Drucksache 16/5440 11. 08. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Bernhard Braun und Wolfgang Schlagwein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Auswirkungen der Umsatzsteuer auf PV-Eigenverbrauch Die Kleine Anfrage 3608 vom 22. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Photovoltaik (PV) ist ein wichtiger Bestandteil unserer künftigen, auf erneuerbaren Energien basierenden Stromversorgung. Das Klima wird durch Solarstrom geschont und durch den Ausbau und die Wartung der PV-Anlagen gleichzeitig Arbeitsplätze vor Ort geschaffen. Im Hinblick auf die Preisentwicklung sorgt die Solarenergie für langfristige Stabilität und Verlässlichkeit. Ins - besondere durch den selbstverbrauchten Solarstrom können private Haushalte entlastet werden und Unternehmen an Wett bewerbsfähigkeit gewinnen. Bereits durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in 2014 wurden zwei für die Wirtschaftlichkeit der PV wesentliche Geschäftsmodelle, nämlich der Eigenverbrauch und die direkte Stromlieferung vor Ort, beschnitten. Darüber hinaus hat das Bundesfinanzministerium mit einem Anwendungserlass vom 19. September 2014 festgesetzt, dass Solaranlagenbetreiber, die ihren Strom selbst verbrauchen und sich gegen eine Befreiung von der Umsatzsteuer entschieden haben, die 19 Prozent Umsatzsteuer künftig auf den Preis zahlen, den sie für Strom aus dem Netz bezahlen. Ein Rechtsgutachten der Kanzlei Becker, Büttner, Held (BBH) kommt diesbezüglich zu dem Ergebnis, dass der Anwendungserlass in der Praxis zu einem Anstieg der Abgabenlast um 150 Prozent führe. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit der Eigenstromprivilegierung im Bereich der PV in Hinblick auf den weiteren Ausbau und die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen? 2. Welche Änderungen haben sich durch den Anwendungserlass zur Erhebung von Umsatzsteuer auf PV-Eigenverbrauch des Bundes finanzministeriums ergeben? 3. Sieht die Landesregierung die Gefahr, dass der Anwendungserlass zur Erhebung von Umsatzsteuer auf PV-Eigenverbrauch negative Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen mit sich bringen kann? 4. Teilt die Landesregierung die Befürchtung einiger Anlagenbetreiber, dass durch den Anwendungserlass des Bundesfinanz - ministeriums die durchschnittlichen Strom-Erzeugungskosten durch die Umsatzsteuerbelastung um fünf bis sieben Cent pro kWh steigen? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 10. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Mit der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) ist die EEG-Umlage für den Eigenverbrauch nach § 61 EEG 2014 eingeführt worden. Die Landesregierung hatte sich bereits im Vorfeld zur Novellierung hiergegen ausgesprochen, um einen weiteren Rückgang bei den neu installierten Photovoltaikanlagen zu verhindern. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass eine Eigenstromprivilegierung einen wichtigen Beitrag für den weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen leisten kann. Die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage ist von diversen Einflussfaktoren abhängig, wie z. B. Standort der Anlage, Nutzerverhalten , Vergütungssatz, Strombezugskosten und Investitionskosten. Insbesondere im Bereich der Anlagen bis 10 kWp hat die Eigenstromnutzung einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Die Landesregierung begrüßt es daher, dass neben den Bestandsanlagen auch neue Photovoltaikanlagen bis zu 10 kWp und einem jährlichen Eigenverbrauch von max. 10 MWh von der EEG-Umlage befreit bleiben. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 16. September 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5440 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Rahmen einer künftigen Ausschreibungspflicht für Photovoltaik-Dachanlagen wird sich die Landesregierung für die Einführung einer De-minimis-Regelung einsetzen. Sie wird sich auch weiterhin für Rahmenbedingungen einsetzen, die einen dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien einschließlich der Photovoltaik in Rheinland-Pfalz ermöglichen. Möglichkeiten zur Privilegierung des Eigenstromverbrauchs bei der Umsatzbesteuerung sieht das harmonisierte europäische Mehrwertsteuerrecht hingegen nicht vor. Zu Frage 2: Bei dem von den Fragestellern angesprochenen Anwendungserlass handelt es sich um das mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegebene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben) vom 19. September 2014, BStBl I 2014 S. 1287. Änderungen bei der Umsatzbesteuerung von Photovoltaikanlagen werden damit nicht begründet. Das Schreiben stellt vielmehr insbesondere die umsatzsteuerlichen Folgen der Änderungen durch die Novellierung des EEG 2012 durch die sogenannte PV-Novelle 1) dar, mit der u. a. der Eigenverbrauchsbonus nach § 33 Abs. 2 EEG für dezentral verbrauchten Strom aus Photovoltaikanlagen (sogenannter Direktverbrauch) abgeschafft wurde. Das Betreiben von Photovoltaikanlagen stellt bei Einspeisung des damit erzeugten Stroms in das Stromnetz gegen Einspeisevergütung nach dem EEG eine unternehmerische Tätigkeit dar. Um den vollen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und dem Betrieb der Anlagen zu erhalten, verzichten insbesondere auch Betreiber kleiner Anlagen, die ansonsten nicht unternehmerisch tätig sind, wie z. B. Privatpersonen, meist auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) und ordnen die Anlage vollständig dem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zu. Der mit der Anlage erzeugte Strom ist in diesem Fall gänzlich von Umsatzsteuer entlastet. Wird durch den Anlagenbetreiber ein Teil des mit der Anlage erzeugten Stroms für nichtunternehmerische (private) Zwecke verbraucht, muss dieser Energieanteil daher einer Umsatzbesteuerung zugeführt werden, um einen systemwidrigen, unversteuerten Letztverbrauch zu verhindern. In der Vergangenheit wurde die von einer Photovoltaikanlage erzeugte Energie, auch soweit sie vom Anlagenbetreiber dezentral verbraucht wurde, regelmäßig nach dem EEG vergütet (Eigenverbrauchsbonus). Umsatzsteuerlich führte dies bezüglich der gesamten vom Anlagenbetreiber erzeugten Energiemenge zur Annahme einer Stromlieferung an den Netzbetreiber, die auf Basis der nach § 33 EEG maßgebenden Vergütungssätze versteuert wurde. Hinsichtlich des Teils der Energie, die dezentral verbraucht wurde, ist von einer Rücklieferung des Stroms an den Anlagenbetreiber ausgegangen worden. Für Photovoltaikanlagen, die ab dem 1. April 2012 in Betrieb genommen werden, wurde der Eigenverbrauchsbonus grundsätzlich abgeschafft 2) mit der Folge, dass eine Versteuerung der selbst verbrauchten Strommenge in Form einer Hin- und Rücklieferung unter Einbeziehung des Netzbetreibers seither ausscheidet. Stattdessen unterliegt nun der Anteil des vom Anlagenbetreiber im privaten Bereich verbrauchten Stroms als sogenannte unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 1 UStG der Umsatzbesteuerung. Die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe bilden entweder der Einkaufspreis eines gleichartigen Gegenstands (Fremdstrom) oder die durch den Betrieb der Photovoltaikanlage entstehenden (anteiligen) Selbstkosten. Nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG) und den entsprechenden verbindlichen Vorgaben der EU-Mehrwert steuerSystem richtlinie hat dabei der Ansatz des Einkaufspreises für einen gleichartigen Gegenstand – sofern ein solcher vorhanden ist – Vorrang vor dem Ansatz der Selbstkosten. Beim Anschluss eines Hauses an das öffentliche Elektrizitätsnetz ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 12. Dezember 2012, XI R 3/10, BStBl. 2014 II S. 809) stets davon auszugehen, dass ein Einkaufspreis für einen gleichartigen Gegenstand (Fremdstrom) jederzeit zu ermitteln ist. Bezieht der Photovoltaikanlagenbetreiber daher neben dem mit seiner Photovoltaikanlage selbst erzeugten Strom von einem Energieversorgungsunternehmen zusätzlichen Fremdstrom, ist der tatsächlich für den Fremdstrom aufgewendete Einkaufspreis auch für die Besteuerung des selbst erzeugten Stroms aus der Photovoltaikanlage heranzuziehen . Der Ansatz der – möglicherweise geringeren – Selbstkosten scheidet hingegen aus. Zu Fragen 3 und 4: Nein. Wie zu Frage 2 ausgeführt, ist das BMF-Schreiben vom 19. September 2014 nicht ursächlich für Änderungen bei der umsatzsteuerlichen Erfassung des von Photovoltaikanlagen erzeugten und vom Anlagenbetreiber selbst im außerunternehmerischen Bereich verbrauchten Stroms. Grund hierfür sind vielmehr geänderte Vorschriften des EEG zur Förderung des Direktverbrauchs und damit eine Veränderung im Sachverhalt. Die Verwaltungsanweisung vom 19. September 2014 stellt insoweit lediglich die Rechtsfolgen dar, die sich unmittelbar aus dem Umsatzsteuergesetz ergeben. Der von den Fragestellern bezifferte Anstieg der Abgabenlast auf den selbst verbrauchten Strom aus Photovoltaikanlagen kann mangels Kenntnis der zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht nachvollzogen werden. Das von den Fragestellern angesprochene Gutachten der Kanzlei Becker, Büttner, Held (BBH) wurde im Auftrag eines privaten Unternehmens erstellt. Dieses Gutachten hat die Landesregierung dementsprechend nicht ausgewertet. Doris Ahnen Staatsministerin 1) Gesetz zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien vom 17. August 2012 (BGBl. I S. 1754). 2) Für Einzelfälle gilt eine Übergangsregelung.