Drucksache 16/5455 13. 08. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Alexander Schweitzer und Daniel Schäffner (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Verdacht auf Anthrax in Landstuhl Die Kleine Anfrage 3589 vom 23. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Wie verschiedene Medien am 11. Juli 2015 berichteten, soll es in den letzten Jahren zu Lieferungen von aktiven Sporen des Milzbranderregers Anthrax an den Standort der US- Streitkräfte im rheinland-pfälzischen Landstuhl gegeben haben. Die Ministerpräsidentin hat sich daraufhin am 14. Juli 2015 mit einem Brief an den US-Botschafter in Berlin gewandt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Was ist der Landesregierung über die berichteten Vorgänge bekannt und seit wann hat sie Kenntnis? 2. Gab es nach Einschätzung der Landesregierung konkrete Gefahren für die lokale Bevölke rung? 3. Hat die Landesregierung rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf Vorgänge am US-Stützpunk Landstuhl? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 10. Augst 2015 wie folgt beantwortet: Die Kleine Anfrage beantworte ich u. a. auf der Grundlage von Informationen der US-Streitkräfte und des US-Botschafters in Deutschland wie folgt: Zu Frage 1: Der Landesregierung lagen zum Zeitpunkt des Versands im Jahr 2004 keinerlei Kenntnisse vor. Über den Versand von Anthrax-Sporen in das US-Labor in Landstuhl hat die Landesregierung erst durch die aktuelle Diskussion erfahren. Konkret gestaltete sich der Informationsfluss wie folgt: Am Freitagnachmittag des 10. Juli 2015 bekam das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium durch das Bundesgesundheitsministerium per Mail den Hinweis, dass das US-Verteidigungsministerium den Versand von Anthrax-Proben auch nach Deutschland auf seiner Homepage öffentlich machen werde. In dieser E-Mail teilte das Bundesgesundheitsministerium unter Verweis auf das Bundesverteidigungsministerium mit, dass im Jahr 2004 eine Probe offenbar auch in ein US-Labor nach Landstuhl gegangen war, diese jedoch bereits vernichtet worden sei. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. Am Samstag, den 11. Juli 2015, haben die Medien das Thema aufgegriffen. Mitarbeiter der Landesregierung hatten noch am Samstag die US-Armee um Informationen zu der Presseberichterstattung gebeten. Auf mehrfache telefonische Nachfrage durch das Innenministerium beim zuständigen Bundesverteidigungsministerium erhielt die Landesregierung die Auskunft, dass lediglich eine Stellungnahme über Bundeswehreinrichtungen, die nicht betroffen seien, abgegeben werden könne. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 24. September 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5455 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Im Rahmen einer vorläufigen Stellungnahme am 12. Juli 2015 wurde seitens der US-Armee mitgeteilt, dass im Jahr 2004 versehentlich eine Probe möglicherweise nicht korrekt inaktivierter Anthraxsporen an ein US-Militärlabor in Landstuhl versandt worden sei. Da in den Medien aber nach wie vor von weiteren Proben in mehreren Jahren die Rede war, gab es für die Landesregierung noch Aufklärungsbedarf. Aus diesem Grund hat sich auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit einem Brief an den US-Botschafter gewandt . Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika hat mit Antwortschreiben vom 17. Juli 2015 an Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer mitgeteilt, dass in der Vergangenheit inaktive Proben von Anthraxsporen zur Erprobung eines Detektionsystems zur Erkennung von Milzbrandsporen an US-Labore versandt worden seien. Aufgrund von Meldungen im Mai 2015 über Unregelmäßigkeiten im Inaktivierungsprotokoll, das in Einrichtungen des Proving Ground (eines Versuchsgeländes) in Dugway in den USA verwendet wurde, sei zudem eine Untersuchung eingeleitet worden. Im Zuge dieser Untersuchung hat das US-Verteidigungsministerium das Labor in Landstuhl am 1. Juli 2015 darüber informiert, dass eine Ampulle mit Bacillus anthracis, die im Jahr 2004 nach Landstuhl geschickt worden ist, als potenziell aktiv gewertet werden müsse und zerstört werden solle. Das Labor habe bestätigt, dass diese Probe bereits im Jahr 2013 zerstört worden sei, als das Detektionssystem außer Betrieb genommen wurde. Es sei daher nicht mehr möglich, die Existenz lebender Sporen in dieser Probe zu bestätigen oder zu dementieren. Zurzeit untersuche man im US-Verteidigungsministerium die Vorfälle umfassend. Am Freitag, dem 24. Juli 2015, hat der Unterzeichner das US-Militärlabor in Landstuhl besucht und dort mit verantwortlichen Vertretern der US-Streitkräfte gesprochen. Ihm wurde versichert, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Gefährdung der Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter noch der Bevölkerung gekommen sei. In Landstuhl seien auch keine weiteren Anthraxproben vorhanden. In den in den USA und weiteren Staaten betroffenen Laboren der US-Streitkräfte habe man in 1 Prozent der entsprechenden Proben noch ein Bakterienwachstum festgestellt, jedoch jeweils nur in sehr geringem Maße. Die Höchstmenge der dabei gefundenen Anthrax-Erreger lag bei etwa einem Zehntel der Menge, die zur Infizierung einer Person erforderlich wäre. Weiterhin wurde dem Unterzeichner zugesichert, dass die deutschen Partner, d. h. sowohl die Landesregierung als auch die kommunale Seite, zukünftig unverzüglich informiert und diese Informationswege in die Standardprozeduren eingearbeitet werden. Am 29. Juli 2015 erhielt das MSAGD vom BMG über das BMVg einen internen Bericht über die Hintergründe, wie es zum Versand der zum Teil nicht vollständig inaktivierten Anthrax-Sporen kam. Der Bericht beinhaltet eine kurze Darstellung, warum diese Proben überhaupt hergestellt und wozu sie benötigt werden. Im Vordergrund steht die ausführliche, fachliche Analyse der möglichen Fehlerquellen für die teilweise unzureichende Inaktivierung und die falschen, negativen Kontrolluntersuchungen der bearbeiteten Proben. Darüber hinaus werden Empfehlungen zur Qualitätssicherung gemacht, um solche Fehler zukünftig zu vermeiden. Es wurde im Ergebnis keine eindeutige und einheitliche Fehlerursache gefunden, sondern mehrere mögliche Fehlerquellen, die einzeln oder eventuell erst in der Summe wirksam geworden sein könnten . Die Untersuchung wurde von CDC (zivile US-Kompetenzstelle) und den Fachbehörden des US-Verteidigungsministeriums durchgeführt. Die Aussagen, auch zu den Konzentrationen der betroffenen Proben, stimmen mit denen überein, die wir bisher bereits von der US-Seite erhalten haben. Der Bericht enthält keine Aussagen, wann an welche Labore Proben verschickt wurden. Er stellt jedoch fest, dass die Versendungen der letzten zehn Jahre rückverfolgt wurden und insgesamt 86 Labore in den USA und sieben anderer Staaten Proben erhalten haben, die potenziell in geringem Maß aktiv gewesen sein könnten, sodass selbst im positiven Fall keine Gefahr für die Allgemeinheit bestanden habe. Man sei sich auf US-Seite bewusst, dass dieser Vorgang trotz allem eine ernsthafte Verletzung der internationalen Regularien zum Umgang mit biologischem Material darstellt. Das MSAGD wird nun das Landesuntersuchungsamt beauftragen, eine ausführliche Stellungnahme zum Bericht abzugeben. Zu Frage 2: Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika hat in seiner Antwort vom 17. Juli 2015 ausdrücklich versichert, dass die Öffentlichkeit, Patienten des Landstuhl Regional Medical Center und das Laborpersonal zu keinem Zeitpunkt in Gefahr gewesen seien. Auf dessen Information zur Höchstmenge wird verwiesen. Zudem habe das Laborpersonal mitgeteilt, dass nach seiner Kenntnis die Ampulle nach ihrem Eintreffen nie geöffnet worden sei. Der deutsche Leiter des US-Militärlabors hat anlässlich des Besuchs des Unterzeichners am 24. Juli 2015 in Landstuhl ausdrücklich bekräftigt, dass zu keinem Zeitpunkt Gefahren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Bevölkerung bestanden hätten. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5455 Zu Frage 3: Grundsätzlich ja. Nach Artikel II NATO-Truppenstatut hat die Gaststreitkraft das Recht des Aufnahmestaates zu achten. Artikel 53 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) bestimmt, dass auf den Liegenschaften, die den Gaststreitkräften zur ausschließlichen Nutzung überlassen sind, grundsätzlich deutsches Recht gilt. Artikel 54 Abs. 1 ZA-NTS sieht vor, dass grundsätzlich die deutschen Verfahren zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen gelten. Hiernach sind die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, insbes. § 44 (Erlaubnispflicht), und der Biostoffverordnung , § 15 ff. (Erlaubnispflicht) zu beachten. Für Labore der amerikanischen Streitkräfte gibt es im Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut eine Ausnahmeregelungen, die Truppen die Anwendung eigener Vorschriften innerhalb der ihnen zur Benutzung überlassenen Liegenschaften erlauben, solange sichergestellt ist, dass die öffentliche Gesundheit hierdurch nicht gefährdet ist. Das Nato-Truppenstatut und das Zusatzabkommen sind geprägt von gegenseitiger Unterstützung, Information und Konsultation, insbesondere zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten. Zahlreiche Verfahrensvorschriften sehen demgemäß gegenseitige Informations- und Konsultationspflichten vor. Dies gilt auch im Bereich des Gesundheitsschutzes. Die Landesregierung, als für Katastrophenschutz und Gesundheit zuständige höchste Landesbehörde des Gastlandes RheinlandPfalz , fordert zum Schutze der Bevölkerung und Katastropheneinsatzkräfte eine umfassende Transparenz. Ausländische Streitkräfte sowie die Bundesregierung sollten die für den Vollzug zuständigen Länder immer zeitnah über ihre Erkenntnisse unterrichten. Die Landesregierung hat bereits darauf hingewirkt und wird auch zukünftig weiterhin darauf hinwirken, dass die Kommunikation optimiert und die Landesregierung über etwaige Gefahrenquellen von den Gaststreitkräften sofort informiert wird. In Vertretung: Randolf Stich Staatssekretär 3