Drucksache 16/5116 05. 06. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Heike Scharfenberger, Kathrin Anklam-Trapp und Jaqueline Rauschkolb (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Ökonomie und Sozialraum – Innovative Konzepte in der Pflege Die Kleine Anfrage 3410 vom 28. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: Auf einer Tagung der Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG) am 13. Mai 2015 wurden unter dem Thema „Ökonomie und Sozialraum“ neue und innovative Konzepte in der Pflege diskutiert. Auch bei der Fachtagung „Altenheim Expo 2015“, einer Tagung für Investoren und Träger von Pflegeeinrichtungen in Berlin, wurde nach neuen Wegen in der Pflege gesucht und die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rolle der Kommunen in der Pflege kritisch diskutiert. Zu dieser Tagung berichtet die Zeitschrift CAR€ Invest, dass immerhin 55,8 Prozent der befragten Investoren und Einrichtungsträger sich Vorteile von einer kommunalen Steuerung versprechen, wenn sie frühzeitig in die Planungen einbezogen werden. Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen fragen wir die Landesregierung: 1. Was sind nach Kenntnis der Landesregierung die zentralen Gründe für die Pflegebranche, neue Wege in der Pflege zu suchen? 2. Wie schätzt die Landesregierung diese Diskussionen ein? 3. Wie werden sich der Pflegemarkt und die Pflegeangebote in der Zukunft insbesondere in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der Landesregierung entwickeln? 4. Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung für Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 3. Juni 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der zentrale Grund für die Pflegebranche, neue Wege in der Pflege zu suchen, ist der demografische Wandel. Das Statistische Landesamt hat vor einigen Wochen erste Daten der aktuellen Pflegestatistik veröffentlicht. Ende des Jahres 2013 lebten in Rheinland -Pfalz rund 118 000 pflegebedürftige Menschen und damit in etwa 5 000 mehr als zwei Jahre zuvor. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahrzehnten aller Voraussicht nach weiter fortsetzen und zeitweise noch verstärken. Gleichzeitig wird die Zahl der Menschen im erwerbstätigen Alter langfristig sinken, obwohl die Erwerbsquote von Frauen weiter zunimmt und immer weniger Angehörige ihren Beruf für die Übernahme der Pflege und Betreuung aufgeben. Damit sinkt auch das Potenzial zur Gewinnung neuer Pflegekräfte. Aus dieser Entwicklung ergibt sich die Notwendigkeit, heutige Versorgungsstrukturen so weiterzuentwickeln, dass sie auch ab dem Jahr 2035 noch tragfähig sind. Zu 2.: Die Landesregierung begrüßt die zunehmende Bereitschaft der Anbieter, innovative Pflegekonzepte zu entwickeln und umzusetzen . Die beiden zentralen Säulen der vergangenen Jahrzehnte in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen, nämlich die Angehörigenpflege oder die Versorgung in vollstationären Einrichtungen, werden auch in Zukunft von elementarer Bedeutung sein. Alleine sind sie jedoch nicht tragfähig. Deshalb müssen wir heute die Strukturen der Pflege für morgen weiterentwickeln. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. Juli 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5116 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Wichtige Eckpfeiler dabei sind aus Sicht der Landesregierung: – Hinreichende Entlastungsstrukturen für pflegende Angehörige durch ambulante Pflegedienste, Tagespflege und niedrigschwellige Angebote, – das Zusammenwirken von Angehörigen, nachbarschaftlichen Hilfen, ehrenamtlicher und hauptamtlicher professioneller Pflege in Pflege-Mix-Strukturen sowie – eine Vielfalt an Wohnformen, aus denen pflegebedürftige Menschen die für sie passende Alternative wählen können – von generationenübergreifenden Wohnangeboten über Wohngemeinschaften bis hin zu kleinen, gemeindeintegrierten Einrichtungen für pflegebedürftige Menschen. Zu 3.: Eine eindeutige Prognose ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Wir erleben derzeit eine intensive Debatte, zum Teil mit ganz konträren Einschätzungen verschiedener Akteure. So gibt es nach wie vor Trägerverbände und Investorengruppen, die klassische vollstationäre Einrichtungen als einzige realistische Antwort auf den demografischen Wandel und sich verändernde familiäre Strukturen begreifen. Andere wiederum, beispielsweise im „Netzwerk: Soziales neu gestalten (SONG)“, sind bestrebt, frühzeitig neue Wege zu gehen. Wichtig ist in der Debatte über die Ausgestaltung neuer Angebotsstrukturen, dass es sich um einen partizipativen Prozess handelt, gerade vor dem Hintergrund des Gedankens einer stärkeren kommunalen Steuerung. Steuerung bedeutet, dass die Kommune mit allen Beteiligten – den Anbietern, den Leistungsträgern und den älteren Menschen, zum Beispiel den Seniorenbeiräten – gemeinsame Ziele und gemeinsame Strategien zum Erreichen der Ziele vereinbart, die dann jeder und jede auf seine und ihre Weise umsetzt. Planung und Steuerung sind ein Aushandlungsprozess, dessen Ergebnis von den Kreis- oder Stadträten demokratisch legitimiert wird. Zu 4.: Die Landesregierung begrüßt den Diskurs über zukunftsfähige Strukturen in der Pflege und Betreuung und bringt sich dabei aktiv ein. Die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege sind ein guter Impuls für die Pflegebranche, innovative Konzepte weiter voranzutreiben. Soweit eine verstärkte kommunale Steuerung hin zur zunehmenden Verbreitung vernetzter und kooperierender Pflege-Mix-Strukturen dazu führt, dass der Pflegesektor für Investorengruppen mit dem Fokus auf Realisierung ehrgeiziger Renditeerwartungen und möglichst de-regulierter Märkte zunehmend unattraktiv wird, ist dies ein weiterer Gewinn. Anbieter und Investoren, denen eine gute Pflege und Betreuung, die Teilhabe pflegebedürftiger Menschen an der Gemeinschaft und attraktive Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten mindestens genauso wichtig sind, wie berechtigte und realistische Gewinnerwartungen , sind ausdrücklich eingeladen, die künftige Entwicklung gemeinsam mit der Landesregierung zu gehen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin