Drucksache 16/4664 23. 02. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Martin Brandl (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Novellierung der Arbeitsstättenverordnung Die Kleine Anfrage 3054 vom 29. Januar 2015 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung der von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles geforderten „Arbeitsstättenverordnung“ gegen- über? 2. Wie schätzt die Landesregierung die Bereitschaft der Wirtschaft zur Umsetzung einer „Arbeitsstättenverordnung“ ein? 3. Wie schätzt die Landesregierung den bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber ein, um eine „Arbeitsstättenverordnung“ zu realisieren? 4. Steht der zu erwartende Aufwand für die Wirtschaft aus Sicht der Landesregierung im Verhältnis zum eventuellen Nutzen einer „Arbeitsstättenverordnung“? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 23. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die ursprüngliche Fassung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) stammt vom 20. März 1975. Inhaltlich normiert sie die grundsätzlichen Anforderungen an Arbeitsstätten und setzt zusammen mit dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die EU-Richtlinie 89/654/EWG um. Eine letzte grundlegende Novellierung erfolgte am 12. August 2004, die letzte Änderung stammt vom 19. Juli 2010. Die Landesregierung unterstützt das Vorhaben der Novellierung durch Frau Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, weil sie Grundprobleme der Arbeitsstättenverordnung behandelt und Vorgaben zum Arbeitsschutz präzisiert. Wesentliche Änderungen bzw. Ergänzungen sind: – Beseitigung bestehender Rechtsunsicherheiten und Präzisierung nicht hinreichend bestimmter Begriffe: In der Gefährdungsbeurteilung sind z. B. nun auch die Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe zu benennen. – Berücksichtigung neuer Erkenntnisse beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten: Beispielsweise ist die Belastung der Augen oder Gefährdung des Sehvermögens an Bildschirmarbeitsplätzen zu berücksichtigen. – Zusammenführung der Bildschirmarbeitsverordnung mit der Arbeitsstättenverordnung: Die Regelungen der Bildschirmarbeitsverordnung werden in die Arbeitsstättenverordnung integriert. Das bestehende Regelwerk wird somit verschlankt. – Unterrichtung und Unterweisung (§ 6 der neuen Fassung): Die Beschäftigten sollen in die Lage versetzt werden, Gesundheitsgefahren (z. B. durch richtiges Bedienen einer Maschine) vorzubeugen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. März 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4664 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu 2.: Der Landesregierung sind die durch Teile der Wirtschaft vorgebrachten Kritikpunkte bekannt. Zu diesen zählen der aus Sicht der Arbeitgeber größere Aufwand an Bürokratie verbunden mit höheren Kosten, teilweise schwer umsetzbare Regelungen wie z. B. die Schaffung einer freien Sichtverbindung nach außen, abschließbare Fächer und die knappe Frist bis zum Inkrafttreten der neuen Arbeitsstättenverordnung. Eine Beteiligungsmöglichkeit der Wirtschaft bei der Novellierung, die seit gut zwei Jahren vorbereitet wird, war seit Beginn gegeben unter anderem über die Vertreter der Arbeitgeber im Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA). Weitere Mitglieder werden von Seiten der Gewerkschaften, der gesetzlichen Unfallversicherung, vom Bund, den Ländern und aus der Wissenschaft gestellt. Der Ausschuss wirkte seit dem Jahr 2012 mit. Außerdem nahm an weiteren Beratungen mit den Verbänden und weiteren Akteuren auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA) teil. Nach Aussage des BMAS wurde die nun seitens der BDA geäußerte Kritik bislang in den verschiedenen Arbeitszusammenhängen so nicht vorgetragen. Die ursprüngliche Fassung der Arbeitsstättenverordnung stammt aus dem Jahr 1975 und ist Ausdruck einer seit über 40 Jahren erfolgreichen Sozialpartnerschaft. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sieht in der Verordnung ein Erfolgskonzept, das seitdem immer an die aktuellen Erfordernisse der Arbeitswelt angepasst wurde und auch Vertreter der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) gehen von einem Anpassungsbedarf des Arbeitsstättenrechts allein aufgrund des technischen Fortschritts (neue Arbeitsinstrumente wie Tablets, Smartphones, Notebooks etc.) aus. Die Landesregierung geht davon aus, dass die Bereitschaft der Wirtschaft zur Umsetzung der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung grundsätzlich vorhanden ist, wenn die Regelungen endgültig veröffentlicht und rechtlichen Rahmenbedingungen klar definiert sind. Bundesministerin Nahles hat dazu Kompromissbereitschaft signalisiert, gemeinsam mit den Arbeitgebern unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes strittige Punkte auszuräumen. Zu 3.: Die neuen Regeln werden nach Einschätzung der Landesregierung keinen größeren Aufwand bedingen, da durch eine Präzisierung von Begriffen und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten aus Sicht der Landesregierung kein Mehraufwand für die Arbeitgeber zu erwarten ist. Sie sorgt insbesondere für KMUs für Rechtsklarheit durch Konkretisierung von rechtlichen Regelungen. Ziel ist nicht zu belasten, sondern zu entlasten indem klare Anforderungen formuliert werden, die Betriebe in der Umsetzung von geeigneten Maßnahmen unterstützen sollen. Das kann auch ein Chance sein, gezielte Strategien zu entwickeln, die nachhaltig die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken. Zu 4.: Die Landesregierung sieht nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Wirtschaft im Arbeitsschutz einen Gewinn. Investitionen in den Arbeitsschutz lohnen sich. Seitens der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wird im DGUVReport 1/13 unterstrichen, dass Betriebe durch einen guten Arbeitsschutz finanziell profitieren. Der sogenannte „Return on Prevention“ (ROP) beträgt laut dieser Publikation 2,2. Demnach fließen von jedem in den Arbeitsschutz investierten Euro über zwei Euro wieder an den Arbeitgeber zurück. Die Kosten krankheitsbedingter Ausfallzeiten (Produktionsausfall) für die Unternehmen werden von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) für das Jahr 2012 auf 53 Mrd. Euro beziffert. Zusätzlicher Aufwand entsteht den Arbeitgebern durch die innerbetriebliche Kompensation oder externe Gewinnung an Arbeitskraft für die Dauer des Ausfalls. Ziel des Arbeitsschutzes ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und somit in der Folge krankheitsbedingte Kosten zu verringern . Mit Blick auf diese finanziellen Bedingungen und Herausforderungen, die sich durch den demografischen Wandel und den zunehmenden Bedarf an Fachkräften heute und in Zukunft verstärkt stellen werden, sieht die Landesregierung den möglichen Aufwand , der mit einer Novellierung verbunden ist, als vertretbar mit Blick auf den Nutzen für die Wirtschaft, Arbeitnehmer und Gesellschaft. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin