Drucksache 16/5427 06. 08. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. September 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Wolfgang Schlagwein und Dr. Bernhard Braun (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Entwicklung von Genossenschaftsgründungen in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3604 vom 23. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Genossenschaften haben in Deutschland eine lange Tradition. Ob es sich um die regionalen Volks- und Raiffeisenbanken, Wohnungsgenossenschaften , Agrargenossenschaften und nicht zuletzt Energiegenossenschaften handelt: Das Ziel ist es stets, die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder zu fördern. Dabei bieten genossenschaftliche Unternehmen wie keine andere Rechtsform die Möglichkeit der Mitwirkung und Mitgestaltung. Das Recht der Genossenschaft wird in Deutschland durch das Gesetz die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften betreffend (kurz: Genossenschaftsgesetz) geregelt. Dieses wurde letztmalig im Jahr 2006 novelliert. Die Auswirkung dieser Novelle auf Genossenschaftsgründungen wurde nun in einer, durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebenen Studie, untersucht. In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung: 1. Wie lauten die zentralen Ergebnisse der durch das BMWi vorgelegten Studie? 2. Wie verlief die Entwicklung von Genossenschaftsgründungen in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren? 3. Wie erklärt sich die Landesregierung den Rückgang bei den Gründungen von Energie genossen schaften in den vergangenen Jahren? 4. Welche Voraussetzungen sind nach Ansicht der Landesregierung notwendig, damit das Genossenschaftsmodell erfolgreich bleibt und insbesondere der Start kleinerer Genossen schaftsgründungen vereinfacht wird? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. August 2015 wie folgt beantwortet: Die Studie „Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft“ wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse wurden am 29. Juni 2015 veröffentlicht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: In der Studie werden Genossenschaften als Selbsthilfeorganisationen mit eingerichtetem Geschäftsbetrieb bezeichnet. Ihre Mitglieder unterhalten gemeinsam einen demokratisch geführten Geschäftsbetrieb, dem bestimmte betriebliche Funktionen der rechtlich und wirtschaftlich eigenständig bleibenden Mitglieder zur Ausführung übertragen werden. Nach den Ergebnissen der Studie wird die Rechtsform der Genossenschaft heute als geeignete Organisationsform von bürgergetragenen Bewegungen wahrgenommen. Allerdings scheint das Wissen über die Besonderheiten der Genossenschaft unter Gründern außerhalb des Energiesektors immer noch lückenhaft zu sein. Ferner bestünden Defizite bei der Förderung von Genossenschaftsgründungen. Bei den befragten Genossenschaften bestehe eine große Zufriedenheit mit dem genossenschaftlichen Prüfungsregime. Das genossenschaftliche System von Pflichtmitgliedschaft, Pflichtprüfung und Gründungsprüfung habe sich grundsätzlich bewährt. Allerdings gebe es Anzeichen dafür, dass der damit verbundene zeitliche und organisatorische Aufwand sowie Kosten für eine kleine Minderheit der Genossenschaften nach wie vor als zu hoch einzuschätzen sei. Hinsichtlich der letzten Novelle des Genossenschaftsgesetzes im Jahr 2006 kommt die Studie zu der Schlussfolgerung, dass die eingeführten Regularien in beachtlichem Umfang genutzt wurden. Daher seien die Änderungen tatsächlich geeignet, die Rahmenbedingungen vor allem für kleinere Genossenschaften zu verbessern und teilweise deren Gründung zu erleichtern. Drucksache 16/5427 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: In Rheinland-Pfalz werden die Genossenschaften überwiegend vom Genossenschaftsverband e. V. und vom Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband (RWGV) betreut. Seit dem Jahr 2006 verzeichnete der Genossenschaftsverband e. V. insgesamt 41 und der RWGV 21 Neugründungen. Zu Frage 3: Die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankerte Umstellung des Fördersystems für den Ausbau der erneuerbaren Energien auf Ausschreibungen hat bei Energiegenossenschaften zur Verunsicherung geführt. Durch das neue Verfahren können kleineren Akteuren durch die komplexen und kostenträchtigen Vorgaben strukturelle Nachteile gegenüber großen Marktteilnehmern entstehen . Es besteht daher die Befürchtung, dass die Akteursvielfalt nicht erhalten bleiben wird. Die Landesregierung fordert, dass sich keine Benachteiligungen für kleinere Akteure beim Ausschreibungsverfahren ergeben dürfen. Sie setzt sich daher nachdrücklich dafür ein, dass auch den Bürgerenergiegenossenschaften eine erfolgreiche Beteiligung möglich ist. Zudem wurden mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und dem Kleinanlegerschutzgesetz für Genossenschaften bürokratische Hürden und komplexe Verwaltungsverfahren geschaffen. Mittlerweile wurden diese durch die am 9. März 2015 veröffentlichte grundlegend geänderte Auslegung des Kapitalanlagegesetzbuches durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie die Änderung der entsprechenden Regelungen des Kleinanlegerschutzgesetzes zugunsten von Genossenschaften entschärft. Zu Frage 4: Die Landesregierung unterstützt aktiv das Genossenschaftswesen. Die Studie hat gezeigt, dass nach wie vor Informationsdefizite über die strukturellen Merkmale einer Genossenschaft bestehen. Auf Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung (MWKEL) wurde daher im März 2012 das Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften Rheinland-Pfalz e. V. (LaNEG) gegründet. Das LaNEG vertritt die Interessen der Energiegenossenschaften gegenüber Politik und Wirtschaft. Es fördert u. a. den Genossenschaftsgedanken und unterstützt Neugründungen. Das Landesnetzwerk ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt, daher werden dessen Erfahrungen auch seitens anderer Länder genutzt . So hat das Landesnetzwerk die Gründung des LaNEG Hessen und zuletzt auch die Vorbereitung zur Gründung eines Netzwerks in Nordrhein-Westfalen intensiv beratend begleitet. Auch die neuen Netzwerke in Thüringen und Bayern haben die Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz nutzen können. Zudem sollte nach Auffassung der Landesregierung der Bekanntheitsgrad der Genossenschaftsform und ihre Vorteile weiterhin gesteigert werden. Dies erfolgt beispielsweise mit dem durch die Landesregierung begleiteten und unter meiner Schirmherrschaft stehenden Projekt „Schülergenossenschaften – nachhaltig wirtschaften – sozial handeln “, mit dem Schülerinnen und Schülern der Genossenschaftsgedanke näher gebracht wird. Das Projekt eröffnet durch das gemeinsame, realitätsnahe Arbeiten in einer Schülergenossenschaft Einblicke in wirtschaftliche, ökologische und soziale Zusammenhänge . Für den Erfolg kleinerer Genossenschaften ist eine fundierte Gründungsberatung wesentlich. Hier leisten die genossenschaftlichen Prüfungsverbände einen wichtigen Beitrag. Ein weiterer Aspekt sind Kostenbelastungen durch die Wahl der Genossenschaftsform. Die Landesregierung unterstützt die Absicht des Bundes, die Gründung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement (z. B. Dorfläden, Kitas, altersgerechtes Wohnen, Energievorhaben) zu erleichtern. Demnach soll für solche Initiativen eine geeignete Unternehmensform im Genossenschafts- oder Vereinsrecht zur Verfügung stehen, die unangemessenen Aufwand und Bürokratie vermeidet. Eveline Lemke Staatsministerin