Drucksache 16/4775 20. 03. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anna Neuhof (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz kämpft für das Gemeinschaftsforstamt in Berlin Die Kleine Anfrage 3124 vom 27. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Dezember 2013 kritisierte das Kartellamt die gebündelte Holzvermarktung im Land Baden-Württemberg. Das Bundeskartellamt fordert eine Trennung der Nadelstammholz vermarktung zwischen dem Staatswald sowie dem Kommunal- und Privatwald ab einer Betriebsfläche von 100 Hektar. Außerdem betrachtet das Kartellamt auch vorgelagerte forstwirtschaftliche Tätigkeiten, wie die betriebliche Planung, das Auszeichnen von Durchfors tungs beständen oder die technischen Vorgänge der Rundholzbereitstellung im Wald, als Teil des Verkaufsprozesses. Bei einer Übertragung dieser Sichtweise auf Rheinland-Pfalz wäre die Arbeit der Gemeinschaftsforstämter einschließlich der Beförsterung in der Fläche durch die Revierleiterinnen und Revierleiter in der bisherigen Weise gefährdet. Um die gewachsenen länderspezifischen Strukturen der Waldbewirtschaftung im Sinne aller Waldbesitzenden für die Zukunft zu sichern, hat die rheinland-pfälzische Landesregierung in der Agrarministerkonferenz eine Änderung des Bundeswaldgesetzes angestoßen . Vor diesem Hintergrund lud Landesforstministerin Ulrike Höfken am 3. Februar 2015 unter der Überschrift „Forstwirtschaft und Kartellrecht – Unser Wald zwischen Wettbewerb und Daseinsfürsorge“ zum parlamentarischen Abend in die Landesvertretung Rheinland-Pfalz nach Berlin ein. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Schlussfolgerungen zieht das Land aus dem genannten parlamentarischen Abend, an dem sich zahlreiche Teilnehmer aus der Politik und der Verwaltung sowie Branchen experten beteiligt haben, in Bezug auf das Kartellverfahren in Baden-Württemberg? 2. Welche Bedeutung hat das Gemeinschaftsforstamt in Rheinland-Pfalz für den Schutz der Wälder und deren naturnahe Bewirt- schaftung? 3. Welche Änderungen im Bundeswaldgesetz sind aus Sicht des Landes notwendig, um die bewährten Strukturen der Waldbewirt- schaftung im Land auch weiterhin zu sichern? 4. Welche aktuellen Kenntnisse hat das Land zu dem laufenden Kartellverfahren gegen Baden-Württemberg bzw. einem möglichen ähnlichen Verfahren gegen Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 17. März 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Der genannte parlamentarische Abend in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin verfolgte den Zweck, Hintergrundinformationen zu dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum Bundeswaldgesetz (BWaldG) sowie zum Kartellverfahren gegen Baden-Württemberg und möglicherweise weitere Bundesländer zu vermitteln. Das unter anderem mit Vertretern der Holz- und Sägeindustrie, des Bundes deutscher Forstleute, des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, forstwirtschaftlicher Zusammenschlüsse und des NABU-Landesverbandes Baden-Württemberg besetzte Podium konnte die Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben. In der kontrovers geführten Diskussion konnte ein Konsens dahingehend festgestellt werden, dass zum einen das Kartellverfahren gegen das Land Baden-Württemberg nicht dazu führen darf, dass die bewährten länderspezifischen Strukturen zur Unterstützung der kommunalen oder privaten Waldbesitzenden gefährdet Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 31. März 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4775 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode werden. Zum anderen enthielt eine hohe Zahl der Diskussionsbeiträge den dringlichen Appell, den vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegten Entwurf zur Ergänzung des BWaldG zügig in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Diese beiden Aspekte waren dem Grunde nach bereits Gegenstand des Beschlusses der Agrarministerkonferenz (AMK), der am 5. September 2014 auf Initiative des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten gefasst worden war. Zu Frage 2: Rheinland-Pfalz zeichnet sich durch einen hohen Anteil von rund 75 Prozent nichtstaatlichen Waldbesitzes aus, der zumeist sehr kleinstrukturiert ist. Die durchschnittliche Besitzgröße beträgt im Kommunalwald unter 200 Hektar, im Privatwald unter einem Hektar bei 330 000 Privatwaldbesitzern. Zudem sind diese oft in intensiver Gemengelage untereinander und mit dem Staatswald gelegen. Der nichtstaatliche Waldbesitz verfügt unter diesen Bedingungen häufig nicht über eigenes Forstpersonal, sondern nutzt vielfach die staatlichen Strukturen des Gemeinschaftsforstamtes für eine betriebsübergreifende Betreuung des Waldes einschließlich des Holzverkaufs. Unter dem Dach des Gemeinschaftsforstamts können alle nichtstaatlichen Waldbesitzenden ein umfangreiches Beratungs- und Betreuungsangebot nutzen. Dieses Angebot wird sowohl von den kommunalen als auch von den privaten Waldbesitzenden in großem Umfang in Anspruch genommen. Dies gewährleistet nicht nur eine pflegliche und nachhaltige Bewirtschaftung, es stellt auch sicher, dass wichtige Waldfunktionen bei der Durchführung von Maßnahmen berücksichtigt werden. Für das Land ist darüber hinaus von Bedeutung, dass auf 42 Prozent der Landesfläche (Anteil der Waldfläche) eine staatliche Eingriffsverwaltung für den Vollzug des Waldrechts nahezu entbehrlich ist. Eine gesetzeskonforme, das heißt ordnungsgemäße und nachhaltige Waldbewirtschaftung, kann bereits durch die Arbeit der Gemeinschaftsforstämter in weiten Teilen sichergestellt werden. Die Anzahl ordnungsrechtlicher Verfahren wegen forstrechtlicher Verstöße gegen Waldbesitzer bleibt damit sehr gering. Zu Frage 3: Wie in der Antwort zur Frage 1 dargestellt, war der Bund mit Beschluss der AMK vom 5. September 2014 aufgefordert worden, die notwendigen gesetzgeberischen Schritte zu ergreifen, damit die bewährten länderspezifischen Strukturen zur Unterstützung der kommunalen oder privaten Waldbesitzenden nicht gefährdet werden. Inzwischen liegt ein Referentenentwurf des BMEL vor, in dem klargestellt wird, dass die Holzvermarktung erst mit der Bereitstellung von Aufmaßlisten des aufgearbeiteten Holzes an eine Holzverkaufsorganisation beginnt und § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen insoweit keine Anwendung finden soll. Der Entwurf befindet sich derzeit in der Abstimmungsphase. Zu Frage 4: Die Landesregierung Baden-Württemberg hat – ausweislich der gemeinsamen Pressemitteilung des baden-württembergischen Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie des Landkreistages, des Städtetages und des Gemeindetages Baden-Württemberg vom 26. Januar 2015 – mitgeteilt, dass sie den vom Bundeskartellamt im Dezember 2014 vorgelegten Entscheidungsentwurf zum Kartellverfahren nicht akzeptieren wird. Begründet wurde dies damit, dass das Bundeskartellamt die bereits gefundene Lösung zum Rundholzverkauf in Baden-Württemberg und der Struktur der Forstverwaltung erneut in Frage stelle. So würden etwa die Forsteinrichtung, die forsttechnische Betriebsleitung im Körperschaftwald sowie auch der Revierdienst vom Bundeskartellamt als wirtschaftliche Tätigkeiten eingestuft. Auch habe das Bundeskartellamt eine vereinbarte Ausstiegsklausel für den Fall einer Änderung des Bundeswaldgesetzes für wirkungslos erklärt. Der vom Bundeskartellamt vorgelegte Entscheidungsentwurf sei nicht geeignet, stabile und rechtssichere Verhältnisse für die Forstverwaltung und Stadtkreise sowie für die waldbesitzenden Kommunen zu erreichen. Der Gemeinsame Forstausschuss von Gemeindetag und Städtetag als Verfahrensbeteiligte, habe einstimmig dazu aufgefordert, sowohl für die Holzvermarktung als auch für die damit zusammenhängenden forstlichen Dienstleistungen klare und rechtssichere Grundlagen zu schaffen. Das Land Baden-Württemberg hat infolgedessen seine Verpflichtungszusagen an das Bundeskartellamt zurückgenommen. Eine Reaktion des Bundeskartellamtes hierauf steht derzeit noch aus. Ulrike Höfken Staatsministerin