Drucksache 16/4611 18. 02. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christian Baldauf und Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Verschärfung der Vorschriften zur Vermögensabschöpfung aus Straftaten Die Kleine Anfrage 3049 vom 29. Januar 2014 hat folgenden Wortlaut: Die Abschöpfung von Vermögen aus Straftaten ist ein wichtiges Instrument für eine effektive Strafverfolgung. Allerdings wird bisher nur ein geringer Prozentteil der Erlöse aus Straftaten beschlagnahmt. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes betrug bundesweit die für das Jahr 2012 gemeldete Schadenssumme rund 1,1 Mrd. Euro. Der Anteil der Verfahren, in denen im gleichen Zeitraum Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung von Vermögens werten getroffen wurden, lag jedoch bei nur ca. 25 %. Die Drogenbeauftragte der Bundes regierung hat sich vor diesem Hintergrund im Januar 2015 dafür ausgesprochen, die vorläufige Beschlagnahmung von Vermögenswerten zu erleichtern und deren nachträgliche Ab schöpfung zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie haben sich in den vergangenen Jahren die entsprechenden Zahlen in Rheinland-Pfalz entwickelt? 2. Befürwortet die Landesregierung eine Verschärfung der strafrechtlichen Regelungen (z. B. Vereinfachung der Vorschriften, Er- leichterung der vorläufigen Sicherstellung von Vermögenswerten, Ermöglichung einer nachträglichen Vermögensabschöpfung, verfassungskonforme Beweislastumkehr etc.)? 3. Wenn ja: Wird sie entsprechende Bundesratsinitiativen einbringen und wann soll dies gegebenenfalls erfolgen? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 12. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Mit dem Mittel der Vermögensabschöpfung werden dem Täter die durch Straftaten unrechtmäßig erlangten Vermögensvorteile durch gerichtliche Entscheidung wieder entzogen. Vermögensabschöpfung umfasst nicht nur Verfall und Einziehung zu Gunsten des Staates, sondern auch die Rückgewinnungshilfe zu Gunsten Verletzter. Maßnahmen zu Gunsten des Staates sind ausgeschlossen, wenn vorrangige Ansprüche Verletzter bestehen (§ 73 Absatz 1 Satz 2 StGB). Allerdings besteht seit dem Jahr 2007 die Möglichkeit des sogenannten Auffangrechtserwerbs des Staates nach § 111 i Absatz 5 StPO. Dieser tritt nach drei Jahren ein, wenn der Verletzte nicht bereits auf das Vermögen zugegriffen hat, aus anderen Vermögenswerten befriedigt wurde oder andere Ausschlussgründe vorliegen. Rückgewinnungshilfe kommt überwiegend im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte, aber auch bei Straftaten in Zusammen - hang mit dem Wirtschaftsleben in Betracht. Einziehung und Verfall werden bei Delikten angeordnet, in denen es keine Verletzten gibt, vor allem im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Daneben besteht die Möglichkeit, dass der Täter auf die Rückgabe sichergestellter Vermögenswerte verzichtet und damit eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich macht. Voraussetzung jeder vermögensabschöpfenden Maßnahme ist die Feststellung, dass der Täter oder ein Dritter aus der Tat etwas erlangt hat und entsprechende Werte noch im Vermögen vorhanden sind. Außerdem gilt im Bereich der Vermögensabschöpfung – wie im gesamten Strafrecht – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Anordnung unterbleibt, wenn sie eine unbillige Härte bedeutet, der Wert des Erlangten nur noch gering oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist (§ 73 c StGB). Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. März 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4611 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Strafverfolgungsstatistik der Justiz erfasst nur die Fälle, in denen Verfall oder Einziehung zu Gunsten des Staates durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen angeordnet wurden. Nicht enthalten sind die Fälle des freiwilligen Verzichts auf die Rückgabe sichergestellten inkriminierten Vermögens oder Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe für Verletzte. Ausweislich dieser Statistik ist in Rheinland-Pfalz der Anteil der erwachsenen oder heranwachsenden Verurteilten leicht gestiegen. Die Statistik weist für Rheinland-Pfalz im Einzelnen für die Jahre 2007 bis 2013 folgende Zahlen aus: 2 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1. Verurteilte Erwachsene und Heran- 38 294 37 127 38 789 37 240 36 314 34 675 33 309 wachsende insgesamt darunter mit Anordnung von Ver- 1 506 1 960 2 189 1 992 2 110 2 126 2 064 fall etc. und Einziehung insgesamt (in Prozent) 3,9 5,3 5,6 5,3 5,8 6,1 6,2 davon: – Verfall 87 72 71 52 65 57 82 – erweiterter Verfall 16 25 15 21 28 22 14 – Einziehung (insgesamt) 1 403 1 863 2 103 1 919 2 017 2 047 1 968 – darunter nach §§ 74, 74 a,74 c StGB 497 512 535 504 447 468 517 – darunter nach § 74 d StGB 2 6 0 0 0 1 0 2. Verurteilte Jugendliche 2 809 3 166 2 989 2 768 2 638 2 401 2 034 darunter mit Anordnung von Ver- 14 22 32 25 16 20 22 fall etc. oder Einziehung (hier nur insgesamt ausgewiesen) Statistische Daten für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor. Tatsächlich sind dem Haushalt in Kapitel 05 03 Titel 119 14 (Einnahmen aus der Verwertung eingezogener Vermögensgegenstände) folgende Beträge zugeflossen: 2007 673 250,24 Euro 2008 313 339,52 Euro 2009 314 684,45 Euro 2010 306 405,55 Euro 2011 192 847,62 Euro 2012 232 035,05 Euro 2013 213 995,54 Euro 2014 347 101,71 Euro. Die Schwankungen der Zuflüsse beruhen auf der Vielgestaltigkeit der zugrunde liegenden Strafverfahren, insbesondere deren Umfang . Die Beträge sind abhängig von der Höhe des in jedem Einzelfall nachweisbar Erlangten und den tatsächlich bei dem Täter oder Dritten noch feststellbaren Vermögenswerten. Zu den Fragen 2 und 3: Vermögensabschöpfung und Rückgewinnungshilfe sind rechtlich anspruchsvolle Instrumente. Die anzuwendenden Regelungen sind komplex und finden sich im Strafrecht und im Zivilrecht. Diese Komplexität erschwert die Anwendung in der Praxis. Der zuständige Bundesgesetzgeber hat den Bereich in der Vergangenheit wiederholt mit dem Ziel überarbeitet, das Instrument zu stärken, zum Beispiel durch die Einführung des Auffangrechtserwerbs des Staates nach § 111 i StPO. Die Anwendbarkeit der Normen ist dadurch – auch nach Berichten der Praxis bundesweit – allerdings nicht erleichtert worden. Rheinland-Pfalz hat sich deshalb an einer länderübergreifenden Gemeinsamen Arbeitsgruppe Polizei/Justiz (GAG) beteiligt, die aktuell Reformvorschläge für das Recht der Vermögensabschöpfung prüft. Bei möglichen Änderungen müssen jedoch die Gesamtkonzeption des Rechts der Vermögensabschöpfung und die verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Die beispielsweise geforderte Einführung einer Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4611 Beweislastumkehr ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen besonders sorgfältig zu prüfen. Der Bundesgerichtshof hat für die Regelung des Erweiterten Verfalls nach § 73 d Absatz 1 StGB in seiner Entscheidung vom 22. Novem - ber 1994 (BGHSt 40, 371) klargestellt, dass der Tatrichter für eine entsprechende Anordnung die uneingeschränkte Überzeugung von der deliktischen Herkunft der Gegenstände gewonnen haben muss. Auch die Landesregierung hält – nicht zuletzt im Hinblick auf die von der Praxis geschilderten Anwendungsprobleme – weitere Reformen, die zu einer Vereinfachung der Rechtsanwendung führen, für erforderlich. In der Fortführung der breit angelegte Diskussion unter Beteiligung anderer Länder und auch des Bundes sieht sie einen praktikablen Lösungsansatz. Eine eigene Bundes - ratsinitiative vor Abschluss dieses Diskussionsprozesses erscheint derzeit weder sinnvoll noch erfolgversprechend. Zur Stärkung der praktischen Umsetzung des bestehenden Rechts besteht ein ressortübergreifendes Fortbildungsangebot, das weiter - hin ausgebaut wird. Hervorzuheben ist die Gestaltung eines weiteren Fortbildungsmoduls für Assessorinnen und Assessoren, das erstmals in diesem Jahr angeboten wird. Prof. Dr. Gerhard Robbers Staatsminister 3