Drucksache 16/4802 25. 03. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat in Stadt und Kreis Neuwied Die Kleine Anfrage 3154 vom 4. März 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Fall einer Bürgerin in Neustadt an der Weinstraße hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass sie aufgrund der Beschäftigung als Grundschulbetreuerin nicht als Ratsmitglied im Verbandsgemeinderat verpflichtet werden kann. Im Kommunalwahlgesetz des Landes Rheinland-Pfalz sind unter § 5 Gemeinderäte, § 54 Verbandsgemeinderäte und § 55 Kreis tagen Unvereinbarkeitsregelungen getroffen. Ich frage die Landesregierung: 1. Sind in der Stadt Neuwied und im Landkreis Neuwied sowie in den Verbandsgemeinden des Landkreises Neuwied und in deren Ortsgemeinden in den letzten zehn Jahren ähnliche Fälle bekannt geworden? 2. Werden die Parteien/Wählergruppen vor Aufstellung der Listen für die Kommunalwahlen in Stadt und Landkreis Neuwied dies- bezüglich besonders informiert? 3. Gibt es die Unvereinbarkeitsregelung generell nur für das Beschäftigungsverhältnis auf gleicher Ebene in Stadt und Kreis Neuwied oder bezieht sich die Unvereinbarkeit auch auf Beschäftigungen in einer anderen Ebene (Ortsgemeinde-Ortsgemeinderat/Verbandsgemeinde -Verbandsgemeinderat/Kreisverwaltung-Kreistag)? 4. Sind Beschäftigungsverhältnisse in Stadt und Kreis Neuwied bekannt, die unter die Ausnahmeregelung der „Arbeiter“ (BVerfGE 48, 64, 85) fallen? 5. Wie beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass Abteilungsleiter oder Mitarbeiter in Verbandsgemeinden im Landkreis Neuwied ggf. Kreistagsmitglieder im eigenen Kreistag sind? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 24. März 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Gemäß Artikel 137 Abs. 1 Grundgesetz (GG) kann die Wählbarkeit u. a. von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes in den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden. Damit soll verhindert werden, dass durch eine „Personalunion“ die Ratsmitglieder als Kontrolleure der Verwaltung sich selbst kontrollieren, soweit sie zugleich Aufgaben und Verantwortung innerhalb der Verwaltung wahrnehmen; Ziel ist es, „die Gefahr von Entscheidungskonflikten und daraus möglicherweise resultierenden Verfilzungen abzuwehren“. Durch organisatorische Maßnahmen soll die Gefahr eines Zusammentreffens von Amt und Mandat verhindert werden (BVerfGE 38, 326, 339; BVerfGE 98, 145, 160 f.). Die Einbeziehung von Arbeitern ist vom Verfassungsgeber ausdrücklich nicht vorgesehen worden, obwohl sich auch bei Arbeitern des öffentlichen Dienstes – besonders im gemeindlichen Bereich – häufig Fallgestaltungen ergeben können, bei denen eine Beschränkung der Wählbarkeit sachgerecht erscheinen würde (BVerfGE 48, 64, 85). Von der verfassungsrechtlichen Ermächtigung gemäß Artikel 137 Abs. 1 GG hat der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht und im Kommunalwahlgesetz (KWG) bei Wahlen zu den Gemeinderäten in § 5, zu den Verbandsgemeinderäten in § 54 Abs. 1 und zu den Kreistagen in § 55 Abs. 1 Unvereinbarkeitsregelungen getroffen, die unterschiedliche Fallgruppen umfassen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 20. April 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/4802 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Ja. Auf Nachfrage teilten die örtlichen Kommunalverwaltungen mit, dass es bei den Kommunalwahlen in den Jahren 2004, 2009 und 2014 bei der Stadt Neuwied einen Fall, beim Landkreis Neuwied, bei den Verbandsgemeinden des Landkreises Neuwied sowie bei den Ortsgemeinden insgesamt vier Fälle gegeben hat oder gibt, die vergleichbar sind mit dem, über den das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 7. Juli 2014 – 3 L 580/14. NW – entschieden hat. Zu Frage 2: Nein. Die kommunalwahlrechtlichen Vorschriften enthalten keine Verpflichtung der kommunalen Wahlleiter (Bürgermeister der Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden; Landräte), die Wahlvorschlagsträger (Parteien, Wählergruppen) vor der Aufstellung der Wahlvorschläge über die Regelungen zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat in kommunalen Vertretungsorganen zu informieren. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Unvereinbarkeitsregelungen nicht das passive Wahlrecht der Bürgerinnen und Bürger ausschließen. Die gewählte Bewerberin oder der gewählte Bewerber hat sich vielmehr nach der Wahl zwischen der Annahme des Mandats und der weiteren Tätigkeit in der Exekutive zu entscheiden (§ 5 Abs. 2 KWG). Zu Frage 3: Die Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes (§§ 5, 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 KWG) umfassen auch Tatbestände, die die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat auf verschiedenen kommunalen Ebenen (Ortsgemeinde/Verbandsgemeinde/Landkreis) regeln. So dürfen aufgrund der engen gesetzlichen Verflechtung zwischen der Verbandsgemeinde und ihren Ortsgemeinden (vgl. insbesondere §§ 68 bis 70 Gemeindeordnung – GemO –) Beamte und Beschäftigte der Verbandsgemeinde (soweit sie nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten), der die Ortsgemeinde angehört, nicht gleichzeitig Mitglied des Gemeinderates sein (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG). Aus dem gleichen Grund dürfen Beamte und Beschäftigte der Ortsgemeinde (soweit sie nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichten) nicht im Verbandsgemeinderat der Verbandsgemeinde, der die Ortsgemeinde angehört (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG), tätig werden. Zu Frage 4: Nach der Mitteilung der Kreisverwaltung Neuwied gibt es im Landkreis auf der Ebene der Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinden insgesamt sechs Fälle, die unter die Ausnahmeregelung der „Arbeiter“ gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 48, 64, 85) fallen. Die Stadt Neuwied hat Fehlanzeige mitgeteilt. Zu Frage 5: Die Ausübung eines Amtes bei der Verbandsgemeinde ist gemäß den Bestimmungen des Kommunalwahlrechts mit der Mitgliedschaft im Kreistag des Landkreises, dem die Verbandsgemeinde angehört, vereinbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 48, 64, 89, 58, 177, 193) kann die Beschränkung der Wählbarkeit im Hinblick auf die Bedeutung der Wahlrechtsgleichheit nicht allein mit der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Artikels 137 GG begründet werden. Vielmehr bedarf es sachlicher Gründe, die mit dem Sinn des Artikels 137 GG in Einklang stehen. In Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben dienen die Unvereinbarkeitsregelungen des Kommunalwahlgesetzes der Sicherung der organisatorischen Gewaltenteilung gegen Gefahren, die durch das Zusammentreffen von beruflicher Stellung und Mandatswahrnehmung entstehen können. Die Gefahr von solchen Entscheidungskonflikten ist bei Beamten und Beschäftigten der Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden im Falle der Mitgliedschaft im Kreistag nicht gegeben, da der Kreistag zwar „Kontrolleur“ der Kreisverwaltung ist, nicht aber über (Aufsichts-)Befugnisse gegenüber den kreisangehörigen Städten, Gemeinden und Verbandsgemeinden und deren Verwaltungsbehörden verfügt. Solche Befugnisse stehen lediglich der Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung zu (§ 118 Abs. 1 Satz 1 GemO, § 55 Abs. 1 und 2 Landkreisordnung). Roger Lewentz Staatsminister