LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode b. w. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. August 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Bettina Dickes und Brigitte Hayn (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler Die Kleine Anfrage 3516 vom 3. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Auf der 350. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz vom 11. bis 12. Juni 2015 wurde erstmalig eine Strategie zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler beschlossen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Initiativen zur Begabtenförderung an Schulen gibt es in Rheinland-Pfalz? 2. Wie haben sich die Haushaltsansätze zur Begabtenförderung in den letzten fünf Jahren entwickelt? 3. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Kultusminister konfe renz eine Ausweitung der Begabtenförderung ? 4. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Begabtenförderung an Schulen bei? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 23. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Der in Schulgesetz und Übergreifender Schulordnung (ÜSchO) formulierte Auftrag zur individuellen Förderung verpflichtet die Schulen, alle Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern. Dazu gehört sowohl die Förderung leistungsschwächerer als auch die Förderung besonders begabter Schülerinnen und Schüler. Insofern misst die Landesregierung der Begabtenförderung einen hohen Stellenwert bei. Der Begabungsbegriff ist komplex, und es gibt vielfältige Formen von Begabung, die sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen und sich unterschiedlich äußern. Die Landesregierung ist der Überzeugung, dass Begabtenförderung nur in einem System vielfältiger und unterschiedlicher Angebote und Maßnahmen angemessen und wirk sam realisiert werden kann. So werden in Rheinland-Pfalz seit langem sehr verschiedene Modelle zum Erkennen und Fördern besonders begabter Schülerinnen und Schüler umgesetzt. Akzeleration (Schulzeitverkürzung) ist eine wissenschaftlich erprobte und anerkannte Maßnahme der Begabtenförderung. In Rheinland -Pfalz bestehen Möglichkeiten der Akzeleration durch die vorzeitige Einschulung gemäß § 12 Abs. 2 Grundschulordnung (GSchO) sowie das individuelle Überspringen von Klassenstufen gemäß § 26 GSchO und § 41 ÜSchO. Darüber hinaus wird für die an 14 Standorten bestehenden BEGYS-Klassen (Begabtenförderung am Gymnasium mit Verkürzung der Schulzeit) die Mittelstufe bei gleich bleibenden inhaltlichen Anforderungen um ein Schuljahr verkürzt (§ 42 ÜSchO). Besonderen fachlichen Begabungen im musisch-künstlerischen und sportlichen Bereich wird Rechnung getragen durch spezifische gymnasiale Angebote am Musikgymnasium in Montabaur und an den Sportgymnasien in Koblenz, Trier und Kaiserslautern sowie am Landeskunstgymnasium in Alzey. Sprachliche Begabungen werden insbesondere in den Gymnasien und Realschulen plus mit bilingualen Zügen (14 Gymnasien Französisch, 34 Gymnasien Englisch, sieben Realschulen/Realschulen plus mit Englisch bzw. Französisch) besonders gefördert. Diese Angebote sowie vielfältige Fördermöglichkeiten an den Ganztagsschulen sind dem Konzept des Enrichment zuzurechnen. Drucksache 16/5372 27. 07. 2015 Drucksache 16/5372 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Seit dem Schuljahr 2004/2005 besteht in Rheinland-Pfalz ein Modellprojekt zur frühen Förderung hochbegabter Kinder aus dem Elementar- und Primarbereich. An 16 Standorten sind sogenannte Entdeckertagsgrundschulen eingerichtet. Diesen kommt die Funktion eines Kompetenzzentrums für frühe Hochbegabtenförderung zu. Hochbegabte Kinder treffen sich jede Woche an einem Wochentag, dem „Entdeckertag“ ganztags an ihrer Entdeckertagsschule. Sie befassen sich hier mit anspruchsvollen Aufgabenstellungen und Wissensinhalten. In der Regel werden sie in zwei Gruppen unterrichtet (5- bis 7-Jährige und 7- bis 10-Jährige). Die Hochbegabtenförderung innerhalb des Entdeckertags realisiert sich durch das Einbeziehen außerschulischer Experten, um neue unterschiedliche Wissens- und Handlungsspielräume für problemlösendes, forschendes, selbstständiges und kreatives Lernen zu eröffnen. Wissenschaftlicher Kooperationspartner ist die Abteilung für Hochbegabtenforschung und -förderung am Fachbereich I – Psychologie der Universität Trier unter der Leitung von Prof. Dr. Franzis Preckel. Das Konzept der „Gruppierung“ – in der Terminologie der Kultusministerkonferenz – wird umgesetzt in den Schulen für Hochbegabtenförderung /Internationale Schulen, die seit dem Schuljahr 2003/2004 am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern, seit dem Schuljahr 2004/2005 am Otto-Schott-Gymnasium in Mainz-Gonsenheim, seit 2005/2006 am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier und seit dem Schuljahr 2006/2007 am Max-von-Laue-Gymnasium in Koblenz bestehen. Derzeit besuchen nach Angaben der Schulen mehr als 500 Schülerinnen und Schüler die Hochbegabtenklassen an diesen Schulen. In allen Schulen haben mittlerweile die ersten dieser Schülerinnen und Schüler sehr erfolgreich das Abitur abgelegt. Diese Schulen weisen ein nach Fächern, Fähigkeiten, Voraussetzungen und Neigungen differenziertes schulisches Angebot für intellektuell hochbegabte Schülerinnen und Schüler sowie für eine internationale Schülerschaft vor. An den genannten Standorten stehen psychologische Fachkräfte zur Beratung von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern zur Verfügung, sodass hier Kompetenzzentren entstanden sind, die auch über die einzelne Schule hinaus wirken können. Am Fachbereich Psychologie der Universität Trier untersucht ein vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur finanziell unterstütztes Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Franzis Preckel in einer Längsschnittuntersuchung die Wirkung der Einrichtung von Hochbegabtenklassen auf das akademische Selbstkonzept der Schülerinnen und Schüler und damit zusammenhängend die Lern- und Leistungsmotivation, schulbezogene Einstellungen und Schulleistungen. Hier liegen Zwischenergebnisse vor, die die Förderklassen als Teil eines komplexen Wirkgefüges in einem sehr positiven Licht erscheinen lassen. Mit einem Gesamtpaket aus aufeinander aufbauenden Teilen, das flächendeckend an allen rheinland-pfälzischen Hochschulen angeboten wird, wird angestrebt, Schülerinnen und Schüler frühzeitig an die Wissenschaft heranzuführen. Mit Kinderuni, Schnupper - und Ferienkursen, mit Schülerlaboren und mehreren Möglichkeiten des Frühstudiums sollen die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen und Interessen abgedeckt werden. Das Grundkonzept besteht darin, Angebote bereitzustellen und auszubauen, die frühzeitig auf die Besonderheiten und Anforderungen im nächsten Bildungsabschnitt vorbereiten. Damit können Kinder und Jugendliche die Schnittstelle als fließenden Übergang erleben. Das Hochschulgesetz ermöglicht Schülerinnen und Schülern bei einem Frühstudium zusätzlich eine Anerkennung ihrer Leistungen bei einem nachfolgend in diesem Fach aufgenommenen Hochschulstudium. Im Rahmen außerunterrichtlicher Initiativen und schulergänzender Maßnahmen für begabte Schülerinnen und Schüler an allen Schulen gibt es seit Jahren zahlreiche Gelegenheiten zur Teilnahme an Wettbewerben (z. B. Jugend forscht, Fremdsprachenwettbewerbe , Jugend musiziert) oder an Ferienakademien. Dazu zählen z. B. die Deutsche JuniorAkademie, die für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I jedes Jahr mit großem Erfolg durchgeführt wird, ebenso wie Wochenendseminare der Evangelischen Akademie der Pfalz, die jeweils vom Land finanziell gefördert werden. Zu Frage 2: Die Landesmittel zur Förderung von Maßnahmen im Bereich der Hochbegabtenförderung/Internationale Schulen sind in Kapitel 0919 Tit.Gr. 95 veranschlagt und haben sich beginnend mit dem Haushaltsjahr 2011 in der Summe der Haushaltsansätze wie folgt entwickelt: Zu Frage 3: Die Darstellung in dem Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler bestätigt den in Rheinland-Pfalz eingeschlagenen Weg. Eine Ausweitung der sehr breit und gut ausgebauten Begabtenförderung in Rheinland -Pfalz ist nicht vorgesehen. Durch geeignete Maßnahmen der Beobachtung und Evaluation wird die Wirksamkeit der Angebote überprüft, um bei Bedarf nachsteuern zu können. Vera Reiß Staatsministerin Haushaltsjahr 2011 2012 2013 2014 2015 Summe Tit.Gr. 95 329 300 € 254 200 € 254 200 € 225 100 € 225 100 €