Drucksache 16/5045 21. 05. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. Juni 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stephanie Nabinger und Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Verzögerungen bei der Endlagersuche – mögliche Kosten für rheinland-pfälzische Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Die Kleine Anfrage 3328 vom 30. April 2015 hat folgenden Wortlaut: Laut einem aktuellen Bericht der Arbeitsgruppe 3 der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfälle“ (Endlagerkommission) wird sich die bundesweite Suche nach einem End lager für radioaktiven Atommüll und dessen Verschluss und Inbetriebnahme voraussichtlich um Jahrzehnte verzögern. Das Ende der Einlagerung könne sich nach Ansicht der End lagerkommission demnach bis zum Jahr 2130 hinziehen. Der Zustand eines verschlossenen Endlagerbergwerks sei sogar erst zwischen 2095 und 2170 oder später erreichbar. Dies wiederum führe dazu, dass die Kosten für die Atommüllbeseitigung auf 50 bis 70 Milliarden Euro ansteigen und der Atommüll in einigen Zwischenlagern bis nach 2100 bleiben könnte. In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung: 1. Welche genauen Aussagen werden nach Kenntnis der Landesregierung in dem Bericht der Endlagerkommission getroffen? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Kosten, die durch die Endlagersuche entstehen? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung nach einem Fonds für die Folgekosten der Atomenergie? 4. Welche Gefahren ergeben sich aus Sicht der Landesregierung durch eine längere Nutzung der Zwischenlager für Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 21. Mai 2015 wie folgt beantwortet: Das Standortauswahlgesetz (StandAG) ist Mitte Juli 2013 in Kraft getreten. Ziel des Standortauswahlgesetzes ist die ergebnisoffene Suche nach einem Standort für ein Endlager. Die Kommission soll bis Ende des Jahres 2015 Vorschläge erarbeiten, etwa zu den Sicherheitsanforderungen sowie zu geologischen Ausschluss- und Auswahlkriterien. Die Entscheidung über die wesentlichen Schritte des Auswahlverfahrens trifft der Bundestag per Gesetz. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die vorgenannte Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Arbeitsgruppe 3 „Entscheidungskriterien sowie Kriterien für Fehlerkorrekturen“ (AG 3) der Endlagerkommission hat auf der Basis ihrer Sitzungen vom 27. Februar 2015 und 6. März 2015 die „Prozesswege zu einer sicheren Lagerung hoch radioaktiver Abfälle unter Aspekten der Rückholbarkeit/Bergbarkeit/Reversibilität“ ausgearbeitet. Das Papier zum Diskussionsstand der AG 3 wurde am 14. April 2015 als Kommissions-Drucksache 99/AG3-12 veröffentlicht. Das Dokument beschäftigt sich ausschließlich mit der Pfadfamilie „Einlagerung in ein Endlagerbergwerk: Einlagerung in Bergwerken in Salz, Tonstein oder Kristallingestein“. Sie wird insbesondere charakterisiert und zeitlich skizziert. Andere Pfadfamilien, wie z. B. Entsorgung im Weltall, Verbringung ins Ausland, sind ausgeschlossen. Das Papier enthält Aussagen bezüglich des zeitlichen Ablaufs. Nach dem StandAG kann der Start des Auswahlverfahrens möglicher Endlagerstandorte gegebenenfalls ab dem Jahr 2018 erfolgen. Die Festlegung eines Endlagerstandorts ist nach StandAG für das Jahr 2031 geplant. Die bergtechnische Erschließung eines Standorts für die Einlagerung der hoch radioaktiven Abfälle kann hiernach viele Jahre dauern. Die Inbetriebnahme des Endlagers mit dem Einbringen der ersten beladenen Endlagergebinde ist danach frühestens 2045/2050 denkbar. Das Ende der Einlagerung wäre mit dem Einbringen des letzten beladenen Endlagergebindes erreicht und zwischen 2075 und 2130 vorstellbar. Der Verschluss des Endlagerbergwerks wäre zwischen 2085 bis 2160 möglich, abhängig von Entscheidungen zukünftiger Generationen. Der Zustand eines verschlossenen Endlagerbergwerks wäre zwischen 2095 bis 2170 denkbar oder noch später. Drucksache 16/5045 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Des Weiteren werden Aussagen zum Monitoring und der Reversibilität von Entscheidungen sowie über Möglichkeiten der Rückholbarkeit und Bergbarkeit von eingelagerten Abfällen getroffen. Als Voraussetzungen für den Beginn der Standortsuche werden folgende Punkte angeführt: – das Endlagerkonzept darf die spätere Option der Reversibilität nicht unterlaufen; – es sind Auswahlkriterien unter Berücksichtigung der Parameter Sicherheit, Flexibilität und Reversibilität zu formulieren; – das Endlagerkonzept soll monitoringfreundlich sein; – die Langzeitsicherheit ist in einem Zielkonflikt mit Wünschen nach Reversibilität und Monitoring abzuwägen; – vollständige Dokumentation des Wissens und der Entscheidungsschritte. Unter Berücksichtigung des vorgenannten Arbeitspapiers hat die Endlagerkommission zwischenzeitlich den Beschluss gefasst, AG 3 zu bitten, unter Aufnahme der kritischen Punkte der Diskussion die Arbeit im Sinne des vorgelegten Papiers fortzuführen“ (Kommissionsdrucksache 98 neu/AG 3-11 neu). Zu Frage 2: Aussagen zu den Kosten werden in der Kommissionsdrucksache 99/AG 3-12 nicht genannt. Wie hoch die Kosten der Endlagersuche in Deutschland tatsächlich sein werden, kann erst dann einigermaßen verlässlich geschätzt werden, wenn u. a. entsprechend den Vorgaben des StandAG festgelegt wurde, wie viele alternative Standorte mit welcher Untersuchungstiefe vergleichend auf ihre Eignung geprüft werden. Für die Abschätzung der Kosten für die Endlager selbst liegen ebenfalls noch nicht die hierfür erforderlichen Eckdaten vor. Die Kosten für die Endlagerung werden entschei dend von dem letztlich ausgewählten Endlagerstandort, dem Endlagerkonzept, der Menge der einzulagernden Abfälle und dem vorgesehenen Zeitraum für die Befüllung des Endlagers geprägt. Zu Frage 3: Aus Sicht der Landesregierung ist die Bildung von Fonds zur Sicherung der Kostentragung der Folgekosten der Atomkernenergie durch die Abfallverursacher unerlässlich, da die Gefahr besteht, dass die Betreibergesellschaften ihrer Kostentragungspflicht im weiteren Verlauf des Ausstiegs aus der Atomenergie nicht nachkommen werden. Als Lösungsmöglichkeit kommt die Errichtung sowohl von internen als auch externen Fonds in Betracht. Die Einrichtung interner Fonds stellt zur Sicherung der Kostentragung des Rückbaus und der Zwischenlagerung eine angemessene Lösung dar. Hierzu sollten die Betreibergesellschaften gesetzlich verpflichtet werden, ein Sicherungsvermögen einzurichten und zu verwalten. Dieses Sicherungsvermögen verbleibt als interner Fonds beim Unternehmer. Gesetzliche Vorgaben zur Vermögensanlage und -verwaltung müssten sicherstellen, dass der Bestand des Sicherungsvermögens gewährleistet ist. Des Weiteren wäre gesetzlich zu regeln, dass der Staat als Gläubiger im Insolvenzfall vorrangig Zugriff auf dieses Sondervermögen hat. Als Vorbild können Regelungen zur Bildung von Sicherungsvermögen der Versicherungsunternehmen dienen, wodurch die Erfüllung von Versicherungs - ansprüchen auch für den Fall der Insolvenz gewährleistet werden soll. Die internen Fonds erscheinen für Rückbau und Zwischenlagerung deshalb als geeignete Lösung, weil die Betreibergesellschaften für den Rückbau und die Zwischenlagerung zuständig sind und daher die Durchführungsverantwortung tragen. Zur Sicherung der Finanzierung der Endlagersuche sowie zur Errichtung und zum Betrieb eines Endlagers ist dagegen – im Hinblick auf die Zuständigkeit des Staats für diese Aufgabe und die damit verbundene Durchführungsverantwortung – die Einrichtung eines externen Fonds sachgerecht. Darüber hinaus erscheint ein externer Fonds im Hinblick auf die lange Zeitdauer, die die Endlagersuche und die Einrichtung eines Endlagers benötigt, unabdingbar, um die Finanzierungsverpflichtung der Betreibergesellschaften abzusichern. Für die Einrichtung eines externen Fonds müsste die gesetzliche Verpflichtung der Atomkraftwerksbetreiber geschaffen werden, unter Auflösung ihrer Rückstellungen, ausreichende Mittel für die Endlagersuche sowie für Errichtung und Betrieb eines Endlagers in den externen Fonds zu übertragen. Zu Frage 4: Durch die voraussichtlich notwendig werdende längere Nutzung der Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente und hoch radioaktive Abfälle aus der Wieder aufarbeitung – es handelt sich um die an 14 Kernkraftwerksstandorten angesiedelten dezentralen Standortzwischenlager (darunter auch Biblis und Philippsburg) sowie die drei zentralen Zwischenlager in Gorleben, Ahaus und Greifswald/Rubenow für abgebrannte Brennelemente und Wiederaufbereitungsabfälle – ergeben sich für Rheinland-Pfalz keine derzeit erkennbaren konkreten Gefahren, die über das allgemeine Risiko durch die oberirdische Lagerung hoch radioaktiver Materialien hinausgehen. In Rheinland-Pfalz existiert kein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente und Wiederaufbereitungsabfälle. Alle befristeten Genehmigungen der 14 dezentralen Standortzwischenlager in Deutschland laufen zwischen 2042 und 2047 aus. Auch die drei Genehmigungen der zentralen Zwischenläger enden zwischen 2034 und 2039. Das weitere Vorgehen wird von den zuständigen Bundesbehörden sorgfältig zu prüfen sein. Auch die für die Lagerung eingesetzten CASTOR-Behälter haben nur eine Zulassung für den Zeitraum von 40 Jahren. Welche Folgen sich hieraus ergeben, muss einer intensiven und mit äußerster Sorgfalt durchgeführten Prüfung unterzogen werden. Eveline Lemke Staatsministerin