Drucksache 16/4930 23. 04. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Perflourierte Tenside (PFT) aus der Air Base Ramstein Die Kleine Anfrage 3265 vom 2. April 2015 hat folgenden Wortlaut: Bezugnehmend auf die Kleine Anfrage 2823 vom 19. November 2014 des Kollegen Marcus Klein (Drucksache 16/4338) zur PFTBelastung im Landkreis Kaiserslautern frage ich die Landesregierung: 1. Wo liegen die dort genannten Messstellen, die seit 2010 bzw. 2011 regelmäßig auf PFT untersucht werden (Oberflächenwasser, Grundwasser)? 2. Welche Einzelergebnisse (PFT gesamt, einzelne PFT-Stoffe) wurden seit 2010 bzw. 2011 an diesen Messstellen erzielt? 3. Lassen diese Ergebnisse Rückschlüsse zu, dass ein überwiegender Teil der PFT aus dem Wirkungsbereich der Air Base stammt? 4. Gibt es PFT-Messungen im Mohrbach und im Glan, wenn ja, mit welchen Ergebnissen und wie werden diese interpretiert? 5. Wie schätzt die Landesregierung das Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt ein (z. B. Fischverzehr, Ablagerungen bei Hoch- wasser)? 6. Wirken sich PFT und evtl. andere Emissionen aus dem Bereich der Air Base Ramstein auf den chemischen und ökologischen Zustand gemäß Wasserrahmenrichtlinie der Gewässer Floßbach, Mohrbach und Glan aus? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 21. April 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Bedingt durch die jahrzehntelange Flugplatznutzung der Ramstein Air Base (RAB) konnten mögliche PFC-Belastungen (PFC = per- und polyfluorierte Chemikalien) der Gewässer nicht ausgeschlossen werden. Auf Initiative der SGD Süd, in Zusammenarbeit mit der US-Seite wurde daher in 2008 ein Messprogramm gestartet um mögliche Belastungen aufzuspüren und ggf. Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Seit 2010 werden zusätzlich PFC analysiert. Folgende Messpunkte wurden in das Messprogramm aufgenommen: Weiterhin werden seit 2011 PFC-Untersuchungen an den operativen Fließgewässermessstellen des LUWG am Glan bei Nanzdietschweiler (oberhalb Einmündung Mohrbach) und am Glan bei Matzenbach (unterhalb Einmündung Mohrbach) durchgeführt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. Mai 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode P1 Flossbach Eintritt in Liegenschaft RAB, Erfassung Zustrom P2 Mohrbach Eintritt in Liegenschaft RAB, Erfassung Zustrom P3 Hundsbach Bereich Regenrückhaltebecken III auf RAB zentral P4 Hembach Mündung in Mohrbach; außerhalb RAB, Erfassung möglicher Beeinflussungen KA Landstuhl P5 Mohrbach Bereich Regenrückhaltebecken VI, Erfassung Abstrom (Niederschlagswasser) P6 Mohrbach Oberhalb Ramstein, Abstrom (Niederschlagswasser) Drucksache 16/4930 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Aufgrund der Erkenntnisse zur PFC-Problematik und der in 2010 festgestellten PFC-Konzentrationen im Oberflächenwasser im Bereich der RAB wurde die PFC-Parameter gruppe in das seit vielen Jahren laufende Grundwassermonitoring mit einbezogen. Danach werden seit 2011, in Absprache mit der SGD Süd, Regionalstelle Kaiserslautern, acht ausgewählte Grundwassermessstellen auf PFC beprobt. Es handelt sich dabei um folgende Messstellen: Zu Frage 2: Untersuchungsergebnisse Oberflächengewässer: 2 GWM 445 Abstrom Ramp 5 GWM 311.2 Abstrom Ramp 5 GWM 296 Abstrom Ramp 5 GWM 608 Abstrom Schaumtestbereich (Tankgruppe SW, Site 602) GWM 524 (seitlicher) Abstrom Feuerwehrübungsplatz GWM 525.2 Abstrom Feuerwehrübungsplatz GWM 101f Zustrom Ramp 1 GWM 273 Abstrom Ramp 1 September 2010 Oktober 2010 November 2010 Mai 2011 Juli 2011 August 2012 Juli 2013 Dezember 2013 P 1 PFC als Summe µg/l 0,034 0,022 0,02 0,012 0,01 0,039 0,01 0,024 PFOA + PFOS µg/l 0,01 0,01 0,01 < 0,01 0,01 < 0,01 0,01 0,024 P 2 PFC als Summe µg/l 0,01 0,02 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 PFOA + PFOS µg/l 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 < 0,01 P 3 PFC als Summe µg/l 1 1,3 8,5 < 0,01 1,2 1,2 1,751 0,741 PFOA + PFOS µg/l 0,41 0,54 3,67 < 0,01 0,53 0,53 0,92 0,38 P 4 PFC als Summe µg/l 0,15 1,5 0,15 0,29 0,4 0,26 0,138 0,165 PFOA + PFOS µg/l 0,08 1,23 0,06 0,17 0,17 0,08 0,055 0,081 P 5 PFC als Summe µg/l 0,82 0,99 0,5 0,98 0,82 0,76 0,79 0,63 PFOA + PFOS µg/l 0,44 0,57 0,42 0,46 0,39 0,37 0,41 0,35 P 6 PFC als Summe µg/l 0,88 0,8 0,5 1 0,75 0,77 0,86 0,45 PFOA + PFOS µg/l 0,5 0,48 0,26 0,5 0,35 0,39 0,47 0,25 Glan Nanzdietschweiler (oberhalb Einmündung Mohrbach 2011 (µg/l) 2012 (µg/l) 2013 (µg/l) 2014 (µg/l) PFC als Summe, Jahresmittel 0,04 0,04 0,04 0,04 PFC als Summe, Maxima 0,06 0,07 0,05 0,05 PFOS, Jahresmittel 0,02 0,01 0,01 0,01 PFOS, Maxima 0,03 0,02 0,02 0,02 Glan Nanzdietschweiler (unterhalb Einmündung Mohrbach 2011 (µg/l) 2012 (µg/l) 2013 (µg/l) 2014 (µg/l) PFC als Summe, Jahresmittel 0,26 0,22 0,21 0,17 PFC als Summe, Maxima 0,36 0,29 0,34 0,25 PFOS, Jahresmittel 0,11 0,08 0,07 0,06 PFOS, Maxima 0,03 0,02 0,02 0,02 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/4930 Untersuchungsergebnisse Grundwasser: Zu Frage 3: Aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse ist von einer maßgeblichen aber nicht ausschließlichen Beeinflussung sowohl des Grund- als auch des Oberflächenwassers durch den Einsatz von PFC (im Wesentlichen Feuerlöschschäume) im Flugplatzbetrieb auszugehen. Aufgrund der jahrzehntelangen Nutzung der Flugplatzfläche sind Verunreinigungen des Untergrunds vorhanden. Inzwischen ist eine Vielzahl von Schadensfällen erfasst, für die Gefahrerforschungsmaßnahmen, Sanierungen oder auch Monitorings durchgeführt werden. In Fokus standen hier bisher Schadensfälle mit Mineralölprodukten und Lösemitteln. Eine Zuordnung einzelner Schadensfälle zu den bisher ermittelten Grundwasserbelastungen (Kohlenwasserstoffe, LHKW) ist aufgrund der geologischen Gegebenheiten sowie der Vielzahl der Fälle nicht immer möglich. Häufig kommt es zu Überlagerungen, die einen integralen Sanierungsansatz erforderlich machen. Für die RAB wurde deshalb ein Grundwasserströmungs- und -schadstofftransportmodell erarbeitet, das alle Grundwassermessstellen (mehrere Hundert) sowie alle Analysedaten umfasst. Dadurch können die hydrogeologischen Verhältnisse sowie das Gesamtschadensbild recht gut abgebildet werden. Aufgrund der bisher ermittelten hydraulischen Verhältnisse ist derzeit nicht von einem Schadstoffabstrom über die Liegenschaftsgrenzen hinaus auszugehen . Mit der Überprüfung der Messstellen GWM 608 (Tankgruppe SW) sowie GWM 524 und 525.2 (Feuerwehrübungsplatz) wurden insbesondere die vermuteten PFC-Eintragsquellen berücksichtigt. Festzustellen bleibt, dass in allen Messstellen PFC nachgewiesen werden konnten. In den Messstellen GWM 296 und GWM 445 konnten in der Summe PFC-Gehalte zwischen 0,1 und 0,8 µg/l, aber keine PFOS- und PFOA-Konzentrationen festgestellt werden. In den Messstellen GWM 273, 311.2 und 524 wurden Gesamt-PFC-Werte zwischen 0,3 und 1,3 µg/l, davon zwischen 0,1 und 0,5 µg/l PFOS und PFOA detektiert. Auffällig waren die Messstellen GMW 101.f und GWM 608. In der Messstelle GWM 608 wurden mit PFC-Gesamtkonzentrationen von bis zu 263 µg/l die höchsten Werte festgestellt. Dagegen zeigten sich die PFCGesamtwerte in GWM 101.f mit bis max. 19 µg/l zwar ebenfalls erhöht, aber deutlich niedriger. 3 Juni 2011 Oktober 2011 April 2012 Oktober 2012 März 2013 Juli 2013 November 2013 März 2014 Juli 2014 September 2014 GWM 101f PFC als Summe µg/l 18,8 12,4 15 9 10,1 PFOA + PFOS µg/l 17,2 11,1 13,9 7,8 9,4 GWM 273 PFC als Summe µg/l < 0,1 0,9 1 0,7 0,9 0,3 PFOA + PFOS µg/l < 0,1 0,2 0,4 0,2 0,4 0,2 GWM 296 PFC als Summe µg/l < 0,1 < 0,1 0,3 0,1 0,1 < 0,1 PFOA + PFOS µg/l < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 GWM 311.2 PFC als Summe µg/l 0,5 0,6 0,4 0,8 0,7 0,5 PFOA + PFOS µg/l < 0,1 0,1 0,1 0,2 0,2 < 0,1 GWM 445 PFC als Summe µg/l 0,4 0,5 0,8 0,6 0,7 0,5 PFOA + PFOS µg/l < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 < 0,1 GWM 524 PFC als Summe µg/l 1,3 0,6 0,8 0,7 0,4 0,4 PFOA + PFOS µg/l 0,5 0,2 0,3 0,3 0,1 0,1 GWM 525.2 PFC als Summe µg/l 2,8 3 2,2 3,2 1,5 1,3 PFOA + PFOS µg/l 1 0,9 0,9 1 0,9 0,3 GWM 608 PFC als Summe µg/l 42,5 76,7 156,5 144,8 99,8 263,5 142 96,2 46,1 PFOA + PFOS µg/l 28,9 31,8 63,1 64,9 34,7 121 51,7 28,9 12 Drucksache 16/4930 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die am höchsten belastete Messstelle GWM 608 liegt im Bereich des „Schaumtestfeld“ an der Tankgruppe SW (Site 601). Der Schadensfall „Tankgruppe SW“ befindet sich aktuell in Bearbeitung. Aufgrund der aus der PFC-Überprüfung gewonnenen Erkenntnisse werden die derzeit laufenden Maßnahmen um den Aspekt PFC erweitert. Die Messstelle GWM 101.f kann wahrscheinlich dem aktuell sich in Bearbeitung befindenden Schadensfall „Old Test Cell“ (ehemalige Triebwerkteststation) zugeordnet werden. Weitere detaillierte Erkenntnisse werden im Zuge der weiteren Maßnahmen gewonnen . Die Oberflächenwasserproben zeigen PFC-Einflüsse sowohl im Zustrom als auch im Abstrom der RAB. Es ist eine Zunahme der PFC-Gehalte aus dem Zustrom (Konzentrationen bis ca. 0,05 µg/l) bis max. 0,8 µg/l im Abstrom erkennbar. Die höchsten bisher gemessenen PFOS-/PFOA-Werte von 3,67 µg/l bzw. 1,75 µg/l liegen im zentralen Bereich der RAB. Die bisher vorliegenden Ergebnisse deuten tendenziell auf eine Abnahme der PFOA/PFOS-Werte hin. Der Bericht der Messergebnisse für 2014 liegt derzeit noch nicht vor, sodass aktuell der Trend noch nicht definitiv bestätigt werden kann. Zu Frage 4: Siehe Antworten zu den Fragen 2 und 3. Zu Frage 5: PFC-Stoffe werden erst seit etwa 50 Jahren hergestellt und stellen heute ein weit verbreitetes Umweltproblem dar. Wegen ihrer besonderen chemischen Eigenschaften werden sie insbesondere in verschiedenen Industriebereichen und in Feuerlöschschäumen eingesetzt. Die Stoffe sind giftig, bioakkumulierbar und kaum durch natürliche Prozesse abbaubar. Sie haben sich daher heute ubiquitär in der Umwelt verbreitet. Obwohl die Europäische Kommission die Verwendung von PFC-Stoffen bereits ab 2008 stark eingeschränkt hat, werden wir unsere Umwelt mittel- bis langfristig nicht mehr in einen unbelasteten Zustand zurückversetzen können. Auf viele Fragen zur Wirkung auf Mensch und Umwelt gibt es derzeit noch keine befriedigenden Antworten. Insbesondere in den Bereichen, wo erhöhte Belastungen auftreten, hat für die Landesregierung oberste Priorität, eine Gefährdung für Mensch und Umwelt weitestgehend auszuschließen. Im Umfeld der bisher bekannten mit PFC belasteten Bereiche hat die Landesregierung daher für einige Fischgewässer in Rheinland-Pfalz Verzehreinschränkungen für Fische empfohlen. Ebenso soll aus Vorsorgegründen auf das Bewässern von Gärten aus belasteten Gewässern verzichtet werden. Mit PFC belastete Klärschlämme dürfen nicht mehr auf die Felder aufgebracht, sondern müssen verbrannt werden. Im erweiterten Einzugsbereich von Belastungsquellen wird den Wasserversorgungsunternehmen empfohlen, ihr Trinkwasser zu überwachen. Zu Frage 6: Die EU hat 2013 den PFC-Stoff Perfluoroctansulfonat (PFOS) in die „Liste prioritärer Stoffe“ aufgenommen. Als Umweltqualitätsnorm (UQN) hat die EU vorgegeben, dass in Fischen ein PFOS-Wert von 9,1 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) nicht überschritten werden soll. In Binnenoberflächengewässern sollen 0,65 Nanogramm pro Liter (ng/l) im Jahresdurchschnitt nicht überschritten werden. Die EU legt auch fest, dass die Mitgliedstaaten die PFOS-Werte ab 2018 bei der Beurteilung des chemischen Zustands der Gewässer zu beachten haben. Nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) müssen die Mitgliedstaaten bei Überschreitung der PFOS-Werte spätestens ab 2018 Maßnahmen ergreifen, um den guten Zustand bis 2027 herzustellen. Obwohl die Landesregierung nicht bis 2018 abwartet sondern bereits 2009 begonnen hat, Maßnahmen zu ergreifen und diese derzeit in allen maßgeblichen Bereichen ausweitet, ist nicht absehbar, ob Rheinland-Pfalz bis 2027 den guten Zustand gemäß WRRL in den rheinland-pfälzischen Oberflächengewässern erreichen kann. Ulrike Höfken Staatsministerin 4