Drucksache 16/5362 23. 07. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. August 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Ankündigung der Bundeskanzlerin auf dem G7 Gipfel in Elmau stehen im Widerspruch zur aktuellen Klimapolitik der Bundesregierung – Folgerungen für Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3515 vom 3. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Nach dem diesjährigen G7-Gipfel in Elmau bekräftigten die Staats- und Regierungschefs, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel , das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu begrenzen. Hierzu sei nach Aussagen der Kanzlerin eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts notwendig . Ein Ausstieg aus fossilen Energien wie Kohle und Öl ist demnach unausweichlich. Der Ausstieg aus der schmutzigen Braunkohleverstromung in Deutschland ist für das Erreichen der ausgegebenen Klimaschutzziele dringend erforderlich. Gleichzeitig sind mit der Nutzung von Kohle für die Energieerzeugung gravierende Gesundheitsgefahren verknüpft. So werden bei der Verbrennung von Kohle neben CO2 weitere gesundheitsgefährdende Stoffe wie Stickoxide, Schwefel - dioxid und Quecksilber freigesetzt. Um die besonders klima- und gesundheitsschädlichen Auswirkungen der alten Braunkohlekraftwerke zu vermindern, hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Einführung einer Klimaschutzabgabe vorgeschlagen . Nach massiven Widerständen der Braunkohle-Lobby, wie auch der CDU, wird nun angedacht, die besonders alten und schmutzigen Kohlekraftwerke in eine Kapazitätsreserve zu überführen und die betroffenen Betreiber dafür finanziell zu entschädigen. In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung den ursprünglichen Vorschlag des Bundeswirtschafts ministers, eine Klimaschutzabgabe für Braunkohlekraftwerke einzuführen? 2. Ist die Landesregierung der Meinung, dass die deutschen Klimaschutzziele für 2020 durch die Überführung alter Kohlekraftwerke in eine Kapazitätsreserve erreicht werden können? 3. Welche Auswirkungen hätte eine Überführung alter Kohlekraftwerke in eine Kapazitäts reserve auf die Strompreise in Rheinland -Pfalz? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen eines geregelten Kohleausstiegs auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland und Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Der ursprüngliche Vorschlag der Bundesregierung zur Einführung eines Klimabeitrags des Stromsektors, von dem emissionsintensive Kohlekraftwerke betroffen wären, wird seitens der Landesregierung als positiv bewertet. Im Dezember 2014 hatte das Bundeskabinett das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 verabschiedet, um Maßnahmen zur Schließung der vorhandenen „Klimaschutzlücke “ vorzulegen. Die Schätzung der Bundesregierung zur Höhe dieser Klimaschutzlücke beläuft sich auf fünf bis acht Prozentpunkte , ist aber sicher sehr optimistisch. Über das hier in Diskussion stehende neue ökonomische Instrument zum „Klimabeitrag des Stromsektors“ sollen 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 eingespart werden. Bei der Entwicklung des Instruments wurden bestimmte Voraussetzungen impliziert, dazu gehören geringe Auswirkungen auf den Strompreis wegen der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, eine hohe Versorgungssicherheit sowie eine hohe ökonomische Flexibilität bei den Kraftwerksbetreibern für die Realisierung der Minderungsbeiträge, um Stilllegungen zu vermeiden. Drucksache 16/5362 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Alte emissionsintensive Kraftwerke müssten damit oberhalb einer festgelegten Emissionsgrenze Zertifikate aus dem Emissionshandel erwerben, die anschließend gelöscht werden. Mit diesem Instrument sollten Kraftwerke mit schlechtem Wirkungsgrad und ohne Kraft-Wärme-Kopplung möglichst keinen Strom mehr produzieren. In Zeiten des Überangebots von Strom ist das klimaschutzpolitisch absolut sinnvoll. Es gäbe somit ein marktflexibles Instrument, das einen wesentlichen Beitrag zur Schließung der noch bestehenden Lücke zur Erreichung der Klimaschutzziele bis 2020 leisten könnte. Es wäre insbesondere ein Instrument, das auf der Entscheidungshoheit der betroffenen Unternehmen aufbaut, denn es wäre unternehmerischen Entscheidungen überlassen, welche Kraftwerke mit welcher Auslastung in Zukunft betrieben worden wären bzw. in welchem Ausmaß – im Umkehrschluss – die Unter - nehmen hätten Abgaben zahlen müssen. Zu Frage 2: Das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele erscheint ohne zusätzliche Maßnahmen im Kraftwerksbereich zweifelhaft. Die klarste Maßnahme wäre sicherlich die möglichst rasche Abschaltung alter Kohlekraftwerke mit hohen CO2-Emissionen. Die Überführung dieser alten Kraftwerke in eine Kapazitätsreserve ist demgegenüber eine deutlich schlechtere Alternative, auch weil sie aller Voraussicht nach mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Welche CO2-Mengen die Kapazitätsreserve bei einer Aktivierung emittieren würde, ist derzeit unklar. Somit würden die Klimaschutzziele gegebenenfalls bei hoher Nutzung der Reserve sicherlich gefährdet sein. Zu Frage 3: Bereitstellungsprämien in Millionenhöhe für alte Kohlekraftwerke, die längst stillgelegt sein sollten, sind kein zukunftsgerichtetes Konzept. Deshalb soll die Energiewirtschaft, die bereits in großem Umfang mit den alten Kohlekraftwerken erhebliche Gewinne erwirtschaftet hat, möglichst rasch mit der Stilllegung alter Kohlekraftwerke beginnen und nicht das Instrument einer Kapazitätsreserve dazu nutzen, Deckungsbeiträge für alte Kraftwerke auf Kosten der Steuerzahler oder Stromkundinnen und -kunden zu generieren . Konkrete Aussagen zu den Auswirkungen auf die Strompreise in Rheinland-Pfalz können zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gemacht werden. Sofern – und das ist sicherlich anzunehmen – die Unternehmen für die Bereithaltung von Kohlekraftwerken in einer Kapazitätsreserve finanzielle staatliche Transfer-leistungen erhalten, werden diese Leistungen mit Sicherheit aus Steuermitteln aufgebracht. Zu Frage 4: Ein geregelter Kohleausstieg, insbesondere vor dem zeitlichen Horizont, wie er in Elmau besprochen wurde, wird sicherlich nicht zu ökonomischen Problemen in Rheinland-Pfalz bzw. Deutschland führen. Gerade die zeitlichen Horizonte ermöglichen es Unter - nehmen, sich rechtzeitig auf zukünftige Entwicklungen einzustellen, Risiken von vornherein zu begrenzen oder auszuschlie ßen, aber vor allem auch Chancen am Markt zu nutzen. Da Rheinland-Pfalz keine nennenswerte kohlebasierte Energieproduktion aufweist , ist in unserem Land diesbezüglich auch nicht mit Arbeitsplatz- oder Wertschöpfungsverlusten zu rechnen. Für betroffene Länder gilt es, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die die Folgen eines geregelten Kohleausstieges sozial und wirtschaftsverträglich gestalten. Vor dem Hintergrund der deutschen Zielsetzungen wären diese Aktivitäten ohnehin in ambitioniertem Maß nötig. Ein klug geregelter Kohleausstieg wird nicht zu negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Rheinland -Pfalz und von Deutschland führen. Mit einem geregelten Kohleausstieg wird der Strukturwandel durch die Energiewende vielmehr weiter vorangetrieben werden. Hier sollten konkrete Zeitpläne erstellt werden, damit hinsichtlich der künftigen Rahmenbedingungen Klarheit geschaffen wird. Eveline Lemke Staatsministerin