Drucksache 16/5404 04. 08. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet, Ingeborg Sahler-Fesel und Heike Scharfenberger (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Sicherung des Fachkräftebedarfs durch Menschen mit Migrationshintergrund Die Kleine Anfrage 3592 vom 23. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Eines der zentralen Ziele der Landesstrategie zur Fachkräftesicherung in Rheinland-Pfalz, das aus dem Ovalen Tisch der Ministerpräsidentin hervorgegangen ist, lautet: „Erleichterung des Zuzugs von Fachkräften und Etablierung einer Willkommenskultur.“ Der demografische Wandel, die Digitalisierung, der technische Fortschritt und die voranschreitende Globalisie rung führen zu einem wachsenden Bedarf an Fachkräften. In Ludwigshafen fand nun am 15. Juli 2015 die Arbeitsmarktkonferenz 2015 zum Thema „Sicherung des Fachkräftebedarf durch Menschen mit Migrationshintergrund“ statt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer führte dort aus, es sei unverantwortlich, das Fachkräfte potenzial der in diesem Jahr bis zu 20 000 in Rheinland-Pfalz erwarteten asylsuchenden Menschen nicht zu nutzen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie lauten die zentralen Erkenntnisse der Landesregierung, die sich aus der Arbeitsmarkt konferenz 2015 ableiten lassen? 2. Inwiefern stützen diese Erkenntnisse die Haltung der Landesregierung, wonach aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen Fachkräftepotenziale asylsuchender Menschen noch nicht optimal genutzt werden können? 3. Wie könnten weitere Schritte aussehen, um das Fachkräftepotenzial asylsuchender Menschen in Rheinland-Pfalz noch besser als bisher nutzen zu können? 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Fachkräftepotenzial asylsuchen der Menschen in Rheinland-Pfalz noch besser als bisher nutzen zu können? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 3. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Arbeitsmarktkonferenz 2015 am 15. Juli 2015 beschäftigte sich mit dem Schwerpunkt „Chancen durch Zuwanderung“. Deutschland ist seit einigen Jahren wieder ein Einwanderungsland mit einem deutlich positiven Wanderungssaldo. Es ist das wichtigste Einwanderungsland in Europa. – Rund 60 Prozent der zugewanderten Personen kommen aus der EU, vor allem aus Rumänien und Polen, aber auch aus Italien, Bulgarien und Kroatien. – Die drittgrößte Zuwanderungsgruppe sind seit dem Jahr 2014 Menschen aus Syrien, die aus humanitären Gründen in Deutschland Zuflucht suchen. – In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der internationalen Studierenden an deutschen Hochschulen deutlich angestiegen. Die Zahl der internationalen Absolventen hat sich von 2005 bis 2013 fast verdoppelt. Deutschland braucht Einwanderung. Die demografische Entwicklung führt zu einer Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, auch in Rheinland-Pfalz. Gleichzeitig wächst der Fachkräftebedarf, auch im qualifizierten Bereich. Viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationsgeschichte in Rheinland-Pfalz sind gut ausgebildet und qualifiziert. Auch wenn es noch nicht allen gelingt, ihre Kompetenzen für die berufliche Integration erfolgreich zu nutzen und an der guten Ausbildungs- und Arbeitsmarktlage in Rheinland-Pfalz gleichberechtigt teilzuhaben, so ist klar, dass hier viel Potenzial verborgen liegt, das es zu nutzen gilt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. August 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5404 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Arbeitsmarktkonferenz 2015 hat bestätigt, dass die Landesregierung mit ihrer umfassenden Landestrategie für Fachkräftesicherung auf dem richtigen Weg ist. Die kohärente Gesamtstrategie ist auf die vier Handlungsfelder ausgerichtet: Nachwuchs sichern, Potenziale nutzen, Kompetenzen erhalten und ausbauen und Attraktivität von Unternehmen für Fachkräfte steigern. Es liegt im besonderen Interesse des Landes, nicht nachzulassen in den Bemühungen, auf eine gleichwertige Teilhabe an Bildung und Ausbildungs- und Arbeitsmarkt hinzuwirken und den Blick auf die Potenziale von Migrantinnen und Migranten zu lenken. Dazu gehört auch, die Willkommenskultur in unserem Land zu stärken und den zu uns kommenden Flüchtlingen zu signalisieren, dass sie und ihre Familien in Rheinland-Pfalz willkommen sind. Zu 2.: Die Fachkräftepotenziale asylsuchender Menschen können in der Tat noch nicht so genutzt werden, wie es für die Flüchtlinge selbst, aber auch für die Landesregierung und Gesellschaft, wünschenswert wäre. Wir haben auf der einen Seite einen großen Bedarf an Fachkräften, auf der anderen Seite haben wir Menschen, die viele Monate auf die Bearbeitung ihres Asylantrags und auf einen Sprachkurs beziehungsweise einen Integrationskurs warten müssen. Arbeit und Sprache sind die Schlüssel zur gleichberechtigten Teilhabe und Integration in unsere Gesellschaft. Deshalb wird sich die Landesregierung auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Zusage des Bundes, die Integrationskurse für Asylbegehrende zu öffnen, schnellstmöglich umgesetzt wird. Ebenso muss der Bund auch mehr Mittel für berufsbezogene Sprachförderung zur Verfügung stellen, damit der rechtliche Zugang zum Arbeitsmarkt nach drei Monaten Wartefrist auch wirklich in der Praxis öfter als bisher realisiert werden kann. Zu 3. und 4.: Die Landesregierung hat bereits im Januar 2015 einen umfassenden Maßnahmenplan vorgestellt, der laufend aktualisiert wird. Die vielfältigen Maßnahmen zielen darauf ab, Asylbegehrende jedes Alters von Anfang an bestmöglich zu unterstützen. Für die Integration in Arbeit und Ausbildung wurden insbesondere folgende Maßnahmen initiiert: Das Projekt „Neuanfang in RLP: Kompetenzen erfassen, Chancen nutzen“ ist eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen und der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Rheinland-Pfalz/Saarland. Bisher wurden in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende zur Bildungsbiografie, zu beruflichen Qualifikationen und zu anderen Kompetenzen keine Daten erfasst, die für eine Integration in den Arbeitsmarkt relevant sind. Um die bisherige Datenlücke zu schließen, stellt das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie für das Projekt Mittel für zwei Personalstellen pro Erstaufnahmeeinrichtung (insgesamt acht Personalstellen) zur Verfügung (ca. 500 000 Euro im Jahr), das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen stellt die Mittel für die Dolmetscher beziehungsweise Sprachmittler. Die Bundesagentur für Arbeit stellt für jede Aufnahmestelle für Asylsuchende im Land eine zusätzliche Mitarbeiterin oder einen zusätzlichen Mitarbeiter ein und kümmert sich darüber hinaus um die Infrastruktur und das Arbeitsmaterial. Ziel des Projekts ist es, auf Grundlage der erfassten Daten Asylsuchende möglichst frühzeitig und passgenau auf eine Integration in den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Seit dem 15. Juni 2015 finden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier mehrmals in der Woche Informationsveranstaltungen zum Thema Arbeiten in Deutschland statt. Im Anschluss an die Informationsveranstaltungen werden Befragungen zur Kompetenzerfassung angeboten. Die Daten werden dann in das System der Bundesagentur für Arbeit eingepflegt und stehen auch den Jobcentern zur Verfügung. Die weitere Beratung der Asylsuchenden findet im Anschluss an die Erfassung der beruflichen Kompetenzen durch die Agentur für Arbeit beziehungsweise durch die Jobcenter statt. Die Teilnahme am Projekt ist für alle offen und freiwillig. Die Prioritäten liegen jedoch bei denjenigen Personen, die schulische und berufliche Qualifikationen mitbringen und bei denen eine hohe Bleiberechtswahrscheinlichkeit besteht. Im besten Fall verfügen die Betroffenen bereits über Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch oder Französisch. Derzeit wird die Umsetzung des Projekts in Ingelheim vorbereitet. Hermeskeil und Kusel werden als Standorte ebenfalls bis Ende des Jahres 2015 beziehungsweise Anfang des Jahres 2016 folgen. Beim Projekt „Flüchtlingsnetzwerker“ hat das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung gemeinsam mit den Handwerkskammern und der Bundesagentur für Arbeit das Programm „Coach für betriebliche Ausbildung“ um ein Angebot für Flüchtlinge erweitert. Insgesamt vier Mitarbeiterinnen beziehungsweise Mitarbeiter der Handwerkskammern werden ab August 2015 ausbildungsinteressierte Flüchtlinge auf dem Weg in eine Hospitation oder in ein duales Ausbildungsverhältnis im Handwerk begleiten. Auch die Welcome Center Rheinland-Pfalz, die seit März 2015 bei den Industrie- und Handelskammern angesiedelt sind, stehen Flüchtlingen als Anlaufstelle, beispielsweise bei Fragen zu Ausbildung und Anerkennung von Berufsabschlüssen, zur Verfügung. Derzeit wird außerdem ein weiteres Projekt zur Orientierung und Qualifizierung von Flüchtlingen vorbereitet. Dieses Projekt richtet sich an Flüchtlinge, die sich vorstellen können, künftig im Gesundheits- und Pflegebereich tätig zu sein. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin