Drucksache 16/5434 10. 08. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dietmar Johnen und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Einschränkung der Nutzung von Glyphosat in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3563 vom 15. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Das rheinland-pfälzische Umweltministerium hat den rheinland-pfälzischen Pflanzenschutzdienst angewiesen, keine Genehmigungen mehr für den Einsatz glyphosathaltiger Unkrautvernichtungsmittel auf befestigten Freilandflächen sowie auch nicht landwirtschaftlich , forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten sonstigen Freilandflächen zu erteilen. Hintergrund ist die gesundheitliche Gefährdung, die von Glyphosat ausgehen kann: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass der in Pflanzenschutzmitteln enthaltene Wirkstoff krebserregend sei. Eine aktuell von der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Untersuchung weist Glyphosat in der Muttermilch nach. Zuvor waren Rückstände des Wirkstoffs bereits in menschlichem Urin sowie Lebens- und Futtermitteln und in rheinland-pfälzischen Oberflächengewässern nachgewiesen worden. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche gesundheitlichen Gefahren gehen nach aktuellen Erkenntnissen von dem Wirkstoff Glyphosat aus? 2. In welchen Bereichen wurden in Rheinland-Pfalz Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat bislang eingesetzt? 3. Gibt es Ausnahmen von der oben beschriebenen Anweisung des Ministeriums zum Einsatz glyphosathaltiger Unkrautvernichtungsmittel ? Falls ja, in welchen Bereichen? 4. Von welchem Kommunen wurden in den letzten Jahren Genehmigungen für den Einsatz von Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat beantragt und auf welchen Flächen kamen diese zum Einsatz? 5. Welche Maßnahmen werden durch die Landesregierung ergriffen, um die Bevölkerung für die potenziellen Gefahren glyphosat - haltiger Unkrautvernichtungsmittel zu sensibilisieren? 6. Welche Ersatzmaßnahmen können zur Anwendung kommen, um auf glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel zu verzichten und wie werden potenzielle Anwenderinnen und Anwender in diese Hinsicht beraten? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 7. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Der Wirkstoff Glyphosat wurde durch die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft (in einer Vorabveröffentlichung vom März 2015 bzw. der ausführlichen Version vom Juli 2015). Eine kanzerogene Wirkung des Wirkstoffs kann also nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb der WHO wurde ein „Clearing-Verfahren“ eingeleitet, durch das die unterschiedlichen Bewertungen durch zwei Untereinheiten (IACR und JMPR, Joint Meeting on Pesticide Residues) einer endgültigen Bewertung unterzogen werden sollen. Die Landesregierung fühlt sich dem Vorsorgegedanken im Hinblick auf die menschliche Gesundheit verpflichtet. Gleiches gilt auch für Gefährdungen der Biodiversität, wie gerade beim Einsatz von Totalherbiziden gegeben ist. Sie hat daher den in der Anfrage angesprochenen Erlass an den rheinland-pfälzischen Pflanzenschutzdienst verfügt. Durch die Kombination des Glyphosat mit Netzmitteln (z. B. Tallowamin) erhöht sich die Toxizität. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 8. September 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5434 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Übrigen besteht aufgrund der EU-Pflanzenschutzrahmenrichtlinie 2009/128/EG und des Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz ein Minimierungsgebot für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Neben den Gefahren für die menschliche Gesundheit hat die Ausbringung von Glyphosaten auch negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, Gewässer und Nutzorganismen (z. B. Bienen). Zu Frage 2: Glyphosat ist als Wirkstoff in nicht selektiven Herbiziden (Total-Herbizide) enthalten. Diese finden Anwendung, wenn unspezifisch Pflanzenbewuchs beseitigt werden soll. Glyphosat-Mittel werden auf landwirtschaftlich, gärtnerisch und weinbaulich genutzten Flächen angewandt. Im Ackerbau finden Glyphosat-Einsätze fast nur vor der Aussaat von Kulturen oder nach der Ernte der Kulturen statt. Vor der Kultur (Sommerungen) wird Glyphosat eingesetzt, um starke Altverunkrautung oder über Winter nicht abgefrorene Zwischenfrüchte zu beseitigen und eine sachgerechte Aussaat zu ermöglichen. Der Einsatz nach der Ernte auf Getreide- oder Rapsstoppeln dient der Beseitigung von Ausfallpflanzen, besonders aber der Bekämpfung ausdauernder Unkräuter in Systemen der konservierenden Bodenbearbeitung in hängigen Lagen zur Erosionsvermeidung. In sehr geringem Maße findet ein Einsatz in der Kultur (Getreide, Raps) selbst statt zur Beseitigung von durchgewachsenem Unkraut in lagernden („umgefallenen“) Beständen oder Zwiewuchs (spät geschobene, noch grüne Halme in bereits abgereiften Beständen) zur Ermöglichung der Ernte. Rheinland-Pfalz hatte sich mit anderen Ländern im Bundesrat erfolgreich dafür eingesetzt, dass Glyphosat nicht mehr für die Abreifesteuerung (Druschoptimierung) eingesetzt wird (Bundesrats-Beschluss vom 8. November 2013 – Drucksache 704/13). Dies wurde aber bislang von der Bundesregierung nicht umgesetzt . Im Obst- und Weinbau wird Glyphosat zur Beseitigung des Unterwuchses in den Baumreihen bzw. in den Rebzeilen eingesetzt . Glyphosat-Mittel sind auch für die Anwendung in Haus- und Kleingärten zugelassen und werden dort auch eingesetzt, wobei die Anwendung in den Anlagen der Kleingartenvereine stark rückläufig ist. Die Deutsche Bahn setzt aus Gründen der Verkehrssicherung auf ihren Gleisanlagen Glyphosat ein, wobei die Genehmigungen zentral vom Eisenbahnbundesamt erteilt werden. Ein Einsatz auf Nichtkulturland und befestigten Freilandflächen ist grundsätzlich nicht zulässig, kann aber bei Vorliegen schwerwiegender Gründe und gleichzeitigem Ausschluss der Gefährdung der menschlichen Gesundheit und des Naturhaushalts auf Antrag genehmigt werden. Diese Genehmigungen wurden auch sehr restriktiv erteilt. Zu Frage 3: Bisher gibt es keine Ausnahmen im Hinblick auf die im Erlass vorgesehenen Einzelfallentscheidungen der Genehmigung einer Glyphosat -Anwendung. Prinzipiell müsste es sich in diesen Fällen um die Abwehr einer großen Gefahr für die allgemeine Gesundheit, die Arbeitssicherheit und Verkehrssicherheit oder die Betriebssicherheit von Anlagen handeln, die anderweitig nicht oder nur mit einem nicht mehr vertretbaren Aufwand zu erreichen wäre. Es findet auch in größerem Maße illegaler Glyphosat-Einsatz auf Nicht-Kulturland und befestigten Freilandflächen in RheinlandPfalz statt. Genaue Zahlen liegen dazu nicht vor. Zu Frage 4: Aus den von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion erteilten Genehmigungen nach § 12 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz ist bekannt , dass in Rheinland-Pfalz in folgenden Kommunen Glyphosat auf Nichtkulturland eingesetzt worden ist: 2 Ortsgemeinde Arzfeld Stadt Bad Bergzabern Stadt Bad Kreuznach Stadt Bad Sobernheim Ortsgemeinde Barweiler Gemeinde Bobenheim-Roxheim Gemeinde Böhl-Iggelheim Ortsgemeinde Eckelsheim Ortsgemeinde Essingen Verbandsgemeinde Flammersfeld Stadt Frankenthal Ortsgemeinde Gladbach (LK Bernkastel-Wittlich) Ortsgemeinde Gondershausen Stadt Ingelheim Ortsgemeinde Kettig Gemeinde Kirrweiler Ortsgemeinde Lieser Gemeinde Limburgerhof Verbandsgemeinde Lingenfeld Stadt Ludwigshafen Stadt Mainz Stadt Montabaur Ortsgemeinde Orenhofen Stadt Remagen Stadt Schifferstadt Stadt Sinzig Stadt Speyer Stadt Traben-Trarbach Stadt Trier (Gleisanlage) Stadt Worms Stadt Wörth am Rhein. Die Gemeinden Stadt Mainz und Stadt Schifferstadt nutzen mittlerweile alternative Verfahren auf ihren Grün- und Freiflächen zur Beseitigung unerwünschten Pflanzenbewuchses und verzichten auf Glyphosat. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5434 Art der Flächen: – Anlagen des Verkehrs im Bereich Schienenwege (begrenzt auf Gleisbettung, Schotterflanke und Randwege), – Flugbetriebsflächen (US-Streitkräfte), Verkehrsflächen (Wege und Plätze, i. d. R. mit wassergebundenen Decken), – Industrie- und Gewerbeflächen (z. B. Tanklager, Rohrleitungsanlagen), Sportanlagen (Tennenflächen), – Bekämpfung invasiver Arten (Riesenbärenklau, Staudenknöterich). Zu Frage 5: Die Landesregierung ergreift viele Maßnahmen, um die Bevölkerung im Hinblick auf den Glyphosat-Einsatz, die damit verbundenen Risiken und mögliche Alternativen zu sensibilisieren. Die Maßnahmen werden von den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) in Bad Kreuznach und Neustadt umgesetzt. Glyphosat-Anwender in Landwirtschaft, Garten- und Weinbau werden über Warn- und Infodienste, Internetangebote, sowie durch Veranstaltungen, Gruppen- und Einzelberatungen der DLR ständig aktuell informiert. Kommunen bzw. kommunale Bedienstete werden in Kooperation mit dem Gemeinde- und Städtebund durch zahlreiche Beiträge in den Verbandszeitschriften, den Mitteilungsblättern für Bauhöfe/Grünflächenämter und speziell konzipierte Vortrags- und Demonstrationsveranstaltungen (zuletzt auf der Landesgartenschau in Landau) informiert und geschult. Im Rahmen der Fort- und Weiter bildung zur Sachkunde im Pflanzenschutz wurde ein Schwerpunkt auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Alternativen im Kommunalbereich gesetzt. Die Sachkundeschulungen werden nur von Referenten durchgeführt, die unabhängig von Pflanzenschutzmittelherstellern sind. Freizeitgärtner (Haus- und Kleingärtner) werden durch die am DLR in Neustadt installierte Gartenakademie Rheinland-Pfalz und die mit ihr eng kooperierenden „Pflanzendoktoren“ (speziell im Pflanzenschutz geschulte Personen) informiert. Besonders mit den vielen Gartenbau- und Kleingartenvereinen in Rheinland-Pfalz bestehen sehr enge Kooperationen. Die Bevölkerung wurde wiederholt durch Beiträge in den sehr weit verbreiteten amtlichen Mitteilungsblättern der Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz zur Glyphosat-Problematik aufgeklärt. Zu Frage 6: Grundsätzlich existieren mehrere Maßnahmen zum Ersatz einer Glyphosat-Behandlung, die allerdings nicht in allen Fällen zum Einsatz kommen können. Durch Bodenabdeckungen (organisches Material, wie z. B. Rindenmulch, oder Folien/Vliese) können Böden frei von Bewuchs gehalten werden. Mechanisch können Unkräuter durch Flachschare, Krümelgeräte und Scheibengeräte in der Landwirtschaft kontrolliert werden. Eine Vielzahl an weiteren mechanischen Möglichkeiten, wie Fugenkratzer, Kehrgeräte, Freischneider o. ä. steht als Alternative auf wassergebundenen bzw. versiegelten Flächen zur Verfügung. Daneben können teilweise thermische Verfahren, wie Abflamm-, Infrarot- und Kombinationsgeräte eingesetzt werden. Ferner finden Heißluft-, Heißdampf- und Heißwasserverfahren Verwendung. Ulrike Höfken Staatsministerin 3