Drucksache 16/5366 24. 07. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Alexander Licht und Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Zusagen der Landesregierung in Zusammenhang mit der Insolvenz am Nürburgring Die Kleine Anfrage 3526 vom 3. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: In der Plenarsitzung des Landtags vom 1. August 2012 äußerte Ministerpräsident Kurt Beck, auch unter Bezugnahme auf die Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung, „erst als klar war, es wird von denen (gemeint: am Nürburgring tätige Handwerker und Dienstleister, die noch Rechnungen ausstehen haben, sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) niemand Scha den nehmen“, habe man den Weg der Insolvenz beschritten. Wir fragen die Landesregierung: 1. Bedeuten die Worte „es werde niemand Schaden nehmen“ in der Aussage der Landes regierung in Bezug auf Handwerker und Dienstleister, dass die Landesregierung zusagte dafür zu sorgen, dass die offenen Forderungen beglichen würden? 2. Welche rechtlichen Annahmen lagen dieser Ankündigung zugrunde und wer war für die rechtliche Prüfung verantwortlich? 3. Hat sich diese rechtliche Prüfung nunmehr als unzutreffend herausgestellt? 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung heute, wenn eine Entschädigung im Insolvenzverfahren nicht möglich ist, auf anderem Wege ihre den Handwerkern und Dienstleistern gegebene Zusage einzuhalten? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 23. Juli 2015 wie folgt beantwortet : Zu den Fragen 1 bis 3: Wegen des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 zusammen beantwortet. Im Übrigen verweise ich auch auf die Ausführungen der Landesregierung in der Aktuellen Stunde der Plenarsitzung vom 2. Juli 2015 zu diesem Thema. Bei den Forderungen des Landes in den Insolvenzverfahren am Nürburgring handelt es sich überwiegend um Gesellschafterdarlehen bzw. um Ansprüche, die in einem engen Verhältnis zur Gesellschafterstellung des Landes am Nürburgring stehen. Solche Forderungen sind nach unserem deutschen Recht grundsätzlich als nachrangige Forderungen im Rang des § 39 InsO einzuordnen. Damit gehen diesen Forderungen Ansprüche von Dritten – hier allgemein als „Handwerkerforderungen“ bezeichnet – vor, soweit diese als „erstrangige“ Forderungen im Rang des § 38 InsO einzuordnen sind. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Äußerung des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck in der Plenarsitzung am 1. August 2012. Noch im Dezember 2012 meldete daher auch das Land seine Ansprüche aus insbesondere Gesellschafterdarlehen und eventuellen Rückforderungsansprüchen aus Förderbescheiden bis auf einen geringen Anteil im Rang des § 39 InsO nachrangig zur Insolvenztabelle an. Die ISB meldete aus Vorsichtsgründen ihre Ansprüche im Zusammenhang der Darlehensgewährung an den Nürburgring von Anfang an sowohl im Rang des § 38 InsO als auch im Rang des § 39 InsO an. Die vorgenannte Einschätzung hat der Sachwalter am Nürburgring, Herr Rechtsanwalt Lieser, auch in der gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und Innenausschusses am 20. März 2014 vorgetragen – Protokoll Seiten 23 und 24. Er hat dabei allerdings darauf hingewiesen, dass abgewartet werden müsse, wie sich das Beihilfeverfahren darstellt und wie die Beihilfeentscheidung aussehen wird. Es könne durchaus sein, dass sich im Fall einer Beihilferückforderung das Rangverhältnis der Forderungen des Landes ändern kann. Das Land habe sich dazu noch nicht endgültig positioniert, könne es seines Erachtens auch nicht, um nicht gegen Beihilfevorschriften zu verstoßen. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. August 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5366 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Aufgrund des Beschlusses der EU-Kommission vom 1. Oktober 2014 zu staatlichen Beihilfen Deutschlands zugunsten des Nürburgrings – SA.31550 –, ist dieser Sachverhalt eingetreten und in der Folge waren mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV zurückzufordern. Seitdem steht eine nachrangige Anmeldung allerdings im Konflikt mit dem europarechtlichen Gebot, beihilferechtswidrige Leistungen zur Beseitigung der Wettbewerbsstörung unverzüglich und vollständig zurückzufordern. Hieraus leitet die Europäische Kommission unter anderem ab, dass die öffentliche Hand als Rückforderungsgläubiger grundsätzlich nicht berechtigt ist, im Rahmen von Sanierungsverfahren auf Forderungen zu verzichten, selbst wenn private Gläubiger hierzu bereit sind. Der BGH hat diese strenge Kommissionspraxis aufgegriffen und die Gleichrangigkeit jeder beihilferechtlichen Rückforderung, auch solcher, die auf nachrangige Gesellschafterleistungen zurückzuführen sind, festgestellt (Urteil vom 5. Juli 2007 – IX ZR 221/05). Diese seit längerem geltenden Grundsätze sind auch in einer allgemeinen Bekanntmachung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 3. Februar 2015 enthalten, in der dieses ausführlich zusammen- und dargestellt hat, was bei der Rückforderung unionsrechtswidrig gewährter staatlicher Beihilfen im Einzelnen zu beachten ist. Diese Bekanntmachung wurde im Bundesanzeiger am 13. Februar 2015 veröffentlicht und ist für jedermann zugänglich. Die dort dargestellten Grundsätze waren auch für das Land die Leitlinien, die bei der Umsetzung des Kommissionsbeschlusses zu beachten waren. Die Landesregierung handelt mit ihrem bisherigen Vorgehen entsprechend diesen oben genannten Grundsätzen. Gerade auch aus dem Gebot der Haushaltsverantwortung und Haushaltsvorsorge war die Landesregierung gehalten, vorsorglich und rechtswahrend im Insolvenzverfahren gegenüber der Nürburgring GmbH auf Basis seiner geänderten Forderungsanmeldung aus dem Januar 2015 derzeit rund 613 Mio. Euro an Forderungen im Rang des § 38 InsO anzumelden. Insoweit hat sich nicht eine „rechtliche Prüfung nunmehr als unzutreffend herausgestellt“; vielmehr hat es im Jahr 2012 die o. g. Rückforderungsentscheidung der EU-Kommission – und damit die Voraussetzung für die Anmeldung der entsprechenden Forderungen im Rang des § 38 InsO – noch nicht gegeben. Zu Frage 4: Die Landesregierung gibt sich mit der aktuellen Situation nicht zufrieden, da sie im Widerspruch mit ihren eigenen Intentionen steht, dass die Handwerker und Dienstleister am Nürburgring durch die Insolvenz keinen Schaden erleiden sollen. Die Landesregierung hat sich bei der Anmeldung der Forderungen an die Rechtsprechung des BGH gehalten, auch wenn diese in der juristischen Literatur nicht unumstritten ist. Der einzige Grund für die beihilferechtliche Rückforderung ist die Beseitigung der durch die Beihilfe bewirkten Wettbewerbsverzerrung. Wenn der Beihilfeschuldner – wie hier durch den Veräußerungsprozess – ersatzlos aus der Wettbewerbssituation ausscheidet, ist der Zweck der Beihilferückforderung erfüllt. Damit könnte es eigentlich wieder zur Anwendung des nationalen Rechts und zu einer nachrangigen Anmeldung kommen. Die Landesregierung hat mit dem Insolvenzsachwalter vereinbart, diese rechtlichen Fragestellungen an die Kommission heranzutragen . Wir werden diesen Informationsaustausch nutzen, um mit der EU-Kommission auch zu beraten, welche Möglichkeiten gesehen werden, Schäden für Handwerker und Dienstleister durch die Insolvenz am Nürburgring zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen. Unabhängig davon besteht für die betroffenen Handwerker und Dienstleister nach wie vor das Angebot, sich an die Förderbank des Landes, die ISB, zu wenden, um im Gespräch mit dieser nach Möglichkeiten zu suchen, welche Unterstützungsmaßnahmen aufgrund der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls seitens der ISB in Frage kommen könnten. In Vertretung: Prof. Dr. Salvatore Barbaro Staatssekretär