Drucksache 16/5539 03. 09. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Adolf Kessel (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Finanzen Genehmigung und Bau von Flüchtlingsunterkünften Die Kleine Anfrage 3676 vom 12. August 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Landesregierung hat diese Woche nach Kritik der CDU-Fraktion an der Unterbringung von Flüchtlingen mitgeteilt, dass sie bereits Maßnahmen beschlossen habe, um die Genehmigung und den Bau von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen. Ich frage die Landesregierung: 1. Um welche Maßnahmen handelt es sich hier im Einzelnen? 2. In wie vielen Fällen wurde bereits von dem seit Juni geltenden vereinfachten Vergabeverfahren für den Umbau bestehender Gebäude sowie für den Aufbau von modularen Wohngebäuden Gebrauch gemacht? 3. Zu welchen tatsächlichen Beschleunigungen und Vereinfachungen haben diese geführt? 4. Wie und wann hat die Landesregierung die Kommunen über diese neuen Möglichkeiten informiert? 5. Welche weiteren Maßnahmen zur Vereinfachung hält die Landesregierung für geboten? Das Ministerium der Finanzen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 2. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Es handelt sich im Einzelnen um folgende Maßnahmen: – Mit Rundschreiben der Ministerien für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landes planung (MWKEL), des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM), der Fi nanzen (FM) und für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen (MIFKJF) vom 14. Juni 2015 wurden zur zügigeren Schaffung zusätzlicher Aufnahme- und Unterbrin gungsmöglichkeiten in Anlehnung an die Vereinfachungsregelungen im Rahmen des Konjunkturpakets II die Auftragswertgrenzen wie folgt angehoben: a) Bauleistungen – Beschränkte Ausschreibung auf 1,0 Million Euro (derzeit: je nach Gewerk zwischen 50 000 Euro und 150 000 Euro) – Freihändige Vergabe auf 100 000 Euro (derzeit: 10 000 Euro). b) Liefer- und Dienstleistungen Beschränkte Ausschreibung und Freihändige Vergabe auf 100 000 Euro (der zeit: 20 000 Euro für Freihändige Vergaben und 40 000 Euro für Beschränkte Ausschreibungen lt. Nummer 3.1 der Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auf trags- und Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 24. April 2014). Ziel des Rundschreibens war es, den Vergabestellen des Landes und der Kom munen, die mit Ausschreibungen zur Errichtung und Herrichtung von Flüchtlings unterkünften betraut sind, mit der Anhebung der Auftragswertgrenzen für Be schränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben für eine begrenzte Zeit die notwendige Rechtssicherheit bei der Wahl der Vergabeart an die Hand zu geben. Die Regelungen gelten für Landesdienststellen und Kommunen. Die Anhebung der Auftragswertgrenzen ist bis 31. Dezember 2015 befristet. Für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte gelten weiterhin die strengeren EU-Vorgaben. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 9. Oktober 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5539 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Erlasse des Ministerium der Finanzen vom 23. Juni 2015, 30. Juli 2015 und 5. Au gust 2015 für bestimmte Einzelfälle zur Optimierung des Bauablaufs durch Rück griff auf bestehende Rahmen- und Zeitverträge sowie Aufhebung der im Vergabe handbuch des Landes vorgegebenen Wertgrenzen für die Erteilung von Einzel aufträgen und Festlegung auf maximal 100 000 Euro. – Arbeitspapier der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier „Hinweis für die Brandschutzdienststellen“ vom 22. April 2015. – Hinweise der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz vom 3. Feb ruar 2015 zur „Bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unter künfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulis sen“. Diese Planungshilfe nebst Rechtsprechungs übersicht wurde vom FM bekanntgegeben und ist auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar. – Gemäß § 50 LBauO können bei Sonderbauten Erleichterungen bzw. gemäß § 69 LBauO Abweichungen in Bezug auf den Wärmeund Schallschutz in Gebäuden (§ 16 LBauO) zugelas sen werden. Nach dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor sicherheit (BMUB) vom 24. August 2015 können, begründet durch die derzeitige Sonder - situation in Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen, Befreiungen nach § 25 Energieeinsparverordnung (EnEV) und Ausnahmen nach § 9 Erneuer bare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) aufgrund „unbilliger Härte in sonstiger Weise“ für die Fälle erlassen werden, in denen energetische Anforderungen dazu führen, dass die öffentliche Hand im Einzelfall erforderliche bauliche Maßnahmen nicht umgehend umsetzen kann. In diesen Fällen kann die nach Landesrecht zu ständige un tere Bauaufsicht auf Antrag von den Anforderungen der EnEV be freien. Das in Rheinland-Pfalz für Energierecht federführend zuständige MWKEL wird unter Beteili gung der obersten Bauaufsicht im FM mit Hinweis auf das gemeinsame Rundschreiben des BMWi und BMUB vom 24. August 2015 bei den un teren Bauaufsichtsbehörden darauf hinwirken, zur eiligen Schaffung von Flücht lings unterkünften den Anträgen auf Befreiung stattzugeben. Gemäß § 9 EEWärmeG werden auf An trag durch das MWKEL Ausnahmen zu gelassen. Zu Frage 2: Das seit Juni 2015 geltende vereinfachte Vergabeverfahren wird seitens des Landes betriebes Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) für die Herrichtung der Erstauf nahmeeinrichtung in Kusel sowie der Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung Ingel heim in Meisenheim genutzt. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) bestätigt die Anwendung des ver einfachten Vergabeverfahrens bei der Aufstellung der Zelte auf dem Gelände des Flughafens Hahn, in Hermeskeil sowie in Ingelheim. Die Herrichtung der Erstaufnahmeeinrichtung in Hermeskeil fällt nicht unter die Be stimmungen des Vergaberechts, da es sich hier um Privateigentum handelt, das zur Unterbringung von Flüchtlingen durch das Land angemietet wird. Zu Frage 3: Aufgrund der vereinfachten Vergabeverfahren konnten die Vergaben von Bauaufträ gen um ca. einen Monat beschleunigt werden. Zu Frage 4: Die vergaberechtlichen Erleichterungen sind im ersten Quartal 2015 mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert worden und u. a. auf deren Anregung nach Rückkopplung mit ihren Mitgliedern formuliert worden. Das Rundschreiben wurde vor seiner Veröf fentlichung mit dem Rechnungshof Rheinland-Pfalz abgestimmt. Die Ministerien sowie die kommunalen Spitzenverbände wurden unmittelbar nach Unterzeichnung des Rundschreibens per Mail über den Erlass informiert; es stand zugleich auch auf der Internetseite des MWKEL zum Abruf bereit. Zu Frage 5: Die Landesregierung hält die folgenden weiteren Maßnahmen zur Vereinfachung für geboten und schließt sich einem Antrag des Landes Niedersachsen zur sofortigen Sachentscheidung gemäß § 36 Abs. 2 der Ge schäftsordnung des Bundesrats an: – Vergaberecht Im Bereich des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte müssen die der Richtlinie 2004/18/EG zugrunde liegenden einschlägigen Vorschriften berücksichtigt werden. Hierzu sollen Gespräche mit der EU-Kommission geführt werden, um kurzfristig Erleichterungen durch Durchführung einfacherer Verfahren (Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb) in diesem Bereich zu erreichen. Ungeachtet dessen hat das BMWi sich mit Rundschreiben vom 24. August 2015 zu Erleichterungen bei der Anwendung des EUVergaberechts im Zusammenhang mit der Unterbrin gung und Versorgung von Flüchtlingen geäußert. Danach wird aufgrund des un erwarteten Anstiegs von aufzunehmenden Flüchtlingen für vorzu nehmende Be schaffungen regelmäßig von einer besonderen Dringlichkeit auszu gehen sein, die das be schleunigte, nicht offene Verfahren oder das Verhandlungs verfahren ohne Teil - nahmewettbewerb rechtfertigen. In Anlehnung an die Ausle gungshilfe des BMWi wurde mit E-Mail-Schreiben des MWKEL an die Vergabe stellen des Landes und an die kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz vom 26. August 2015 klarstel lend dar- 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5539 auf hingewiesen, dass die vergleichbaren Bestimmungen für Vergaben im Unterschwellenbereich die Anwendung der Ver - fahrensart der Frei händigen Vergabe im Einzelfall gleichermaßen ermöglichen. Ob sich durch das vorgenannte Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums der vergaberechtliche Teil des Entschlie - ßungsantrags ganz oder zum Teil erledigt hat, lässt sich noch nicht abschließend bewerten. – Bauplanungsrecht In reinen Wohngebieten sind Flüchtlingsunterkünfte derzeit nur ausnahmsweise als „Anlagen für soziale Zwecke“ zulässig (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 Baunutzungsverordnung – BauNVO). Um hier für einen befristeten Zeitraum Erleichterungen zu schaffen, sollten die Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende in reinen Wohngebieten – befristet bis zum 31. Dezember 2019 – über eine mit dem § 246 Abs. 10 BauGB vergleichbare Regelung erleichtert zugelassen werden können. – Umweltrecht Das EEWärmeG sollte dahingehend geändert werden, dass Flüchtlingswohnheime zunächst für drei Jahre nicht mehr den Vorga ben des EEWärmeG unterliegen. Darüber hinaus sollten die energetischen Anforderungen an „Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge und Asylbegehrende in Altgebäu den“ in geeigneter Weise – zunächst für drei Jahre – reduziert werden. In Vertretung: Prof. Dr. Salvatore Barbaro Staatssekretär 3