Drucksach 16/5420 06. 08. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. September 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stephanie Nabinger und Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Subventionierung des britischen Atommeilers Hinkley Point C Die Kleine Anfrage 3607 vom 23. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Oktober 2014 stimmte die EU-Kommission den Plänen der britischen Regierung zu, Staatshilfen für den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C zu gegeben. Den künftigen Betreibern wird hierdurch ein fixer Strompreis von 92,5 britischen Pfund (circa 112 Euro) je Megawattstunde über einen Zeitraum von 35 Jahren zugesichert. Dieser ist damit fast doppelt so hoch wie der heutige Absatzpreis (49 britische Pfund in 2012). Die staatlich garantier ten Vergütungszahlungen summieren sich über die gesamte Förderzeit auf rund 108 Mil liar den Euro. Gegen die Genehmigung dieser staatlichen Beihilfen hat Österreich am Montag, dem 6. Juli 2015, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Klage eingereicht. Am Mittwoch, dem 15. Juli 2015, reichte ein Bündnis von deutschen und österreichischen Ökostromanbietern und Stadtwerken, darunter die Stadtwerke Mainz, ebenfalls eine Klage gegen die staatlichen Atom strombeihilfen beim EuGH ein. In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen hätte die Subventionierung für den Bau neuer Atomkraftwerke in Europa nach Ansicht der Landesregie - rung für den Erfolg der Energiewende auf rheinland-pfälzischer, nationaler und europäischer Ebene? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die eingereichten Klagen? 3. Welche Position vertritt nach Kenntnis der Landesregierung die Bundesregierung bezüglich der Entscheidung der EU-Kom mis - sion aus dem Oktober 2014? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 3. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die milliardenschwere Subventionierung von Atomkraftwerken in Europa ist angesichts der unbeherrschbaren Risiken sowie der ungeklärten Frage der Atommüll-Endlagerung unverantwortlich und setzt ein falsches Zeichen zur europaweiten Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele. Sie verfälscht zudem den Wettbewerb im europäischen Strombinnenmarkt. Ein jahrzehntelang garantierter Preis für Strom aus Atomkraftwerken führt zu staatlich künstlich herbeigeführten Nachteilen auf dem europäischen Strombinnenmarkt und im grenzüberschreitenden Stromhandel zuungunsten von Ökostrom-Anbietern und Betreibern von Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Davon empfindlich wirtschaftlich betroffen werden auch kommunale Unternehmen wie die Stadtwerke Mainz AG sein, die mit ihren Energieerzeugungsanlagen an der Europäischen Strombörse aktiv sind. Die Wirtschaftlichkeit ihrer Gas-und-Dampf-Kraftwerke wird durch die große Menge Atomstroms im Strommarkt weiter sinken. Letztendlich sind Mehrbelastungen für das deutsche EEG-System und damit für die privaten Verbraucher hierzulande zu befürchten. Zudem läuft eine Subventionierung von Atomstrom dem Ziel eines forcierten Ausbaus der erneuerbaren Energien zuwider. Sollte die Entscheidung der EU-Kommission nicht zurückgenommen werden, wird damit ein Präjudiz geschaffen, welches die weitere Richtung der europäischen Energiepolitik negativ beeinflussen kann. Atomfreundliche EU-Länder könnten sich an dem britischen Fördermodell orientieren, um ihre bisher unwirtschaftlichen Kraftwerksprojekte im Atombereich rentabel zu machen. Drucksache 16/5420 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Entscheidung der Kommission, eine finanzielle Unterstützung des Baus von Hinkley Point C beihilferechtlich zu genehmigen, bestätigt die Unwirtschaftlichkeit von Atomenergie: Auch nach 60 Jahren kommerzieller Nutzung ist Atomkraft nicht ohne staatliche Hilfe zu finanzieren. Hinzu kommen noch nicht absehbare Kosten für die Entsorgung von Brennelementen und der Demon - tage der Anlagen nach Ablauf der Nutzungsdauer. Zu Frage 2: Die Landesregierung begrüßt die Klagen vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Gründe. Mit den Stadtwerken Mainz befindet sich ein Unternehmen unter den Klägern, das mit dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk der KMW AG auf der Ingelheimer Aue eines der modernsten und umweltfreundlichsten Kraftwerke betreibt. Die Betreiber von Gaskraftwerken haben immer größere Schwierigkeiten, diese kostendeckend zu betreiben, weil Atomkraftwerke und klimaschädliche Kohle kraftwerke weiterhin unterstützt werden und in der Folge Gaskraftwerke aus dem Markt drängen. Zu Frage 3: Die Position der Bundesregierung lässt sich auf der Grundlage ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting -Uhl, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/5005 – an die Bundesregierung wie folgt zusammenfassen: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Nutzung von Atomenergie zur Stromerzeugung künftig auch in Europa möglichst keine Rolle mehr spielen sollte. Sie lehnt die EU-Förderung oder einen europäischen Förderrahmen für Atomkraftwerke entschieden ab. Gleichzeitig respektiert die Bundesregierung die im europäischen Primärrecht verankerte Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bezüglich des nationalen Energiemix. Dazu gehöre auch die Frage, inwieweit einzelne Mitgliedstaaten Atomkraftwerke durch nationale Maßnahmen unterstützen. Daher gehe es bei dem Beschluss der Europäischen Kommission vom 8. Oktober 2014 zu Hinkley Point C vor allem um eine Beihilfe-Rechtsfrage. Im Beschlusstext der Europäischen Kommission seien – unabhängig von der politischen Bewertung – keine beihilferechtlichen Aussagen enthalten, die nach Ansicht der Bundesregierung so offensichtlich fehlerhaft seien, dass eine Nichtigkeits klage hinreichend erfolgsversprechend wäre. Die Kommission halte sich an das vorgegebene beihilferechtliche Prüfungsschema. In ihrem Beschluss habe die Kommission nach der Darstellung der Maßnahme ausführlich die Tatbestandsmerkmale einer Beihilfe gemäß Artikel 107 AEUV geprüft und subsumiert. Auch auf der Rechtfertigungsebene, also der Prüfung des Ziels von gemeinsamen Interessen (hier: Förderung gewisser Wirtschaftszweige sowie zugleich Beitrag zu den Zielen der Diversifizierung und Sicherung der Energieversorgung) seien nach Auffassung der Bundesregierung keine offensichtlichen, erkennbaren Rechtsfehler erkennbar. Auch allgemeine beihilfe - rechtliche Grundsätze, die es zu beachten gilt, seien von der Kommission geprüft und als erfüllt angesehen worden, wie etwa Anreiz - effekt, Minimumprinzip, Notwendigkeit, Geeignetheit, Angemessenheit, weitgehende Begrenzung von negativen Wettbewerbsfolgen und das Verbot der Überkompensation. Eveline Lemke Staatsministerin