Drucksache 16/5415 06. 08. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 7. September 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Julia Klöckner (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Digitalisierung im Handwerk (Handwerk 4.0) Die Kleine Anfrage 3565 vom 16. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Digitalisierung im industriellen Bereich, die Verknüpfung von Produktions- und Lieferketten und die unternehmensübergreifende Vernetzung ist in vollem Gange und gewinnt für große aber auch mittelständische Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Stichworte wie Industrie 4.0 oder Internet der Dinge werden derzeit breit diskutiert. Ohne Frage hat die Digitalisierung auch das Handwerk erreicht und wird die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Gerade in Rheinland-Pfalz hat das Handwerk eine herausragende Bedeutung für die Wirtschaftsleistung und die Arbeitsplätze. Daher frage ich die Landesregierung: 1. Sieht die Landesregierung einen Unterstützungsbedarf (Finanzierung, Mitarbeiterqualifikation usw.), um die Digitalisierung im rheinland-pfälzischen Handwerk voranzubringen? Wenn ja, in welchem Umfang, wie wurde dieser ermittelt und welche Konse - quenzen ergeben sich für die Wirtschaftsförderung? 2. Wie wurden insbesondere die Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung diesem Bedarf angepasst, gibt es spezifische Förderprogramme oder sonstige gezielte Unterstützungsmaßnahmen für das Handwerk (bitte einzeln auflisten unter Nennung der Programme bzw. Haushaltstitel)? 3. Welche konkreten Projekte wurden dazu bisher realisiert oder werden derzeit umgesetzt (bitte Einzelaufstellung der Projekte, der Kosten, der Träger und gegebenenfalls der Ergebnisse)? 4. Beabsichtigt die Landesregierung die Entwicklung von Handwerk 4.0 in Zukunft zu unterstützten? Wenn ja, mit welchen Maßnahmen und Mitteln? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 3. August 2015 wie folgt beantwortet: Die Landesregierung sieht die Digitalisierung als Chance für die rheinland-pfälzischen Handwerksbetriebe. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien verändern Produktions- und Geschäftsprozesse und bieten Potenziale zur Individualisierung der Kundenwünsche. Das Handwerk 4.0 kann in der digitalen Gesellschaft durch die Qualität und Individualität der Produkte und Dienstleistungen überzeugen. Eine digitale Vernetzung erhöht die Effizienz; Geschäftsabläufe werden transparent gemacht. Die stetig wachsende Ausdehnung mobiler Geräte forciert dabei ebenfalls die digitale Entwicklung. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Fragen 1 und 2: In Rheinland-Pfalz sind 52 000 Betriebe mit rund 261 000 Beschäftigten im Handwerk tätig. Die sich daraus ergebende durchschnittliche Betriebsgröße von 5 Mitarbeitern pro Betrieb zeigt, dass im Rahmen des Handwerks vorrangig kleinere Unternehmen tätig sind. Vor diesem Hintergrund müssen Handlungsoptionen für das Thema Digitalisierung im Handwerk bewertet werden. Die strukturbedingten Gegebenheiten lassen keinen unmittelbaren Vergleich mit der Industrie 4.0 zu. Die heterogene Vielfalt der Handwerksbetriebe sowie die handwerkseigenen Erfordernisse sind hier zu berücksichtigen. Entsprechend ist auch der Unterstützungsbedarf von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich und kann nur betriebsspezifisch ermittelt werden. Drucksache 16/5415 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Generell kann festgestellt werden, dass insbesondere finanzielle Hilfen und eine entsprechende Wissensvermittlung die Digitalisierung und die erforderliche Anpassung der Geschäfts- und Produktionsprozesse unterstützen können. Handwerksspezifische Ausund Weiterbildungssysteme müssen sich auf neue Anforderungen ausrichten. Eine weitere Grundlage für die Digitalisierung des Handwerks ist eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur. Hierzu zählen die Verfügbarkeit hoher Bandbreiten und auch in ländlichen Regionen die Möglichkeit einer zeitgemäßen, ortsunabhängigen Kommunikation . Dabei unterstützen die Beratungsangebote der Handwerkskammern und des Technologie-Transfer-Netzwerks des Handwerks sowie die unter den Fragen 3 und 4 genannten Projekte und Maßnahmen. Einer Entwicklung spezifischer Förderprogramme zur Digitalisierung im Handwerk bedarf es nicht. Die im Rahmen der Wirtschaftsförderung allgemein und auch speziell für das Handwerk zur Verfügung stehenden Programme sind auch für Maßnahmen im Rahmen der Digitalisierung nutzbar. Durch das GRW-Programm und das Regionale Landesförderprogramm wird eine Vielzahl von Investitionen zur Unterstützung von Unternehmen – insbesondere von KMU – in strukturschwächeren Landesteilen begleitet. In diesem Zusammenhang können auch Investitionen der Handwerksbetriebe im Bereich der Digitalisierung gefördert werden, sofern sie die allgemeinen Fördervoraussetzungen einhalten. Des Weiteren wird das rheinland-pfälzische Handwerk durch die folgenden Förderprogramme auf dem Weg zum Handwerk 4.0 unterstützt: Das Förderprogramm des Bundes „Beratungen von Handwerksunternehmen durch ihre Kammern und ihre Verbände“ welches aus Landesmitteln kofinanziert wird, hat insbesondere die Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen im Handwerk zum Gegenstand. Das Förderprogramm, ermöglicht dabei auch Beratungsthemen im Bereich Technologie /Innovation. Beratungsgegenstand können beispielsweise neue Technologien/Fertigungstechnologien, FuE-Kooperationen sowie Technologie transfer/-Kooperationen sein. Rheinland-Pfalz unterstützt 2015 das Beratungs programm mit einem Betrag in Höhe von rund 221 000 Euro aus Kapitel 08 02 Titel 686 77 und sichert damit das für die Handwerksbetriebe kostenlose Beratungs angebot. Die Förderung der Errichtung, Ausstattung und Modernisierung Überbetrieblicher Berufsbildungsstätten (ÜBS) aus Kapitel 08 77 Titel 893 02 ermöglicht es, dass die berufsfeldbreite Grundbildung im Rahmen der dualen Berufsausbildung sowie berufliche Fortund Weiterbildungsmaßnahmen auf dem neuesten Stand der Technik erfolgen. Die in den Überbetrieblichen Berufsbildungsstätten durchgeführte Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU), gefördert aus Kapitel 08 02 Titel 686 21, stellt als Kernstück der Handwerksförderung den Technologietransfer aus den Berufsbildungsstätten in die Handwerksbetriebe sicher. Darüber hinaus, ist grundsätzlich auch eine Unterstützung im Rahmen der Technologie- und Innovationsförderung des Landes Rheinland-Pfalz möglich. In diesem Zusammenhang können branchen- und technologieoffen u. a. Beratungen sowie Forschungsund Entwicklungsvorhaben gefördert werden. Sofern die Fördervoraussetzungen erfüllt werden, kann auch das Handwerk von diesem Instrument profitieren. Mit den beiden Landesförderprogrammen „Beratungsprogramm für den Mittelstand MITT“ und „BITTTechnologieberatung “ können ebenfalls Aspekte der Digitalisierung gefördert werden (Kapitel 08 10 Titel 683 01). Zuwendungsberechtigt sind hier mittelständische Unternehmen und damit auch das Handwerk. Dabei stehen im gemeinsam mit den Kammern durchgeführten BITT-Programm technologieorientierte Fragestellungen im Fokus, u. a. auch die Beratung bei der Einführung spezieller EDV/Informationstechnik. Mit dem Mittelstands-Beratungsprogramm können Beratungsleistungen im Bereich strategischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und technischer Fragen der Unternehmensführung gefördert werden, dies beinhaltet generell auch Fragen der Digitalisierung. Durch das Programm „InnoTop“ werden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in rheinland-pfälzischen Unternehmen gefördert (Landesmittel Kapitel 08 10 Titel 683 01, EU-Mittel Kapitel 08 77 Titel 686 05), wenn es um die Entwicklung von Produkten oder Verfahren geht, die sich von routinemäßigen oder regelmäßigen Änderungen an bestehenden Produkten, Produktionslinien oder Herstellungsverfahren abheben und für deren Realisierung zunächst die Gewinnung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten und/oder die Umsetzung der Kenntnisse und Fertigkeiten in neue Produkte oder neue Verfahren ansteht. Das Programm wird derzeit gemäß den seit 1. Juli 2014 neu geltenden Beihilfevorgaben der Kommission weiterentwickelt. Dabei ist auch geplant, neben den bereits existierenden Fördermodulen „Durchführbarkeitsstudie“ und „FuE-Vorhaben“ ein neues Fördermodul im niedrigschwelligen Einstiegsbereich der Innovationsförderung, das Modul FuE-Auftrag, einzuführen. Es soll FuE-Dienstleistungen von wissenschaftlichen Einrichtungen, die in einem konkreten Angebot für ein KMU dargestellt werden, mit einem einheitlichen Förder - satz von 50 % und max. 12 500 Euro Zuschuss fördern. Damit soll in einem einfachen Verfahren insbesondere die Hemmschwelle von KMU gegenüber der Wissenschaft reduziert und der Weg für die weitere Zusammenarbeit geebnet werden. Zu Frage 3: Mit dem Pilotprojekt „Aktivbörse für Unternehmen“ fördert die Handwerkskammer Koblenz mit Unterstützung des Landes die Transparenz und die Vernetzung von Angeboten und Dienstleistungen der Wirtschaftsumgebung in der Hunsrückregion. In diesem Zusammenhang soll den Handwerksbetrieben das Instrument der Clusterinitiativen näher gebracht und mögliche Synergien einer Clusterteilnahme aufgezeigt werden. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5415 Durch die Digitalisierung (Erfassung, Aufbereitung und Speicherung von betrieblichen Informationen) sollen vorhandene Ressourcen stärker genutzt und mit Hilfe von Handwerkerkooperationen, Clustern oder Handwerkerketten die Innovationskraft der Region gestärkt werden. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die grundsätzliche Sensibilisierung der Unternehmen anhand eines konkreten Projekts. Mit den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen wird ein weiterer Grundstein für die Digitalisierung im Handwerk gelegt. Das Modellprojekt wird vom Land aus Kapitel 08 77 Titel 686 02 im Zeitraum vom 9. März 2015 bis 31. Juli 2016 mit 243 600 Euro bezuschusst. Das von der Handwerkskammer Rheinhessen im November 2005 bei Bund und Land beantragte Projekt „Errichtung eines Kompetenzzentrums (KOMZET) für IT-Sicherheit und Qualifizierte Digitale Signatur bei der HWK Rheinhessen“ wurde für den Projektzeitraum vom 1. April 2006 bis 30. März 2010 bei förderfähigen Gesamtkosten von 795 915,00 Euro mit 397 957,50 Euro (50 %) aus Kapitel 09 02 Titel 686 66 des Bundeshaushaltes 2006 bis 2009 sowie von Seiten des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen einer Kofinanzierung in Höhe von insgesamt 198 978,75 Euro (25 %) aus Kapitel 08 10 Titel 683 04 des Landeshaushalts 2006 bis 2008 bzw. Titel 685 03 des Landeshaushalts 2009 gefördert Das KOMZET ist gewerksübergreifend – mittlerweile bundesweit – zuständig für die Verbesserung der IT-Sicherheit in Handwerks - unternehmen und unterstützt diese bei der Anpassung der IT-Grundsicherheit an die Spezifikationen und Empfehlungen des Bundes - amts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und ist Teil des Technologietransfernetzes im Handwerk. Die Tätigkeit des KOMZET zielt darauf ab, grundlegende Kenntnisse sowie nachvollziehbare IT-Sicherheit zu vermitteln und eine Verbesserung der IT-Strukturen in Handwerksbetrieben aller deutschen Bundesländer zu erreichen. Es unterstützt Inhaber, Handwerksmeister, Führungskräfte, Mitarbeiter, Ausbilder und Auszubildende aller Handwerksbereiche sowie Kammer- und Fachverband -Berater in der Bewertung, Verbesserung und Handhabung ihrer IT-Sicherheit. Hierzu entwickelt das KOMZET Informations -, Qualifikations- und Unterstützungsangebote in den Bereichen „IT-Sicherheit“ und „Datenschutz“ und führt Informationsveranstaltungen und Workshops bis hin zu tiefergehenden Qualifizierungsangeboten wie „IT-Security-Fachkraft“ und „Betrieblicher Datenschutzbeauftragter“ durch. Auch andere Kammern und Verbände sowie Innungen profitieren von der Einrichtung KOMZET. Die erfolgreiche Arbeit des KOMZET hat sich nach der Startphase etabliert. Seitens des Bundeswirtschaftsministeriums wurde das Projekt ISiK II (Förderzeitraum Januar 2013 bis Januar 2015) mit KOMZET auf den Weg gebracht. In diesem Zusammenhang wurden zwölf Handbücher zu den Themen der IT-Sicherheit veröffentlicht, zugeschnitten auf die Belange von Klein- und Kleinstbetrieben im Handwerk u. a. mit den Themen „IT-Sicherheit in der Produktion“, „IT-Sicherheit bei der Haus - automatisierung“, „Virtualisierung“ und „Cloud-Computing“, „rechtsverbindliche Kommunikation“, „Netzwerksicherheit“, „WLAN-Sicherheit“, und „Datenschutz“. Bundesweit wurden 34 Berater aus Handwerkskammern und Fachverbänden zum „IT-Sicherheitsbotschafter im Handwerk“ qualifiziert und über 150 betriebliche Datenschutzbeauftragte ausgebildet. Alle erarbeiteten Unterlagen werden über die projektbegleitende Homepage www.it-sicherheit-handwerk.de die der Grundversorgung der Betriebe mit praxisrelevanten Informationen und Angeboten dient, zur Verfügung gestellt. Rheinland-Pfalz hat frühzeitig und vorausschauend Strukturen aufgebaut und Zukunftsthemen aufgegriffen. Zu Frage 4: Das Thema der Digitalisierung wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen der beschriebenen Maßnahmen wird die Landesregierung auch weiterhin das Handwerk unterstützen. Nach Abschluss des oben genannten Pilotprojekts „Aktivbörse für Unternehmen“ wird auf Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Handwerk das weitere Vorgehen abgestimmt werden. Ferner wird die Digitalisierung im Handwerk durch den weiteren Breitbandinfrastruktur - ausbau unterstützt, der von der Landesregierung bedarfsgerecht auch mit Fördermitteln unterstützt wird. Gemäß der NGAStrategie des Landes strebt die Landesregierung einen flächendeckenden Breitbandausbau mit Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s bis zum Jahr 2018 an. Eveline Lemke Staatsministerin 3