Drucksache 16/5110 03. 06. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Peter Enders (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Studie zur Überprüfung der Notarztstruktur in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3376 vom 12. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: In der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drucksache 16/2869 hat die Landesregierung festgestellt, dass erste Ergebnisse der Studie im Verlauf des I. Quartals 2014 vorliegen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Ergebnisse wurden erzielt? 2. Wie wurde weiter verfahren? 3. Welche Konsequenzen wurden oder werden gezogen? 4. Wird die Studie weitergeführt bzw. wird sie – wenn ja in welchen zeitlichen Abständen – aktualisiert? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 2. Juni 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die im Jahr 2012 durchgeführte „Strukturanalyse Notarztstandorte“ ist eine von mehreren wissenschaftlichen Arbeiten und Projekten zur Analyse rettungsdienstlicher und notärztlicher Versorgung in Rheinland-Pfalz. Das vom Land geförderten Deutsche Institut für Notfallmedizin und Informationstechnologie (DENIT) am Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) Kaiserslautern wurde Ende 2012 damit beauftragt, bei den Verantwortlichen der rheinland-pfälzischen Notarztstandorte mithilfe eines 53 Fragen umfassenden Fragebogens strukturelle und personelle Gegebenheiten der Standorte zu erfragen. Die Ergebnisse wurden in einem wissenschaftlichen Beitrag in der Fachliteratur veröffentlicht und lassen sich wie folgt zusammenfassen (Auszug aus dem Abstract): „Es antworteten 74 Standorte (94,8 %); davon waren 87,8 % klinikgebunden. Die Rekrutierung von Notärzten bezeichneten 62 % der Studienteilnehmer als schwierig oder sehr schwierig; mit weiter zunehmenden Schwierigkeiten rechnen 92 %. Auf Honorarärzte greifen 43 % der Antwortenden zurück. Unter den Notärzten sind nur 28,4 % Frauen; der Fachrichtung Anästhesiologie entstammen 56,1 %. Für Personalprobleme ursächlich angeführte Faktoren sind: geringe Vergütung (59,5 %), Mehrbedarf an Ärzten (56,8 %), Desinteresse anderer Abteilungen (50 %), fehlende Attraktivität für die Karriere (45,9 %) und altersbedingtes Ausscheiden (40 %). Wichtigste Gegenmaßnahmen bestehen in der Kostenübernahme und Freistellung für die Notarztausund Notarztfortbildung sowie in einer höheren Vergütung. Schlussfolgerung Die geschilderten Probleme sind vielschichtiger Natur. Sie erfordern neben finanziellen Anreizen v. a. eine generelle Aufwertung der Notarzttätigkeit. Weiterführende Untersuchungen bei den betroffenen Ärzten sind notwendig. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die geringe Beteiligung von Ärztinnen am Notarztdienst.“ Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. Juli 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5110 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu den Fragen 2 und 3: Es wurde wie folgt weiterverfahren und zudem folgende Konsequenzen gezogen: – Verbesserung der Vertragssituation Die Notarztverträge gemäß § 23 Rettungsdienstgesetz (RettDG) werden zwischen der jeweiligen Klinik und der örtlich zuständigen Behörde für den Rettungsdienst geschlossen. Die Vereinbarungen sind notwendig, da in ihnen insbesondere die näheren Einzelheiten der Gestellung der Notärzte, deren Dienstpläne und das Verfahren der Finanzierung zu regeln ist. Um hier eine Verbesserung der Situation zu erreichen, hat das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM) seit Anfang 2014 immer wieder die zuständigen Behörden in diese Richtung beraten und ermuntert, entsprechende Verhandlungen zu forcieren. Auch die Einführung von Halbjahresgesprächen mit den zuständigen Behörden im Jahr 2014 und der dort regelmäßigen Berichterstattung aller zuständigen Behörden zielt in diese Richtung. Die bisher neu geschlossenen Verträge haben bereits zu einer Verbesserung der Gesamtsituation geführt. – Verfahren nach § 23 Abs. 2 Satz 5 RettDG Vor allem die in den Vereinbarungen enthaltenen Regelungen zur Finanzierung führen häufig dazu, dass die Kostenträger des Rettungsdienstes ihr erforderliches Einvernehmen verweigern. In einem solchen Fall kann das ISIM im Rahmen eines Verfahrens nach § 23 Abs. 2 Satz 5 RettDG eine Entscheidung treffen. Zwei solcher Verfahren wurden im Jahre 2014 erstmalig seit Bestehen des Rettungsdienstgesetzes in Rheinland-Pfalz durchgeführt. In beiden Fällen einigten sich die Parteien im Rahmen der mündlichen Anhörung, sodass es keiner Entscheidung durch das Ministerium bedurfte. Zurzeit sind noch zwei Verfahren anhängig, bei denen es im ersten Halbjahr 2015 zu mündlichen Anhörungen kommen wird. – In einem nächsten Schritt hat das ISIM die Entwicklung einer Planungssoftware für die Standortoptimierung durch das Fraunhofer -Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) und das Fraunhofer IESE beauftragt. Neben der Frage der personellen Verfügbarkeit und fachlichen Eignung ist zunehmend die Frage der bestmöglichen räumlichen Abdeckung von hoher Relevanz. Mit der im März 2015 fertiggestellten Software können nunmehr bei Bedarf einzelne Standorte analysiert und Veränderungen der Vorhaltung mit Hilfe mathematischer Optimierungsmodellen objektiv bewertet werden. – Einsetzung einer Arbeitsgruppe Telekonsultation im Rettungsdienst Im Nachgang zu einer vom DENIT im Jahr 2014 durchgeführten Umfrage zum Thema Telekonsultation im Rettungsdienst und auf der Grundlage der Ergebnisse aus den wissenschaftlichen Untersuchungen zur Struktur- und Verfügbarkeitsanalyse der Notarztstandorte wurde durch das ISIM eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des DENIT eingerichtet, die sich intensiv mit der Frage Telekonsultation im Rettungsdienst auseinandersetzt. Dabei werden zunächst bestehende Pilotprojekte betrachtet und ihre Übertragbarkeit auf Rheinland-Pfalz untersucht. In einem weiteren Schritt wird eine Empfehlung zum Einsatz entsprechender Techniken in Rheinland-Pfalz erstellt. Die bereits in Rheinland-Pfalz im Einsatz befindlichen Systeme, wie zum Beispiel die Projekte unter dem Stichwort Telekardiologie, werden dabei in die Gesamtbetrachtung eingebunden. – Intensivierung der Analysen zur rettungsdienstlichen Vorhaltung Im Jahr 2015 werden wiederholt zwei Intensivkurse „Auswertetool für Leitstellendaten“ (InManSys) stattfinden, die vom ISIM finanziert werden (Teilnehmerkreis: Ärztliche Leiter Rettungsdienst [ÄLRD], Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter der zuständigen Rettungsdienstbehörden). Damit wird die Zahl der Anwenderinnen und Anwender des Auswertetools vergrößert . Zusätzlich können die zuständigen Behörden auf die oben beschriebene Planungssoftware für die Standortoptimierung zurückgreifen. – Mobile Elektronische Einsatzdatenerfassung (MEER) Das Projekt MEER geht im Jahr 2015 in die Endphase. Geplant ist in naher Zukunft alle Notarzt-Einsatzfahrzeuge und Rettungswagen mit einem Tablet-PC und dem landesweit einheitlichen System MEER auszustatten. Neben der Verbesserung der Zuweisung von Notfallpatientinnen und -patienten und der Optimierung der Dokumentation liefert das Projekt eine weitere wichtige Datenquelle. Zukünftig stehen den ÄLRD und damit den zuständigen Behörden für den Rettungsdienst die pseudonymisierten Daten aus den Notfallprotokollen in einer aggregierten Form als weitere Datenquelle zu Verfügung. Zu Frage 4: Eine Fortschreibung der Befragung der Notarzt stellenden Einrichtungen in der „Strukturanalyse Notarztstandorte“ ist derzeit nicht geplant. Allerdings stehen die Daten der „Verfügbarkeitsanalyse Notarztstandorte“ und die Leitstellendaten (InManSys) allen zuständigen Behörden jeweils tagesaktuell zur Verfügung. Die mittlerweile fertiggestellte „Planungssoftware für die Standortoptimierung “ rundet die Analysemöglichkeiten für die zuständigen Behörden ab und komplettiert sie. Mit den pseudonymisierten Daten aus dem Projekt MEER steht in naher Zukunft eine vierte aussagekräftige Datenquelle zur Analyse der rettungsdienstlichen Versorgungsqualität zur Verfügung. Somit stehen in Rheinland-Pfalz so viele Datenquellen und landesweit einheitliche Analysetools zur Verfügung wie in keinem anderen Bundesland. In Vertretung: Randolf Stich Ministerialdirektor