Drucksache 16/5136 16. 06. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Dr. Rahim Schmidt, Dr. Fred Konrad und Dietmar Johnen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Infektionen durch multiresistente Keime in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3416 vom 27. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: Schätzungen zufolge sterben in Deutschland jährlich mehrere tausend Menschen durch Infektionen mit multiresistenten Bakterien (u. a. MRSA, ESBL, VRE) gegen die kaum ein Antibiotikum hilft. Auch weltweit steigt die Zahl der multiresistenten Erreger, zu denen neben Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), weitere multiresistente Staphylococcus aureus, Vancomycinresistente Enterokokken(VRE) und multiresistente gramnegative Stäbchen (3MRGN, 4MRGN) zählen. Im Bereich der Eifel gab es in letzter Zeit Berichte über das vermehrte Auftreten dieser Keime. Im Dezember 2012 wurde das MRE-Netzwerk Bernkastel-Wittlich gegründet. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie hat sich die jährliche Zahl nachgewiesener Infektionen durch multiresistente Keime (z. B. MRSA, ESBL, VRE), aufgeschlüsselt nach der Herkunft der betroffenen Patientinnen und Patienten aus den kreisfreien Städten und Landkreisen und aufgeschlüsselt nach dem Ort/Krankenhaus in dem die Infektion festgestellt wurde, in Rheinland-Pfalz in den letzten fünf Jahren entwickelt? 2. Wie hoch ist die Anzahl der Fälle von Infektionen mit multiresistenten Keimen nach Kenntnis der Landesregierung zu anderen Bundesländern? 3. Wie viele Todesfälle sind, aufgeschlüsselt nach Kreisen und kreisfreien Städten, auf Infektionen mit multiresistenten Keimen zurückzuführen? 4. Wie hoch ist nach Einschätzung der Landesregierung der Anteil multiresistenter Erreger, die auf hohen Antibiotikaeinsatz in der Tiermast zurückzuführen sind in ländlichen Regionen wie den Landkreisen Trier-Saarburg, Eifelkreis Bitburg-Prüm, Vulkan - eifel, Ahrweiler und Kreis Mayen-Koblenz? 5. Wie hat sich die Arbeit der Netzwerke in Rheinland-Pfalz in den letzten beiden Jahren entwickelt? 6. Wie beurteilt die Landesregierung Forderungen nach Intensivierung der Maßnahmen gegen multiresistente Erreger mit Isolations - maßnahmen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nach niederländischem Vorbild? 7. Gibt es alternative Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten gegen Infektionen durch multiresistente Erreger? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 15. Juni 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Krankenhäuser und Einrichtungen für ambulantes Operieren haben zwar Aufzeichnungen zum Auftreten resistenter Erreger zu machen, diese sind aber nicht meldepflichtig. Nur für den Nachweis von MRSA in Blutkulturen und Liquor gibt es im Infektionsschutzgesetz eine direkte Meldepflicht. Im Übrigen sind resistente Erreger nur meldepflichtig, wenn sie im Zusammenhang eines Ausbruchsgeschehens festgestellt werden. Dabei erfolgt die Meldung an das für den Wohnort zuständige Gesundheitsamt, sodass nur eine Aufschlüsselung nach der Herkunft der Personen möglich ist und nicht auch nach dem Diagnoseort. Darüber hinaus liegen Daten aus verschiedenen, in Deutschland etablierten Surveillance-Systemen (zum Beispiel KrankenhausInfektions -Surveillance-System, KISS) vor, die jedoch keine landes- oder gar landkreisbezogene Zuordnung ermöglichen. BundesDruck : Landtag Rheinland-Pfalz, 23. Juli 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5136 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 2 weit lässt sich aus den KISS-Daten ein steigender Trend bei den gramnegativen multiresistenten Erregern (3 MRGN, 4 MRGN) und den vancomycinresistenten Erregern (VRE) verzeichnen. Die MRSA-Häufigkeit ist durch die vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung nosokomialer Infektionen bundesweit eher rückläufig. Auch in Rheinland-Pfalz zeigen die nach Infektionsschutzgesetz gemeldeten MRSA-Fälle insgesamt einen leichten Rückgang. Dieser Trend ist auch in einer seit dem Jahr 2006 laufenden Studie des Landesuntersuchungsamts mit dem Gesundheitsamt MayenKoblenz feststellbar, in der ein Rückgang von MRSA bei den Aufnahme-Screening-Untersuchungen in einer Neurologischen Rehabilitationsklinik zu beobachten ist. Zu 2.: Bundesweit liegt die Inzidenz, das heißt, Fallzahl pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner, für MRSA-Befunde aus Blut und Liquor in den letzten fünf Jahren zwischen 4,76 und 5,57. In Rheinland Pfalz war die höchste Zahl im Jahr 2012 zu verzeichnen, mit 156 Fällen, was einer Inzidenz von 3,91 entspricht. Seither liegt die Inzidenz in Rheinland-Pfalz unter 2,75 und damit immer deutlich unter dem Bundesdurchschnitt 1). Zu 3.: Der Landesregierung liegen die folgenden, landesweiten Daten zu Todesfällen durch MRSA-Infektionen vor: Zu 4.: Verschiedene Studien belegen, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung die Resistenzentwicklung und Ausbreitung von Bakterien mit Resistenzen begünstigt. Es liegen allerdings keine Daten vor, in welchem Umfang dieser Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Resistenzproblematik in der Humanmedizin beiträgt. Das ist laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung von vielen Faktoren abhängig, die bisher zum Teil nicht bekannt sind beziehungsweise noch nicht vollständig aufgeklärt werden konnten. Tendenziell ist aber erkennbar, dass bei Tierarten, bei denen häufig Antibiotika eingesetzt werden, auch häufiger Resistenzen gegen Antibiotika beobachtet werden. Die resistenten Erreger können dann vor allem auf Menschen mit direktem, engem Tierkontakt und die Resistenzmuster auf humanpathogene Erreger übertragen werden. Zu weiteren möglichen Übertragungswegen , zum Beispiel über die Nahrungskette oder von Mensch zu Mensch, gibt es bisher nur wenige Daten. Außer bei sehr engen Kontaktpersonen in der Tiermast ist eine Verbreitung innerhalb der Bevölkerung, speziell im ländlichen Umfeld von Mastbetrieben , jedoch offenbar eher selten, wie eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts zeigte. Zu 5.: In Rheinland-Pfalz wurden inzwischen in 22 von 24 Landkreisen oft überregional tätige Netzwerke gegen multiresistente Keime gegründet. Im April 2013 nahm das Netzwerk des Landkreises Cochem-Zell seine Arbeit auf und im März 2015 haben sich die Landkreise Westerwald und Rhein-Lahn dem seit Januar 2014 bestehenden MRE-Netzwerk des Landkreises Altenkirchen angeschlossen . Damit ist das Ziel einer flächendeckenden Netzwerkarbeit gegen multiresistente Keime fast vollständig erreicht. Seit dem Jahr 2012 haben 20 rheinland-pfälzische Krankenhäuser nach aufwendiger Prüfung von ihren jeweiligen Netzwerken Hygiene-Siegel erhalten. Sie sind ein wichtiges Signal für Patientinnen und Patienten, denn ihnen garantiert diese Auszeichnung die Sicherheit einer qualitativ hochwertigen hygienischen Versorgung. Erstmals hat das Netzwerk der Landkreise Altenkirchen, Westerwaldkreis und Rhein-Lahn-Kreis ein MRE-Qualitätssiegel auch für Alten- und Pflegeeinrichtungen etabliert und an sechs Einrichtungen im Landkreis Altenkirchen verliehen. Zu 6.: Nach dem Vorbild der in den Niederlanden etablierten Vorgehensweise zur Bekämpfung multiresistenter Erreger werden auch in Deutschland von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) ein Aufnahme-Screening für besonders gefährdete Personengruppen und gegebenenfalls Quarantänemaßnahmen empfohlen. Die Empfehlung ist gesetzlich als fachlicher Standard anzusehen und ist auch in der rheinland-pfälzischen Landesverordnung zur Hygiene und Infektionsprävention für medizinische Einrichtungen verankert. Das Screening ist inzwischen an vielen Krankenhäusern etabliert und hat mutmaßlich mit dazu beigetragen, dass die MRSA-Problematik in Deutschland eher rückläufig ist. 1) Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 10. Juni 2015. 2) Angaben zentrale Meldestelle beim Landesuntersuchungsamt vom 10. Juni 2015; Daten zum Tod durch MRSA-Infektion sind erst seit 2014 verfügbar. Jahr Anzahl Fälle davon verstorben 2) 2010 154 2011 153 2012 156 2013 110 2014 91 3 2015 32 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5136 Da die Finanzierung der Screening-Untersuchungen in nahezu allen Fällen durch die gesetzlichen Krankenkassen noch nicht befriedigend geklärt ist, hat Rheinland-Pfalz als aktuelles Vorsitzland der Gesundheitsministerkonferenz eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, damit vom Bundesgesundheitsministerium kurzfristig die rechtlichen Voraussetzungen im Krankenhausentgeltrecht zur Kostenübernahme des Screenings geschaffen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Einrichtungen die KRINKO-Empfehlungen zum Screening umsetzen. Gleichzeitig hat Rheinland-Pfalz eine Prüfung auf den Weg gebracht, die die Einführung ausgewählter, bundesweit verbindlicher Screening-Untersuchungen zum Ziel hat. Zu 7.: Mit dem Oberbegriff „multiresistente Erreger“ werden sehr unterschiedliche Erreger mit unterschiedlich breitem Resistenzmuster angesprochen. Die meisten von ihnen führen zunächst nur zu einer sogenannten „Besiedelung“ ohne Krankheitswert, sodass keine speziellen Behandlungsmaßnahmen angezeigt sind. Bei abwehrschwachen Menschen, wie sie häufig in Krankenhäusern zu finden sind oder bei nicht ausgebildetem Immunsystem, wie zum Beispiel bei Frühgeborenen, können diese Erreger jedoch zu schweren Infektionen führen, für die es nur wenige oder gar keine Ersatzantibiotika mehr gibt. Daher ist es besonders in Bereichen, in denen solche Personen behandelt werden, wichtig, dass im Sinne einer Prävention durch Screening verhindert wird, dass solche Erreger dort auftreten können. Sollte es dennoch zu einem Ausbruchsgeschehen kommen, sind umfangreiche Hygiene- und Quarantänemaßnahmen erforderlich, um den Erreger wieder aus dem betroffenen Bereich zu entfernen. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 3