Drucksache 16/4633 23. 02. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Ein Strommarkt für die Energiewende – Vorschläge aus Rheinland-Pfalz für ein neues Strommarktdesign Die Kleine Anfrage 3045 vom 29. Januar 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Refinanzierung der für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien notwendigen Investitionen ist unter den Rahmenbedingungen des derzeitigen Strommarktdesigns ebenso wenig gesichert, wie die konventioneller Kraftwerke, nachfrageseitiger Flexibilitätsoptionen und für Speichertechnologien. Folglich bedarf es für den erfolgreichen Fortgang der Energie wende eines neuen Strommarktdesigns. Mit dem Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Anfang November 2014 ein Diskussionspapier zu Möglich keiten der Ausgestaltung eines neuen Strommarktdesigns vorgelegt, auf dessen Grundlage bis Ende Mai 2015 ein Weißbuch mit konkreten Maßnahmen entstehen soll. Dieses wiederum soll bis September 2015 mit anschließendem Gesetzgebungsverfahren konsultiert werden. Stellungnahmen zum Grünbuch können bis März 2015 eingereicht werden. Vor diesem Hintergrund besuchte die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke am 14. Januar 2015 Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel, um mit ihm über die Ausgestaltung eines Strommarktes für die Energiewende zu diskutieren. In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Bedeutung eines neuen Strommarktdesigns für den Erfolg der Energiewende und damit weg von der Nutzung fossiler Energien hin zu erneuerbaren Energien? 2. Wie bewertet die Landesregierung das durch das BMWi vorgelegte Grünbuch „Ein Strom markt für die Energiewende“? 3. Welche Anforderung an ein neues Strommarktdesign für die Energiewende erachtet die Landesregierung als notwendig? 4. Wie plant die Landesregierung sich in den weiteren Diskussionsprozess um ein neues Strommarktdesign für die Energiewende einzubringen? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 19. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Rheinland-Pfalz, als auch im gesamten Bundesgebiet, ist mit einer grundlegenden Transformation unseres heutigen Energieversorgungssystems verbunden. Dieser grundlegende Wandel beschränkt sich nicht nur auf die zunehmende Erzeugung von Strom und Nutzwärme aus regenerativen Energiequellen, sondern betrifft auch den Transport, die Verteilung sowie die Vermarktung von Energie. Die aktuell in der Fachöffentlichkeit teilweise kontrovers geführten Diskussionen zur Weiterentwicklung unseres heutigen Strommarktdesigns , das insbesondere an einer Stromerzeugung in zentralen, konventionellen Großkraftwerken ausgerichtet ist, zeigen die hohe Komplexität der noch zu lösenden Aufgabenstellungen, aber auch die sehr unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen Akteure, wie z. B. Betreiber konventioneller Kraftwerke, Stromhandel, aber auch Industrie und Gewerbe. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorgenannte Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Das aktuelle Strommarktdesign in Deutschland basiert auf einer dargebotsunabhängigen Stromerzeugung in zentralen konventionellen Kraftwerken auf der Basis fossiler und nuklearer Energieträger. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. März 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4633 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Mit einem steigenden Anteil an fluktuierender regenerativer Stromerzeugung, die die konventionelle Stromerzeugung zunehmend ersetzt, müssen die erneuerbaren Energien im Verbund mit Lastmanagementmaßnahmen auf der Verbrauchs- und Erzeugungsseite sowie mit Energiespeichern zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in wachsendem Umfang Systemverantwortung übernehmen. Damit die „Systemübernahme durch die Erneuerbaren“ als wichtige Phase der Energiewende in Deutschland wie auch in RheinlandPfalz erfolgreich umgesetzt werden kann, ist in den kommenden Jahren eine Weiterentwicklung des aktuellen Strommarktdesigns notwendig. Daher misst die Landesregierung der Weiterentwicklung des aktuellen Strommarktdesigns an die Anforderungen einer zukünftigen regenerativen Stromerzeugung mit einem hohen Anteil an fluktuierend einspeisenden Windkraft- und Photovoltaikanlagen einen hohen Stellenwert bei. Zu Frage 2: Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) vorgelegte Grünbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ stellt einen auf die wesentlichen Aspekte verdichteten Sachstandsbericht zur aktuellen Fachdiskussion in Bezug auf die Notwendigkeit und die möglichen Wege einer Weiterentwicklung des aktuellen Strommarktdesigns dar. Vor dem Hintergrund der stark interessengetrieben Diskussion zur Notwendigkeit der Verstärkung vorhandener Flexibilitätsoptionen , wie den Netzausbau, das Lastmanagement auf der Erzeuger- und Verbraucherseite oder die Energiespeicherung sowie die Einführung neuer Kapazitätsmechanismen, wie beispielsweise Kapazitätsmärkte in den unterschiedlichen Ausführungsformen (zentral/dezentral, umfassend/selektiv), in den Strommarkt, ist eine Zusammenstellung der wesentlichen Argumente und Fakten zu diesem Themenschwerpunkt zu begrüßen. Mit dem Grünbuch soll zunächst keine Vorauswahl zu den einzelnen, derzeit intensiv diskutierten Flexibilitätsoptionen und Kapazitätsmechanismen getroffen, sondern insbesondere zur Entscheidungsfindung im BMWi beigetragen werden. Positiv zu werten ist die Zusammenstellung von „Sowieso-Maßnahmen“, wie z. B. der Ausbau und die Optimierung der Netze, die Schaffung zusätzlicher Marktanreize zur Flexibilisierung der Erzeugungs- und Verbrauchsseite, die stärkere Pönalisierung von Defiziten in der Bilanzkreisbewirtschaftung, die Stärkung der europäischen Marktintegration, aber auch die Reform des Emissionshandelssystems und der weitere Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die zu einer höheren Flexibilität, Kosteneffizienz und Klimaverträglichkeit unseres heutigen Stromversorgungssystems führen und zeitnah unabhängig von zukünftigen Marktdesignentscheidungen umgesetzt werden sollen. Das BMWi beschränkt sich im Grünbuch auf eine weitgehend neutrale Darstellung der von den Fachexperten vorgetragenen Argumente für oder gegen einzelne Kapazitätsmechanismen, wie z. B. die Möglichkeiten zur notwendigen Weiterentwicklung des aktuellen Energy-Only-Marktes (EOM) zu einem Strommarkt 2.0, die Darstellung bereits vorhandener Kapazitätsmechanismen (z. B. Regelenergiemärkte) oder die zusätzliche Einführung von unterschiedlich ausgestalteten Kapazitätsmärkten. Zu Frage 3: Die Versorgungssicherheit, Preisstabilität und der Klimaschutz sind für das zukünftige Strommarktdesign die relevanten Zielgrößen. Das aktuelle Strommarktdesign ist dabei so weiterzuentwickeln, dass auch bei einem hohen Anteil an dargebotsabhängiger Stromerzeugung aus Wind und Sonne zu jedem Zeitpunkt Verbrauch und Erzeugung in Übereinstimmung gebracht, gesicherte Kraftwerksleistung im notwendigen Umfang vorgehalten, vorhandene Flexibilitäten in Erzeugung und Verbrauch wirtschaftlich genutzt und Systemdienstleistungen in erforderlichem Umfang bereitgestellt werden können. Dazu ist es u. a. notwendig, die nationalen Energiemärkte der EU-Mitgliedsstaaten bei entsprechendem Netzausbau auf europäischer und nationaler Ebene stärker mit einander zu verknüpfen, den Handelsprozess stärker an den fluktuierenden Charakter von Windkraft und Photovoltaik anzupassen (z. B. durch die Verkürzung der Handelsintervalle an der Strombörse) sowie die Marktanreize für eine Flexibilisierung des konventionellen Kraftwerkparks einschließlich der Abwärmenutzung in KWK, für die Nachfrageflexibilisierung auf der Verbraucherseite sowie für die Energiespeicherung zu erhöhen, um günstige Bedingungen für die dazu notwendigen Investitionen zu schaffen. Außerdem sollte das neue Marktdesign wirtschaftlich vorteilhafte Impulse für das notwendige Zusammenwachsen des Strommarktes mit dem Wärme- und Erdgasmarkt sowie mit dem Verkehrsbereich liefern, um zukünftig verstärkt auftretende regenerativ erzeugte Stromüberschüsse unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten effizient zu nutzen. Das neue Strommarktdesign sollte auf der Grundlage marktwirtschaftlicher, wettbewerblicher Prinzipien beruhen und die weitere Strommarktliberalisierung auf europäischer Ebene unterstützen. Die von verschiedenen energiewirtschaftlichen Akteuren geforderte zügige Einführung von Kapazitätsmärkten wird von der Landesregierung kritisch gesehen, da hiermit eine Rückkehr zu einer stärkeren Regulierung des Strommarkts durch eine staatliche oder im Auftrag des Staates handelnde Stelle zu befürchten ist. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit während der aktuellen Umwandlungsphase des Stromerzeugungssystems sollte eine Kraftwerkskapazitätsreserve aufgebaut werden. Darüber hinaus sind bei der Neugestaltung des Strommarktdesigns insbesondere ökologische Flexibilitätsmechanismen zu berücksichtigen , die die energiebedingten Treibhausgasemissionen nachhaltig verringern. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4633 Zu Frage 4: Bei der Neugestaltung eines zukünftigen Marktdesigns gilt es, schrittweise und vorausschauend vorzugehen, um Marktverzerrungen als Folge fehlerhafter Designelemente zu vermeiden. Fehler im Marktdesign und damit verbundene Marktverzerrungen führen zu hohen finanziellen Belastungen für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Unternehmen und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz. Es ist daher sinnvoll, zunächst den bestehenden Energy-Only-Markt (EOM) soweit wie möglich beispielsweise durch die Schaffung günstiger Marktbedingungen für Lastmanagementmaßnahmen auf der Erzeugungs- und Verbrauchsseite sowie für Speicher zu flexibilisieren und an die Besonderheiten einer zunehmend fluktuierenden regenerativen Stromerzeugung anzupassen. Vor dem Hintergrund der Stromerzeugungsstruktur in unserem Land, die insbesondere geprägt ist von Erneuerbare-EnergienAnlagen und effizienten Gaskraftwerken in Kraft-Wärme-Kopplung setzt die Landesregierung ihre Schwerpunkte im weiteren Diskussionsprozess auf die Schaffung von Marktanreizen zur Flexibilisierung von Stromerzeugung und -verbrauch und zum Aufund Ausbau der Energiespeicherung, aber auch auf den weiteren Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung als Effizienztechnologie und wichtige Schnittstelle zwischen Strom-, Wärme- und Erdgasversorgung. In einem Gespräch der zuständigen Ministerinnen und Minister der Länder mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel am 14. Januar 2015 habe ich die Position der Landesregierung zum Grünbuch des BMWi und zur notwendigen Weiterentwicklung des Strommarktdesigns dargelegt. Die Landesregierung wird sich in den Konsultationsprozess zum Weißbuch sowie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum neuen Marktdesign mit konstruktiven Vorschlägen beteiligen, damit die weitere Umsetzung der Energiewende in Rheinland-Pfalz wie auch in Deutschland wirksam unterstützt und die europäische Zusammenarbeit im Energiesektor weiter gestärkt werden. Eveline Lemke Staatsministerin 3