausgleich und Bundesergänzungszuweisungen die Steuereinnahmen je Einwohner der Länderhaushalte nahezu nivelliert sind? 4. Welche Änderungen der rheinland-pfälzischen Haushaltspolitik erfordern nach Ansicht der Landesregierung die Ergebnisse der IW-Studie? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 13. Januar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung teilt die Einschätzung nicht, dass Rheinland-Pfalz zu den Ländern gehört, die am weitesten von einem Haushalt ohne Neuverschuldung entfernt sind. Rheinland-Pfalz muss jedoch als finanzschwaches westdeutsches Flächenland große Anstrengungen unternehmen, um den Anforderungen der Schuldenbremse gerecht zu werden. Die schwache Finanzausstattung, verbunden mit großen politischen und finanzwirtschaftlichen Herausforderungen, wie der Konversion, der ländlich geprägten Struktur und im Bildungsbereich (u. a. Ganztagsschule und Ausbau der frühen Förderung), führten dazu, dass Rheinland-Pfalz sich am Anfang der Konsolidierungsphase in einer schwierigen Ausgangslage befunden hat. Aus dieser Gewissheit heraus hat die Landesregierung bereits zu Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2011 ein umfangreiches Konsolidierungspaket beschlossen. Dieses umfasste sowohl Maßnahmen auf der Ausgabe- wie auch der Einnahmeseite. Beispielhaft sei auf den Personalabbau, die Besoldungsbegrenzung sowie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer hingewiesen. Am Ende der Legislaturperiode wird eine Konsolidierungssumme von 1,2 Mrd. Euro erreicht sein. Damit einhergehend soll das strukturelle Defizit auf 535 Mio. Euro (in 2016) sinken. Es ist nicht zielführend, Momentaufnahmen zu betrachten. Der Gradmesser einer erfolgreichen Konsolidierung ist vielmehr die konsequente Einhaltung des Konsolidierungsweges. Das IW führt eine stark vereinfachte Projektionsrechnung durch. In den vom IW verwendeten Daten schlagen sich sowohl statistische Besonderheiten als auch der Ausgliederungsgrad und der Kommunalisie- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Februar 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4478 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode rungsgrad unterschiedlich nieder. Ein verlässlicher Ländervergleich allein aufbauend auf den amtlichen Kassenstatistiken ist grundsätzlich schwer darstellbar. Die vom IW durchgeführte Analyse weist hinsichtlich der Datenauswahl qualitative Mängel auf. Das IW kommt zu dem Ergebnis, dass die Ausgaben mit 2,5 % p. a. bis 2020 wachsen können. Lässt man die o. g. qualitativen Mängel außer Acht, wären dennoch zur Einhaltung dieser Steigerungsrate keine zusätzlichen Konsolidierungsmaßnahmen notwendig, da das Land in seiner Finanzplanung bereits mit einer Ausgabensteigerung von rd. 2,4 % p. a. geplant hat. Zu 2.: Die Landesregierung teilt diese Einschätzung nicht. Das IW geht auch im Bereich des strukturellen Defizits nach einem vereinfachten standardisierten Verfahren vor. Dieses Verfahren lehnt sich an die in der Verwaltungsvereinbarung mit den Konsolidierungsländern vereinbarte Vorgehensweise an. Der strukturelle Finanzierungssaldo stellt den um konjunkturelle Effekte und finanzielle Transaktionen bereinigten Finanzierungssaldo dar. Zudem werden bei dem Verfahren für die Konsolidierungsländer bestimmte Salden von ausgelagerten Einheiten berücksichtigt. Für die übrigen Länder weicht das IW hiervon ab und berücksichtigt diese Salden lediglich bei den Konsolidierungsländern, wendet also nicht für alle die gleiche Berechnungsmethode an. Die Relevanz des strukturellen Defizits mit Blick auf die Frage, ob man sich dem Ziel nähert, 2020 den ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, wird zudem durch die isolierte Betrachtung des Kernhaushalts eingeschränkt . Die Untersuchung des IW verliert durch die eingeschränkte Betrachtungsweise erheblich an Aussagekraft. Die Berechnung der Konjunkturkomponente anhand der Produktionslücke ist fachlich umstritten, u. a. weisen der unabhängige Beirat des Stabilitätsrates sowie die Bundesbank auf die Risiken bei diesem Verfahren hin. Zudem wurde die ex-post Konjunkturkomponente vom IW in einem Näherungsverfahren bestimmt, was zu Unschärfen führt. Rheinland-Pfalz gehört neben NordrheinWestfalen und Berlin zu den Ländern für die das IW eine positive Konjunkturkomponente annimmt. Dies ist auch vor dem Hintergrund , dass in den bisher vorliegenden Einschätzungen zur Produktionslücke für das Ist-Ergebnis 2013 eine Unterauslastung angenommen wird, bemerkenswert. Dies zeigt auf, dass allein die Wahl des Bereinigungsverfahrens erhebliche Auswirkung auf das Ergebnis haben kann. Auch nach den Zahlen des Stabilitätsrates ergibt sich ein anderes Bild als bei der Berechnung des IW. Der strukturelle Saldo von Rheinland-Pfalz (– 66 Euro je Einwohner) war demnach 2013 nicht nur besser als der des Saarlandes und Bremens, sondern auch besser als der von Hessen (– 121 Euro je Einwohner), Niedersachsen (– 128 Euro je Einwohner) und Nordrhein-Westfalen (– 96 Euro je Einwohner).1) Der für Rheinland-Pfalz anhand der Landesverfassung und dem dazugehörigen Ausführungsgesetz berechnete strukturelle Saldo für das Jahr 2013 beträgt – 554 Mio. Euro. Diese Betrachtung bildet entgegen der Berechnung des IW (– 855 Mio. Euro) den Gesamt - konzern Land ab. Zudem wird für die Konjunkturbereinigung das in Rheinland-Pfalz festgeschriebene Konjunkturbereinigungsverfahren (Steuertrendverfahren) genutzt. Zu 3.: Wie bereits unter 1. und 2. dargestellt, teilt die Landesregierung die dort getroffenen Aussagen nicht. Hinzu kommt, dass die Steuereinnahmen je Einwohner nach Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen nicht nivelliert sind. Grundsätzlich stellt der Steuerkraftausgleich auf die Finanzkraft der Länder und der Kommunen ab. Die kommunale Finanzkraft wird jedoch nur zu 64 % in den Ausgleich einbezogen. Dies führt dazu, dass in den Ländern mit finanzschwachen Kommunen eine deutliche Nivellierungslücke verbleibt. Die Finanzausgleichszahlungen beinhalten demnach auch Ausgleichsmittel für kommunale Finanzschwäche. Vergleicht man die Einnahmen aus dem Finanzausgleich (LFA, allg. BEZ) nur mit den originären Steuereinnahmen der Länder, so entsteht das falsche Bild eines sehr hohen Nivellierungsgrades. Tatsächlich liegt die Finanzkraft (nach LFA und allg. BEZ), bezieht man die Gemeindesteuereinnahmen richtigerweise mit ein, für die finanzschwachen alten Flächenländer bei rd. 95 % des Durchschnitts, während die reichen alten Flächenländer über rd. 103 % verfügen können. Zusätzlich erhalten insbesondere die neuen Bundesländer erhebliche Sonder-Bundesergänzungszuweisungen. Im Jahr 2013 wurden Sonder-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von rd. 500 Euro je Einwohner an die neuen Bundesländer ausgezahlt. Zu 4.: Aufgrund der vorgenannten methodischen Mängel sowie der vereinfachten Betrachtungsweise ist der sogenannte „Konsolidierungscheck “ des IW nicht dazu geeignet, Impulse oder Hinweise für die Haushaltspolitik des Landes zu geben. 2 1) Der strukturelle Finanzierungssaldo je Einwohner in Abgrenzung des Stabilitätsrates wird zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht um konjunkturelle Effekte bereinigt. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4478 Daneben stellt der jetzt veröffentlichte Konsolidierungscheck Bundesländer vielmehr eine Kurzanalyse der strukturellen Defizite 2013 bzw. eine Aktualisierung der Daten des Konsolidierungschecks des Vorjahres dar. Im „Konsolidierungscheck 2013“ wurde Rheinland-Pfalz beim Abbau des Defizits ein „bemerkenswerter Erfolg“ bescheinigt.2) Trotz eines deutlich besseren Haushaltsabschlusses 2013 werden die Entwicklungen nun negativ bewertet. Der Stabilitätsrat, als offizielles Organ der Haushaltsüberwachung des Bundes und der Länder, hat Rheinland-Pfalz in seiner letzten Sitzung nicht nur bescheinigt, dass keine Haushaltnotlage droht. Vielmehr sprechen die Haushaltskennziffern eine deutliche Sprache und zeigen die positiven Entwicklungen des Landeshaushalts. Die Landesregierung ist zudem der Meinung, dass eine allgemein gehaltene Analyse nicht den ländereigenen Besonderheiten gerecht werden kann. Mit der Konsolidierungsplanung und den darin enthaltenen Maßnahmen hat die Landesregierung ein auf die Bedürfnisse des Landes abgestimmtes Programm entwickelt. Ausweislich der bisherigen Ist-Ergebnisse wurde der geplante Konsolidierungspfad übererfüllt, die für den Abbau des strukturellen Defizits vorgegebenen jährlich sinkenden Obergrenzen wurden weit unterschritten. Doris Ahnen Staatsministerin 3 2) IW (2013): Konsolidierungscheck 2013 – strukturelle Defizite in den Bundesländern, S. 21.