Drucksache 16/4782 20. 03. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Ergebnisse der Online-Umfrage zur Lebenssituation von LSBTTI in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3134 vom 27. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder und Frauen hat unter dem Titel „Guten Tag, wie geht es Ihnen?“ in einer OnlineStudie Daten zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen (LSBTTI) in Rheinland-Pfalz erhoben. Dabei wurden insbesondere Fragen zur Akzeptanz und zu eventuellen Diskriminierungserfahrungen der jeweiligen sexuellen Identität gestellt, sowohl bezogen auf das private wie das berufliche Umfeld der Befragten. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde auch die Möglichkeit gegeben, Wünsche und Vorschläge zu äußern. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Onlinestudie zur Lebenssituation von LSBTTI? 2. In welchen Lebensbereichen sieht die Landesregierung besonderen Handlungsbedarf? 3. Die Umfrage ergibt eine stärkere Benachteiligung von Trans*Menschen im Vergleich zu anderen Identitätsgruppen. Was unter- nimmt die Landesregierung, um dem entgegenzuwirken? 4. Die Untersuchung hat ergeben, dass eines der zentralen Anliegen der Befragten eine stärkere Aufklärungs- und Qualifizierungs- arbeit der Beschäftigten in Regeleinrichtungen (z. B. Kitas) ist. Mit welchen Mitteln will die Landesregierung auf dieses Ziel hinwirken ? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 20. März 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Die Landesregierung hat die Online-Studie zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und intersexuellen Menschen (LSBTTI) in Auftrag gegeben, um authentische Aussagen über deren Lebenssituation zu erhalten und somit Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ zu gewinnen. Die Studie ist nicht repräsentativ, da die Gesamtzahl von LSBTTI nicht bekannt ist. Sie hat aber explorativen Charakter und gibt Auskunft über Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Wünsche von LSBTTI in Rheinland-Pfalz. Die Online-Befragung ist zudem ein Instrument der Bürgerbeteiligung, denn Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen konnten auf diese Weise nicht nur über ihre Lebenssituation berichten, sondern auch Vorschläge zur Verbesserung benennen. Insgesamt wurden 601 Rückmeldungen eingesandt, von denen 592 in die Auswertung eingehen konnten. 91 dieser Personen hatten keinen unmittelbaren Bezug zu Rheinland-Pfalz. Sie wurden als Vergleichsgruppe in die Untersuchung einbezogen. Unmittelbaren Eingang in die Auswertung fanden 420 Rheinland-Pfälzer_innen und 81 Personen, die sich öfter in Rheinland-Pfalz aufhalten. Allerdings haben sich nur wenige Transsexuelle bzw. Transgender (37) und vor allem intersexuelle Personen (sieben) an der Umfrage beteiligt. Dennoch lassen deren Aussagen auch Rückschlüsse auf deren Lebenssituation zu. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 16. April 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4782 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 1: Die Landesregierung sieht es als erfolgreich an, dass sie einen authentischeren Einblick in die Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und intersexuellen Menschen (LSBTTI) erhalten hat. Generell ist festzustellen, dass die Gesellschaft offener gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt geworden ist. Darauf deutet auch der Umgang mit der eigenen sexuellen bzw. geschlechtlichen Identität hin. Über 80 % der Betroffenen gaben an, offen damit umzugehen. Besonders trifft das auf lesbische Frauen, schwule Männer und bisexuelle Personen zu. Im Gegensatz dazu liegt die Quote der trans- und besonders der intersexuellen Menschen, die nicht offen mit ihrer geschlechtlichen bzw. sexuellen Identität umgehen , höher. Allerdings bestehen gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen auch heute noch Vorurteile und die Menschen erfahren Benachteiligungen. So berichten knapp 60 % der Befragten (293 von 592 Personen ) davon, Nachteile aufgrund ihrer sexuellen bzw. geschlechtlichen Identität in Kauf nehmen zu müssen. Besonders häufig ist das bei inter- und transsexuellen Menschen. Insgesamt sieht sich die Landesregierung auch durch die Online-Befragung in ihrer Zielsetzung bestätigt, weiterhin für die vollständige rechtliche und soziale Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen durch eine breit angelegte Sensibilisierungs- und Akzeptanzpolitik einzutreten. Nach Ansicht der Landesregierung müssen Diskriminierungen und Benachteiligungen entschieden entgegengetreten werden. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, unabhängig von seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität respektiert und anerkannt zu werden, denn Vielfalt ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Daher wird die Landesregierung in Kooperation mit QueerNet e. V. den Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ weiter umsetzen und den aktuellen Bedarfen anpassen. Zu Frage 2: Die Landesregierung sieht in den folgenden Lebensbereichen besonderen Handlungsbedarf und wird die begonnenen Projekte weiter umsetzen: Rechtliche Gleichstellung: Die Landesregierung hat eingetragene Lebenspartnerschaften im gesamten Landesrecht vollständig gleich gestellt. Da diese Gleichstellung auf Bundesebene aber immer noch aussteht, tritt sie weiterhin für die vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ein. Polizei: Die Landesregierung setzt den eingeschlagenen Weg, das Thema in der Ausbildung der Polizei aufzugreifen und innerhalb der Polizeiorganisation mit der Sensibilisierung fortzufahren, weiter um. Bereits im Februar 2011 wurde in der Polizei als erstem Bereich der Landesverwaltung im Rahmen einer Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat Polizei eine Ansprechstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen eingerichtet. Im Mai 2013 fand an der Landespolizeischule Rheinland-Pfalz das Symposium „Vielfalt als Chance verstehen – gleichgeschlechtliche Lebensweisen als Herausforderung für die Polizei“ statt. Da bei diesem Symposium ein Handlungsbedarf auch für die Polizeipräsidien und die anderen Polizeibehörden und -einrichtungen formuliert wurde, verfügen seit dem 2. Halbjahr 2014 – mit Ausnahme der Zentralstelle für Polizeitechnik – alle Polizeibehörden und -einrichtungen über regionale Ansprechpersonen, die nach innen und außen wirken und insbesondere die zentrale Ansprechstelle in ihrer Arbeit unterstützen. Diese regionalen Ansprechpersonen haben sich im Januar 2015 erstmals mit der Ansprechstelle getroffen, um sich auszutauschen und den Umgang mit den zugehörigen Fragen in der Polizei weiter voran zu bringen. Die Treffen werden fortgesetzt . Weiterhin ist die Ansprechstelle in die polizeiliche Ausbildung des Polizeinachwuchses eingebunden. Sie stellt dort regelmäßig ihre Arbeit vor und sensibilisiert die angehenden Polizeikommissar-Anwärter_innen zu den Fragen der Vielfalt im Bereich der sexuellen Identität und Orientierung. Eine Verbesserung des Anzeigeverhaltens im Bereich der Gewaltdelikte ist wünschenswert. Die beschriebenen Maßnahmen sind auf eine langfristige Wirkung angelegt, die bei der betroffenen Opfergruppe möglicherweise vorhandene Bedenken oder Ängste abbauen helfen soll, mit ihren Anliegen bei der Polizei nicht angemessen behandelt zu werden. Die Polizei setzt im Übrigen auch die Angebote im Bereich des Opferschutzes weiter fort. Bildung: In Rheinland-Pfalz ist Ende des Jahres 2009 das Netzwerk SchLAu (Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung) gegründet worden. SchLAu ist ein peergroup-gestütztes Aufklärungsangebot für Schulen. Im Zentrum von SchLAu steht die Begegnung zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*Personen. Fachleute des Aufklärungsnetzwerkes gehen im Rahmen von Unterricht oder Projekttagen an Schulen. Dieses Angebot wird von der Landesregierung unterstützt. Gesundheit, Alter und Pflege: Der Landesregierung ist bewusst, dass das Thema LSBTTI in den Bereichen der Altenhilfe an Bedeutung zunimmt. Die Mitarbeiter _innen der Beratungs- und Prüfbehörde nach dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (BP-LWTG) setzen sich für eine Sensibilisierung im Umgang mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen in 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4782 Einrichtungen und betreuten Wohngruppen für ältere, pflegebedürftige Menschen ein. Die Beratungs- und Prüfbehörden sind beauftragt , dieses bei ihren Beratungsgesprächen mit den Einrichtungen anzusprechen bzw. zu besprechen. Gedenkkultur: Die Erinnerung an die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen und die Sensibilisierung für homophobe Tendenzen soll insbesondere auch gegenüber nachfolgenden Generationen erfolgen, die die Zeit der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen nicht persönlich miterlebt haben. Neben der aktuellen Umsetzung des Landtagsbeschluss zur „Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung und Rehabilitation homosexueller Menschen“ (Drucksache 16/1849), wird die Landesregierung eine Ausstellung für die Bildungsarbeit konzipieren, um Diskriminierung nachhaltig zu bekämpfen und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu werben. Zu Frage 3: Die Studie zeigt eine im Vergleich zu anderen Identitätsgruppen stärkere Benachteiligung der befragten Trans*Menschen in nahezu allen Lebensbereichen auf, insbesondere im Gesundheitssystem und im Umgang mit Behörden. Im Jahr 2014 hatte das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen eine Fachveranstaltung „Transidentität – Vielfalt der Geschlechter“ durchgeführt, bei der sich die Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen über die besonderen Bedarfe von Transsexuellen informieren und austauschen konnten. Darüber hinaus hat das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen den Betroffenen angeboten, weiterführende Gespräche zu führen. Zu Frage 4: Die Landesregierung teilt die Auffassung von Betroffenen, dass sie in erster Linie in Regeleinrichtungen Rat und Unterstützung finden können sollen. Darüber hinaus wird aber vor allem die Beratung von Betroffenen für Betroffene von Bedeutung sein, z. B. beim Coming-Out. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Aufklärungs- und Sensibilisierung der Beschäftigten in den Regeleinrichtungen, z. B. in Kindertagesstätten, Schulen und Familien- und Jugendeinrichtungen sowie von Beratungsstellen, weiter ausgebaut und unterstützt wird. Ein Beispiel dafür ist der Kita-Koffer „Lebens- und Familienvielfalt“, der von QueerNet Rheinland-Pfalz e. V. und dem Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen entwickelt wurde, und für eine vorurteilssensible Arbeit der Erzieherinnen und Erziehern im Alltag eingesetzt wird. Um Lehrkräfte an Schulen nachhaltig für LSBTTI zu sensibilisieren, werden im Rahmen der Lehrkräfteausbildung sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst entsprechende Aspekte (z. B. Werteerziehung) in den Modulen „Sozialisation, Erziehung, Bildung“ sowie mit dem Querschnittsthema „Sexualerziehung“ konsequent berücksichtigt. Ein weiteres Beispiel ist die Einbeziehung des Themas „Vielfalt“ in das Fortbildungsprogramm für Mitarbeiter_innen der Landesverwaltung , das unter dem Blickwinkel der „Charta der Vielfalt“ aufgegriffen und als Workshop angeboten wird. Des Weiteren wird das Thema im Rahmen der Strategie „Vielfalt“ weiter vertieft, zu der die Landesantidiskriminierungsstelle entsprechende Konzepte entwirft. Irene Alt Staatsministerin 3