Drucksache 16/498 27. 10. 2011 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 4. November 2011 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr.AxelWilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung,Wissenschaft,Weiterbildung und Kultur Wirtschaftsgymnasium Speyer Die Kleine Anfrage 340 vom 6. Oktober 2011 hat folgenden Wortlaut: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Schülerinnen und Schüler aus Speyer und viele Schülerinnen und Schüler aus den Gemeinden des südlichen Rhein- Pfalz-Kreises (Stadt Schifferstadt, Verbandsgemeinden Dudenhofen und Waldsee, Gemeinden Böhl-Iggelheim und Römerberg) besuchen derzeit berufliche Gymnasien der Fachrichtung Wirtschaft? 2. Wie viele Anträge auf Einrichtung eines beruflichen Gymnasiums der Fachrichtung Wirtschaft hat die Stadt Speyer in den letzten 15 Jahren an die Landesregierung gerichtet? 3. Was ist die Begründung dafür, auch in diesem Jahr den Antrag abzulehnen? 4. Wie verträgt sich diese Ablehnung damit, dass die Einrichtung eines solchen Gymnasiums wesentlicher Bestandteil des von der ADD gebilligten Schulentwicklungsplans der Stadt Speyer ist? 5. Hält die Landesregierung die Einrichtung Integrierter Gesamtschulen für vorzugswürdiger als die Einrichtung beruflicher Gym- nasien? 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Nachfrage aus der Bevölkerung und aus der Wirtschaft nach beruflichen Gymnasien und ihre Bedeutung für das gegliederte Schulwesen? 7. Welche Perspektiven sieht die Landesregierung mittelfristig für die Einrichtung weiterer beruflicher Gymnasien, insbesondere solcher der Fachrichtung Wirtschaft, in Rheinland-Pfalz und speziell in der Pfalz? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler aus Speyer und aus den Gemeinden des südlichen Rhein-Pfalz-Kreises (Stadt Schifferstadt, Verbandsgemeinden Dudenhofen und Waldsee, Gemeinden Böhl-Iggelheim und Römerberg), die die beruflichen Gymnasien Fachrichtung Wirtschaft an den berufsbildenden Schulen Landau, Ludwigshafen und Germersheim besuchen, stellt sich wie folgt dar: Schülerinnen und Schüler im beruflichen Gymnasium Fachrichtung Wirtschaft Stand: 12. Oktober 2011 Anzahl der Schüler/-innen aus den Gemeinden Gemeinden Stufe 11 Stufe 12 Stufe 13 SummeBBS BBS BBS LD LU GER LD LU GER LD LU GER Stadt Speyer 1 1 3 0 1 1 0 1 0 8 Stadt Schifferstadt 0 2 1 1 7 2 0 8 0 21 Verbandsgemeinde Dudenhofen 0 1 0 0 0 0 1 1 1 4 Drucksache 16/498 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Folgende Anträge auf Einrichtung eines beruflichen Gymnasiums Fachrichtung Wirtschaft wurden von der Berufsbildenden Schule Speyer und mit der Änderung des Antragsverfahrens zur Beantragung neuer Bildungsgänge zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 von der Stadt Speyer in den vergangenen 15 Jahren gestellt: Während des Zeitraums der Umsetzung des Strukturkonzepts für die berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz vom Schuljahr 2004/2005 bis zum Schuljahr 2006/2007 war die Beantragung von neuen Bildungsgängen für berufsbildende Schulen ausgesetzt. Prioritär wurden während dieser Zeit die nach dem Strukturkonzept neuen Bildungsgänge der höheren Berufsfachschule Sozialassistenz , der dualen Berufsoberschule sowie der Berufsoberschule II eingerichtet. Zu Frage 3: Entscheidungen über die Errichtung von (neuen) schulischen Angeboten in der Sekundarstufe II, also auch von beruflichen Gymnasien , werden auf der Grundlage der im Rahmen der regionalen Schulentwicklungsplanung eingereichten Anträge getroffen. Die Prüfung schließt eine Einschätzung der langfristigen demografischen Entwicklung und der in der Region vorhandenen und geplanten Angebote in allen Schularten und -formen der Sekundarstufe II ein. Dabei werden auch bestehende Angebote, Schulen im Aufbau und Planungen innerhalb und außerhalb des betroffenen Landkreises oder der betroffenen kreisfreien Stadt einbezogen. Die Ablehnung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in der Region um Speyer sowie zwischen Ludwigshafen, Germersheim und Landau ein sehr differenziertes Angebot zur Möglichkeit der Höherqualifizierung über berufliche Gymnasien, auch in der Fachrichtung Wirtschaft existiert. Von einer Einrichtung eines beruflichen Gymnasiums Fachrichtung Wirtschaft an der Berufsbildenden Schule Speyer wäre das berufliche Gymnasium Fachrichtung Wirtschaft in Germersheim unmittelbar betroffen. Die Einzugsbereiche der Standorte Speyer und Germersheim haben eine hohe Überdeckung, da die beiden Schulen nur ca. 15 km voneinander entfernt liegen. Um die als Mindestgröße geforderte Zweizügigkeit zu erreichen, wurde von der Berufsbildenden Schule Germersheim für das berufliche Gymnasium Wirtschaft der Aufnahmekorridor bis zur vorgesehenen Mindestvoraussetzung (Durchschnittsnote 3,0) genutzt. Somit ist davon auszugehen, dass alle interessierten Bewerberinnen und Bewerber für ein berufliches Gymnasium Wirtschaft in der Region einen entsprechenden Schulplatz erhalten. Außerdem sind im Schuljahr 2008/2009 in der Region drei neu eingerichtete berufliche Gymnasien gestartet. Die mittel- und langfristige Entwicklung ihrer Schülerzahlen und Einzugsbereiche ist auch vor dem Hintergrund zurückgehender Schülerinnen- und Schülerzahlen noch nicht endgültig absehbar. Dies ist jedoch eine notwendige Voraussetzung für die Einrichtung eines weiteren beruflichen Gymnasiums. Mit Bezug auf die vorliegenden Daten der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I in Speyer erhalten die durchschnittlich 200 Schülerinnen und Schüler, die in Speyer den Realschulabschluss machen, sofern sie eine gymnasiale Oberstufe besuchen wollen, schon durch die vorhandenen fünf allgemeinbildenden Gymnasien ein ausreichendes Angebot. Mittelfristig kommt eine Ober- 2 Anzahl der Schüler/-innen aus den Gemeinden Gemeinden Stufe 11 Stufe 12 Stufe 13 SummeBBS BBS BBS LD LU GER LD LU GER LD LU GER Verbandsgemeinde Waldsee 0 3 0 0 1 0 0 1 0 5 Gemeinde Böhl-Iggelheim 0 0 0 0 2 0 0 1 0 3 Gemeinde Römerberg 0 1 0 0 1 1 0 0 2 5 Summe 1 8 4 1 12 4 1 12 3 13 17 16 46 Antragsjahr Einrichtung zum Schuljahr 1999 2000/2001 2000 2001/2002 2001 2002/2003 2008 2009/2010 2009 2010/2011 2010 2011/2012 2011 2012/2013 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/498 stufe der Integrierten Gesamtschule hinzu, wobei für das gesamte schulische Angebot die demografiebedingten Veränderungen mit zu berücksichtigen sind. Es ist nicht davon auszugehen, dass dauerhaft ein zusätzliches berufliches Gymnasium mit der Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung zur Befriedigung der Bildungsnachfrage in der Region notwendig ist. Die weitere Entwicklung der berufsbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz wird, wie die der allgemeinbildenden Schulen, unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, der Veränderung der Schulstruktur in der Region, der Veränderung im dualen System, der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sowie unter Berücksichtigung der Interessen der ausbildenden Wirtschaft und nach Abstimmung von standortspezifischen Bildungsangeboten zwischen den berufsbildenden Schulen einer Region betrachtet werden müssen. In diese Gespräche werden selbstverständlich Schulträger und Schulen einbezogen. Zu Frage 4: Landkreise und kreisfreie Städte sind verpflichtet, für ihr Gebiet oder gemeinsam für benachbarte Landkreise und kreisfreie Städte Schulentwicklungspläne aufzustellen (§ 91 Abs. 3 SchulG). Diese haben die Aufgabe, der Verwaltung und den kommunalen Gremien alle Daten zur Verfügung zu stellen, die für eine Meinungsbildung vor Ort notwendig sind. Sie werden jedoch von der Schulbehörde weder genehmigt noch gebilligt. Sie dienen als Entscheidungshilfe bei der Prüfung des schulischen Bedürfnisses für einzelne Bildungsangebote und ergänzen somit die zentrale staatliche Planungsbefugnis. Zu den Fragen 5 und 6: Die Bildungspolitik der Landesregierung setzt auf die Gleichwertigkeit von beruflichen und allgemeinen Bildungsangeboten. Berufsbildende Schulen sind dabei einerseits bedeutende Partner in der dualen Ausbildung und bieten andererseits vielfältige Qualifizierungsmöglichkeiten bis hin zur allgemeinen Hochschulreife. Sowohl das berufliche Gymnasium als auch die höhere Berufsfachschule oder die neuen Fachoberschulen im organisatorischen Verbund mit Realschulen plus stehen somit gerade Absolventinnen und Absolventen von Realschulen plus, aber auch der 10. Klassen von Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen, als weitere Ausbildungswege zu höheren Abschlüssen zur Verfügung, insbesondere wenn sie bestimmte fach- und berufsbezogene Talente aufweisen. Die Entscheidung über die Bildungsangebote einer Region fällt aufgrund der eingereichten Anträge und der Prüfung des schulischen Bedürfnisses für einzelne Schularten und Schulformen, zum Beispiel wegen der erwarteten Nachfrage bei Eltern. Deshalb hatte die Schulaufsicht auf Antrag der Stadt Speyer für das Schuljahr 2010/2011 eine Integrierte Gesamtschule mit projektierter gymnasialer Oberstufe errichtet und so zusammen mit den anderen Oberstufenangeboten, wie zum Beispiel den insgesamt elf fachrichtungsund schwerpunktbezogenen Bildungsgängen an beruflichen Gymnasien, ein abgestimmtes System von berufsbezogener und allgemeiner Bildung in der Vorder- und Südpfalz ermöglicht. Zu Frage 7: An den berufsbildenden Schulen im Land ist in den vergangenen Schuljahren das Angebot an höher qualifizierenden Bildungsangeboten , wie z. B. der beruflichen Gymnasien, erheblich ausgebaut worden. Vom Schuljahr 2007/2008 bis einschließlich Schuljahr 2011/2012 erfolgten 17 Neueinrichtungen von beruflichen Gymnasien oder Erweiterungen bestehender beruflicher Gymnasien um zusätzliche Fachrichtungen. Damit ist im gymnasialen Bereich an den berufsbildenden Schulen nahezu ein flächendeckendes Angebot erreicht. Insgesamt stehen Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz innerhalb des Systems der berufsbildenden Schulen zur Erlangung studienqualifizierender Abschlüsse neben dem beruflichen Gymnasium noch die Angebote der Berufsoberschulen, der berufsbegleitenden dualen Berufsoberschulen und des ausbildungsbegleitenden Fachhochschulreifeunterrichts, besonders in Kombination mit den höheren Berufsfachschulen, offen. Doris Ahnen Staatsministerin 3