Drucksache 16/5151 17. 06. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Chefs der Staatskanzlei Abschlussveranstaltung Transparenzgesetz Die Kleine Anfrage 3402 vom 28. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: Am 11. Mai 2015 fand die Abschlussveranstaltung des Beteiligungsverfahrens zum Transparenzgesetz in der Staatskanzlei statt. Erstmals fand im Rahmen der formalen Gesetzgebung eine derart umfangreiche konsultative Form der Bürgerbeteiligung statt. Das Transparenzgesetz stellt eines der zentralen demokratiepolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode dar. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung das Bürgerbeteiligungsverfahren im Hinblick auf die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger? 2. Wie hat sich die Verzahnung eines Online-Verfahrens mit Präsenzveranstaltungen bewährt? 3. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse und inhaltlichen Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens? 4. Welche Erfahrungen aus dem Beteiligungsverfahren können für die Zukunft für andere Gesetzesvorhaben gewonnen werden? Der Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 17. Juni 2014 wie folgt beantwortet: Einleitend möchte ich zwei Punkte vorausschicken: Mit dem Beteiligungsverfahren zum Transparenzgesetz wurde Neuland betreten und eine neue Form eines interaktiven Gesetzgebungsverfahrens beschritten. Ziel war es, nicht nur die inhaltlichen Ergebnisse auszuwerten, sondern den gesamten Prozess auch auf seinen Modellcharakter für weitere Gesetzgebungsverfahren zu untersuchen. Dabei wird auch die externe Evaluation, die von der Bertels mann Stiftung in Kooperation mit Prof. Dr. Thorsten Faas von der Universität Mainz durch geführt wird, wertvolle Hinweise geben. Aussagen dazu sind erst nach abgeschlossener Auswertung und Evaluation möglich. Der Ministerrat hat dazu beschlossen, das klassische Gesetzgebungsverfahren mit einem Beteiligungsprozess zu verknüpfen. Aus diesem Grunde wurde der Zeitpunkt des Beteiligungsverfahrens zwischen die erste und zweite Ministerratsbefassung gelegt. In welcher Form die Ergebnisse des Beteili gungsprozesses Niederschlag im Gesetzentwurf finden werden, obliegt der Entscheidung des Ministerrats. Die Landesregierung steht für maximale Transparenz auch innerhalb des Beteiligungsverfahrens. Über die Beteiligungsplattform www.transparenzgesetz.rlp.de ist nachzuvollziehen, wie die Lan desregierung mit den Ergebnissen des Beteiligungsverfahrens umgeht . Dort werden die Entscheidungen auch erläutert. Bereits jetzt sind die Dokumentationen aller Veran staltungen im Rah men des Beteiligungsverfahrens auf dieser Plattform einsehbar. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. Juli 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5151 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Die Landesregierung bewertet das Beteiligungsverfahren als qualitativ anspruchs voll und erfolgreich. Vorrangiges Ziel war es, über das Transparenzgesetz zu informieren und für das Thema zu sensibilisieren. Dabei ging es um eine inhaltliche Anreicherung des Gesetzestextes, die Erörterung von zentralen Fragestellungen sowie die Identifika tion von Konsens- und Dissensbereichen. Das Verfahren war vorrangig auf spezifische Zielgruppen ausge richtet. Dennoch soll ten alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, sich zu beteiligen. Dies erfolgte vor allem über eine Online-Beteiligung auf der eigens einge richteten Beteiligungsplattform sowie über eine Bürgerwerkstatt. Repräsentativität war nicht der Anspruch des Verfah rens. Auf der Online-Plattform haben 162 registrierte Teilnehmende 164 Kommentare und 181 Bewertungen abgegeben. Es gab 5 658 Besuche und 31 124 Seitenansichten. An der Bürgerwerkstatt – einer moderierten Ganztagesveranstaltung – haben rund 50 Bürge rinnen und Bürger teilgenommen. Insgesamt fanden im Rahmen des Beteiligungsverfahrens sieben Veranstaltungen für unter schiedliche Zielgruppen statt. Pro Veranstaltung nahmen zwischen 40 und 130 Personen teil, insgesamt 520. Im Anhörverfahren gemäß GGO wurden 64 Stellungnah men abgegeben. Die Landesregierung begrüßt die Qualität der Beiträge. Alle, die sich ins Beteiligungsverfahren eingebracht haben, haben dies hoch engagiert und in großer Ernsthaftigkeit getan. Sie haben sich im Vorfeld mit dem Thema und seinen unterschiedlichen As pekten auseinandergesetzt. Zu Frage 2: Der Methodenmix hat sich aus Sicht der Landesregierung bewährt. Es wurde bewusst eine Kombination aus Online- und OfflineFormaten gewählt. Damit war auf der einen Seite eine Beteiligung kontinuierlich möglich, auf der anderen Seite haben die Präsenzveranstaltungen zu inten siven Dialogen geführt. Vorrangiges Bestreben war es, das Beteiligungsverfahren niedrigschwellig zu gestal ten und eine größtmögliche Beteiligungsgerechtigkeit herbeizuführen. So wurde u. a. zwar nicht der gesamte Text des Gesetzentwurfs – der die Grundlage für das Beteili gungsverfahren war – in einfache Sprache übersetzt. Er wurde aber für die Plattform und die Veranstaltungen in allgemeinverständliche As pekte aufbereitet, um bewusst auch diejenigen anzusprechen, die sich nicht täg lich mit Gesetzestexten auseinander setzen. Bei den Veranstaltungen wurden unterschiedliche Methoden und Verfahren eingesetzt, unter anderem Podiumsdiskussionen, Thementische und Worldcafés. Darüber hinaus bestand während der Veranstaltungen die Möglichkeit, sich mit einer App für Smartphone oder Tablet zusätzlich inhaltlich einzubringen. Das hat zum einen die Beteiligungs dichte in dem Zeitfenster, das zur Verfügung stand, erhöht. Zum anderen konnten sich so auch Menschen beteiligen, die nicht unbedingt öffentlich das Wort ergreifen wollen. Und schließlich wurden einige der Veranstaltungen per Livestream übertragen; auch hier war die Beteiligung über die App möglich. Zu Frage 3: Die Kommentare und Anregungen aus dem Beteiligungsverfahren decken eine breite thematische Ausrichtung ab. Es lassen sich insgesamt sechs Punkte ausma chen, die eine besonders große Rolle gespielt haben und immer wieder diskutiert wurden. Das heißt aber nicht, dass andere Aspekte weniger bedeutend wären oder bei der Auswertung keine Rolle spielen. Einbezug der Kommunen Die Frage des Einbezugs der Kommunen wurde durch den gesamten Beteiligungsprozess thematisiert. Der Gesetzentwurf sieht bisher nicht verpflich tend vor, dass die Kommunen ihre Daten auf die Transparenz-Plattform einstellen. Sie können dies aber auf freiwilliger Basis tun. Die Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger zeigen, dass sie sehr an den Daten interessiert sind, die die Kommunen vorhalten. Die Kommunen haben im Kommunalworkshop aufgezeigt, vor welchen Herausforderungen sie selbst stehen. Das betrifft auch die technischen Rahmenbedingungen. Datenschutz und Transparenz Ein transparenter Staat oder eine transparente Verwaltung sind nicht mit einem glä sernen Staat oder einer glä sernen Ver waltung gleichzusetzen. Diese Unterscheidung ist wesentlich und muss mit entsprechenden Handlungsanweisungen versehen werden. Nur so ist den Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern der Verwaltung ein sicherer Umgang mit dem Transparenzgesetz möglich. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5151 Kulturwandel in der Verwaltung Mit dem Transparenzgesetz soll ein Kulturwandel in der Ver waltung erreicht werden. Daher war es auch ein Anliegen des Beteiligungsver fahrens, die Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung mit einem eigenen Workshop von Anfang an in den Ge setzgebungsprozess einzubeziehen. Die Unter stützung und die zahlreichen wertvollen Hinweise dieser Zielgruppe sind für das weitere Verfahren sehr hilfreich. Ab 2017 wird schrittweise die E-Akte in den obersten Landesbehörden eingeführt. Nur so kann die Umsetzung des Transparenzgesetzes tatsächlich effektiv erfolgen. Für die Übergangszeit werden Lösungen erarbeitet, um den Verwaltungsaufwand und die Kosten für das Einstellen von Daten und Informationen auf die Transpa renz-Plattform möglichst gering zu halten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwal tungen haben das Beteiligungsange bot im Rahmen des Transparenzgesetzes nicht nur ausdrücklich begrüßt. Sie haben darüber hinaus angeregt, dass sie auch an der weiteren Umsetzung des Transpa renzgesetzes kontinuierlich beteiligt werden. Das begrüßt die Landesregierung als ersten Schritt des Kulturwandels. Transparenzgrundsatz gegenüber Positivkatalog und Bereichsausnahmen Der Gesetzentwurf beinhaltet einen Positivkatalog der Veröffentlichungs pflichten so wie eine Reihe von schutzwürdigen Belangen. Bei des wurde im Rahmen des Beteiligungsverfahrens und auch in der Verbändeanhörung ausführ lich und kontrovers diskutiert. Zwi schen der Forde rung nach einem absoluten Transparenzgrundsatz, das heißt keinerlei Bereichsausnahmen, und der Forderung nach weitgehenden Bereichsausnahmen ist ein angemes sener Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen zu finden. Technische Anforderungen an die Transparenz-Plattform Die Workshops haben viele und detaillierte Rückmeldungen zu den techni schen An forderungen an die Transparenz-Plattform erbracht. Vor allem drei Punkte sind zu nennen: Es gab die Forderung nach offenen Daten. Es wurde angeregt, über geeig nete Schnittstellen die Kompatibilität zu anderen Angeboten sicher zu stellen. Und schließlich muss die Nutzerfreundlichkeit gegeben sein, u. a. durch eine gute Such funktion und eine Rückmeldefunktion. Transparenzgesetz und Teilhabe Unter dem Stichwort „Von der Transparenz zur Teil habe“ ka men zahlreiche konstruk tive Hinweise. Angeregt wurden sprachliche und inhaltli che Aufbereitungen der Infor mationen, die transparent gestellt werden. Aber auch der Umgang mit den Daten und Informationen muss vermittelt werden, zum Beispiel durch unter stützende Angebote der schulischen und politischen Bildung. Schließlich gab es konkrete Vorschläge, wie man durch ehrenamtliches Engagement den Zugang zur Transparenz-Plattform und den Daten fördern kann. Zu Frage 4: Die Landesregierung wird das Beteiligungsverfahren nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch auswerten. Dabei werden auch die detaillierten Ergebnisse der Evaluation hilfreich sein. Bereits jetzt ist klar, dass nicht jedes künftige Gesetzgebungsverfahren durch einen ähnlich angelegten Beteiligungsprozess begleitet werden kann. Dies wird im Einzelfall abzuwägen sein. Die von der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit Prof. Dr. Thorsten Faas von der Univer sität Mainz durchgeführte Evaluation hat sich nicht ausschließlich mit dem Transpa renzgesetz, sondern generell mit der Frage von Bürgerbeteiligung in Rheinland-Pfalz befasst . Bei einer Bevölkerungsumfrage vom April 2015 konnte dabei große Zustim mung zu Bürgerbeteiligung unter den RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern festgestellt werden. Das betrifft sowohl direktdemokratische Verfahren, als auch Dialogverfahren und mehr Beteiligung über Wahlen hinaus. Auch im konkreten Fall des Transparenzgesetzes bescheinigt die Evalua tion eine hohe Zustimmung zu dieser Vorgehensweise. Die Befragten begrüßten die Beteili gung am Gesetz an sich, gehen aber auch davon aus, dass das Gesetz dadurch eine inhaltliche Verbesserung erfährt. Dieser empirisch belegte Wille der Bürgerinnen und Bürger zu mehr Engage ment ist ein Potenzial für künftige Gesetzgebungsverfahren. Schließlich ist zu prüfen, ob einzelne Elemente aus diesem Beteiligungs verfahren für künftige Gesetzgebungsprozesse standardisiert werden können. So könnte unter an derem die klassische Verbändeanhörung zukünftig stärker in digitalisierter Form erfol gen. Clemens Hoch Staatssekretär 3