Drucksache 16/4660 23. 02. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Arnold Schmitt (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Zukunft der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3043 vom 29. Januar 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuordnung der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz hatte die Landesregierung die Erwartung geweckt, dadurch ein Vertrags verletzungsverfahren durch die EU abwenden und eine Privatisierung der Tierkörper - besei tigung in Rheinland-Pfalz verhindern zu können. In der jüngsten Sitzung des Umwelt ausschusses musste Staatssekretär Dr. Griese allerdings berichten, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren dennoch androht und eine Ausschreibung der Tierkörper beseitigung in Rheinland-Pfalz verlangt. In ihrer Pressemeldung vom 13. Januar 2015 teilt Umweltministerin Höfken mit, dass zur Verhinderung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Weg der Privatisierung der operativen Tierkörperbeseitigung jetzt gegangen werden soll. Land und Kommunen sähen sich zu befristeter Ausschreibung gezwungen. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit sind nach aktuellem Bestehen der EU-Kommission auf Ausschreibung der Tier körperbeseitigung in Rheinland-Pfalz entgegen den ursprünglich von der Landesregierung geweckten Erwartungen die Arbeitsplätze der Beschäftigten in der Tierkörperbeseitigung und der Bestand der entsprechenden Anlagen doch gefährdet? 2. Inwieweit ist gewährleistet, dass die EU-Kommission den neuen Kurs der Landesregierung in Richtung Privatisierung mit den damit verbundenen Auflagen akzeptiert? 3. Welches wären die potenziellen Folgen eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission für das Land RheinlandPfalz ? 4. Warum ist es der Landesregierung trotz der beanspruchten Verhandlungen nicht gelungen, die EU-Kom mission von ihrem jetzt vollzogenen Schritt abzuhalten, obwohl sie insbesondere auch gegenüber den Kommunen als bisherige Träger der Tierkörperbeseitigung immer den Eindruck erweckt hat, das durch die Neuregelung der Tierkörperbeseitigung erreichen zu können? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 23. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Der Beschluss der EU-Kommission vom 25. April 2012, der die Umlagezahlungen der Trägergebietskörperschaften an den Zweckverband Tierkörperbeseitigung als mit dem gemeinsamen Markt nicht vereinbare Beihilfen bewertet hat, hat die bisherige Organisation der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz in Frage gestellt. Die Bundesregierung und der Zweckverband haben sich – wie dem Landtag berichtet wurde – gegen diesen Beschluss mit Nichtigkeitsklagen vor den Gerichten der Europäischen Union gewehrt. Nach klageabweisenden Urteilen des Gerichts der Europäischen Union haben die Kläger Rechtsmittel bei dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Hierüber ist noch nicht entschieden. Bedauerlicher Weise entbinden Klagen gegen eine beihilferechtliche Rückforderungsentscheidung nicht von der Verpflichtung der Umsetzung einer solchen Entscheidung. Hierüber befinden sich die Bundesregierung, die Landesregierung und die kommunale Seite in einem kontinuierlichen, intensiven und wegen der Komplexität der Materie auch zeitaufwändigen Diskussionsprozess mit der Europäischen Kommission. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 17. März 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4660 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2 Das neu erlassene Landesgesetz zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes vom 19. August 2014 dient als Grundlage für eine beihilfenkonforme Umsetzung des Kommissionsbeschlusses und lässt den kommunalen Beseitigungspflichtigen bewusst formale Freiräume für die Umsetzung der Aufgaben, um nicht durch vorzeitige Festlegungen die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission zu belasten. Dies wird auch von der Kommission nicht beanstandet. Im Streit befindet sich allein die Frage, welche der vom Gesetz zugelassenen Möglichkeiten geeignet sind, den Forderungen der Kommission zur Gewährleistung der Diskontinuität der Neuorganisation zu genügen. Die Landesregierung hat zu keinem Zeitpunkt die Erwartung geweckt, allein mit dem Erlass des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren oder sonstige Einschnitte vermeiden zu können. So sieht bereits das Gesetz die Verwertung einer der beiden Tierkörperbeseitigungsanlagen vor. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Interessen der Beschäftigten sind nach Einschätzung der Landesregierung für die in dem Prozess maßgeblichen kommunalen Stellen im Rahmen des Neuordnungsprozess der Tierkörperbeseitigung von hoher Bedeutung. Dies wird von der Landesregierung ausdrücklich unterstützt. Hierzu steht sie gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden in engem Kontakt zum Betriebsrat und der zuständigen Gewerkschaft. Gemeinsam mit der kommunalen Seite setzt sich die Landesregierung dafür ein, eine Gefährdung der Arbeitsplätze in der Tierkörperbeseitigung in Rheinland-Pfalz auch für den Fall einer von der Kommission gegebenenfalls verlangten Ausschreibung der Entsorgungsleistungen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sind sowohl Modelle zur Ausschreibung der Gesellschaftsanteile an der Gesellschaft für Tierkörperbeseitigung mbH (GfT) als auch Regelungen zum Betriebsübergang auch unter dem Gesichtspunkt relevant, dass die Umsetzung des Beschlusses der Kommission für das bisherige Zweckverbandsgebiet Kapazitätsanpassungen auslöst und damit Auswirkungen auf das Personal haben kann. Zu Frage 2: Die Landesregierung verfolgt keinen Kurs der dauerhaften Privatisierung. Wie in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft , Ernährung, Weinbau und Forsten am 13. Januar 2015 von Herrn Staatssekretär Dr. Thomas Griese näher erläutert wurde, haben sich die beseitigungspflichtigen Kommunen und Land auf ein zweistufiges Vorgehen verständigt. Als Erstes ist der EU-Kommission eine Konzeption zugeleitet worden, die eine befristete Übertragung der Entsorgungsleistungen an die GfT für fünf Jahre vorsieht und den Marktteilnehmern die Möglichkeit gibt, sich in diesem Rahmen in einem Ausschreibungsverfahren um die Gesellschaftsanteile an der GfT zu bewerben. Damit wird der Forderung der Kommission nach einer Ausschreibung entsprochen, um ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden. Gleichzeitig wird durch den erfolgreichen Bieter auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine möglichst hohe Auslastung der Anlage angestrebt. Zweitens ist das Land auch im Interesse der Kommunen nicht gewillt, der Diskussion mit der EU-KOM in der Frage der Organisationshoheit der Mitgliedstaaten, Länder und Kommunen hinsichtlich der Abfallentsorgung, des Gesundheitsschutzes und der Seuchenprävention und die Zuordnung dieser Aufgaben zur Daseinsvorsorge (Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse , DAWI) aus dem Weg zu gehen. Die Landesregierung wird daher das bisher verfolgte öffentlich-rechtliche Modell mit Eigen betrieb mittelfristig weiterverfolgen und bei der EU-KOM gesondert notifizieren. Die Diskussionen mit der EU-Kommission über das öffentlich-rechtliche Modell sollen losgelöst von den bestehenden Rückzahlungsverpflichtungen geführt werden. Die Abtrennung ist für eine inhaltliche Diskussion mit der EU-Kommission unvermeidlich. Die jetzige Lösung eines befristeten Entsorgungsvertrags schafft den erforderlichen zeitlichen Spielraum. Die Verständigung über eine Lösung ist Gegenstand eines Diskussionsprozesses zwischen Bundesregierung, Landesregierung und kommunaler Seite auf der einen, sowie der Europäischen Kommission auf der anderen Seite. Die Landesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über den Ausgang dieser Gespräche. Insoweit ist auch vor Abschluss dieser Gespräche offen, ob die Europäische Kommission den aktuellen Lösungsansatz mitgeht. Zu Frage 3: Von der EU-Kommission wurde wiederholt angedroht, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, wenn keine aus ihrer Sicht beihilfekonforme Umsetzung der Rückzahlungsverpflichtung bzw. Neuorganisation erfolgt . Dabei könnte die EU-Kommission beim EuGH in einem zweistufigen Verfahren die Zahlung eines Pauschalgeldes und von Zwangsgeldern beantragen. Das Zwangsgeld für Deutschland beträgt nach inoffiziellen Informationen des Bundes derzeit zwischen 13 721,60 € und 823 296,00 € pro Tag. Beim Pauschalbetrag handelt es sich um eine feste Mindestpauschale, die sich für Deutschland derzeit auf 11,323 Mio. € beläuft. Das Zwangsgeld und der Pauschschalbetrag wären letztlich von den Ländern Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz zu tragen. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4660 Zu Frage 4: Allen an dem Prozess Beteiligten war die Komplexität gerade auch nach dem EuG-Urteil bewusst. Dem Wesen eines offenen Verhandlungsprozesses entspricht es, dass Vorhersagen über das Ergebnis immer nur auf der Grundlage fundierter Einschätzungen, aber nicht mit absoluter Sicherheit getroffen werden können. Die Landesregierung hat daher keinesfalls Erwartungen geweckt, dass die Kommission den gemeinsam mit den kommunalen Beseitigungspflichtigen erarbeiteten konstruktiven Vorschlägen uneingeschränkt zustimmt. Die Landesregierung hat dabei zusammen mit den Kommunen Modelle präferiert, die eine aus ihrer Sicht beihilfenkonforme Fortführung der Tierkörperbeseitigung in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft möglich gemacht hätten. Sie hat dies durch zahlreiche Aktivitäten gegenüber der Kommission verdeutlicht. Dazu wurden unter anderem – von der damaligen Staatsministerin Margit Conrad und Staatssekretär Dr. Thomas Griese ein Gespräch mit Herrn EU-Kom- missar Günther Oettinger geführt, – zahlreiche bilaterale Besprechungen mit verschiedenen Kommissionsdienststellen auf Fachebene abgehalten, – zahlreiche Stellungnahmen und umfangreiche Unterlagen der Kommission zugeleitet, – drei Gutachter beauftragt, die zu verschiedenen Themenkomplexen Gutachten erstellt haben bzw. erstellen und Land und Kom- munen beraten, – Abstimmungsgespräche mit Bundesministerien auf Fachebene durchgeführt, – viele Abstimmungsgespräche landesintern sowie mit dem Saarland und Hessen auf Fachebene geführt, – zahlreiche Konzepte erarbeitet und geprüft, – die erforderlichen Schritte im Rechtssetzungsverfahren für das Landesgesetz zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Be- seitigungsgesetzes durchgeführt. Die Landesregierung bedauert außerordentlich, dass die Kommission nicht bereit gewesen ist, diesen konstruktiven Weg mitzugehen. Ulrike Höfken Staatsministerin 3