Drucksache 16/5166 18. 06. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Anne Spiegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Ergebnisse und Bewertung des Flüchtlingsgipfels der Bundesregierung Die Kleine Anfrage 3412 vom 28. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: Am 8. Mai 2015 hat im Bundeskanzleramt ein Flüchtlingsgipfel stattgefunden. Vor dem Hintergrund der steigenden Flüchtlingszahlen sollte nach Lösungen gesucht werden, um Länder und Kommunen weniger mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen allein zu lassen. Die einmalige finanzielle Unterstützung von einer Milliarde Euro an die Länder reicht angesichts der finanziellen Herausforderungen bei Weitem nicht aus, sondern es bedarf dringend einer nachhaltigen und dauerhaft finanziell abgesicherten Beteiligung des Bundes an der Aufnahme, Versorgung und Integration der Asylsuchenden. Angesichts dieser Notwendigkeit sind mit dem Flüchtlingsgipfel hohe Erwartungen verbunden gewesen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche konkreten Ergebnisse hat der Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt erbracht? 2. In welcher Weise beteiligt sich nach dem Gipfel die Bundesebene an der gesamtstaatlichen Aufgabe der Flüchtlingsfinanzierung? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Aufteilung von Flüchtlingen nach pauschalierender Betrachtung des Herkunftslands, bevor ein unvoreingenommenes Asylverfahren durchgeführt wurde? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass nur Asylsuchende mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit Zugang zu Integrationsangeboten und dezentraler Unterbringung bekommen sollen? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 28. Mai 2015 wie folgt beantwortet: Am 8. Mai hatte die Bundeskanzlerin zu einer „Besprechung zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik“ in das Bundeskanzleramt eingeladen. Teilgenommen haben (auf Länderseite) Winfried Kretschmann, Horst Seehofer, Dr. Dietmar Woidke, Olaf Scholz, Volker Bouffier, Hannelore Kraft, Dr. Reiner Haseloff und ich sowie (auf Seiten des Bundes) Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Chef des Bundeskanzleramts Peter Altmaier, Staatsminister Dr. Helge Braun, Staatsminister Aydan Özoğuz, Bundesminister Sigmar Gabriel, Bundesminister Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble, Heinrich Alt (Vorstand BA), Dr. Manfred Schmidt (Präsident BAMF) und Regierungsprecher Steffen Seibert. Im Wesentlichen waren Berichte des Bundes vorgesehen, u. a. zum TOP „Stand und Prognose der Asylbewerberzahlen“ sowie das „Verfahren und Personalausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)“. Wie inzwischen bekannt ist, hat das BAMF am Vortag seine Prognosen vom 18. Februar hinsichtlich der Asylbewerberzahlen für 2015 von 300 000 auf 450 000 erheblich korrigiert. Die derzeitige Dauer der Asylverfahren von durchschnittlich mindestens sechs Monaten statt der im Koalitionsvertrag des Bundes vereinbarten drei Monate hat u. a. erhebliche Auswirkungen auf die Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen . Die Länder hatten bereits für 2014 mit dem Bund eine Vereinbarung getroffen, wonach der Bund Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 500 Mio. Euro für die Jahre 2015 und 2016 an die Länder vornimmt, die jedoch zur Hälfte wieder zurückzuzahlen sind. Nach Auffassung der Landesregierung hat sich in Folge der geänderten BAMF-Prognosen für diese Vereinbarung teilweise die Geschäftsgrundlage geändert. Alle Länder haben den Bund auf der MPK am 26. März dazu aufgefordert, sich nunmehr auch strukturell , d. h. dauerhaft an den Kosten der Flüchtlingspolitik zu beteiligen. Dies entspricht schon länger der Forderung der Landesregierung . In einer Sonderkonferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 9. Juni 2015 in Berlin ist das weitere Vorgehen der Länder dazu vorbereitet und in einem Bund-Länder-Gespräch am 11. Juni 2015 weiter konkretisiert worden. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 27. Juli 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5166 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Wesentliches Ergebnis ist, dass der Bund die für 2016 vorgesehenen Hilfen in Höhe von 500 Mio. Euro für Länder und Kommunen auf das Jahr 2015 vorzieht und dass er bereit ist, sich auch strukturell, d. h. dauerhaft an den Kosten der Flüchtlingspolitik zu beteiligen. Die abschließende Entscheidung über diese und andere Maßnahmen wird erst bei der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. Juni 2015 in Berlin getroffen werden. Für das Ziel einer künftigen Beteiligung des Bundes an den Kosten soll voraussichtlich eine noch zu bildende Struktur-AG von Bund und Ländern bis zum Herbst Vorschläge erarbeiten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Mit der Bundeskanzlerin ist vereinbart worden, dass zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 18. Juni ein umfassendes gemeinsames Paket der Bundes- und Landesregierungen vorbereitet wird, um die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung zu verbessern und die Kosten gerecht zu verteilen. Rheinland-Pfalz hat sich maßgeblich an der Vorbereitung beteiligt. So haben an allen vorbereitenden Arbeitskreisen Vertreter der Landesregierung teilgenommen (AG 1: „Sprachkurse, Bildung und Berufsvorbereitung“ mit Staatssekretär Hans Beckmann (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur), AG 2: „Wohnungsbau, Gesundheit , unbegleitete Minderjährige“ mit Staatssekretär David Langner (Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie ) bzw. Staatsministerin Irene Alt (Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen), AG 3: „Personal (Bund und Länder)“ mit Staatssekretärin Jacqueline Kraege (Staatskanzlei) und AG 4: „Sichere Herkunftsländer, Erstaufnahme“ mit Staatssekre - tärin Margit Gottstein (Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen). Zu Frage 2: Der Bund hat bereits bekanntgegeben, dass er das Personal zur Bearbeitung von Asylanträgen aufstocken wird. Zur Bewältigung des wachsenden Zustroms von Flüchtlingen sind 2 000 zusätzliche Stellen vorgesehen. Die Aufstockung des Personals beim BAMF entspricht der Forderung der Landesregierung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Eine Verständigung über die Beteiligung des Bundes an der Aufgabe der Flüchtlingsaufnahme bleibt dem Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 18. Juni 2015 vorbehalten. Zu Frage 3: Aus Sicht der Landesregierung darf es keine Kategorisierung von Flüchtlingen in solche mit und solche ohne Anerkennungswahrscheinlichkeit geben. Es ist einzig und allein Sache des dafür zuständigen BAMF , in einem unvoreingenommenen rechtmäßigen Verfahren über einen Antrag auf Asyl zu entscheiden. Eine Vorwegnahme durch Dritte anhand von pauschalisierten Anerkennungsquoten oder Herkunftsländern würde das individuelle Grundrecht auf Asyl und die Überprüfung eines Antrags in einem ordent lichen Verfahren aushebeln. Das Asylrecht ist ein Individualgrundrecht. Zu Frage 4: Der Zugang zu Integrationsangeboten oder bestimmten Formen der Unterkunft darf nicht an eine bestimmte Anerkennungswahrscheinlichkeit gebunden werden. Dies widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz während eines laufenden Verfahrens. Quoten sagen nichts über individuelle Ansprüche oder eine tatsächliche individuelle Bleibeperspektive aus. Die Zahlen der Vergangenheit zeigen, dass zumindest ein Teil der Asylsuchenden aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote aus den verschiedensten Gründen in Deutschland verbleiben, und auch wer am Ende des Asylverfahrens nicht in Deutschland bleibt, sollte sich während seines Aufenthalts in Deutschland verständigen und am Leben teilhaben können. Zusätzliche Sprachkenntnisse können auch bei einem Neustart im Herkunftsland zu einer besseren Perspektive verhelfen. Der Zugang zu Integrationsangeboten und angemessener Unterkunft kann sich insofern nicht nach Schutzquote bzw. einer Kategorisierung von „sicheren Herkunftsländern“ definieren, sondern lässt sich nur nach Dauer des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung bestimmen. Eine Frist für den Zugang zu Integrationsmaßnahmen muss spätestens zum Zeitpunkt der Verteilung von Asylsuchenden in die Kommunen erfolgen, also nach höchstens drei Monaten, wie es im Asylverfahrensgesetz verankert ist. Irene Alt Staatsministerin