Drucksache 16/4679 26. 02. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Wolfgang Schwarz und Heiko Sippel (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Legal Highs Die Kleine Anfrage 3060 vom 2. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: In den letzten Jahren stehen sogenannte Legal Highs vermehrt im Fokus der Berichterstattung, wie auch der drogenpolitischen Diskussion. Die meist bunt verpackten vermeintlichen Kräutermischungen werden im Internet offen angeboten. Entgegen ihrer Deklarierung, etwa als Kräutermischung, werden sie als Rauschmittel konsumiert. Zuletzt hatte der BGH, in einem Urteil vom 14. Januar 2015, Grenzwerte zu nicht geringen Mengen nach dem BtMG für einige der verwendeten Stoffe festgelegt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche psychoaktiven Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen werden nach Kenntnis der Landesregierung in den verschiedenen Produkten verwendet? 2. Welche bisher verwendeten Wirkstoffe unterfallen heute dem BtMG? 3. Was ist der Landesregierung über die Vertriebswege zum Endverbraucher bekannt? 4. Welche Erkenntnisse gibt es über die Hersteller von sogenannten Legal Highs? 5. Wie schätzt die Landesregierung die geistigen und körperlichen Folgen eines dauerhaften Konsums dieser Produkte ein? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 25. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Zahl, Aufmachung und Struktur der eingesetzten Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen sind sehr zahlreich und heterogen. Die Stoffe und deren Zubereitungen gehören überwiegend den Gruppen der Cannabinoide und zentralen Stimulantien der Amphetaminderivate an. 2014 hat die Kriminaltechnik des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz in 884 Untersuchungen synthetische Cannabinoide nachgewiesen . In 419 Fällen enthielt das untersuchte Asservat den Inhaltsstoff „5-F-Pb-22“, gefolgt von den Inhaltsstoffen „AKB48F“ (119 Fälle), „AB-FUBINACA“ (104), „XLR-11“ (34) und „AB-CHMINACA“ (31), darüber hinaus weitergehend eine Vielzahl anderer Verbindungen in geringerer Häufigkeit. Von den fünf am häufigsten nachgewiesenen chemischen Verbindungen waren mit Wirkung der letzten Änderungsverordnung zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) vom 13. Dezember 2014 vier Verbindungen der Anlage II unterstellt. Lediglich „AB-CHMINACA“ ist bislang kein Betäubungsmittel. Typischerweise werden die Wirkstoffe nach einer BtMG-Änderung täterseits verändert, eine Entwicklung die auch aktuell wieder beobachtet werden kann. Probleme mit medizinisch behandlungsbedürftigen Zwischenfällen werden derzeit oft durch den neuen Wirkstoff „MMB-CHMINACA“ verursacht, der noch nicht dem BtMG untersteht. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 17. März 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4679 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2 Zu 2.: Zum Zeitpunkt 6. Februar 2015 der Anlage II des BtMG unterstellte synthetische Cannabinoide: andere nicht geschützte oder Trivialnamen chemische Namen (IUPAC) AB-FUBINACA N-(1-Amino-3-methyl-1-oxobutan- 2-yl)-1-[(4-fluorphenyl)methyl] -1H- indazol-3-carboxamid AB-PINACA N-(1-Amino-3-methyl-1-oxobutan- 2-yl)-1-pentyl-1H-indazol-3-carboxamid 1-Adamantyl(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon (Adamantan-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon AKB-48 (APINACA) N-(Adamantan-1-yl)-1-pentyl-1H-indazol-3-carboxamid AKB-48F N-(Adamantan-1-yl)-1-(5-fluorpentyl)-1H-indazol-3-carboxamid AM-694 [1-(5-Fluorpentyl)-1H-indol-3-yl](2-iodphenyl)methanon AM-1220 {1-[(1-Methylpiperidin-2-yl)methyl]-1H-indol-3-yl} (naphthalin-1-yl)methanon AM-1220-Azepan [1-(1-Methylazepan-3-yl)-1H-indol-3-yl](naphthalin-1-yl)methanon AM-2201 [1-(5-Fluorpentyl)-1H-indol-3-yl] (naphthalin-1-yl)methanon AM-2232 5-[3-(Naphthalin-1-carbonyl)-1H-indol-1-yl]pentannitril AM-2233 (2-Iodphenyl){1-[(1-methylpiperidin-2-yl)methyl]-1H-indol-3-yl}methanon APICA (SDB-001, 2NE1) N-(Adamantan-1-yl)-1-pentyl-1H- indol-3-carboxamid BB-22 (QUCHIC) Chinolin-8-yl[1-(cyclohexylmethyl)-1H-indol-3-carboxylat] CP 47,497 (cis-3-[4-(1,1-Dimethylheptyl) -2-hydroxyphenyl]-cyclohexanol) 5-(1,1-Dimethylheptyl)-2-[(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol CP 47,497-C6-Homolog(cis-3-[4-(1,1- Dimethylhexyl)-2-hydroxyphenyl]-cyclohexanol) 5-(1,1-Dimethylhexyl)-2-[(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol CP 47,497-C8-Homolog(cis-3-[4-(1,1- Dimethyloctyl)-2-hydroxyphenyl]-cyclohexanol) 5-(1,1-Dimethyloctyl)-2-[(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol CP 47,497-C9-Homolog(cis-3-[4-(1,1- Dimethylnonyl)-2-hydroxyphenyl]-cyclohexanol) 5-(1,1-Dimethylnonyl)-2-[(1RS,3SR)-3-hydroxycyclohexyl]-phenol FDU-PB-22 Naphthalin-1-yl{1[(4-fluorphenyl)methyl]-1H-indol-3-carboxylat} 5-Fluorpentyl-JWH-122 (MAM-2201) [1-(5-Fluorpentyl)-1H-indol-3-yl] (4-methylnaphthalin-1-yl)methanon 5-Fluor-UR-144 (XLR-11) [1-(5-Fluorpentyl)-1H-indol-3-yl] (2,2,3,3-tetramethylcyclopropyl)methanon 5F-PB-22 (5F-QUPIC) Chinolin-8-yl[1-(5-fluorpentyl)indol-3-carboxylat] FUB-PB-22 Chinolin-8-yl{1-[(4-fluorphenyl)methyl]-1H-indol-3-carboxylat} JWH-007 (2-Methyl-1-pentyl-1H-indol-3-yl)(naphthalin-1-yl)methanon JWH-015 (2-Methyl-1-propyl-1H-indol-3-yl)(naphthalin-1-yl)methanon JWH-018 (1-Pentyl-3-(1-naphthoyl)indol) (Naphthalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-019 (1-Hexyl-3-(1-naphthoyl)indol) (Naphthalin-1-yl)(1-hexyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-073 (1-Butyl-3-(1-naphthoyl)indol) (Naphthalin-1-yl)(1-butyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-081 (4-Methoxynaphthalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-122 (4-Methylnaphthalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-200 [1-(2-Morpholinoethyl)-1H-indol-3-yl](naphthalin-1-yl)methanon JWH-203 2-(2-Chlorphenyl)-1-(1-pentyl-1H-indol-3-yl)ethanon JWH-210 (4-Ethylnaphthalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)methanon JWH-250 (1-Pentyl-3-(2-methoxy-phenylacetyl)indol) 2-(2-Methoxyphenyl)-1-(1-pentyl-1H-indol-3-yl)ethanon JWH-251 2-(2-Methylphenyl)-1-(1-pentyl-1H-indol-3-yl)ethanon JWH-307 [5-(2-Fluorphenyl)-1-pentyl-1H-pyrrol-3-yl](naphthalin-1-yl)methanon PB-22 (QUPIC) Chinolin-8-yl(1-pentylindol-3-carboxylat) STS-135 (5F-2NE1) N-(Adamantan-1-yl)-1-(5-fluorpentyl)-1H-indol-3-carboxamid THJ-2201 (AM-2201 Indazol-Analogon) [1-(5-Fluorpentyl)-1H-indazol-3-yl] (naphthalin-1-yl)methanon UR-144 (1-Pentyl-1H-indol-3-yl)(2,2,3,3-tetramethylcyclopropyl)methanon Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4679 Zu 3. und 4.: Die reinen Wirksubstanzen werden nach wie vor überwiegend in Asien unter professionellen Bedingungen und mit einem hohen Reinheitsgehalt hergestellt und weltweit vertrieben. Diese Reinsubstanzen können über Internetportale bestellt werden. In den letzten Jahren sind einige dieser Substanzen in Asien mit Ausfuhrverboten belegt worden. Aufgrund der hohen Anzahl der verschiedensten psychoaktiven Verbindungen haben diese Maßnahmen aber offensichtlich nicht zu einer spürbaren Verknappung auf dem europäischen Markt geführt. Zwischenzeitlich werden neue synthetische Wirkstoffe offensichtlich auch vermehrt in Indien und Russland hergestellt und vertrieben. Es gibt darüber hinaus Hinweise auf Herstellungslaboratorien im EU-Raum. Die Herstellung der eigentlichen Endprodukte für den europäischen Markt erfolgt nach polizeilichen Erkenntnissen aus zurückliegenden Ermittlungsverfahren in einigen wenigen „Firmen“, welche ihren Sitz in denjenigen Ländern haben, in denen eine entsprechend liberale Gesetzeslage hinsichtlich der Substanzen gegeben ist. In der Vergangenheit waren dies beispielhaft Länder wie die Niederlande, Belgien, Rumänien oder auch Tschechien. Unter teilweise amateurhaften Bedingungen werden die Wirksubstanzen auf entsprechende Trägermaterialen (z. B. Kräuter) aufgebracht, in bunte Tütchen verpackt und von dort mittels Paketdiensten an die Endkonsumentinnen und —konsumenten versandt. Der eigentliche Vertrieb zum Endkunden wird nach polizeilichen Erkenntnissen ebenfalls über Internetplattformen gewährleistet. Hier können die einzelnen Artikel in beliebiger Stückzahl gekauft werden. Die Produkte werden mittels einer scheinbar legalen Aufmachung beworben. Es gibt Kundenbewertungen zu den Produkten und Mengenrabatte. Teilweise werden „Unbedenklichkeitsgutachten “ zu den vermeintlichen Inhaltsstoffen mitgeliefert, um den Konsumentinnen und Konsumenten zu suggerieren, dass diese Stoffe aktuell nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Da die Internetshops über Provider im Ausland betrieben werden, ist eine strafrechtliche Verfolgung erschwert. Europaweit existieren kleinere Zwischenhändler, welche bei den „Großunternehmen“ die Produkte ebenfalls in größerem Maße beziehen, um diese dann wiederum mit Gewinn über eigene Internetshops weiter zu vertreiben. Solche Zwischenhändler waren auch zahlreich in Deutschland ansässig, konnten allerdings in der Vergangenheit strafrechtlich über das deutsche Betäubungsmittelgesetz bzw. für die nicht unterstellten Stoffe nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) verfolgt werden, so dass in Deutschland ansässige Internetshops nur noch sehr selten vorkommen dürften. Zu 5.: Zu den Langzeitrisiken beim Konsum von Legal Highs gibt es, da es sich um ein vergleichsweise neues Phänomen handelt, kaum Informationen oder gesicherte Erkenntnisse. Hinsichtlich der Kurzzeitwirkungen ist festzuhalten, dass es aufgrund der hohen Wirksamkeit vieler Legal Highs leicht zu für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht vorhersehbaren Überdosierungen kommt, was zu schweren Intoxikationen führen kann. Als wichtige, gesundheitlich risikoreiche Nebenwirkungen werden beschrieben: – Cannabinoide: körperliche Unruhe, Anfälle, Hypertonie, Arrhythmien, Brechreiz, Hypokaliämie. Außerdem gibt es Fälle von psychiatrischen Symptomen einschließlich Psychosen und einer erhöhten Selbstmordrate. Ein karzinogenes Potential wird bei manchen Cannabinoiden vermutet. – Cathinone: gesteigerte körperliche Unruhe, psychiatrische Symptome einschließlich Psychosen, Hypertonie, Tachykardie, veränderte Wahrnehmung, Reizungen und Verätzungen der Haut. – Phenethylamine: gesteigerte körperliche Unruhe, psychiatrische Symptome einschließlich Psychosen, Hypertonie, Tachykardie , Hyperthermie, Gedächtnislücken, Verwirrtheit, Appetit- und Schlaflosigkeit. – Tryptamine: gesteigerte körperliche Unruhe, Panikattacken, Übelkeit, Erbrechen. – Piperazine: toxikologische Effekte vergleichbar mit denen von Phenethylaminen. Die mit dem Konsum von Legal Highs einhergehenden Risiken werden zudem durch Mischkonsum verstärkt. Den polizeilichen Lagemeldungen ist zu entnehmen, dass der Konsum von Kräutermischungen (in der Regel als „Joint“ geraucht) in vielen Fällen heftigste körperliche Reaktionen auslöst, die nicht selten mit einem Notarzteinsatz oder einem Klinikaufenthalt enden. So reagieren Konsumentinnen und Konsumenten jeden Alters bereits nach wenigen Zügen regelmäßig mit Panikattacken, Halluzinationen, Orientierungslosigkeit, Wahnvorstellungen, Aggressionen, Atemstillständen, Bewusstlosigkeit, Erbrechen bis hin zum Herzstillstand. Bei dauerhaftem Konsum sind wie bei Cannabis oder Alkohol Schädigungen der geistigen Leistungsfähigkeit auch über die Rauschphase hinaus anzunehmen. Die seelisch-geistige Entwicklung, gerade junger Menschen, kann durch einen dauerhaften Konsum berauschender Mittel stark eingeschränkt sein. Analog zu Cannabis sind auch bei synthetischen Cannabinoiden ein psychisches Abhängigkeitspotential sowie die Auslösung von Psychosen zu vermuten. Durch die cannabisuntypischen starken Wirkungen auf das sympathische Nervensystem sind bei dauerhafter Anwendung Risiken wie z. B. chronische Herz-Kreislaufbelastung, Bluthochdruck oder die erhöhte Gefahr von Schlaganfällen und Herzinfarkten zu erwarten. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3