LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. November 2015 A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/5303 – Gutes Essen in Rheinland-Pfalz Die Große Anfrage 16/5303 vom 15. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Ernährung gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Das Recht auf angemessene Ernährung und der Zugang zu sauberem Wasser als dem Lebensmittel Nummer eins sind als Menschenrechte international anerkannt. Essen ist aber mehr als die reine Nährstoffaufnahme . Gutes Essen verbinden wir mit individuellem Genuss, Kultur, gemeinschaftlichem Beisammensein und Gesundheit. In der letzten Zeit können wir ein stetig wachsendes Interesse der Menschen am Kochen, an gutem Essen und lokalen Produkten verzeichnen. Die Produktion von Lebensmitteln prägt in Rheinland-Pfalz etwa ein Drittel der Landesfläche. Damit wir nicht zuletzt im Hinblick auf den Klimawandel, den Erhalt der Biodiversität und das andauernde Höfesterben auch in Zukunft lokale Lebensmittel genießen können, müssen Agrarund Lebensmittelwirtschaft, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Politik gemeinsam die Herausforderungen in der Ernährungspolitik angehen. Seit 2011 trägt erstmals ein Landesministerium in Rheinland-Pfalz das Thema Ernährung im Titel und verleiht damit diesem Politikbereich mehr Gewicht. Mit vielfältigen Aktivitäten hat das Land Rheinland-Pfalz sich in den letzten Jahren in diesem großen Themenkomplex engagiert. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welchen Stellenwert besitzt die Ernährungspolitik im Land aus Sicht der Landesregierung? 2. Welche Bedeutung hat die Lebensmittelwirtschaft in Rheinland-Pfalz? 3. Welche soziale Bedeutung haben aus Sicht der Landesregierung Ernährung und Esskultur? Ernährung und Gesundheit 4. Was versteht die Landesregierung unter den Begriffen Fehlernährung und gesunder Ernährung? 5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Ursachen von Fehlernährung in Deutschland und Rheinland-Pfalz und welche Rolle spielt hierbei die zunehmende Industrialisierung der Lebensmittelherstellung? 6. Wie bewertet die Landesregierung den Mangel an Bewegung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung und welche Handlungsansätze gibt es? 7. Gibt es aus Sicht der Landesregierung einen Zusammenhang zwischen Armut und Fehlernährung ? 8. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Fehlernährung und wie viel Prozent der Bevölkerung sind weltweit, nach Kenntnis der Landesregierung europaweit, deutschlandweit und in Rheinland-Pfalz von den Folgen einer Fehlernährung betroffen? 9. Liegen der Landesregierung Informationen über die Folgen von Fehlernährung für die Menschen in Deutschland und Rheinland-Pfalz vor? 10. Welche Rolle spielt nach Einschätzung der Landesregierung die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser im Hinblick auf die Ursachen von Flüchtlingsbewegungen und Krisen? 11. Welche Informationen liegen der Landesregierung zu den Kosten ernährungsmitbedingter Erkrankungen für das Gesundheitssystem in Deutschland und in Rheinland-Pfalz vor? Drucksache 16/5553 zu Drucksache 16/5303 09. 09. 2015 2 12. Wie bewertet die Landesregierung die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE-Standards) in Bezug auf die Vermeidbarkeit der ernährungsmitbedingten Erkrankungen? 13. In wie viel Prozent der Gemeinschaftsverpflegung, insbesondere in KITA und Schulen, werden die DGE-Standards in Deutschland und in Rheinland-Pfalz angewendet? 14. Mit welchen Maßnahmen setzt sich die Landesregierung für eine qualitative Verbesserung in der Gemeinschaftsverpflegung ein? 15. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Aussagen zum Krebsrisiko des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation? 16. Welche Maßnahmen unternimmt das Land, um den umstrittenen Glyphosat-Einsatz zu begrenzen ? 17. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Rückstandsbelastungen, insbesondere Pestizide, Antibiotika, pathologische Keime, Schwermetalle und Chemikalien, in Lebensund Futtermitteln und Wasser vor und wie bewertet sie diese Erkenntnisse? 18. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von ökologisch erzeugten Produkten im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung? Ernährung und Bildung 19. Wie sieht aus Sicht der Landesregierung eine gute und nachhaltige Ernährung in RheinlandPfalz aus? 20. Wie bewertet die Landesregierung die Umsetzung, Entwicklung und Praxis der „Richtlinie Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz“ im Hinblick auf die Ernährungsbildung? 21. Welche Rolle übernehmen Vereine und Stakeholder in der Ernährungsbildung im Land zusätzlich zu den Angeboten des Landes? 22. Wie stellt die Landesregierung die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und Pädagoginnen und Pädagogen im Querschnittsthema Ernährungsbildung sicher? 23. Was ist nach Ansicht der Landesregierung notwendig, um den Stellenwert einer guten und nachhaltigen Ernährung in der rheinland-pfälzischen Bevölkerung zu etablieren und zu stärken? 24. In welchem Umfang und mit welchen konkreten Maßnahmen hat das Land Initiativen zur Unterstützung der Ernährungskompetenz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen (beispielsweise Kinder, berufstätige oder pflegebedürftige Menschen) durchgeführt? 25. Wie bewertet Rheinland-Pfalz den Nutzen des EU-Milch- und EU-Schulobstprogramms und wie beurteilt sie die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission? 26. Wie bewertet die Landesregierung den Nutzen der Vernetzungsstelle Schulverpflegung? 27. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung aufgrund der Erkenntnisse aus dem Bundeskongress Schulverpflegung im Jahr 2014 für Rheinland-Pfalz? 28. Welche Unterstützung seitens der EU und des Bundes hält die Landesregierung für den Ausbau der Ernährungsbildung für nötig und welchen konkreten Handlungsbedarf sieht sie? Ernährung und Wasser 29. Wie bewertet das Land mittel- und langfristig die Versorgungssicherheit in Rheinland-Pfalz für das Lebensmittel Nummer Eins, dem Trinkwasser, insbesondere in Bezug auf Menge und Güte? 30. Wie bewertet die Landesregierung den Zustand des rheinland-pfälzischen Grundwassers sowie der Oberflächengewässer, aus denen das Trinkwasser in Rheinland-Pfalz gewonnen wird? 31. Welche Maßnahmen resultieren aus dem Bewirtschaftungsplan für die Gewässer in Rheinland -Pfalz nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserversorgung? 32. In welchem Umfang stellt die Landesregierung Mittel zur Erreichung des guten Zustands der Gewässer in Rheinland-Pfalz gemäß den Anforderungen der EG-WRRL in den Planungshorizonten 2015, 2021 und 2027 zur Verfügung? 33. Wie ist die Versorgung in den rheinland-pfälzischen Schulen mit Trinkwasserspendern? Ernährung und Umwelt 34. Der erste Artenschutz-Report (2015) des Bundesamts für Naturschutz nennt die intensive Landwirtschaft als zentralen Verursacher für den Artenschwund in Deutschland. Welche konkreten Maßnahmen hat das Land zur Stützung und Verbesserung der Agrar-Biodiversität umgesetzt? Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 3 35. Wie wirken sich die Maßnahmen des Landes zum Schutz von Bienen und anderen Wildbestäubern auf die Landwirtschaft und damit das Lebensmittelangebot aus? 36. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von Produkten aus bäuerlicher Landwirtschaft im Hinblick auf Umweltschutz und den Erhalt der Biodiversität? 37. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von ökologisch erzeugten Produkten im Hinblick auf Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität? 38. Welche Relevanz haben aus Sicht der Landesregierung die Agrar- und Ernährungswirtschaft für die Entstehung von Treibhausgasen bzw. für den Schutz des Klimas? 39. Wie bewertet die Landesregierung (auch vor dem Hintergrund der Sicherung der Welternährung ) die Auswirkungen eines hohen Fleischkonsums auf: a) die Verfügbarkeit von landwirtschaftlicher Nutzfläche (global und lokal)? b) den Wasserverbrauch? c) die Bodenfruchtbarkeit? d) den Tierschutz? e) den Ausstoß von Treibhausgasen? 40. Wie hoch sind die Futtermittelimporte in die Europäische Union und nach Deutschland? Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Auswirkungen des globalen Futtermittelmarkts auf die Futtermittel exportierenden Länder? 41. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Vorkommen und Ursachen von Umweltschadstoffen aus landwirtschaftlichen Quellen wie beispielsweise Pestizide, Nitrat oder Arzneimittelreste ? 42. Welche Notwendigkeit sieht die Landesregierung in der Bildung von Kooperationen zwischen der Landwirtschaft und dem Umweltschutz insbesondere in den Bereichen Wasserwirtschaft , Naturschutz und Bodenschutz? a) Welche konkreten Kooperationen bestehen bzw. sind geplant? b) Welches sind die konkreten Ziele dieser Kooperationen? c) Welche Erfolge sind bereits festzustellen bzw. sind mittelfristig zu erwarten? 43. Wie bewertet die Landesregierung den Kooperationsansatz hinsichtlich der Vermeidung des Eintrags von ökologisch und gesundheitlich bedenklichen Schadstoffen wie Pestizide und Nitrat in die Umwelt? 44. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Ernährungssicherheit in RheinlandPfalz und nach Kenntnis der Landesregierung in Deutschland und weltweit? 45. Mit welchen Maßnahmen versucht das Land die Lebensmittelverschwendung einzudämmen um beispielsweise den unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden? Ernährung und Landwirtschaft 46. Welchen Einfluss hat die Art und Weise der Erzeugung der Lebensmittel auf die Ernährungsqualität und die Umwelt? 47. Welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der Landesregierung in der Landwirtschaft geschaffen werden, um den Wechsel zu einer klima-, umwelt- und verbraucherfreundlicheren und tiergerechteren Ernährung zu ermöglichen? 48. Wie unterstützt das Land den Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer artgerechten Nutztierhaltung? Welchen Verbesserungsbedarf sieht das Land im Hinblick auf die Tierschutzstandards in der Landwirtschaft in Deutschland und RheinlandPfalz ? 49. Was unternimmt das Land für eine maßgebliche Reduktion des Einsatzes von Antibiotika in der Nutztierhaltung in Rheinland-Pfalz? 50. Wie kann aus Sicht des Landes bereits in der landwirtschaftlichen Urproduktion vorgesorgt werden, damit Lebensmittel hygienisch einwandfrei hergestellt werden können? 51. Über 80 Prozent der Verbraucher wollen laut einer repräsentativen Umfrage keine Gentechnik auf ihrem Teller. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung erforderlich , um dem Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Lebensmitteln, insbesondere bei tierischen Produkten, die ohne den Einsatz von Agrogentechnik erzeugt wurden , nachzukommen? 52. Wie bewertet die Landesregierung die Haltung der Bundesregierung zur Regelungen von nationalen Anbauverboten von gentechnisch veränderten Organismen? 53. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen von Bio-Patenten auf Zuchtverfahren von Tieren und Pflanzen sowie auf Saatgut für die Zukunft einer bäuerlich und mittelständisch geprägten Land- und Weinwirtschaft in Rheinland-Pfalz und die Ernährungsvielfalt für die Verbraucherinnen und Verbraucher? 54. Wie haben sich der Ökolandbau und die Nachfrage nach den Produkten im Land in den letzten fünf Jahren entwickelt? 55. Ist aus Sicht der Landesregierung eine ökologische Ernährungsweise von der Höhe des Familieneinkommens abhängig? Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 4 56. Wie bewertet die Landesregierung die Vorschläge der Europäischen Kommission im Zuge der Novelle der EU-Öko-Verordnung? Mit welchen Auswirkungen wäre hierbei auf die Öko-Branche in Rheinland-Pfalz zu rechnen? 57. Wie bewertet die Landesregierung die kürzlich vom Bundeslandwirtschaftsministerium ins Leben gerufene Initiative „Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau“ und welchen Voraussetzungen bedarf es aus Sicht der Landesregierung, 20 Prozent ökologischen Anbau zu erreichen ? 58. Wie bewertet die Landesregierung die Flächenkonkurrenz zwischen der Lebensmittelerzeugung und dem Bioenergiepflanzenanbau in Rheinland-Pfalz? 59. Wie würde sich eine weitestgehend gesunde und fleischarme Ernährungsweise in den westlichen Industrieländern auf die Ernährungssituation in den Entwicklungs- und Schwellenländern auswirken? Wäre dies aus Sicht der Landesregierung ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers? 60. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung für die Fortentwicklung der Landwirtschafts - und Ernährungspolitik in Rheinland-Pfalz aus dem Weltagrarbericht „Landwirtschaft am Scheideweg“ des Weltagrarrats (IAASTD) von 2008? Ernährung und Wertschöpfung 61. Wie entwickelten sich die Erzeuger- und Verbraucherpreise in der Vergangenheit und wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung? 62. Wie bewertet die Landesregierung den Zusammenhang zwischen der Wertschätzung von Nahrung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette ? 63. Welche ökonomische Bedeutung hat der Lebensmittelsektor in Rheinland-Pfalz? 64. Welche Chancen sieht die Landesregierung im Bereich der Erzeugung von Qualitätsprodukten für die landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz? 65. Wie bewertet das Land das Niveau der Erzeuger- und Verbraucherpreise insbesondere bei Milch und Milchprodukten im europäischen Vergleich und welche Schlussfolgerungen leitet es daraus für Rheinland-Pfalz ab? 66. Welchen Änderungsbedarf sieht die Landesregierung bei der Kennzeichnung und Bewerbung von Haltungsbedingungen und Herkunft auf Lebensmitteln tierischer Herkunft, nicht zuletzt im Hinblick auf den Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft in Rheinland -Pfalz? 67. Welche Rolle spielen aus Sicht des Landes regionale Lebensmittelverarbeiter als Zwischenglied zwischen Landwirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern? 68. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hinsichtlich der Kennzeichnung von regionalen Produkten? 69. Welche regionalen Dachmarken bestehen in Rheinland-Pfalz und wie haben sie sich in den letzten zehn Jahren entwickelt? 70. Wie bewertet die Landesregierung diese regionalen Dachmarken im Hinblick auf die Stärkung der Nachfrage nach rheinland-pfälzischen Lebensmitteln? 71. Wie fördert das Land die regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten? 72. Welchen Nutzen haben die europäischen Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“ und „geschützte geografische Angaben“ für die rheinland-pfälzische Land-, Wein- und Ernährungswirtschaft? 73. Welche Maßnahmen ergreift das Land, damit die hohe Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten aus Rheinland-Pfalz bedient werden kann? 74. Wie beurteilt die Landesregierung mögliche Auswirkungen der europäischen Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA (CETA und TTIP) sowie des Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) auf die rheinland-pfälzische Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie die Weiterentwicklung der Agrar- und Ernährungspolitik? 75. Welche Entwicklung nahm der Import und Export von Lebensmitteln und Agrarprodukten und welche Auswirkungen haben Agrar- und Lebensmittelimporte und -exporte nach Kenntnissen des Landes innerhalb von Deutschland und in den Entwicklungsländern? Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Große Anfrage namens der Landesregierung – Zuleitungsschreiben des Chefs der Staatskanzlei vom 8. September 2015 – wie folgt beantwortet: 5 Hinter dem Begriff Ernährung verbirgt sich mehr als der Konsum von Lebensmitteln. Unsere Ernährung berührt nahezu alle Bereiche unserer individuellen Lebenswirklichkeiten und unserer gesellschaftlichen Zusammenhänge. Essen und Trinken ist Teil unserer gemeinschaftlichen Kultur, gemeinsame Mahlzeiten ein Ausdruck unseres sozialen Zusammenlebens und die Form der Ernährung auch Teil unserer Identität und unseres Selbstbildes. Durch die Entscheidungen, die wir im Zusammenhang mit unserer Ernährung treffen, also welche Lebensmittel wir essen, welche wir wo kaufen und wie wir sie zubereiten, beeinflussen wir als Konsumenten direkt auch weitere Gesellschaftsfelder, z. B. Landwirtschaft, Gesundheit, Klimaschutz, Tier- und Umweltschutz, regionale und weltweite Entwicklung, Tourismus. Ernährung ist viel mehr als Essen und Trinken. Neben den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die unsere Ernährungsweise prägen, sind auch die Wahlmöglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Essen wir einen Apfel, fördern die enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe unsere Gesundheit. Bei der Auswahl des Apfels können wir beeinflussen, ob dieser umweltschonend oder umweltschützend erzeugt wurde, wir können regionale Strukturen unterstützen und auf eine faire Bezahlung der Erzeuger und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinwirken. Durch den Kauf von Äpfeln einer regionalen Streuobstwiese können wir das Landschaftsbild unserer Heimat mitgestalten. Insgesamt können wir mit der Kaufentscheidung für einen Apfel sogar einen ganz persönlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. In Rheinland-Pfalz haben wir ein sehr gutes Angebot an Lebensmitteln und eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft. Doch die heimische Produktion gerät immer stärker unter Druck. So wird das Angebot der Lebensmittel durch eine immer stärke Industrialisierung geprägt, in Erzeugung, Verarbeitung und Handel der Lebensmittel, aber auch bereits beim Saatgut und anderen Betriebsmitteln. Die Folgen – auch unserer Ernährungsweise – für Umwelt und Klima sind immer häufiger erlebbar. Auch das Klima in Rheinland-Pfalz befindet sich in dieser Veränderung, die aktuelle Trockenheit und die wiederkehrenden Hitzerekorde der letzten Jahre sprechen eine deutliche Sprache: Der Juli 2015 war weltweit der wärmste Monat seit Beginn der globalen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1880. 1) Unsere Ernährung verursacht in Deutschland etwa 25 Prozent der klimaschädlichen TreibhausgasEmissionen . 2) Sie entstehen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Transport, Handel, Haushalt und Abfallentsorgung . Die weltweit zunehmend industrialisierte Tierhaltung zur Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern und ihren Produkten (einschließlich Regenwaldabholzung für Futtermittelanbau) verursacht dabei mehr Treibhausgase als der gesamte Verkehr weltweit – mit allen Autos, Bussen, Zügen, Flugzeugen und Schiffen zusammen. 3) Die Verwendung von Lebensmitteln entscheidet auch darüber, wer finanziell profitiert. Sie entscheidet über Einkommen von Menschen, die bei uns und in sogenannten Entwicklungsländern oder Schwellenländern in Landwirtschaft, Verarbeitung oder Vermarktung von Lebensmitteln arbeiten. Mit dem Kauf von hier vor Ort von Bauern oder Handel regional vermarkteten sowie fair gehandelten importierten Lebensmitteln kann zur Existenzsicherung der Erzeuger und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beigetragen werden. Gerade in Rheinland-Pfalz tragen die landwirtschaftlichen Erzeuger und die Lebensmittelwirtschaft einen bedeutenden Teil zur Wertschöpfung und damit zur positiven Entwicklung des ländlichen Raums bei. Deshalb ist es ein wichtiges politisches Ziel der Landesregierung, die gesamte heimische Wertschöpfungskette zu stärken. Ferner beeinflusst unser Kauf- und Ernährungsverhalten auch die Art der Erzeugung und Herstellung eines Lebensmittels. Aufgrund unseres Ernährungsstils mit einem hohen Anteil tierischer Produkte wird die Nutztierhaltung immer stärker industrialisiert. An die Nutztiere wird ein Großteil der weltweiten Getreide- und Sojaernte verfüttert. Bei der Umwandlung in tierische Produkte gehen erhebliche Mengen an Nahrungsenergie und Eiweiß verloren, die wir Menschen direkt zur globalen Ernährungssicherung nutzen könnten. Eine nachhaltige Grünlandnutzung durch Wiederkäuer hierzulande, beispielsweise zur Erzeugung von Fleisch und Milch, ist für die Sicherung der Welternährung durchaus sinnvoll. Die mittelständische bäuerliche Landwirtschaft in Rheinland -Pfalz und dessen vor- und nachgelagerter Bereich haben von dieser Entwicklung nicht profitiert, sondern stehen unter einem enormen wirtschaftlichen Druck. Dies trifft gerade die Wachstumsbetriebe zum Beispiel im Milchsektor. Die EU-Agrarpolitik der Deregulierung, die mit einer Ausweitung des Freihandels in der Landwirtschaft noch weiter getrieben werden soll, verschärft den globalen Wettbewerb zulasten einer vielfältigen, heimischen Qualitätserzeugung, die auch die Tier-, Umwelt- und Klimaschutzziele verfolgt. Unser Ziel ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Selbstständige und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in der bäuerlichen Landwirtschaft ein faires Einkommen erhalten und für ihre Produkte und Leistungen Wertschätzung erfahren. Unsere Ernährung wirkt sich auf die Be- und Entlastung unseres Gesundheitssystems aus. Ernährungsabhängige Wohlstandskrankheiten wie Übergewicht und dadurch mitbedingte Krankheiten, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nehmen zu. Sie stellen eine Gefährdung für die die individuelle Gesundheit und Fitness dar und verursachen etwa ein Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 1) N-tv, www.n-tv.de, 21. August 2015. 2) Toni Meier, Nachhaltige Ernährung im Spannungsfeld von Umwelt und Gesundheit, Ernährungs Umschau 2/2015. 3) Food an Agriculture Organization, Statistics Division (FAOSTAT): Data Archives. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Der Fast Food und Fertigprodukte-Konsum ist erheblich gestiegen. Diese Lebensmittel liefern dem Körper häufig weniger gesunde Inhaltsstoffe und verbrauchen zur Herstellung mehr Energie als frisch zubereitete, weniger verarbeitete Lebensmittel. Wichtige soziale Aspekte der Ernährung und des gemeinsamen Essens für soziale Entwicklung, Verantwortung, Kommunikation, Genuss und Identität werden zurückgedrängt. Die Landesregierung hat der Ernährungspolitik in den vergangenen Jahren eine große Aufmerksamkeit zukommen lassen. Hohe Priorität hat dabei, den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Rheinland-Pfalz den Wert der Ernährung nahezubringen und ihnen bewusste Entscheidungen zu ermöglichen, mit denen die vielschichtigen Auswirkungen berücksichtig werden können. Dabei verfolgt die Landesregierung die Nachhaltigkeitsziele auch in der Ernährung, um zur Lösung der genannten Probleme beizutragen . Vor diesem Hintergrund beantwortet die Landesregierung die Große Anfrage „Gutes Essen in Rheinland-Pfalz“ wie folgt: 1. Welchen Stellenwert besitzt die Ernährungspolitik im Land aus Sicht der Landesregierung? Die Landesregierung sieht die Ernährungspolitik als eines der zentralen Zukunftsthemen an. Die Art der Ernährung wirkt sich nicht nur auf Gesundheit und Wohlbefinden, sondern auch auf Umwelt, Klima und die globale Entwicklung aus. Bis zu einem Drittel der weltweit benötigten natürlichen Ressourcen wird für die Ernährung verbraucht. Pflanzenschutzmittel-Rückstände, Nitrat- und Phosphat-Belastungen in Gewässern, zunehmende Flächenkonkurrenz und der Anstieg der Treibhausgase sind globale Folgen der immer stärker industrialisierten Lebensmittelproduktion, die auch in Rheinland-Pfalz spürbar sind. Krankheiten, die mit der Ernährung in Zusammenhang stehen, sind heute für rund ein Drittel aller Leistungen und Kosten im Gesundheitssystem verantwortlich. Eine gesunde und nachhaltig produzierte Ernährung dient dem Erhalt der persönlichen Gesundheit, der Natur und der bäuerlichen Landwirtschaft, dem Schutz des Klimas und der Umwelt. Die Landesregierung will den Menschen den Wert und die Bedeutung der Lebensmittel und der Ernährung sowie der Landwirtschaft wieder nahebringen und für die Verwendung regionaler, nachhaltig erzeugter Produkte werben. Hierzu zählt auch die Wichtigkeit der Deckung des Flüssigkeitsbedarfs, am besten durch Wasser . Die regionale Wertschöpfung und Wertschätzung von Lebensmitteln, die Ernährungsbildung und eine hochwertige Gemeinschaftsverpflegung sind die wesentlichen Säulen der Ernährungspolitik der Landesregierung und werden schrittweise erweitert und ausgebaut. Die regionale Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von guten Lebensmitteln in den ländlichen Räumen fördern und stärken Die erhöhte Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach regionalen Produkten ist eine Chance für mehr Wertschöpfung in den landwirtschaftlich geprägten, ländlichen Regionen in Rheinland-Pfalz. Auch Biolebensmittel liegen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern im Trend. Die Öko-Landwirtschaft verzeichnet bundesweit und vor allem in Rheinland-Pfalz Zuwächse. Eine umfassende Studie hat festgestellt, dass bei den untersuchten Proben, Biolebensmittel deutlich weniger Cadmium und Pestizide enthielten und meist reicher an gesundheitsfördernden Inhaltstoffen und Antioxidantien waren. 4) Die Entwicklung des Sektors ist gut für die Gesundheit der Bevölkerung, die Natur und den Umwelt- und Klimaschutz. In Rheinland-Pfalz hat sich die ökologisch bewirtschaftete Fläche in den vergangenen fünf Jahren um 43 Prozent auf rund 54 000 Hektar vergrößert. Die Zahl der Ökobetriebe ist um 36 Prozent auf 1 264 angestiegen. Die EU hat mit der GAP-Reform die besonderen gesellschaftlichen Leistungen der Ökobetriebe anerkannt. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den ökologischen Anbau auf 20 Prozent der Fläche auszudehnen. Auch die Landesregierung fördert gezielt die bäuerliche Landwirtschaft, die Vermarktung regionaler Produkte, die Ernährungsbildung und den ökologischen Landbau zur Stärkung der ländlichen Regionen. Mit konkreten Projekten, beispielsweise der Slow Food Messe, werden die regionalen Erzeuger mit den Einrichtungen der Außer-Hausund Gemeinschaftsverpflegung zusammengebracht, um so verstärkt den Speiseplan für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit Lebensmitteln aus der Region auszustatten. Die Rolle der Regionen wird mit der Weiterentwicklung der Tourismusstrategie 2015 durch die Herausarbeitung der Regionalität deutlich aufgewertet. Durch Einbindung der Regionalität in die Angebotsgestaltung und Kommunikation werden die regionalen Besonderheiten dem Gast unter anderem auch auf der Genussebene angeboten – als Mehrwert für einen gelungenen Aufenthalt. Bei der Vermittlung der Regionalität sollten die besonderen Formen der Genusskultur in Rheinland-Pfalz, insbesondere die Weinkultur und die typischen regionalen Produkte, im Mittelpunkt stehen. Hierdurch entsteht in der Folge eine Erlebnisqualität, die die Produkte und Leistungen des Landes und seiner Regionen „veredelt“. Dies setzt in den Regionen eine konsequente Herausarbeitung der eigenen Identität und Werte sowie die Umsetzung in eine Markenbildung voraus. Hierzu sollen die touristischen Dachmarkenstrategien in den Regionen des Landes weiter vorangetrieben werden, dies in Verbindung mit weiteren regionalen Initiativen (Beispiele: Regionalmarke Eifel, Regionalinitiative Mosel, Region “Soo-Nahe“, Markenentwicklung in Rheinhessen, „Kräuterwind“ im Westerwald, Initiative „ebbes von hej“ im Hunsrück). 6 4) Baraski m. et al: Higher antioxidant and lower cadmium concentrations and lower pesticide residues in organically grown crops, British Journal of Nutrition (2014). Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Ernährungsbildung voranbringen Angesichts der bedenklichen Zunahme von übergewichtigen und fettleibigen Kindern und Jugendlichen und mit Blick auf die frühe Prägung des Ernährungsverhaltens liegt der Schwerpunkt auf der Ernährungsbildung in Kindergärten, Kitas und Schulen. In Rheinland-Pfalz existiert hierzu eine Vielzahl von Angeboten, die flächendeckend in Anspruch genommen werden können. Für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher werden gezielte Fortbildungen zur Ernährungs- und Verbraucherbildung angeboten. Die vor zwei Jahren gestartete Initiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ umfasst inzwischen mehr als 20 Projekte mit hunderttausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der Kochbus des Ernährungsministeriums trägt jährlich bei rund 60 Vor-OrtTerminen wichtige ernährungspolitische Themen ganz konkret an Verbraucherinnen und Verbraucher. Gesellschaftliche Gruppen wie die LandFrauen und die Umweltverbände sowie auch die Gastronomie und Erzeugerzusammenschlüsse unterstützen die Kampagne mit ihren Aktivitäten. Die Landesregierung hat das EU-Schulobst- und Gemüseprogramm und das Beratungsangebot der Vernetzungsstelle Schulverpflegung auf Kitas ausgeweitet sowie ein Coaching-Projekt für Kitas mit dem Schwerpunkt Ernährung auf den Weg gebracht. Zudem wurden die Projekte „Kochschule vor Ort“, bei dem das Kochmobil landesweit unterwegs ist und das Schulprojekt „Was ist uns unser Essen wert?“ gestartet. Die Förderung der Ernährungsberatung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz als unabhängige Institution der Ernährungsaufklärung wurde erhöht. Der Anteil an Lebensmitteln, die im Abfall landen, ist enorm. Aktuell werden in Deutschland 11 Millionen Tonnen verzehrfähige Lebensmittel im Jahr im Mülleimer entsorgt. Der Schaden für die Umwelt durch die Überproduktion ist ebenso beträchtlich wie die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Verschwendung von wertvollen Nahrungsmitteln wirkt das Land auf allen Stufen der Lebensmittelkette von der Produktion über den Handel und der Weiterverarbeitung bis hin zum Konsumenten entgegen. Die Landesregierung hat deshalb im Jahr 2012 eine Dialogreihe mit den Akteuren der Lebensmittelproduktion sowie Verbraucherorganisationen aufgelegt und wird diese aufgrund der starken Resonanz fortsetzen. Gesunde Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung sichern Ein wichtiger Ansatz zur Umsetzung der genannten Ziele ist die Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung, also ein Angebot regionaler und möglichst ökologisch produzierter Speisen in möglichst vielen Mensen, Kindergärten, Schulen und Kantinen zu etablieren . Deshalb wurde beispielsweise die landesweit beratende Vernetzungsstelle Schulverpflegung (VNS) auf Kindertagesstätten ausgeweitet. Mit dem Qualifizierungsprozess für besseres Schulessen werden Schulen und Schulträger auf dem Weg zu einer guten Schulverpflegung begleitet und unterstützt. Der Speiseplancheck an Schulmensen ist ein Beratungsangebot der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung: Schulen können hier ihre Speisepläne einer Auswertung nach den Vorgaben des Qualitätsstandards für die Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unterziehen. In verschiedenen Bundesratsinitiativen, in der Agrarministerkonferenz und der Verbraucherschutzministerkonferenz hat sich die Landesregierung für die Verstetigung der Vernetzungsstellen , die Stärkung der gesunden Ernährung, die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Schul- und Kitaessen sowie gegen Lebensmittelverschwendung eingesetzt. Angesichts des demografischen Wandels wird zunehmend auch die ältere Generation in den Blick genommen: Mit dem Projekt „Gut versorgt ins hohe Alter“ werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Pflege, Küche und Hauswirtschaft in Senioren- und Pflegeheimen fit gemacht für eine ausgewogene Verpflegung der Bewohner. 2. Welche Bedeutung hat die Lebensmittelwirtschaft in Rheinland-Pfalz? Die Lebensmittelwirtschaft 5) ist in Rheinland-Pfalz ein bedeutender, multifunktionaler Wirtschaftsfaktor. Sie gehört zum Kern der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft. In Landwirtschaft und Weinbau haben die Ernährungswirtschaft und deren gesamte Wertschöpfungskette ihr Fundament. Wie die gesamte Wirtschaft in Rheinland-Pfalz ist auch die Lebensmittelwirtschaft mit über 99 v. H. der Unternehmen mittelständisch geprägt. In der Branchenstruktur des rheinlandpfälzischen Mittelstands liegt die Landwirtschaft mit 12 v. H. der Betriebe auf Rang 3 noch vor der Bauwirtschaft. Die Stärken der rheinland-pfälzischen Ernährungsbranche liegen in ihrer Nähe zu Ballungsräumen (Rhein-Main, Rhein-Neckar und Rhein-Ruhr), ihrem Know-how, einem breiten Branchenmix und dem Vorhandensein leistungsfähiger Zulieferer. Diese Standortvorteile müssen durch Produkt- und Prozessinnovationen sowie nachhaltige Marktstrategien gehalten und gefördert werden. Zur Ernährungswirtschaft in Rheinland-Pfalz gehören Unternehmen und Einrichtungen, die gemeinsam mehr als 100 000 Arbeitsplätze bzw. etwa jeden neunten Arbeitsplatz in den folgenden Sektoren der gesamten Ernährungswertschöpfungskette bereitstellen: im Lebensmitteleinzel- und Lebensmittelgroßhandel, in der Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und Catering, Lebensmittelindustrie , Lebensmittelhandwerk, Lebensmitteltechnik, Dienstleister für das Ernährungsgewerbe, Erfassungs- und Großhandel mit Agrarprodukten sowie Unternehmen der ersten Verarbeitungsstufe, landwirtschaftliche und weinbauliche Produktion, landwirtschaftliche und weinbauliche Betriebsmittel und sonstige Vorleistungen, Agrarverwaltung sowie private Beratung, Forschung und Entwicklung für alle genannten Bereiche, Verbände und Vereine aus den jeweiligen Sektoren sowie sonstige Zulieferer für die Glieder der Wertschöpfungskette. 7 5) Als synonymer Branchenbegriff wird auch die „Ernährungswirtschaft“ verwendet. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Damit hat die Lebensmittelwirtschaft gerade im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz eine sehr hohe Bedeutung, die neben der Bereitstellung der Arbeitsplätze auch in der – nur teilweise monetär zu erfassenden – Wertschöpfung der Lebensmittelkette „vom Acker bis auf den Teller“, „vom Weinberg bis zur Qualität im Glase“ in den vor- und nachgelagerten Bereichen sowie den externen Effekten zum Ausdruck kommt. Wesentlich ist der mittelbare Nutzen zugunsten anderer Branchen – wie dem Tourismus –, denn Land- und Weinwirtschaft prägen die rheinland-pfälzischen Kulturlandschaften in besonderer Weise 6) (vgl. auch die Antwort auf Frage 63). 3. Welche soziale Bedeutung haben aus Sicht der Landesregierung Ernährung und Esskultur? Essen ist weit mehr als gesunde Ernährung: Unsere Ernährung ist ein Teil unserer Kultur. Essen schafft eine Verbindung zur Region, zur Natur und zu den Menschen, die die Lebensmittel herstellen. Was wir täglich essen, wirkt sich auch auf die Umwelt, das Klima und damit auch auf die Welternährung und die Generationengerechtigkeit aus. Unsere Esskultur ist davon geprägt, dass Mahlzeiten für Genuss und Gemeinsamkeit stehen. Gleichzeitig wandelt sich die Ernährungskultur zusehends. Viele Menschen nehmen sich oder haben, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, immer weniger Zeit zum Einkaufen, Kochen und Essen und konsumieren dafür mehr Fast Food und Fertigprodukte. Diese liefern häufig weniger gesunde Inhaltsstoffe und brauchen mehr Energie zur Herstellung als frisch zubereitete, weniger verarbeitete Lebensmittel. Diese Entwicklung führt zu einem nachhaltigen Wissens- und Erfahrungsverlust hinsichtlich der Zubereitung und Kombinierbarkeit von Lebensmitteln. Unser Essverhalten ist zudem immer weniger an feste Regeln und Zeiten gebunden, dies hat auch soziale Folgen. Außerdem nutzen wir bestimmte Lebensmittel und Ernährungsweisen als Statussymbol und zur Kommunikation eines bestimmten Lebensstils. Beispielsweise wird der tägliche Fleischverzehr teilweise als Zeichen von Wohlstand verstanden7), während gleichzeitig in Teilen der Jugendkultur auch eine vegetarische Ernährungsweise als Symbol für eine bewusste Lebensweise dient. Dazu trägt nicht zuletzt die Werbung bei. Viele Konsumentinnen und Konsumenten suchen wieder nach einer Ernährung, die mehr Orientierung, Sicherheit und Transparenz bietet. Als Trends, die insgesamt Vertrauen schaffen, werden genannt: Natürlichkeit von Lebensmitteln, Traditionsbewusstsein bei der Lebensmittelauswahl und -zubereitung, Sicherheit durch wissenschaftliche Erkenntnisse, ästhetischer Umgang mit Ernährung durch z. B. Gourmet-Produkte. 8) Immer wichtiger wird auch ein Ernährungsstil, bei dem Genuss und Verantwortung miteinander verbunden und die Auswirkungen des eigenen Ernährungsverhaltens berücksichtigt werden – so wie es eine nachhaltige Ernährung darstellt.9) Um diesen Trend nachhaltig zu unterstützen ist es wichtig, dass bereits Kinder und Jugendliche eine gesunde Esskultur und Lebensweise erlernen und im Alltag erleben können. Leckeres und gesundes Kita- und Schulessen ist dabei ein wichtiger Schlüssel und muss zum festen Bestandteil in den Institutionen werden. Die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung leistet hierfür im Auftrag der Landesregierung einen wichtigen Beitrag. Zu nennen sind beispielsweise Projekte zur Verbesserung der Verpflegung und der Ernährungsbildung in Kitas im Rahmen der Kampagne „Kita isst besser“. Das Projekt „Kochschule vor Ort“ wirbt für eine gesunde Ernährung mit dem Kochbus an Schulen und an vielen öffentlichen Plätzen im ganzen Land. Mit dem Schulprojekt „Was ist uns unser Essen wert“ kann die Landesregierung bereits viele Schülerinnen und Schüler der 50 teilnehmenden Klassen (ca. 1 500 Schülerinnen und Schüler) für gesundes und nachhaltiges Essen begeistern und ihre Lust am Kochen wecken. An Schulen werden zudem Speiseplanchecks durchgeführt und Sterne für gutes Schulessen vergeben. Die Broschüre „Nachhaltige Ernährung – Was unser Essen mit Klimaschutz und Welternährung zu tun hat“, die in Zusammenarbeit mit den renommierten Ernährungswissenschaftlern Dr. Markus Keller und Dr. Karl von Koerber veröffentlicht wurde, soll landesweit Multiplikatoren, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Schulen erreichen. Dabei möchte die Landesregierung die globalen Herausforderungen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit mit in die Ernährungspolitik einbeziehen. Die zahlreichen Projekte zu den sozialen Aspekten von Ernährung und Esskultur drücken die große Bedeutung dieser Thematik für die Landesregierung aus. In den nachfolgenden Antworten werden die angeführten Projekte eingehend erläutert. Ernährung und Gesundheit 4. Was versteht die Landesregierung unter den Begriffen Fehlernährung und gesunder Ernährung? Mit dem Begriff Fehlernährung verbindet die Landesregierung eine Ernährung, die quantitativ und/oder qualitativ nicht den physiologischen Notwendigkeiten entspricht. 8 6) Siehe auch die Antwort zu Frage 63; des Weiteren wird auf die Agrar- und Ernährungsberichte Rheinland-Pfalz für die Jahre 2013 (S. 14ff.) und 2014 (S. 31ff) verwiesen. http://mulewf.rlp.de/uploads/media/Agrar-_und_Ernaehrungsbericht_2013.pdf http://mulewf.rlp.de/uploads /media/Agrar-_und_Ernaehrungsbericht_2014.pdf. 7) Hirschfelder G: Die kulturale Dimension gegenwärtigen Essverhaltens. Ernährung – Wissenschaft und Praxis 1 (4), 156-161, 2007. 8) Rheingold Institut: Vernunft und Versuchung – Ernährungstypen und -trends in Deutschland. Studie für Gruner+Jahr und LebensmittelZeitung . Köln, 2012. 9) Koerber, Kv.; Hohler, H.: Nachhaltig genießen – Rezepte für unsere Zukunft. Trias, Stuttgart 2012. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Fehlernährung kann verschiedene Formen haben. Sie kann durch eine generelle Über- oder Unterversorgung mit Kalorien, aber auch durch einseitige Ernährung bedingt sein, die zu einem Mangel an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen führt. Fehlernährung wird in Deutschland im Wesentlichen mit Übergewicht/Adipositas in Verbindung gebracht. Übergewicht wird dabei ab einem Body-Mass-Index von 25 aufwärts, Adipositas ab einem Body-Mass-Index von 30 definiert. Eine Fehlernährung zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren der Adipositas. Aber auch die Folgen von Untergewicht/Magersucht stellen ein ernstzunehmendes Problem dar. Probleme ergeben sich auch durch Diätprodukte und Nahrungsergänzungsmittel. Unter gesunder Ernährung versteht die Landesregierung eine abwechslungsreiche, ausgewogene und frische Mischkost, die aus mehr pflanzlichen (Obst, Gemüse, Getreide) als tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Ei) und nur geringen Mengen an Fett, Salz und Zucker besteht. Maßgeblich sind hier die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Zu gesunder Ernährung gehören weiterhin ausreichendes Trinken (Wasser, Tees, Saftschorlen) wie auch seelische Aspekte, das soziale Umfeld, Genuss und Wohlbefinden sowie die Identität. 5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Ursachen von Fehlernährung in Deutschland und Rheinland-Pfalz und welche Rolle spielt hierbei die zunehmende Industrialisierung der Lebensmittelherstellung? Ursachen für die Entstehung von Fehlernährung sind in der Regel in zwei Bereichen zu suchen: Im falschen Essverhalten und in ungünstigen Verhältnissen und Rahmenbedingungen. Die Verantwortung darf dabei nicht einseitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgewälzt werden. Sie tragen zwar Eigenverantwortung, die Entwicklung muss jedoch im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Aus dieser Betrachtung folgt auch eine politische Verantwortung, dem Problem der Fehlernährung zu begegnen. Falsches Ernährungsverhalten resultiert häufig aus mangelndem Wissen über ausgewogene Ernährung. Darüber hinaus wird falsche Ernährung durch Schwierigkeiten in der Umsetzung im Alltag begünstigt. Zudem ist bekannt, dass Essen ernährungsphysiologisch ungünstig zu bewertender Lebensmittel häufig zur Kompensation seelischer Belastungen genutzt wird oder in mangelnden finanziellen oder zeitlichen Ressourcen begründet liegt. Schließlich spielen bei der Fehlernährung auch körperliche Veränderungen im Alter, durch Krankheiten oder Medikamente, eine Rolle. Ungünstige Verhältnisse und Rahmenbedingungen entstehen beispielsweise durch eine geringe Verfügbarkeit frischer, gesunder, wenig verarbeiteter Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung oder beim Einkauf. Auch in der Werbung stehen aus ökonomischen Gründen vor allem stark verarbeitete, häufig sehr zucker- und salzhaltige Lebensmittel im Vordergrund. Verhältnisprävention zielt darauf ab, die Lebenswelten und die jeweiligen Arbeitsbedingungen so zu gestalten oder zu beeinflussen, dass Gesundheit und Wohlbefinden gefördert und Krankheiten verhütet werden. Im Bereich der gesunden Ernährung verfolgt die Landesregierung das Ziel, dass in der Gemeinschaftsverpflegung in Schulen, Kitas, Kantinen oder Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ein höherer Anteil frischer, unverarbeiteter Lebensmittel und ein angemessener Anteil pflanzlicher Lebensmittel aus der Region und der Saison gemäß angeboten wird. Damit soll dem Trend zur immer stärkeren Verarbeitung der Produkte und zur Globalisierung der Lebensmittelherstellung ein Angebot entgegen gesetzt werden, das wieder einen Bezug zur Erzeugung und zum bewussten Selbstverarbeiten der Nahrung ermöglicht. Zahlreiche Projekte der Landesregierung richten sich daher auf die Optimierung der Verpflegung in Kitas, Schulen, Kantinen und der Gastronomie sowie darauf, die Kompetenzen im Umgang mit Lebensmitteln zu steigern und das Angebot regionaler, ökologisch erzeugter Lebensmittel zu erhöhen. Eine Übersicht über die einzelnen Maßnahmen findet sich unter Frage 24. 6. Wie bewertet die Landesregierung den Mangel an Bewegung im Zusammenhang mit der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung und welche Handlungsansätze gibt es? Ein Mangel an Bewegung hat eine Vielzahl negativer Auswirkungen auf die Gesundheit und begünstigt die Entstehung von Übergewicht . Bei zu geringer körperlicher Aktivität leidet der gesamte menschliche Organismus. Bewegungsmangel und Inaktivität begünstigen in hohem Maße das Risiko für chronische Erkrankungen. Neben Fehlernährung und Rauchen ist der Bewegungsmangel eine der häufigsten Ursachen für Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Rückenschmerzen, Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebserkrankungen. Bewegung ist essentiell, um vital und gesund zu bleiben. Regelmäßige körperliche Aktivität stellt eine Ressource für die körperliche und seelische Gesundheit dar. Ein aktiver Lebensstil kann entscheidend dazu beitragen, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Übergewicht sowie Beschwerden am Muskelund Skelettapparat zu reduzieren 10). Regelmäßige körperliche Aktivität kann in jedem Alter einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Allerdings ist das heutige Alltagsleben oft durch körperliche Inaktivität geprägt. Die für die 18- bis 79-jährige Bevölkerung in Deutschland repräsentativen Daten der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) ermöglichen einen Überblick des selbsteingeschätzten aktuellen körperlichen Aktivitätsverhaltens. Nach den Ergebnissen von DEGS1 achtet etwa ein Drittel der Erwachsenen auf ausreichende körperliche Aktivität und etwa ein Viertel treibt regelmäßig mindestens zwei Stunden pro Woche Sport. Damit hat die sportliche Aktivität im Vergleich zum diesbezüglichen Umfang, der vor etwa zehn Jahren im Bundes-Gesundheitssurvey 1998 (BGS98) ermittelt wurde, zugenommen. Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen gesundheitlichen Nutzen empfohlene Mindestaktivitätszeit von 2,5 Stunden pro Woche in mäßig anstrengender Intensität ist allerdings bei etwa vier Fünfteln der Bevölkerung nicht gegeben. 9 10) Körperliche Aktivität. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), Studie von S. Krug, S. Jordan, G.B.M. Mensink, S. Müters, J.D. Finger, T. Lampert (http://edoc.rki.de/oa/articles/repRtQDxaXz2/PDF/29NRTMbhpOAI.pdf). Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Ziel der Landesregierung besteht daher weiterhin darin, zielgruppenspezifische verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen anzubieten und die Bevölkerung bei der Einbindung regelmäßiger körperlicher Aktivität in ihren Alltag zu unterstützen. Ein Handlungsansatz ist die Bewegungskampagne, die im Auftrag der Landesregierung von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. (LZG) schon seit mehreren Jahren durchgeführt wird. Das Ziel der Kampagne besteht darin, mehr Bewegung in den Alltag der Menschen zu bringen. Neben der Regelmäßigkeit steht hier die einfache Umsetzung im Vordergrund . Die Aufklärungskampagne informiert und motiviert, indem gezielt aufgezeigt wird, wie durch kleine Änderungen im alltäglichen Bewegungsverhalten gesundheitsförderliche Resultate erzielt werden können. Das gilt für alle Altersgruppen und besonders mit zunehmendem Alter. Eingebettet in einen gesunden Tagesrhythmus reichen schon mehrere kurze Bewegungseinheiten . Unter dem Motto „Ich bewege mich – mir geht es gut“ macht die Kampagne auf die positiven Auswirkungen eines körperlich aktiven Alltags aufmerksam und fördert leicht zugängliche Bewegungsangebote, die sich insbesondere an Seniorinnen und Senioren richten. Wesentliches Ziel ist es seit dem Jahr 2014, Bewegungsaktivitäten verstärkt in den öffentlichen Raum zu tragen und dazu allgemein zugängliche Grünflächen, Plätze und Parks zu nutzen. Die Kampagne wird von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. in Zusammenarbeit mit der Landesleitstelle „Gut Leben im Alter“ des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz sowie in Kooperation mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern durchgeführt. Am 6. und 7. November 2014 hat die Sportministerkonferenz einen gemeinsamen Beschluss mit der Gesundheitsministerkonferenz zur Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivitäten gefasst. Fehlernährung und Bewegungsmangel werden darin als Hauptursache für Übergewicht ausgemacht und eine entsprechende Prävention als längerfristige gesellschaftliche Aufgabe angesehen. Die beiden Fachministerkonferenzen werten die Bewegungsangebote aus dem Sport und dem Alltag als essenzielle Bestandteile einer sektorenübergreifenden Strategie für eine gesundheitsfördernde Politik. Ein Ausbau ihrer Kooperationen soll daher angestrebt werden. Die Sportorganisationen bis hinunter zu den Sportvereinen stellen eine maßgebliche Säule in dieser Präventionsstrategie dar. So leisten bereits die Vereine des Deutschen Olympischen Sportbunds mit ihren qualitätsgesicherten Gesundheitssportprogrammen , die auch von den rheinland-pfälzischen Sportverbänden und -vereinen umgesetzt werden, ihren Beitrag und bauen ihn weiter aus. Ergänzend zu diesen vereinsbezogenen Bausteinen prüfen GMK und SMK gemeinsam die Entwicklung nationaler Bewegungsempfehlungen und befinden sich im Gleichklang mit den von der EU beschlossenen Ratsempfehlungen zu gesundheitsfördernden körperlichen Aktivitäten (Health Enhancing Physical Activity – HEPA). Die Landesregierung ist Mitglied der Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb). Sie ist ein offenes Bündnis mit über 100 Mitgliedern aus öffentlicher Hand, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport, Gesundheitswesen und Zivilgesellschaft. Alle Akteure setzen sich bei peb aktiv für eine ausgewogene Ernährung sowie regelmäßige und ausreichende Bewegung als wesentliche Bestandteile eines gesundheitsförderlichen Lebensstils bei Kindern und Jugendlichen ein. Peb ist in vier Bereichen aktiv: – Vernetzung & Plattform: peb fördert die Vernetzung der Akteure und Kompetenzen in der Präventionslandschaft in Deutschland zu einem funktionierenden und auf Synergien ausgerichteten Netzwerk und bietet den Akteuren ein Forum für den Dialog. Gebündelte Kompetenzen und relevante Erkenntnisse bringt peb in die gesellschaftliche und politische Debatte ein. – Kompetenzzentrum: Die Kompetenz von peb erwächst aus wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen, der peb-eigenen Arbeit, den Aktivitäten und dem Zusammenspiel mit den peb-Mitgliedern und den beratenden Experten. – Projekte: Die Kompetenz von peb erwächst auch aus der Entwicklung, Durchführung und Evaluation eigener Pilotprojekte. Diese sind derzeit: – 9+12 Gemeinsam gesund in Schwangerschaft und erstem Lebensjahr – KiCo – Kita-Coaches IN FORM – Regionen mit peb IN FORM – Kooperationsprojekte zur Gesundheitsförderung bei Migranten – TV Spots Peb & Pebber – Kooperationsprojekte – Lale – iss bewusst und sei aktiv – ekip – Werkstatt Gesundheitsförderung – Kommunikation: peb informiert Akteure, Multiplikatoren und Öffentlichkeit sowie die peb-Mitglieder über Themen zur Gesundheitsförderung , Bewegung und Ernährung, um so neue Erkenntnisse zu einem gesunden Lebensstil bekannt zu machen und zu Anwendung zu bringen. Darüber hinaus entwickelt und fördert peb Kommunikationsinstrumente zur Ansprache der relevanten Zielgruppen. 7. Gibt es aus Sicht der Landesregierung einen Zusammenhang zwischen Armut und Fehlernährung? Dem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zufolge leben 14 bis 16 Prozent der deutschen Bevölkerung (je nach Berechnungsgrundlage) in Armut oder sind unmittelbar von ihr gefährdet. Ein Armutsrisiko besteht, wenn das Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des gesellschaftlichen Mittelwerts beträgt. 11) 10 11) Quelle: Lebenslagen in Deutschland, Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2013, S.18. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Die relative einkommensbezogene Armutsrisikoquote ist – auf Mikrozensus-Basis – in Rheinland-Pfalz seit 2006 der Tendenz nach (schwach) gestiegen (bei Verwendung des Landesmedians von 14,5 Prozent im Jahr 2006 auf 15,9 Prozent im Jahr 2012). 12) Verschiedene Studien belegen, dass ein niedriges Einkommen, ein niedriger beruflicher Status und Bildungsabschluss mit einem höheren Übergewichtsrisiko einhergehen. 13) Im Rahmen einer Auswertung von Daten der Nationalen Verzehrstudie II gingen Prof. Petra Lührmann und Faith Simpson, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, der Frage nach, wie sich der Lebensmittelverzehr und das Ernährungsverhalten von Personen aus Armutshaushalten von Personen unterscheiden, die nicht armutsgefährdet sind. Werden Aspekte wie Schulbildung und Ernährungswissen im Rahmen der Berechnungen berücksichtigt, zeigt sich, dass diese Faktoren einen deutlich größeren Einfluss auf das Ernährungsverhalten haben als das Armutsrisiko. Eine Ausnahme bildet jedoch der Konsum von Wasser und Limonade. Armutsrisikogruppen trinken täglich – unabhängig von Schulbildung und Ernährungswissen – 152 ml weniger Wasser und 42 ml mehr Limonade. Letzteres ist besonders bedenklich, da der Konsum von Limonaden als bedeutender Risikofaktor für Übergewicht und Adipositas gilt. 14) Auch hier zeigt sich, dass eine umfassende Ernährungsbildung, die besonders auch Risikogruppen umfasst bzw. bei Kindern ansetzt, die Grundlage für einen Beitrag zur ernährungsbezogenen Gesundheitsförderung ist. Die Landesregierung verstärkt die Ernährungsbildung im Rahmen der Initiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ in inzwischen mehr als 20 Projekten. Auf diese wird in der Antwort auf Frage 24 eingegangen. Weitere Projekte im Bereich Armut und Ernährung der Landesregierung sind: Landesprogramm Kita!Plus Das Landesprogramm fördert Maßnahmen von Kitas zu den Themen gesunde Ernährung, Verstärkung der Elternarbeit und faire Bildungschancen für Kinder. Das Programm ist auf die konsequente Weiterentwicklung der Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz gerichtet. Dabei wird die Kompetenz der Fachpraxis durch die Zusammenarbeit mit Eltern und Familien gestärkt. Das Programm setzt auf aufbauende, anknüpfende , erweiternde und stärkende Maßnahmen und Angebote. Es zielt auf eine stärkere Eltern- und Familienorientierung in den Kindertagesstätten. Gesunde Ernährung ist dabei ein wichtiger Baustein. Faire Bildungschancen für alle Kinder sollen durch eine Vernetzung der Kindertagestätten und die verstärkte Zusammenarbeit mit Eltern erreicht werden. EU-Schulobst- und -gemüseprogramm Im Rahmen der Umsetzung des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms wird Ernährungsbildung an Schulen durchgeführt. Hier sind neben Schulen im ländlichen Raum und in Stadtteilen mit gehobenem bürgerlichem Milieu auch Stadtschulen in sozialen Brennpunkten einbezogen. Innerhalb einer Evaluierung mittels Befragung von Schülerinnen und Schülern durch das unabhängige Institut TRIAS Research an der Universität Trier zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler insgesamt mehr Obst und Gemüse kennen lernen, häufiger Obst und Gemüse essen und dies insbesondere für Kinder in sozialen Brennpunkten gilt. Sozialfonds für Mittagessen in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen Kinder aus Familien mit einem geringen Einkommen erhalten vom Land einen Zuschuss zum Mittagessen in Kita und Ganztagsschule . Mithilfe dieser Fonds stellen die kreisfreien Städte und die Landkreise in Rheinland-Pfalz sicher, dass diese Kinder am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen können. Anspruchsberechtigt sind insbesondere Kinder von Eltern, die sich noch im Asylverfahren befinden (leistungsberichtigt nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz) und Kinder, deren Eltern ein Einkommen beziehen, das unterhalb der Grenzen der Lernmittelfreiheit liegt. Sozial benachteiligte Menschen brauchen neben den Präventionsbemühungen besonders viel direkte Kompetenz in der Küche und im Haushalt, um aus günstigen Zutaten gesunde und genussreiche Mahlzeiten fertigen zu können. Der im Jahr 2015 neu eingerichtete und aus 29 Institutionen bestehende ernährungspolitische Beirat der Landesregierung hat sich das Thema soziale Benachteiligung und Ernährung als Schwerpunktthema gewählt. In der Praxis zeigt sich zusätzlich, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen häufig einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen. Die Landesregierung hält hier ebenso den Ausbau lebensweltlicher Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung für elementar und begrüßt die Verabschiedung des Präventionsgesetzes, dass vor allem die Gesundheitsförderung in Lebenswelten (Setting) fokussiert. Allerdings kritisiert die Landesregierung, dass das Thema Ernährung in den Präventionszielen keine Berücksichtigung gefunden hat. Im Zuge des neuen Gesetzes wird die Landesregierung ihre Präventionsbemühungen für sozial benachteiligte Menschen weiter ausbauen und bereits bestehende Projekte stärken. Wichtige bereits existierende Projekte der Landesregierung sind: 11 12) Quelle: Armuts- und Reichtumsbericht der Landesregierung, 2015. 13) Quelle: RKI, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Gesundheit in Deutschland (2006), S. 85 ff. 14) Quelle: Simpson F, Lührmann P (2015): The nutritional situation of adults from low-income households at risk of poverty. An analysis of data from the National Nutrition Survey II with particular emphasis on nutritional education. Ernährungs Umschau 62(3): 34-43. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Koordinierungsstelle „Gesundheitliche Chancengleichheit“ Thematischer Schwerpunkt der Koordinierungsstelle „Gesundheitliche Chancengleichheit“ (ehemals: Regionaler Knoten RheinlandPfalz ) ist die „Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen in sozial benachteiligten Lebenslagen“. Der Fokus richtet sich hierbei auf die Stärkung und Weiterentwicklung von gelingender Praxis und den Ausbau von Präventionsketten in den Kommunen. Im Auftrag der Landesregierung übernahm die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. im Jahr 2006 die Gründungsinitiative und Koordination des Netzwerks „Regionaler Knoten Rheinland-Pfalz“ (jetzt Koordinierungsstelle „Gesundheitliche Chancengleichheit“ Rheinland-Pfalz). Förderer sind neben der Landesregierung (Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen) die gesetzlichen Krankenkassen in Rheinland-Pfalz und die Unfallkasse Rheinland-Pfalz. „Gesundheitsteams vor Ort“ (GvO) Das Projekt „Gesundheitsteams vor Ort“ wurde im Jahr 2005 durch das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium für Familien in Stadtteilen mit schwierigem sozialem Umfeld (Mainzer Neustadt, Trier Nord) angeregt. Die Angebote der GvO richten sich an Familien mit finanziellen, familiären oder beruflichen Schwierigkeiten, Alleinerziehende oder Familien mit Migrationshintergrund . Aufgrund des hohen Anteils von Migrantinnen und Migranten in der Mainzer Neustadt wurde an diesem Standort ein besonderer Schwerpunkt auf das Thema Migration und Gesundheit gelegt. Die Stärkung der Eigenverantwortung und die Förderung von Gesundheitskompetenzen sollen ausgebaut werden. Schwerpunktthemen sind die Wahrnehmung von Früherkennungsangeboten, die Gesundheitsfürsorge für Säuglinge, Kinder und Jugendliche, die Impfprophylaxe, Stillen, gesunde Ernährung, Bewegungsförderung, Zahngesundheit sowie die psychische und psychosexuelle Gesundheit. Ein zweites zentrales Anliegen ist die Erleichterung des Zugangs zu den Regelangeboten des Gesundheitswesens. Bekannte Hemmschwellen für die Inanspruchnahme professioneller Hilfe durch Ärzte, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Berater und andere Therapeuten oder für die Beteiligung an Selbsthilfegruppen sollen überbrückt werden, ohne dabei Parallelstrukturen zum GKV-System aufzubauen. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Fehlernährung und wie viel Prozent der Bevölkerung sind weltweit, europaweit , deutschlandweit und in Rheinland-Pfalz von den Folgen einer Fehlernährung betroffen? Durch eine ausgewogene Ernährung kann das Risiko für eine ganze Reihe von sogenannten ernährungsmittbedingten Erkrankungen vermindert werde. Als besonders großes Risiko gilt das Übergewicht, das wiederum zu zahlreichen Folgeerkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Herzinfarkt, Schlaganfall und einigen Krebskrankheiten führen kann. Die WHO sieht hohen Zuckerkonsum als eine mögliche Ursache für den weltweit dramatischen Anstieg von Übergewicht und die Zunahme von Typ-2-Diabetes. Dass Übergewicht und die dadurch verursachten Herz-Kreislauferkrankungen sowie Diabetes mellitus Typ 2 zu einem deutlichen Verlust an Lebensjahren bzw. an gesunden Lebensjahren führt, konnte kürzlich eine kanadische Studie nachweisen.15) Die Zunahme von Übergewicht und Adipositas ist ein weltweites Gesundheitsproblem. Der WHO global status report on noncommunicable deseases des Jahres 2014 konstatiert Adipositas bei weltweit 11 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen und damit eine Verdoppelung seit den 1980er Jahren. Übergewichtig sind 38 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. Nach Angaben des Statistischen Landesamts in Bad Ems waren im Jahr 2009 insgesamt 53,2 Prozent der erwachsenen RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer – 62,1 Prozent der Männer und 44,5 Prozent der Frauen – übergewichtig. Laut den Schuleingangsuntersuchungen 2009/2010 sind 5,5 Prozent der Kinder übergewichtig, 4,5 Prozent adipös. Diese Zahl ist seitdem nicht gestiegen. Im Rahmen der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) liegen bundesweite Daten für Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen aus 2011 vor. Über 7 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter von 18 bis 79 Jahren wurden zu gesundheitsrelevanten Themen befragt und medizinisch untersucht. Hiernach sind 67,1 Prozent der Männer und 53,0 Prozent der Frauen in Deutschland übergewichtig. Insgesamt haben sich zwar die Zahlen nicht verändert, die Adipositasprävalenz ist jedoch deutlich gestiegen. Im Vergleich zu Zahlen des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (BGS98) waren 18,9 Prozent der Männer und 22,5 Prozent der Frauen adipös, in der DEGS1 Studie waren es bereits 23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen. Bundesweite Daten zum Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen liefert die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) aus dem Jahr 2007: Insgesamt waren 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren übergewichtig , ein Drittel davon (entspricht 6 Prozent aller Kinder) adipös. Diese Entwicklung wird von der Landesregierung mit Besorgnis wahrgenommen, bedeutet es doch, dass nahezu ein Viertel der Bevölkerung ein deutliches Überwicht aufweist und somit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Gelenks-/ Wirbelsäulenerkrankungen zu befürchten sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die deutliche Zunahme der Adipositas sich besonders bei jungen Erwachsenen zeigte. In Frage 9 wird auf diesen Sachverhalt näher eingegangen. 12 15) Quelle: Modifiziert nach Grover SA, Kaouache M, Rempel P et al.: Years of life lost and healthy life-years lost from diabetes and cardiovascular disease in overweight and obese people: a modelling study. Lancet Diabetes Endocrinol 2 (2015), S. 114-222. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 9. Liegen der Landesregierung Informationen über die Folgen von Fehlernährung für die Menschen in Deutschland und Rheinland-Pfalz vor? Fehlernährung wurde lange nur als Problem in Entwicklungsländern betrachtet. Aber auch in Industrieländern wie Deutschland ist sie mittlerweile weit verbreitet. Millionen Menschen in Deutschland leiden an den Folgen von Fehlernährung. Fehlernährung schränkt die Lebensqualität ein und verursacht ein besonderer Anteil der Kosten im Gesundheitssystem. Gesundheitliche Schädigungen wie Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-, Kreislauf- und Krebserkrankungen, aber auch Essstörungen, Magersucht, Störungen des Immunsystems, psychomotorische, emotionale und soziale Störungen können die Folge einer falschen Ernährung sein. Hierzu werden folgende Ergebnisse zu ernährungsmitbedingten Erkrankungen aus der in Frage 8 erwähnten DEGS1 Studien vorgestellt : Hinsichtlich der Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) von Herzinfarkt und koronarer Herzkrankheit bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 79 Jahren in Deutschland wurde beim Herzinfarkt eine Prävalenz von 4,7 Prozent (Frauen 2,5 Prozent, Männer 7 Prozent) erhoben. Im Vergleich zum Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (BGS98) zeigte sich ein geringer Anstieg bei Männern, nicht jedoch bei Frauen. Die Prävalenz der koronaren Herzkrankheit bei 40- bis 79-Jährigen beträgt in DEGS1 9,3 Prozent (Frauen 6,4 Prozent; Männer 12,3 Prozent). Im Vergleich zum BGS98 ergibt sich nur bei Frauen eine geringe Abnahme. Es besteht zudem ein signifikanterer Zusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeit und niedrigem Sozialstatus (siehe auch Antwort auf Frage 7).16) Vergleichbare Entwicklungen konnten innerhalb der DEGS1-Studie mit der Prävalenz und zeitlichen Entwicklung eines bekannten Diabetes mellitus gesehen werden. Insgesamt wurde bei 7,2 Prozent der Erwachsenen (7,4 Prozent der Frauen; 7,0 Prozent der Männer) jemals ein Diabetes diagnostiziert. Die Krankheitshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter deutlich an und korreliert ebenfalls mit einem niedrigen Sozialstatus. Im Vergleich zum BGS98 zeigt sich ein Prävalenzanstieg um 38 Prozent, wovon etwa ein Drittel auf die demografische Alterung zurückzuführen ist. Die Ergebnisse weisen im Kontext mit anderen bundesweiten Studien auf aktuell mindestens 4,6 Millionen 18- bis 79-Jährige mit einer Diabetesdiagnose hin.17) Ähnliche Entwicklungen konnten im Rahmen der DEGS1-Studie auch für die Verbreitung von Fettstoffwechselstörungen und die Prävalenz ausgewählter Muskel- und Skeletterkrankungen (MSKE) gefunden werden. Neben einem erhöhten sturzbedingten Frakturrisiko bei Menschen mit Adipositas spielen die MSKE für die ältere und alte Bevölkerung in Deutschland eine zunehmende Rolle.18) 10. Welche Rolle spielt nach Einschätzung der Landesregierung die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser im Hinblick auf die Ursachen von Flüchtlingsbewegungen und Krisen? Die fehlende Gewährleistung elementarer Menschenrechte, wie der sicheren Versorgung mit Nahrungsmitteln und sauberem Wasser, trägt neben oder im Zusammenhang mit weiteren Anlässen – vor allem kriegerischen Auseinandersetzungen – wesentlich zu Flüchtlingsbewegungen und Krisen bei. Die aktuellen Migrationswellen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Afrika führen dies derzeit vor Augen und rufen zur Solidarität und Hilfe auf. Hunger hat viele Gesichter – und viele Ursachen. Eine zentrale Ursache sind die seit Mitte der ersten Dekade dieses Jahrhunderts zunehmend volatilen Preise für Grundnahrungsmittel, wie Mais und Weizen, aber auch schlechtes Regierungshandeln, Langrabbing, die mangelnde Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft, agrarverfassungsrechtliche Defizite bis hin zu Auswirkungen des Klimawandels . Gerade die vom Import abhängigen am wenigsten entwickelten Länder sind massiv von Grundnahrungsmitteln abhängig . Immer größere Teile des Einkommens – in vielen Fällen 80 bis 100 v. H. – müssen für Grundnahrungsmittel ausgegeben werden. Ursachen für diese Preisexplosionen sind auch Spekulationen im Nahrungsmittelbereich, die insbesondere dann ihre Preis treibende Wirkung entfalten, wenn sie ihren Bezug zur Realwirtschaft verloren haben und fiktive Nahrungsmittelmengen Gegenstand dieser Handelsform sind. 11. Welche Informationen liegen der Landesregierung zu den Kosten ernährungsmitbedingter Erkrankungen für das Gesundheitssystem in Deutschland und Rheinland-Pfalz vor? Nach Angaben des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2013 sind ernährungsmitbedingte Erkrankungen für rund ein Drittel aller Leistungen und Kosten im Gesundheitssystem, bei Gesamtausgaben in 2013 von 314,8 Milliarden Euro also für über 100 Milliarden Euro, verantwortlich. Erkenntnisse über entsprechende Berechnungen für Rheinland-Pfalz liegen der Landesregierung nicht vor, insbesondere nicht aus der amtlichen Statistik. 13 16) (http://edoc.rki.de/oa/articles/rewg2Eob4gX1I/PDF/28vWvl57DzAA.pdf). 17) (http://edoc.rki.de/oa/articles/reStimZmeS2/PDF/28z6BcQzEazE.pdf). 18) (http://edoc.rki.de/oa/articles/reaZNjT7nCfnM/PDF/238SHfIrefb0E.pdf). (http://edoc.rki.de/oa/articles/reTBzeyFBYxM/PDF/24ZsqC2a9dzqQ.pdf). 19) Die Millenniumsziele wurden am 03.08.2015 von den Vereinten Nationen in New York neu gefasst und im Hinblick auf ihre Umsetzung auf 2,5 Billionen US-Dollar veranschlagt. Im Übrigen sei hingewiesen auf: Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 16/5355 vom 27. Juli 2015, Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: Rheinland-Pfalz leistet seinen Beitrag zum Europäischen Jahr für Entwicklung 2015 – Durch nachhaltiges Handeln auf dem Weg zu sozialer und globaler Gerechtigkeit. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 12. Wie bewertet die Landesregierung die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE-Standards) in Bezug auf die Vermeidbarkeit der ernährungsmitbedingten Erkrankungen? Wie auch bereits in der Antwort auf Frage 9 beschrieben, kommt der Ernährung im Hinblick auf die Vermeidbarkeit von Erkrankungen eine große Bedeutung zu. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung unterstreichen neuere Studien, dass mit einer annähernd gesundheitsfördernden Lebensweise, das heißt u. a. einem höheren Verzehr von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und einer Reduktion fettreicher, tierischer Lebensmittel das Risiko für Diabetes Typ 2, Herzinfarkt und Schlaganfall erheblich gesenkt werden kann. Eine vollwertige Ernährung kann entscheidend dazu beitragen, Wachstum, Entwicklung, Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Menschen ein Leben lang zu fördern bzw. zu erhalten. Für eine erfolgreiche Ernährungsaufklärung sind leicht verständliche Empfehlungen erforderlich, die sich im Alltag einfach umsetzen lassen. Mit den zehn Regeln der DGE für eine vollwertige Ernährung hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) wissenschaftlich gesicherte, lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen erarbeitet. Sie veranschaulichen, wie eine gesundheitsfördernde Ernährung gestaltet werden kann. Die zehn Regeln der DGE zum vollwertigen Essen und Trinken sind richtig, sollten aber durch Empfehlungen zur Verhältnisprävention, die Einbeziehung des sozialen Umfelds und der Lebensphase (Setting-Ansatz) ergänzt werden (z. B. gemeinsames Einkaufen, Kochen, Essen in der Kita, mit der Familie, im Betrieb, in der Pflegeeinrichtung). 13. In wie viel Prozent der Gemeinschaftsverpflegung insbesondere in KITA und Schulen werden die DGE-Standards in Deutschland und in Rheinland-Pfalz angewendet? Die Organisation der Verpflegung in Kindertagesstätten und Schulen liegt in Rheinland-Pfalz, wie in den meisten anderen Bundesländern , im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Kita- bzw. Schulträger. In Rheinland-Pfalz ist die Trägerstruktur sehr vielfältig, von kleinen Verbandsgemeinden im ländlichen Raum bis zu großen Städten, von kirchlichen Trägern bis zu privaten Initiativen ist alles vertreten und jeder Träger entscheidet nach den jeweiligen Gegebenheiten über die Ausgestaltung der Verpflegung in seinen Einrichtungen. Entsprechend groß ist auch die Vielfalt bei den Angeboten. Die Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie das Saarland haben Möglichkeiten entwickelt, die DGE-Qualitätsstandards verpflichtend umzusetzen. Berlin und Bremen können dies als Träger ihrer jeweiligen Einrichtungen festlegen, das Saarland verknüpft die Fördermittel für die Ganztagsschule mit der Umsetzung des DGE-Qualitätsstandards (im Saarland wird die Betreuung der Schülerinnen und Schüler in der freiwilligen Ganztagsschule an Maßnahmenträger vergeben). In den restlichen Bundesländern sind die Träger relativ frei in der Gestaltung der Essensangebote, eine Meldepflicht über die Angebote besteht nicht. Deshalb können auch keine konkreten Aussagen über die Anwendung der DGE-Standards gemacht werden. Hinweise ergeben verschiedene Befragungen, die in letzter Zeit durchgeführt worden sind. So hat die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg unter wissenschaftlicher Leitung von Frau Prof. Dr. Arenz-Azevedo bundesweite repräsentative Erhebungen zur Kita- und zur Schulverpflegung durchgeführt. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung war 2013 für die Studie Is(s)t Kita gut? bundesweit eine repräsentative Stichprobe von 1082 Kindertagesstätten befragt worden. Die Studie ergab, dass sich nur ein gutes Drittel (34,1 Prozent) der befragten Kitas an einem externen Standard für die Verpflegung orientiert: 18,4 Prozent am DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder, 3,9 Prozent am OptimiX-Konzept, 2,6 Prozent an der sogenannten Bremer Checkliste und 9,2 Prozent an anderen Standards. 2014 sind die Ergebnisse einer im Auftrag des BMEL durchgeführten bundesweiten Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung veröffentlicht worden. Hierfür waren jeweils repräsentative Stichproben von Schulleitungen, Schulträgern sowie Schülerinnen und Schülern ausgewählt und befragt worden. Die Ergebnisse dieser Erhebung zeigen, dass der Qualitätsstandard für die Schulverpflegung bei den Schulträgern relativ gut bekannt ist. Je nach Bundesland wird die Umsetzung auch vertraglich gefordert, in Rheinland -Pfalz bei zum Beispiel 86 Prozent der Schulträger, in anderen Bundesländern liegt dieser Wert teilweise deutlich niedriger, in einigen Stadtstaaten und im Saarland liegt er bei 100 Prozent. Die Einhaltung dieser vertraglichen Festlegung wird jedoch nur in 27,7 Prozent der Fälle auch überwacht, in Rheinland-Pfalz in 50 Prozent der Fälle. 14. Mit welchen Maßnahmen setzt sich die Landesregierung für eine qualitative Verbesserung in der Gemeinschaftsverpflegung ein? Die Optimierung der Verpflegung in Kindertagesstätten und Schulen ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Zur Umsetzung haben die Vernetzungsstelle Schul- und Kitaverpflegung des Landes und die Ernährungsberatung der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) ein umfangreiches Informations- und Beratungsangebot entwickelt. So werden regelmäßig Seminarreihen für Verantwortliche und für Akteure in der Schul- und Kitaverpflegung angeboten. Für Schulen gibt es ein Qualifizierungsprojekt, bei dem die Ernährungsberatung der DLRs Schule und Schulträger auf ihrem individuellen Weg zu einer guten Schulverpflegung unterstützt und gelungene Konzepte mit Qualifizierungssternen auszeichnet. Schulen können ihre Verpflegung im Rahmen eines Speiseplanchecks daraufhin überprüfen lassen, ob sie den Kriterien des DGE-Qualitätsstandards genügt. Für Schulträger wurde ein Online-Tool entwickelt, welches diese kostenlos zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für die Verpflegung in ihren Einrichtungen nutzen können. Für Kindertagesstätten hat die Ernährungsberatung an den DLRs in Zusammenarbeit mit der peb (Plattform Ernährung und Bewegung e. V.) ein Coaching-Projekt entwickelt, in dessen Rahmen Kindertagesstätten professionell bei der Umsetzung einer guten Verpflegung in Kombination mit nachhaltiger Ernährungsbildung unterstützt werden. Ziel dieses Projekts ist, dass Ernährungsbildung und gute Ernährung langfristig in möglichst vielen Kitas verankert werden. 14 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Des Weiteren ist im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, dass „gesundes, regionales und möglichst ökologisch produziertes Essen in möglichst vielen Mensen, Kindergärten und Schulen angeboten wird“. Um den Einsatz von regionalen und ökologisch erzeugten Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) weiter auszuweiten, werden vom Land Projekte unterstützt mit dem Ziel, Betriebskantinen oder Kantinen öffentlicher Einrichtungen zu gewinnen, die regionale und Bio-Produkte dauerhaft in ihr Angebot aufnehmen. Die Umstellung soll mithilfe einer individuellen Beratung der Akteure in den Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung erreicht werden, die beispielsweise vom Land gefördert wird. Die Erkenntnisse sollen in einem Leitfaden zusammengefasst werden, der allen Einrichtungen des Landes zur Verfügung gestellt werden soll. 15. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Aussagen zum Krebsrisiko des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat durch die Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation? Der Wirkstoff Glyphosat wurde durch die internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft (in einer Vorabveröffentlichung vom März 2015 bzw. der ausführlichen Version vom Juli 2015). Eine kanzerogene Wirkung des Wirkstoffs kann also nicht ausgeschlossen werden und wird von der WHO weiter untersucht. Die Landesregierung fühlt sich dem Vorsorgegedanken im Hinblick auf die menschliche Gesundheit verpflichtet. Gleiches gilt auch für Gefährdungen der Biodiversität, wie sie gerade beim Einsatz von Totalherbiziden gegeben ist. Durch die Kombination des Glyphosat mit Netzmitteln (z. B. Tallowamin) erhöht sich die Toxizität. Im Übrigen besteht aufgrund der EU-Pflanzenschutzrahmenrichtlinie 2009/128/EG und des Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz ein Minimierungsgebot für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln . Neben den Gefahren für die menschliche Gesundheit hat die Ausbringung von Glyphosaten auch negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, Gewässer und Nutzorganismen zum Beispiel Bienen). Einer noch 2015 anstehenden Entscheidung der Europäischen Kommission zur Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat müssen nach Auffassung der Landesregierung weitere kritische Untersuchungen und eine sorgfältige Bewertung aller vorliegenden Veröffentlichungen durch wissenschaftliche Organisationen und Behörden vorangehen. Die Zuständigkeit für die gesundheitliche Bewertung von Glyphosat im Wiederzulassungsprozess liegt beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Der hierüber Bericht erstattende EU-Mitgliedstaat ist Deutschland. Die Landesregierung betrachtet, gerade auch auf der Basis der aktuellen Empfehlung der IARC, den verbreiteten Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft sowie auf öffentlichen und privaten Flächen als sehr besorgniserregend . Sie strebt daher generell die Minimierung des Glyphosat–Einsatzes an und hat bis zur Klärung des wissenschaftlichen Diskurses deshalb aus Vorsorgegründen verschiedene Maßnahmen ergriffen (siehe Antwort zu Frage 16). 16. Welche Maßnahmen unternimmt das Land, um den umstrittenen Glyphosat-Einsatz zu begrenzen? Das Land Rheinland–Pfalz ergreift vielfältige Aktivitäten, um den Einsatz von Glyphosat zu reduzieren, und generell dem Minimierungsgebot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, wie er in der EU-Pflanzenschutzrahmenrichtlinie (EG/2009/128) und dem Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz festgelegt ist, nachzukommen. Ziel ist einerseits die Reduzierung der Belastungen für den Naturhaushalt durch Pflanzenschutzmittel und anderseits der Schutz der Anwenderinnen und Anwender wie auch der Verbraucherinnen und Verbraucher. Auf politischer Ebene hat sich die Landesregierung im Bundesrat und auf mehreren Agrar-, Umwelt- und Verbraucherschutzministerkonferenzen dafür eingesetzt, den rechtlichen Rahmen für die Minimierung des Glyphosat-Einsatzes zu schaffen. So wurden Initiativen ergriffen, den Verkauf von Glyphosat-Mitteln an und den Einsatz durch nichtsachkundige Personen (Haus- und Freizeitgärtner) zu verbieten. Die Landesregierung sieht es als eine begrüßenswerte Konsequenz dieser Initiativen an, dass verschiedene Baumarkt-Ketten bereits glyphosathaltige Produkte aus ihren Angeboten herausgenommen haben. Ferner konnte erreicht werden, dass der Glyphosat-Einsatz auch in der Landwirtschaft deutlich eingeschränkt wurde (Bundesratsbeschluss vom 8. November 2013, Drucksache 704/13). Glyphosat ist nun nicht mehr generell zur Abreifesteuerung bzw. Optimierung der Ernteabläufe (Mähdreschereinsatz) in stehenden Kulturen (Getreide, Raps) erlaubt (Anwendungsauflage des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 21. Mai 2014). Der Einsatz ist hier nur noch auf wenige Ausnahmen beschränkt (starker Unkrautdurchwuchs, Zwiewuchs in lagernden Kulturen). Die Reduktion des Glyphosat-Einsatzes spielt auch in der Arbeit der Beratungsinstitutionen des Landes eine wichtige Rolle. Die Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) beraten zum Verzicht auf Glyphosat-Anwendungen und zur Nutzung alternativer Verfahren in Acker-, Garten- und Weinbau. So werden mechanische Bekämpfung im Acker- und Gemüsebau bzw. die Nutzung von Bodenbedeckungen (z. B. Mulch oder Mulchfolien) im Obst- und Gemüsebau stark favorisiert. In Obst- und Weinbau wird die Begrenzung des Glyphosat-Einsatzes auf die Baumstreifen bzw. die Rebzeilen angeraten, sodass der größte Teil der Anlagenflächen unbehandelt bleibt. Mittlerweile beschränkt sich hier die Glyphosat-Anwendung auf ca. ein Drittel der Anlagenflächen. Im Kommunalbereich zielt die Beratungsstrategie auf einen völligen Verzicht der Glyphosat-Anwendung ab. Es wird die Nutzung mechanischer oder thermischer Verfahren zur Unkrautbekämpfung empfohlen bzw. die bauliche Gestaltung von Plätzen und Wegen dergestalt angeraten, dass es nicht zu unerwünschtem Pflanzenaufwuchs kommt. Kommunen bzw. kommunale Bedienstete werden in Kooperation mit dem Gemeinde- und Städtebund durch zahlreiche Beiträge in den Verbandszeitschriften, den Mitteilungsblättern für Bauhöfe/Grünflächenämter und speziell konzipierte Vortrags- und Demonstrationsveranstaltungen (zuletzt auf 15 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode der Landesgartenschau in Landau) informiert und geschult. Im Rahmen der Fort- und Weiterbildung zur Sachkunde im Pflanzenschutz wurde hier ein Schwerpunkt gesetzt. Freizeitgärtnern (Haus- und Kleingärtner) wird ebenfalls empfohlen, auf Glyphosat zu verzichten und alternative Bekämpfungsverfahren zu nutzen. In Kooperation der Gartenakademie Rheinland-Pfalz (DLR Rheinpfalz ) mit den Kleingartenvereinen konnten hier große Erfolge erzielt werden. Allgemein wurde die Bevölkerung wiederholt durch Beiträge in den sehr weit verbreiteten amtlichen Mitteilungsblättern der Verbandsgemeinden in Rheinland–Pfalz zur GlyphosatProblematik aufgeklärt. Die Landesregierung hat aus Vorsorge- und Umweltgründen und zur Verminderung des Einsatzes von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln angeordnet, eine Anwendung dieser Mittel auf öffentlichen Nichtkulturland-Flächen in Rheinland-Pfalz nicht mehr zu genehmigen. Die Politik der Landesregierung zielt darauf ab, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, die oft Gene für eine Herbizidtoleranz gegen Glyphosat tragen, in Rheinland-Pfalz bzw. in ganz Deutschland zu verhindern. Die Nutzung dieser Nutzpflanzen wäre unweigerlich mit dem verstärkten Einsatz solcher Breitbandherbizide verbunden. Der Verzicht auf diese GVO bewirkt also auch einen Beitrag zur künftigen Vermeidung des Einsatzes von Glyphosat in der Landwirtschaft. Rheinland-Pfalz hat zusammen mit einigen anderen Bundesländern am 10. Juli 2015 einen Antrag zur Änderung des Gentechnikgesetzes in den Bundesrat eingebracht (siehe Ziffern 51 und 52). 17. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Rückstandsbelastungen, insbesondere Pestizide, Antibiotika, pathologischen Keimen, Schwermetallen und Chemikalien in Lebens- und Futtermitteln und Wasser vor und wie bewertet sie diese Erkenntnisse? Lebensmittel Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung beteiligt sich das Landesuntersuchungsamt (LUA) jedes Jahr an diversen bundesweiten Untersuchungsprogrammen zu Rückständen und Kontaminanten in Lebensmitteln und führt eigene Untersuchungen durch. Diese fließen in die Berichterstattung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ein. a) Belastung mit Pflanzenschutzmittelrückständen (Pestiziden): Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittel-Rückstände sind auf europäischer Ebene für jeden Wirkstoff und aufgeschlüsselt nach jeweiligem Lebensmittel festgelegt. Wenn für eine Wirkstoff-/Lebensmittel-Kombination kein expliziter Rückstandshöchstgehalt festgesetzt ist, gilt ein pauschaler Grenzwert von 0,01 mg/kg. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung werden Lebensmittel stichprobenartig und risikoorientiert auf die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Höchstgehalte untersucht. Im Rahmen der Nationalen Berichterstattung „Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln“ veröffentlicht das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die bundesweit vorliegenden Untersuchungsdaten zu Pflanzenschutzmittelrückständen . Bei diesen Auswertungen muss berücksichtigt werden, dass die untersuchten Proben größtenteils risikoorientiert entnommen worden sind, d. h. Lebensmittel, die in der Vergangenheit auffällig waren, werden häufiger und mit höheren Probenzahlen untersucht als solche, bei denen man aus Erfahrung keine erhöhte Rückstandsbelastung erwartet. Aus diesem Grund erlauben die in diesen Berichten dargestellten Ergebnisse keine Rückschlüsse auf die Belastung der Gesamtheit der auf dem Markt befindlichen Lebensmittel. Im Jahr 2013 wurden in der Bundesrepublik Deutschland durch die amtliche Lebensmittelüberwachung der Länder insgesamt 17 473 Lebensmittelproben auf das Vorkommen von Pflanzenschutzmittelrückständen untersucht. „[...] In 63,7 Prozent der Lebensmittel tierischen Ursprungs wurden keine quantifizierbaren Rückstände identifiziert (2012: 43,0 Prozent). 13 Proben (0,7 Prozent) wiesen Rückstände über dem Rückstandshöchstgehalt auf, wovon 4 Proben (0,2 Prozent) beanstandet wurden. [...] Bei Obst, Gemüse und anderen pflanzlichen Erzeugnissen [...] findet sich mit 69,0 Prozent der größte Anteil von mit Rückständen belasteten Proben (2012: 65,9 Prozent). Die Zahl an Rückstandshöchstgehaltsüberschreitungen liegt bei 2,4 Prozent (322 Proben), die Beanstandungsquote bei 1,4 Prozent (186 Proben) und damit auf dem Niveau der Vorjahre. Wie bereits in den Vorjahren wurde auch im Jahr 2013 eine gesonderte Auswertung der insgesamt 1 721 Proben (9,9 Prozent der Gesamtprobenzahl) aus ökologischem Anbau durchgeführt. Die Belastung dieser Proben ist verglichen mit der Probengesamtheit deutlich niedriger. So enthielten 1 168 Proben (67,9 Prozent) aus ökologischem Anbau keine quantifizierbaren Rückstände (2012: 70,6 Prozent). Bei nur 87 Proben (0,5 Prozent) lagen die gefundenen Rückstände über den Rückstandshöchstgehalten (2012: 0,7 Prozent), die in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 festgelegt sind. Beanstandet wurden davon sechs Proben (0,35 Prozent). Die Belastung von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmittelrückständen kann in Abhängigkeit ihrer Herkunft stark variieren. [...] So wurden im Berichtsjahr 0,6 Prozent der untersuchten deutschen (2012: 0,6 Prozent) und 0,4 Prozent der europäischen Erzeugnisse (2012: 0,7 Prozent) aufgrund von Rückstandshöchstgehaltsüberschreitungen beanstandet. Bei Lebensmitteln aus Drittstaaten erfolgte hingegen bei 4,0 Prozent der Proben eine Beanstandung (2012: 4,5 Prozent).“ 20) 16 20) http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/nbpsm/NBPSMR_2013.pdf?__blob=publicationFile&v=6. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Im Jahr 2014 hat das Landesuntersuchungsamt im Rahmen der „Nationalen Berichterstattung Pflanzenschutzmittelrückstände“, wozu auch die Monitoringproben zählen, folgende Lebensmittelproben auf Pflanzenschutzmittelrückstände untersucht: – 652 Proben Lebensmittel pflanzlicher Herkunft. Bei 45 Proben handelte es sich um Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung. Zehn Proben wurden beanstandet, weil ein Rückstandshöchstgehalt überschritten wurde. Keine dieser zehn Proben stammte aus ökologischer Erzeugung. – 311 Proben Lebensmittel tierischer Herkunft. Bei zwei Proben handelte es sich um Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung. Eine Probe wurde beanstandet, weil ein Rückstandshöchstgehalt überschritten wurde. Diese Probe stammte nicht aus ökologischer Erzeugung. Die Bewertung der Daten zeigt, dass es gerade bei deutschem Obst und Gemüse nur selten zu Beanstandungen kommt. Dies liegt daran, dass viele Landwirte nach der guten landwirtschaftlichen Praxis arbeiten und Eigenkontrollen durchführen. Hinzu kommen die stichprobenartigen Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Auch die Handelsketten legen bei Obst und Gemüse zunehmend Wert auf einen umsichtigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. Sie verlangen von ihren Lieferanten, die amtlichen Höchstgehalte nur zum Teil auszuschöpfen und die Zahl der gleichzeitig eingesetzten Wirkstoffe zu begrenzen. b) Belastung mit Tierarzneimittelrückständen: Die rheinland-pfälzische Landesregierung misst der Überwachung von Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln große Bedeutung zu. Die Überwachung erfolgt insbesondere über den federführend vom BVL erstellten, bundesweit verbindlichen Nationalen Rückstandskontrollplan (NRKP), nach dem in Abhängigkeit vom Umfang der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sowie von der Zahl der Schlachtungen amtliche Proben risikoorientiert entnommen und untersucht werden. Die Untersuchung auf Rückstände von Antibiotika ist ein wesentlicher Aspekt des NRKP. Für legal anwendbare Stoffe wurden EU-weit einheitliche Rückstandshöchstmengen festgelegt. Dies hat zur Folge, dass nach Anwendung eines bestimmten Arzneimittels eine definierte Mindestwartezeit eingehalten werden muss, bis das Tier geschlachtet werden darf bzw. bis von diesem Tier Lebensmittel (Eier/Milch/Honig) gewonnen werden dürfen. Bundesweit wurden bei Rindern im Jahr 2013 bei 3 032 auf Stoffe mit antibakterieller Wirkung untersuchten Proben in zwei Fällen (0,07 Prozent) Rückstände oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalts gefunden. Bei Schweinen wurden im selben Jahr 9 658 Proben auf Stoffe mit antibakterieller Wirkung untersucht, neun Proben (0,09 Prozent) enthielten Rückstände oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalts. Beim Geflügel enthielten von den 2 590 auf Stoffe mit antibakterieller Wirkung untersuchten Proben drei Proben (0,12 Prozent) Rückstände oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalts. In Schafproben wurden im Jahr 2013 keine Rückstände von Tierarzneimitteln nachgewiesen. Von den 1 442 im Jahr 2013 auf antibakteriell wirksame Stoffe untersuchten Milchproben enthielt eine Probe Rückstände oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalts. Weiter wurden 155 Eierproben und 113 Honigproben auf antibakteriell wirksame Stoffe untersucht. Keine der Proben wies Rückstände oberhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalte auf. Im Ergebnis stellt sich die Belastung mit Rückständen antibakteriell wirksamer Stoffe als sehr niedrig dar. Eng mit der Frage der Rückstände antibakteriell wirksamer Stoffe verbunden ist die Frage des Auftretens pathogener sowie (multi-)resistenter Keime: c) Belastung mit pathogenen Keimen: Pathogene Keime sind im engeren Sinne Bakterien, die geeignet sind, beim Menschen eine Erkrankung hervorzurufen. Hierzu zählen beispielsweise Salmonellen, Listerien, Campylobacter, Verotoxin bildende E. coli oder Yersinien. Möglich ist, dass solche Bakterien zusätzlich zu ihren krankmachenden Eigenschaften auch Resistenzen besitzen, die sie gegenüber gängigen Antibiotika widerstandsfähig machen. Andererseits gibt es an sich nicht-pathogene Keime, die Resistenzen erworben haben und diese an andere Bakterienarten weitergeben können. Die Landesregierung beschäftigt sich intensiv mit diesen Fragestellungen. Die Verhinderung und Bekämpfung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche ist eine zentrale Aufgabe der Lebensmittelüberwachung. Auf Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Zoonosen Lebensmittelkette wird jährlich der bundesweit verbindliche Zoonosen-Stichprobenplan erarbeitet, der das Vorkommen der relevanten pathogenen Keime entlang der Lebensmittelkette untersucht. Die Probenverteilung auf die Länder richtet sich nach Bevölkerungszahl, Tierbestand und Produktionsmengen. Die Ergebnisse ermöglichen eine Aussage zur Situation in Deutschland, lassen jedoch aus statistischen Gründen keine belastbaren Aussagen auf die Situation in Rheinland-Pfalz zu. Detaillierte Ausführungen zur Situation in Rheinland-Pfalz und die fachliche Bewertung hierzu finden sich in den Drucksachen 16/4582 und 16/4694 in Beantwortung der Kleinen Anfragen 2998 bzw. 3063, die sich mit „Antibiotikaresistenten Keimen in Putenfleisch“ und „Krankmachenden Bakterien und antibiotikaresistenten Keimen in Hackfleisch“ befassen. Eine Kernaussage der Antworten ist, dass die Resistenzeigenschaft per se noch kein Beurteilungskriterium hinsichtlich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit darstellt. Der Bund ist aufgefordert, die entsprechende Risikobewertung zu dieser Fragestellung zu aktualisieren. 17 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode d) Belastung mit Kontaminanten (z. B. Schwermetalle, Dioxine, PCB): Schwermetalle wie Zink oder Eisen sind nicht nur essenzielle Bestandteile von Lebensmitteln – einige Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder Quecksilber können auch die menschliche Gesundheit schädigen. Daher sind in der europäischen KontaminantenHöchstgehalte -Verordnung (VO (EG) Nr. 1881/2006) auch Höchstgehalte für Blei, Cadmium oder Quecksilber festgelegt; bei Überschreitung dieser Werte sind die Lebensmittel nicht mehr verkehrsfähig. Blei kann laut BVL in Altbauten auftreten, in denen noch Wasserleitungen aus Blei eingebaut sind. Hohe Cadmium-Konzentrationen werden häufig in Gemüsen, Speisepilzen und in Innereien von Schlachttieren gefunden. Organisch gebundenes Quecksilber (beispielsweise Methylquecksilber) kommt vorwiegend in Fischen und Muscheln vor. Sie sind die Hauptquelle für die Aufnahme von Quecksilber über Lebensmittel. Anorganisches Quecksilber kommt meist in Obst, Gemüse und Pilzen vor. Arsen wird in der Nahrungskette beispielsweise in Muscheln, Garnelen und Fischen angereichert. Sie sind die Hauptquelle für die Arsenaufnahme des Menschen. Obgleich Arsen nur ein Halbmetall ist, wird es bei Kontaminanten in der Gruppe der giftigen Schwermetalle häufig aufgeführt.“ Chlororganische Verbindungen wie Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB) sind Umweltkontaminanten, die sich aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften vor allem in fettreichen tierischen Lebensmitteln anreichern. Das LUA untersucht daher insbesondere tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Eier regelmäßig auf Dioxine und PCB; in Einzelfällen kommt es zu Beanstandungen , d. h. zu Überschreitungen der gesetzlich festgelegten Höchstgehalte. Die Dioxinbelastung der Bevölkerung hat in den letzten Jahren erfreulicherweise deutlich abgenommen. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) sank der Gehalt an Dioxinen in der Muttermilch seit den 1980er Jahren um mehr als 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund sind vereinzelt auftretende erhöhte Gehalte von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln grundsätzlich insgesamt gesehen unkritisch , gleichwohl sind weiterhin Maßnahmen zu ihrer Reduzierung zu ergreifen. In Bezug auf zahlreiche weitere Kontaminanten, die durch die Verarbeitung von Lebensmitteln entstehen können (z. B. Acrylamid oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) oder als Agrarkontaminanten (z. B. Mykotoxine) oder als anthropogene Umweltkontaminanten (z. B. perfluorierte Alkylsubstanzen) im Bereich der Lebensmittelsicherheit untersucht und bewertet werden, wird auf die umfangreichen Veröffentlichungen des BVL und des BfR verwiesen. Grundsätzlich ist anzumerken, dass sich ein potenzielles Gesundheitsrisiko durch schadstoffbelastete Lebensmittel verringern lässt, wenn bei der Auswahl von Lebensmitteln die Empfehlungen zu Abwechslung und Vielfalt berücksichtigt werden. Hierzu geben Bundund Länderbehörden spezifische Verzehrempfehlungen aus. Futtermittel Die Durchführung der amtlichen Futtermittelkontrolle in Rheinland-Pfalz basiert auf dem „Kontrollprogramm Futtermittel für die Jahre 2012 bis 2016“, das zur Gewährleistung einer einheitlichen Überwachungstätigkeit von den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder erstellt wurde. Es wird regelmäßig unter Berücksichtigung der Kontrollergebnisse der Vorjahre, der konkreten Bedingungen einzelner Länder, der Empfehlungen der EU sowie aktueller Problemstellungen im Futtermittelsektor aktualisiert. Das Kontrollprogramm ist Bestandteil des Mehrjährigen Nationalen Kontrollplans gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz. Im Rahmen der Betriebsinspektionen in den Futtermittelunternehmen werden risiko- und verdachtsorientierte Probenahmen, bzw. zufallsorientierte Probenahmen durchgeführt sowie analytische Untersuchungen eingeleitet. Die Beanstandungsquote ist bei den „unzulässigen Stoffen“, d. h. verbotene tierische Bestandteile, nicht mehr zugelassene oder für die jeweilige Tierart nicht zugelassene Zusatzstoffe, sonstige nicht zugelassene Stoffe (Verschleppung, illegaler Einsatz von Arzneimitteln ), seit Jahren sehr gering. Bei deutschlandweit 38 959 Bestimmungen kam es 2013 in 0,1 Prozent der Fälle zu Beanstandungen. Als „unerwünschte Stoffe“ gelten insbesondere organische Chlorverbindungen, Schwermetalle, Dioxine, PCB oder Mykotoxine. In 2013 wurden 53 238 Bestimmungen dieser Stoffe in Futtermitteln durchgeführt. Die höhere Beanstandungsquote im Jahr 2011 (0,9 v. H.) im Vergleich zu den beiden Jahren 2012 und 2013 (0,3 v. H. bzw. 0,4 v. H.) resultierte im Wesentlichen auf einer Zunahme der Beanstandungen durch Verfolgungsuntersuchungen bei Dioxinen infolge der Dioxinereignisse Ende des Jahres 2010/Anfang 2011 bei Futterfetten und 2011 bei Nebenerzeugnissen der Zuckerrüben. In 2013 wurden in Deutschland insgesamt rund 67 592 Einzelbestimmungen auf Rückstände an Pflanzenschutzmitteln in Futtermitteln durchgeführt. Bei unbearbeiteten Futtermitteln wurden 42 673 Einzelbestimmungen durchgeführt. Es wurden neun Beanstandungen (in sieben Proben) ausgesprochen, davon insgesamt sieben Beanstandungen (bei fünf Proben) bei Ölsaaten und Ölfrüchten (eine Cypermethrin, zwei Pirimiphosmethyl, drei Carbofuran, eine Tebuconazol), eine Beanstandung (Terbuthylazin) bei Körnerleguminosen und eine Beanstandung (Pirimiphosmethyl) bei einem „sonstigen unbearbeiteten Einzelfuttermittel“ als Ölsaaten und Ölfrüchten, Getreidekörnern oder Körnerleguminosen. 18 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Der Umfang der Bestimmungen von Pflanzenschutzmitteln in bearbeiteten Futtermitteln belief sich auf 24 919. Es wurden insgesamt zwei Beanstandungen (eine Malathion, eine Pirimiphosmethyl) bei zwei bearbeiteten Einzelfuttermitteln ausgesprochen. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2013 58 und im Jahr 2014 68 Futtermittel auf ihren Gehalt an Glyphosat untersucht. Überschreitungen der Höchstgehalte an Glyphosat wurden nicht festgestellt. Rückstände an Tallowaminen in Futtermitteln wurden nicht festgestellt. Zur Bei der Kontrolle auf „verbotene Stoffe“ ergab sich bei 1 692 durchgeführten Untersuchungen vor allem auf gebeiztes Getreide, behandeltes Holz, Verpackungsmaterialien oder Abfälle 2013 eine im Vergleich zum Vorjahr gleich niedrige Beanstandungsquote von 0,7 v. H. Wasser Die Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung ist im Rahmen der Daseinsvorsorge Aufgabe der Kommunen. Trinkwasser ist das Lebensmittel Nummer Eins. Es muss im Sinne der Trinkwasserverordnung so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist. Dazu enthält die Trinkwasserverordnung Grenzwerte für mikrobiologische und chemische Parameter sowie Grenzwerte und Anforderungen für Indikatorparameter. Grundsätzlich halten alle Wasserversorgungsunternehmen in Rheinland-Pfalz die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung ein. Im Falle einer Nichteinhaltung eines Grenzwertes entscheidet das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über weitere Maßnahmen. Grenzwerte für bestimmte Antibiotika enthält die Trinkwasserverordnung bisher nicht. Es ist theoretisch davon auszugehen, dass entsprechende Substanzen weitestgehend durch die Bodenpassage (Uferfiltrat) sowie durch geeignete Aufbereitungsschritte (Aktivkohle, Ozonierung) zurückgehalten werden können. Erstmals wurden mit dem Bericht „Grundwassermonitoring 2011/2012“ des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht – LUWG – in Rheinland-Pfalz 13 ausgewählte Arzneimittelwirkstoffe analysiert. Die Wirkstoffauswahl orientierte sich auch an bereits vorliegenden Befunden aus anderen Bundesländern. Potenzielle Eintragspfade in das Grundwasser sind neben der Wechselwirkung zu entsprechend abwasserbelasteten Oberflächengewässern auch die Ausbringung von Wirtschaftsdünger , Stallmist und Jauche bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Bei 120 untersuchten Messstellen konnte bis auf Carbamazepin (Antiepileptikum), Diclofenac (Analgetika) und Clofibrinsäure (Lipidsenker) keine der untersuchten Substanzen quantifiziert werden. 18. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von ökologisch erzeugten Produkten im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung? Ökologisch erzeugte Produkte schonen aufgrund ihrer Produktionsbedingungen die Umwelt und können zu einer gesundheitsfördernden Lebensweise beitragen. Sie sind meist reicher an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen, wie z. B. Antioxidantien und enthalten in der Regel keine oder kaum Rückstände von Pestiziden oder Tierarzneimitteln. Das Land Baden-Württemberg führt seit dem Jahr 2002 ein spezielles Untersuchungsprogramm durch, das gezielt Ökoprodukte mit Ware aus konventioneller Produktion vergleicht. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung werden Lebensmittel aus ökologischem Anbau systematisch auf Rückstände und Kontaminationen untersucht.21) Im Jahr 2014 setzte sich dabei der Trend der vergangenen Jahre fort: Wie in den Vorjahren unterscheidet sich ökologisches Obst und Gemüse sehr deutlich von konventionell erzeugter Ware, sowohl bezüglich der Häufigkeit von Rückstandsbefunden als auch der Rückstandsgehalte chemisch-synthetischer Pestizide. Eine Meta-Studie, die von der englischen Universität Newcastle gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) der Schweiz erstellt und im British Journal of Nutrition (September 2014) veröffentlicht wurde, belegt signifikante Unterschiede zwischen biologischen und konventionellen Lebensmitteln. Die Auswertung von weltweit 343 Untersuchungen zur Qualität von Bio-Lebensmitteln zeigt, dass Bio-Produkte gesünder sind: – Sie enthalten bis zu 69 Prozent mehr Inhaltsstoffe wie Antioxidantien und andere sekundäre Pflanzenstoffe, die das Risiko chronischer Erkrankungen reduzieren (z. B. Kreislauferkrankungen, Krebs, Neurologische Krankheiten). – Sekundäre Pflanzenstoffe sind stärker konzentriert, wenn biologisch gedüngt wird, sie sind aber unabhängig von der Art des Pflanzenschutzes. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass bei hoher Versorgung mit Stickstoff die Pflanzen über verstärktes Längenwachstum primär um Licht konkurrieren und die Abwehrreaktion gegenüber Schädlingen (Phenolbildung) in den Hintergrund tritt. – Die Belastung von Bio-Lebensmitteln mit schädlichen Stoffen wie Cadmium ist deutlich geringer als bei konventionell erzeugten Produkten. Der Eintragspfad von Cadmium in konventionelle Lebensmittel ist die mineralische Phosphordüngung, die in der Ökologischen Landwirtschaft nicht zulässig ist. 19 21) Ökomonitoring 2014; Ergebnisse der Untersuchungen von Lebensmitteln aus ökologischem Landbau; Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Pestizidrückstände treten viermal so häufig in konventionell erzeugten Früchten auf. Die Pestizidrückstände in Obst sind am höchsten, gefolgt von Gemüse und industriell verarbeiteten Lebensmitteln. Dass überhaupt Rückstände von Pestiziden in Biolebensmittel nachgewiesen werden, liegt insbesondere an Abdrift von Pflanzenschutzmitteln von konventionell bewirtschafteten Flächen und an Altlasten, die vor der Umstellung auf Ökolandwirtschaft entstanden sind und über viele Jahre nachwirken. Ernährung und Bildung 19. Wie sieht aus Sicht der Landesregierung eine gute und nachhaltige Ernährung in Rheinland-Pfalz aus? Die Landesregierung lehnt sich bei der Definition nachhaltiger Ernährung an das Modell des Wissenschaftlers Karl von Koerber an. Nachhaltige Ernährung hat danach fünf Dimensionen: 1. Umweltverträglichkeit Es werden Produkte ausgewählt, die bei der Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung und Zubereitung die Umwelt möglichst gering belasten. 2. Wirtschaftsverträglichkeit Lebensmittelpreise sollen so gestaltet sein, dass sie Erzeugern und Verarbeitern ein angemessenes Einkommen ermöglichen. Langfristiges Ziel ist es außerdem, dass Lebensmittelpreise auch die sozialen und ökologischen Folgekosten beinhalten. 3. Sozialverträglichkeit Lebensmittel sollen so erzeugt und verarbeitet werden, dass weder Menschen noch Tiere ausgebeutet oder Risiken ausgesetzt werden. 4. Gesundheitsverträglichkeit Eine nachhaltige Ernährung soll die Gesundheit erhalten und fördern. Wie die Zusammensetzung einer gesunden Ernährung aussehen sollte, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihren Ernährungsempfehlungen und Qualitätsstandards beschrieben. Diese sind Richtschnur für die Landesregierung. 5. Ernährungskultur Eine nachhaltige Ernährungskultur schafft Verbindung zur Region, der Natur und den Menschen, die die Lebensmittel erzeugen. Sie bedeutet, frische Lebensmittel selbst und unter anderem nach traditionellen Rezepten zuzubereiten. Werden die fünf Dimensionen der nachhaltigen Ernährung bei der Lebensmittelauswahl berücksichtigt, ergibt sich eine Ernährungsweise mit überwiegend pflanzlichen Lebensmitteln, gering verarbeitet und saisonal frisch zubereitet, aus ökologischem, regionalem Anbau oder fairem Handel. Weitere Aspekte sind die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und eine möglichst ressourcenschonende Beschaffung und Verarbeitung der Produkte. 20. Wie bewertet die Landesregierung die Umsetzung, Entwicklung und Praxis der „Richtlinie Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz“ im Hinblick auf die Ernährungsbildung? Grundlage der Richtlinie Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz sind die Ergebnisse des REVISForschungsprojekts (Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung) sowie das Europäische Kerncurriculum zur Ernährungsbildung . Die Richtlinie greift die Ergebnisse, bestehend aus Bildungszielen, Kerncurriculum und Kompetenzen, auf und entwickelt daraus einen Referenzrahmen, der die fachlichen Forderungen einer Ernährungs- und Gesundheitsbildung in ein Konzept der Verbraucherbildung einbindet. Dadurch wird Ernährungsbildung eine Aufgabe, die von der Primarstufe bis zum Abschluss in allen Bildungsgängen verankert ist. Die Struktur der Richtlinie erfordert Vernetzung verschiedener Fachrichtungen und Disziplinen. Das fachbezogene Lernen wird durch fächerverbindende und fachübergreifende Zusammenarbeit ergänzt; Schülerinnen und Schüler können Problemzusammenhänge ganzheitlich und lebensnah erfahren. In der Richtlinie erfolgt keine Zuordnung der Kompetenzen und Inhalte der Ernährungsbildung zu einzelnen Fächern und Jahrgangsstufen . Genauere Ausführungen bleiben den Rahmenplänen bzw. den Rahmenlehrplänen der jeweiligen Fächer oder der Lernbereiche sowie den schuleigenen Arbeitsplänen vorbehalten. Dabei soll Ernährungsbildung als wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Gesundheitsbildung aufgefasst und in das Konzept einer gesundheitsfördernden Schule eingebettet werden. Eine begleitende Online-Fortbildung in Kooperation mit der Universität Koblenz-Landau unterstützt Lehrkräfte bei der Umsetzung der Inhalte der Richtlinie im Unterricht. Darüber hinaus gibt es regelmäßig eine Vielzahl an Fortbildungsveranstaltungen zu Einzelfragen der Ernährung. Allein im Jahr 2014 fanden 21 Fortbildungsveranstaltungen zu Ernährungsthemen statt, z. B. ABC der Lebensmittel, Food Coaching und Bewegung für Kinder, Nachhaltige Ernährung, Globales Essen, Vegetarisch essen, Biologische Vielfalt am Beispiel Tomate, Brainfood u. v. m. 20 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Um den Unterricht noch vielfältiger und praxisorientierter zu gestalten, stellt das Land z. B. mit der Kampagne „Rheinland-Pfalz isst besser“ eine Vielzahl an zusätzlichen Projektangeboten auf Basis der Richtlinie zur Verfügung. Im Rahmen des Schulobstprogramms werden die teilnehmenden Schulen zudem zur Ernährungsbildung verpflichtet. Weitere Informationen finden sich in der Antwort auf Frage 25. Die Richtlinie trägt entscheidend dazu bei, dass sich alle Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz im Laufe ihrer Schulzeit – unabhängig von der Schulform – in verschiedenen Klassenstufen immer wieder mit Fragen der Ernährungs- und Verbraucherbildung auseinandersetzen und so umfassende Ernährungskompetenz erwerben. Ernährungskompetenz ist eine Schlüsselkompetenz in der Daseinsvorsorge und unterstützt bei der Bewältigung und Gestaltung des Alltagslebens und der in dieser Anfrage an verschiedenen Stellen dargelegten gesellschaftlichen Herausforderungen. Nach der in der Antwort auf Frage 27 ausführlich beschriebenen bundesweiten Studie zur Qualität der Schulverpflegung aus dem Jahr 2014 findet Ernährungsbildung nur in 50 Prozent der Schulen wöchentlich statt. Die Landesregierung strebt daher eine Verstärkung der Aktivitäten zur Umsetzung der Richtlinie an. 21. Welche Rolle übernehmen Vereine und Stakeholder in der Ernährungsbildung im Land zusätzlich zu den Angeboten des Landes? Zu Themen der Ernährungs- und Verbraucherbildung werden an die Schulen vielfältige Angebote herangetragen. Das Einbeziehen außerschulischer Partner und Lernorte ist gerade in der Verbraucherbildung ausdrücklich erwünscht. Sie unterstützen Schulen und Lehrkräfte mit ihren regionalen oder landesweiten Angeboten bei der praxisorientierten Umsetzung der Ernährungsbildung. Wichtig für die Nutzung dieser außerschulischen Angebote durch die Schulen bzw. Lehrkräfte ist, dass sich diese inhaltlich am schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag orientieren, den Gegebenheiten der einzelnen Schule gerecht werden und damit die Schulqualität fördern. Zu berücksichtigen ist dabei auch immer das Neutralitätsgebot, wie es in § 25 Abs. 1 des Schulgesetzes festgelegt ist: „Jede einseitige Unterrichtung und Information ist unzulässig“. Jede einzelne Schule entscheidet in eigener Verantwortung, mit welchen außerschulischen Partnern sie kooperieren möchte. Ernährungsbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich in Rheinland-Pfalz viele Personen oder Gruppen annehmen. Aktivitäten der LandFrauenverbände Die LandFrauenverbände des Landes bieten laufend Kurse und Seminare für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, in denen die Themen gesunde und nachhaltige Ernährung in Theorie und Praxis vermittelt werden. Sehr aktiv beteiligen sich die LandFrauenverbände in Rheinland-Pfalz bei der Umsetzung des Unterrichtskonzepts AID-Ernährungsführerschein. Diese Unterrichtsreihe für Schülerinnen und Schüler der dritten Grundschulklassen vermittelt Wissen und Fertigkeiten rund um Lebensmittel und richtige Ernährung. Die LandFrauen engagieren sich außerdem mit Themen der Ernährungsbildung in der Ganztagsbetreuung in Schulen. Sie machen sich seit Jahren für Etablierung von Ernährungs- und Verbraucherbildung in den Lehr- und Arbeitsplänen von allgemeinbildenden Schulen stark. Aktivitäten der Erzeugergemeinschaft Pfälzer Grumbeere Die Erzeugergemeinschaft für Früh-, Speise- und Veredlungskartoffeln (Pfälzer Grumbeere) engagiert sich seit fünf Jahren mit dem Schüler-Projekt „Kids an die Knolle“ für die Ernährungsbildung. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern, wie der Sarah Wiener-Stiftung oder dem LandFrauenverband Pfalz, bleibt dieses sehr praxis- und handlungsorientierte Projekt für die Schüler immer spannend. Aktivitäten der MILAG Die Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz e.V. (MILAG) bringt Ernährungsbildung rund um Milch und Milchprodukte zu Schülerinnen und Schülern und zu Erwachsenen. Die Milchbotschafterinnen vermitteln Wissen um Erzeugung, Verarbeitung und ernährungsphysiologische Bedeutung von Milchprodukten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung auch auf Märkten und ähnlichen Veranstaltungen und sie beteiligen sich an einem Frühstücksprojekt für Kindertagesstätten im Rahmen des EU-Schulobst- und Gemüseprogramms. Projekt „Lecker Entdecker“ MILAG und Pfälzer Grumbeere engagieren sich auch im Projekt „Lecker Entdecker“. In diesem im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz entstandenen Projekt arbeiten Partner aus der Lebensmittelwirtschaft, dem Lebensmittelhandel , der Gesundheitswirtschaft und öffentlichen Einrichtungen zusammen, um Ernährungsbildungsprojekte für Kinder im Grundschulalter flächendeckend anbieten zu können. Aktivitäten der Umweltverbände Im Bereich der anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände in Rheinland-Pfalz engagieren sich vornehmlich die Jugendorganisationen des Naturschutzbundes (NABU) und des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Bereich der Ernährungsbildung. Über Workshops, Vorträge, Bazare und Seminare zu unterschiedlichen Ernährungsthemen werden Jugendliche und junge Erwachsene im Kontext Klima und Ernährung sowie Nachhaltigkeit angesprochen. In den Kindergruppen der 21 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Naturschutzjugend (NAJU) werden bereits die Kleinsten mit Altersgerechten Angeboten zum Thema nachhaltige Ernährung sensibilisiert. Beispielhaft ist hier das Projekt Klimaschutzkochmobil für Kinder ab acht Jahren zu nennen. Aktivitäten der peb Das Land nimmt seit 2014 am bundesweiten Projekt „Kita-Coaches (KiCo)“ der Plattform Ernährung und Bewegung (peb) teil. Zehn Beraterinnen und Berater wurden im Jahr 2015 geschult, die nun zur Beratung von Kindertagesstätten zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung zur Verfügung stehen. 22. Wie stellt die Landesregierung die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und Pädagoginnen und Pädagogen im Querschnittsthema Ernährungsbildung sicher? In der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an den Fachschulen Sozialwesen Fachrichtung Sozialpädagogik hat das Thema Ernährung im Rahmen der Gesundheitserziehung einen hohen Stellenwert. Es ist überwiegend in Modul 6 „Ganzheitliche Entwicklung in den Bereichen Gesundheit und Bewegung fördern und lebenspraktische Tätigkeiten anleiten“ des Lehrplans verankert . Dieses Modul umfasst insgesamt 260 Stunden. Das Thema Ernährung ist aber auch Gegenstand von schulischen Projekten im Rahmen der Ausbildung und von Abschlussprojekten am Ende des Berufspraktikums. Auch in der Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern bestehen im Rahmen der langjährigen Fortbildungsförderung des Landes gute Möglichkeiten, das Querschnittsthema Ernährungsbildung zu behandeln. Im aktuellen Landesprogramm Kita!Plus lässt sich dies insbesondere in den Förderbereichen „Entwicklungsbegleitung von Kindern“, „Zusammenarbeit mit Eltern und Familien“ und „Prozessbegleitung: Supervision/Coaching/Organisationsentwicklung“ flexibel und am Bedarf der Fachkräfte und des Teams orientiert verwirklichen. Weiterhin haben Träger von Kindertagesstätten die Möglichkeit, Mittel aus dem eigenen Fortbildungsetat kombiniert mit Landesförderung im Rahmen der Personalkostenförderung nach § 6 Abs. 4 LVO zum Kindertagesstättengesetz für andere Fortbildungsformate zum Querschnittsthema Ernährungsbildung einzusetzen. 23. Was ist nach Ansicht der Landesregierung notwendig, um den Stellenwert einer guten und nachhaltigen Ernährung in der rheinlandpfälzischen Bevölkerung zu etablieren und zu stärken? 24. In welchem Umfang und mit welchen konkreten Maßnahmen hat das Land Initiativen zur Unterstützung der Ernährungskompetenz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen (beispielsweise Kinder, berufstätige oder pflegebedürftige Menschen) durchgeführt? Die Fragen 23 und 24 werden wegen dem bestehenden Sinnzusammenhang gemeinsam beantwortet. Im Jahr 2013 wurde die Landesinitiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Rheinland-Pfalz die Bedeutung und den Wert der Lebensmittel und der Ernährung wieder nahe bringen und für die Verwendung regionaler und biologisch erzeugter Produkte zu werben. Sie umfasst mittlerweile mehr als 20 Projekte, die sich an Schulen, Kindertagesstätten, Seniorenheime und Verbraucher/innen im Allgemeinen richten. Mit vielen unterschiedlichen Veranstaltungen und Angeboten will das Land informieren und aufklären, die Ernährungsbildung im Land ausbauen und das Essensangebot in der Gemeinschaftsverpflegung verbessern. Zu den Projekten gehören: Projekt „Kita isst besser“ Gemeinsam von Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen wurde die Initiative „Kita isst besser“ gestartet, die Strukturen und Bewusstsein für die Verwendung frischer, gesunder, regionaler und ökologischer Produkte in Kindertagesstätten fördert. Die Themen rund um gesunde und nachhaltige Ernährung sollen ganzheitlich im Konzept aller Kitas fest und dauerhaft verankert und im Kitaalltag aktiv gestaltet werden. Im Zeitraum 2013 bis 2015 wurden 44 Kitas landesweit gecoacht. Mit dem Projekt konnten insgesamt 3 383 Kinder erreicht werden. Seminarreihe „Essen und Trinken in Kindertagesstätten“ Für Verantwortliche in der Verpflegung von Kindern in Tageseinrichtungen bietet die Ernährungsberatung an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum die fünfteilige Seminarreihe „Essen und Trinken in Kindertagesstätten“ an. Schulprojekt „Ernährung nachhaltig gestalten – Was ist unser Essen wert?“ Mit dem Projekt „Ernährung nachhaltig gestalten – Was ist unser Essen wert?“ – Projekt an Schulen in Rheinland-Pfalz wurde im Schuljahr 2014/2015 an 50 Schulklassen landesweit eine Unterrichtseinheit zur Verfügung gestellt, die von den Lehrkräften im Wahlpflichtunterricht oder in Rahmen einer Projektwoche durchgeführt wird. Die Unterrichtseinheit beinhaltet Lehrmaterial für zehn Unterrichtsstunden. Darüber hinaus wird ein Tag mit einem professionellen Partnerkoch eingeplant. Die teilnehmenden Schulen verfügen alle über eine Lehrküche. Das Projekt richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (Klassenstufe 7 bis 10). Das Projekt wurde gemeinsam mit der Verbraucherzentrale und der DEHOGA Rheinland-Pfalz entwickelt. 22 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Anlage von Schulgärten Best-Practice-Beispiel wie die erste „essbare Schule“ Deutschlands in Gillenfeld im Landkreis Vulkaneifel nehmen eine Vorreiterrolle für eine gute Ernährungsbildung ein. Daher unterstützt die Landesregierung z. B. die Anlage von Schulgärten mit einem eigenen Förderprogramm. Projekt KinderGartenpaten Was wächst im eigenen Garten? Und wie kann die noch vorhandene Erfahrung mit eigenen Nutzgärten an möglichst viele Kinder weitergegeben werden? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Projekts „KinderGartenpaten“ der Landeszentrale für Umweltaufklärung (LZU) und des NABU-Rheinland-Pfalz, das inzwischen in über 100 Kitas umgesetzt wird. Grundidee ist es, das Kinder mit gärtnerisch erfahrenen Seniorinnen oder Senioren ein Hochbeet betreuen und nutzen, Auf die Aktivitäten der Vernetzungsstelle Schulverpflegung wird in der Antwort auf Frage 26, auf die Aktivitäten im Rahmen des EU-Schulobstprogramms bei Frage 25 eingegangen. Im Rahmen verschiedener Veranstaltungen der Ernährungsberatung Rheinland-Pfalz (Vorträge, Seminare, Lehrerfortbildungen) wird vermittelt, wie Verbraucher durch das eigene Verhalten beim Einkauf und der Zubereitung von Lebensmitteln Einfluss auf Umwelt und Gesundheit nehmen können. Projekte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Die Verbraucherzentrale erhält derzeit ca. 180 000 Euro an Landesmitteln für den Bereich der Ernährung als Kofinanzierung zu den Bundesmitteln. Sie berät und informiert zu den Schwerpunktthemen nachhaltige Ernährung, gesunde Ernährung sowie Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit. In den Jahren 2011 bis 2014 wurden jeweils zwischen 600 und 700 Verbraucherinnen und Verbraucher beraten. Projekt „Gut versorgt ins hohe Alter“ Senioreneinrichtungen mit pflegebedürftigen Senioren wird eine erste Ernährungsberatung als regional angesiedelte Multiplikatorenschulung für alle Einrichtungen vor Ort sowie praxisnahe Workshops mit dem Schwerpunktthema Demenz, welche von dem Qualitätszirkel Ernährung Rheinland-Pfalz (QZE) durchgeführt werden. Seit 2012 nehmen daran jährlich knapp 400 Personen teil. Von der Verbraucherzentrale werden des weiteren Speiseplanchecks für die jeweiligen Einrichtungen angeboten, pro Jahr sind es etwa 20 Stück. Projekt „Verbraucherbildung online“ Die Uni Koblenz Landau bietet seit dem 2012 onlinegestützte Fortbildungen für Lehrkräfte zur seit 2011 geltenden Richtlinie Verbraucherbildung entwickelt und an. Weitere Informationen enthält die Antwort auf Frage 20. Projekt zur Beratung und Begleitung von Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung bei der Umstellung auf Bio und regionale Kost Es wurde ein Projekt ausgeschrieben mit dem Ziel, die Umstellung auf den vermehrten Einsatz nachhaltig erzeugter Produkte an mindestens zwei Einrichtungen in Rheinland-Pfalz durchzuführen. Die Umstellung soll mithilfe einer individuellen Beratung der Akteure in den Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung erreicht werden. Die Erkenntnisse sollen in einem Leitfaden zusammengefasst werden, der allen anderen Einrichtungen in Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt wird. Das Projekt startet voraussichtlich im 4. Quartal 2015. Aktivitäten zum Thema Lebensmittelverschwendung Die Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette werden derzeit viel diskutiert, mit unterschiedlichen Ansätzen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Um auf Landesebene aktiv zu werden, wurde ein interner Dialog mit den Akteuren der Lebensmittelkette in Gang gesetzt. Die ersten Ergebnisse der Fachgespräche wurden bei einer öffentlichen Veranstaltung am 21. Mai 2014 vorgestellt. Kochbus Der Kochbus des Landes ist ein Instrument, um Verbraucherinnen und Verbraucher aller Altersklassen anzusprechen. Er ist eine Plattform für Akteure aus der Gastronomie, dem Lebensmittelhandel, dem Ernährungshandwerk, der Ernährungsberatung aber auch für Landfrauen, Regionalmarken oder Slow-Food-Gruppen, die dort ihre Projekte präsentieren können. Mit mehr als 60 Veranstaltungen im Jahr ist der Kochbus landesweit präsent, um auf den Wert einer gesunden und nachhaltigen Ernährung aufmerksam zu machen, das Projekt erreicht bis zu 10 000 Verbraucherinnen und Verbraucher jährlich. Weitere Projekte mit Stakeholdern sind in der Antwort auf Frage 21 beschrieben. 23 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 25. Wie bewertet Rheinland-Pfalz den Nutzen des EU-Milch- und EU-Schulobstprogramms und wie beurteilt sie die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission? Die Umsetzung des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms in Rheinland-Pfalz wird seit dem Start im Schuljahr 2010/2011 durch ein unabhängiges Institut22) evaluiert. Zentrales Element der bisherigen Evaluierung ist die wiederholte Befragung von Schülerinnen und Schülern an 13 Grundschulen. In die Befragung wurden Schulen im ländlichen Raum sowie Stadtschulen in sozialen Brennpunkten und in Stadtteilen mit gehobenem bürgerlichem Milieu einbezogen. Auf Grundlage der bisherigen Evaluierungsergebnisse lässt sich festhalten: 1. Die Schülerinnen und Schüler haben mit dem Programm insgesamt mehr Obst und Gemüse kennengelernt. 2. Die Schülerinnen und Schüler essen häufiger Obst und Gemüse. Dies gilt insbesondere für Kinder in sozialen Brennpunkten. Neben diesen erkennbar positiven Auswirkungen auf das Ernährungswissen und -verhalten der Kinder in den teilnehmenden Einrichtungen sieht die Landesregierung in der zusätzlichen Sensibilisierung von Schulen und Kindertagesstätten für die Bedeutung von Maßnahmen der Ernährungsbildung einen wichtigen Nutzen des Programms. Solche Maßnahmen sind Bestandteil des Programms . Ihre Umsetzung wird durch Informationen und Anregungen zur Ausgestaltung sowie die Förderung einzelner Maßnahmen unterstützt. Auf Basis der Anmeldungen für das Schuljahr 2015/2016 kann festgestellt werden, dass von den angemeldeten 986 der insgesamt 1 100 Grund- und Förderschulen – 920 Schulen (93 Prozent) Unterrichtseinheiten und – 364 Schulen (37 Prozent) Projekttage oder -wochen zum Themenbereich „Gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse“ durchführen. Bei der Gestaltung der Unterrichtseinheiten nutzen viele Schulen Konzepte externer Anbieter: – 159 Schulen (16 Prozent) „ABC der Lebensmittel“, – 248 Schulen (25 Prozent) „AID-Ernährungsführerschein“, – 224 Schulen (23 Prozent) „Klasse 2000“ und – 87 Schulen (9 Prozent) „Landwirtschaft macht Schule“. Mit der Vorgabe, dass mindestens 50 Prozent der gelieferten Früchte aus regionaler Erzeugung stammen müssen, sowie der zusätzlichen Anforderung, dass mindestens 20 Prozent der Früchte aus ökologischer Erzeugung bzw. bei Lieferanten mit eigener Obst- und Gemüseerzeugung aus deren eigener Erzeugung stammen müssen, setzt das Land in der landesspezifischen Umsetzung des Programms zusätzlich Impulse für die besondere Wertschätzung regional oder ökologisch erzeugter Produkte. Die Landesregierung begrüßt die Initiative der EU-Kommission zur Zusammenführung und weitmöglichen Angleichung von Schulobst - und Schulmilchprogramm zu einem EU-Schulprogramm. Sie erhofft sich davon insbesondere eine wieder steigende Bereitschaft von Schulen und Kindertagesstätten, Kinder und Jugendliche im Rahmen des Schulprogramms für den regelmäßigen Verzehr von Milch und bestimmten Milchprodukten wie Naturjoghurt zu gewinnen. Grundsätzlich wird auch die dabei vorgesehene stärkere Gewichtung sogenannter flankierender Maßnahmen begrüßt. Das Schulobstprogramm wurde in Rheinland-Pfalz im Jahr 2013 auf Kitas ausgeweitet. Für das Jahr 2015/2016 haben sich über 1 800 Kitas für die wöchentliche Obst- oder Gemüseportion angemeldet. 26. Wie bewertet die Landesregierung den Nutzen der Vernetzungsstelle Schulverpflegung? Die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung ist in Rheinland-Pfalz am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Westerwald-Osteifel angesiedelt und arbeitet dadurch eng mit der Ernährungsberatung an allen sechs DLRs zusammen. Hierdurch ist es möglich, den Schulträgern und Schulen ein umfassendes Beratungsangebot zur Verpflegung in den Schulen zu machen und für die Umsetzung einer guten Verpflegung im Sinne des Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu werben. Da sich die Vernetzungsstelle auch um die Verpflegung in Kindertagesstätten kümmert, wird bei den Trägern der ganzheitliche Blick auf die Verpflegung von Kindern und Jugendlichen gestärkt. Gerade weil im Bereich Verpflegung die unterschiedlichen Akteure zusammentreffen (Träger, Schule/Kita und Verpflegungsanbieter ) und nur durch intensive und konstruktive Zusammenarbeit gute Ergebnisse erzielen können, ist es wichtig, dass eine Einrichtung wie die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung die Akteure an einem Tisch zusammenbringt. Diese Kommunikation zwischen den Beteiligten ist ein zentrales Element der Arbeit der Vernetzungsstelle. Gemeinschaftsverpflegung in Kindertagesstätten und Schulen hat auch deshalb eine so große Bedeutung, weil in diesen Bildungseinrichtungen die theoretische Ernährungsbildung mit der täglichen konkreten Umsetzung in Form eines optimierten Verpflegungsangebots verknüpft werden kann. Es ist ein wichtiger Aspekt in der Arbeit der Vernetzungsstelle, diese Zusammenhänge deutlich zu machen und Maßnahmen zur Umsetzung anzustoßen. Diese sind: 24 22) Institut TRIAS Research an der Universität Trier, Forschung, Beratung und Entwicklung im Gesundheits- und Sozialwesen, u. a. beauftragt mit der Evaluierung der Tätigkeit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung, Evaluierung Schuleingangsuntersuchungen. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Workshops Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung hat bisher jährlich zwei Workshops für Schulträger, insbesondere zu den Themen Ausschreibung und Küchen-/Mensaplanung sowie jährlich zwei Workshops für Verpflegungsanbieter zu den Themen Akzeptanzsteigerung , vegetarische Gerichte und Allergenkennzeichnung durchgeführt. Lehrkräften wurden verschiedene Projekte zur Ernährungsbildung vorgestellt. Fachtagungen Es fanden mit großer Resonanz Fachtagungen zu den Themen „Nachhaltige Schulverpflegung“ und „Mensa hat heute fleischfrei“ statt, im Oktober 2015 ist eine weitere Fachtagung mit dem Thema „Qualität in der Schulverpflegung“ vorgesehen. Durch diese Informationsveranstaltungen konnten seit Bestehen der Vernetzungsstelle etliche Schulträger und Schulen von der Notwendigkeit einer systematischen Beschäftigung mit dem Thema gesunde und nachhaltige Schulverpflegung überzeugt werden. Speiseplanchecks Ergänzend zu den oben genannten Veranstaltungen führt die Vernetzungsstelle in Zusammenarbeit mit der DLR-Ernährungsberatung pro Jahr 60 Speiseplanchecks inkusive Vor-Ort-Beratungsgesprächen und Re-Checks durch. Qualifizierungsprozess für Schulen Am von der Vernetzungsstelle angestoßenen Projekt „Qualifizierungsprozess für die Mittagsverpflegung an Schulen“, in dem Schulen für eine Verpflegung nach dem Qualitätsstandard der DGE, für Ernährungsbildung und die Implementierung der Verpflegungsqualität ins Leitbild der Schule drei Sterne erhalten können, nahmen 2014 zunächst 18, in 2015 bereits 50 Schulen teil. Tag der Schulverpflegung Jährlich wird unter einem bestimmten Motto der „Tag der Schulverpflegung“ durchgeführt, in 2015 zum sechsten Mal. Es beteiligen sich durchschnittlich 50 Schulen. Es gibt aber auch noch großen Handlungsbedarf, wie z. B. die Ergebnisse der bundesweiten Erhebungen zur Qualität der Schulverpflegung und zur Qualität der Kita-Verpflegung zeigen. Zur Unterstützung der Schul- und Kita-Träger bei der Umsetzung einer gesunden Gemeinschaftsverpflegung sind die Ernährungswissenschaftlerinnen der Vernetzungsstelle Schulverpflegung kompetente Partner, deren Arbeit aus Bundesmitteln dauerhaft unterstützt werden muss. 27. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung aufgrund der Erkenntnisse aus dem Bundeskongress Schulverpflegung im Jahr 2014 für Rheinland-Pfalz? Beim Bundeskongress Schulverpflegung wurden die Ergebnisse der bundesweiten Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung vorgestellt und diskutiert. Es wurde festgestellt, dass die Verpflegung in Schulen zwar insgesamt auf einem guten Weg ist, dass aber auch noch viel Verbesserungsbedarf besteht. In folgenden drei Bereich wurde durch die Studie besonderer Handlungsbedarf erkennbar: der Bekanntheitsgrad und die Umsetzung des DGE-Qualitätsstandards, die Speiseplangestaltung und die Verknüpfung von Schulverpflegung mit Ernährungsbildung. Den DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung kennen in Rheinland-Pfalz zwar 58 Prozent der Schulen und immerhin 86 Prozent der Schulträger, die sich an der Befragung beteiligt hatten. Allerdings ist bei der Vertragsgestaltung mit dem Verpflegungsanbieter nur in 75 Prozent überhaupt ein Leistungsverzeichnis die Grundlage der Auftragsvergabe und nur in 50 Prozent der Verträge sind auch Qualitätskontrollen festgelegt. Beim Essensangebot besteht, gemessen an den Empfehlungen der DGE, in drei wesentlichen Punkten nach wie vor großer Handlungsbedarf : im Durchschnitt bieten die Schulkantinen deutlich zu wenig Gemüse und Obst, zu wenig Seefisch aber zu viel Fleisch an. Die Ernährungsbildung findet nach Aussagen der Schulleitungen zwar in 77 Prozent der Schulen statt, allerdings nur in 45 Prozent der Schulen wöchentlich, in den anderen Schulen nur halbjährlich oder nur einmal im Jahr. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass zur weiteren Verbesserung der Schulverpflegung die Unterstützungsangebote der Vernetzungsstellen Schulverpflegung weiter ausgebaut werden müssen und auch in Zukunft eine wesentliche Aufgabe bleiben . 28. Welche Unterstützung seitens der EU und des Bundes hält die Landesregierung für den Ausbau der Ernährungsbildung für nötig und welchen konkreten Handlungsbedarf sieht sie? Die Landesregierung begrüßt das finanzielle Engagement der EU im Bereich der Ernährungsbildung, das mit der Erhöhung der bereitgestellten EU-Mittel von zuvor 90 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro ab dem Schuljahr 2014/2015 und der Anhebung des Kofinanzierungssatzes von 50 auf 75 Prozent im EU-Schulobst- und -gemüseprogramm deutlich verstärkt wurde. Die Landes- 25 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode regierung erwartet zugleich, dass der zeitweise in der EU-Kommission diskutierte Ausstieg aus der Unionsbeteiligung an der Finanzierung der beiden Programme nicht weiterverfolgt wird. Ein Rückzug der EU aus der finanziellen Beteiligung an Programmen der Ernährungsbildung wäre ein großer Rückschlag für alle Bemühungen, Kinder und Jugendliche für gesunde Ernährungsgewohnheiten zu gewinnen. Die Landesregierung spricht sich dafür aus, dass im Zuge der beabsichtigten Zusammenfassung der bestehenden Programme zu einem Schulprogramm für alle Erzeugnisse vergleichbare Konditionen geschaffen werden. So muss auch bei Milch und Milchprodukten eine kostenlose Abgabe im Rahmen des Schulprogramms möglich werden. Die bisherige Regelung im Schulmilchprogramm , die nur einen Zuschuss zu den entstehenden Kosten vorsieht und die mit nach Produktkategorien differenzierten Zuschüssen sowie Höchstabgabepreisen kompliziert und verwaltungsaufwendig ist, hat maßgeblich zu der kontinuierlich sinkenden Akzeptanz des Programms beigetragen. Auf Bundesebene sollte das geplante Präventionsgesetz eine wichtige Grundlage zur Etablierung von dauerhaften und nachhaltig wirksamen Maßnahmen der Ernährungsbildung werden. Es sollte deshalb so nachgebessert werden, dass der Aspekt gesunde Ernährung in Bildungs- und Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen sowie in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge auf jeden Fall berücksichtigt wird. Ernährung und Wasser 29. Wie bewertet das Land mittel- und langfristig die Versorgungssicherheit in Rheinland-Pfalz für das Lebensmittel Nummer Eins, dem Trinkwasser, insbesondere in Bezug auf Menge und Güte? Rheinland-Pfalz ist grundsätzlich ein wasserreiches Land. Ausreichende Wasservorkommen gibt es im Oberrheingraben, Pfälzerwald und Bitburger Land. Geringere Wasservorkommen befinden sich z. B. im Rheinhessischen Hügelland und Westerwald. Daher legt die Landesregierung zur langfristigen Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung einen Schwerpunkt auf die Bildung von Versorgungsverbünden und interkommunalen Kooperationen zur weiteren Optimierung einer nachhaltigen Wasserversorgung unter ökonomischen und ökologischen Aspekten. Durch die Errichtung von Wasserversorgungsverbünden findet ein Ausgleich zwischen Wasserüberschuss- und Wassermangelgebieten statt. Die Verbünde dienen auch einer Erhöhung der Versorgungssicherheit hinsichtlich möglicher Auswirkungen durch den Klimawandel und demografischer Veränderungen. Die Stabilität der Grundwassernutzung und der Wasserversorgung ist derzeit gewährleistet, da der Wasserhaushalt von einer großen Variabilität geprägt ist. Signifikante Trends in den Grundwasserständen sind bisher nicht erkennbar. Es ist daher davon auszugehen, dass die für eine sichere und ausreichende Trinkwasserversorgung erforderliche Wassermenge in Rheinland-Pfalz auch langfristig zur Verfügung stehen wird. Die Trinkwasserversorgung in Rheinland-Pfalz wird zu 95 Prozent aus dem Grundwasser gedeckt: Daher gebührt dem Grundwasserschutz , dessen Relevanz auch durch den wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz betont wird, oberste Priorität. Die größte Herausforderung beim Schutz des oberflächennahen Grundwassers stellen die diffusen Einträge von Nitraten dar, die im Wesentlichen aus der landwirtschaftlichen Bodennutzung stammen. Landwirtschaft und Wasserwirtschaft arbeiten daher eng zusammen, um mittelfristig eine weitere Nährstoffreduktion herbeizuführen. Die Maßnahmen zur Umsetzung der EU-WRRL (auf Frage 31 wird verwiesen) werden dazu beitragen, die Versorgungssicherheit in Rheinland-Pfalz mit qualitativ einwandfreiem Rohwasser weiter zu erhalten. 30. Wie bewertet die Landesregierung den Zustand des rheinland-pfälzischen Grundwassers sowie der Oberflächengewässer, aus denen das Trinkwasser in Rheinland-Pfalz gewonnen wird? Bei Grund- und Oberflächenwasser, das der Trinkwasserversorgung dient, spricht man von „Rohwasser“. Dieses kann entweder direkt bzw. nach einer Aufbereitung als Trinkwasser verwendet werden. Der mengenmäßige Zustand des Rohwassers kann als gut bewertet werden. Auch während längerer Trockenperioden treten grundsätzlich keine klimatisch bedingten Versorgungsengpässe auf (auf Frage 29 wird verwiesen). Der chemische Zustand des Rohwassers ist regional durch diffuse Nährstoffeinträge beeinflusst . Sofern es dabei zu Überschreitungen des Nitrat-Grenzwerts der Trinkwasserverordnung von 50 mg/l kommt, wird das Rohwasser in der Regel mit nitratarmem bzw. nitratfreiem Rohwasser „verschnitten“ (gemischt). Eine Nutzung von Oberflächenwasser zur Trinkwasserversorgung erfolgt in Rheinland-Pfalz über zwei Talsperren (Steinbachtalsperre , Idar-Oberstein; Riveristalsperre, Trier). Quantitative bzw. qualitative Probleme sind hier nicht bekannt. 31. Welche Maßnahmen resultieren aus dem Bewirtschaftungsplan für die Gewässer in Rheinland-Pfalz nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserversorgung? Ziel der am 20. Dezenber 2000 in Kraft getretenen Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) ist es, dass alle Gewässer einen „guten Zustand“ bis 2015 erreichen sollen. Da nicht alle Gewässer innerhalb des ersten Bewirtschaftungszeitraums den guten Zustand erreichen konnten (46 „rote“ Grundwasserkörper, d. h. schlechter chemischer Zustand), sind, unter Inanspruchnahme der nach WRRL möglichen Fristverlängerung, Bewirtschaftungsplan und Maßnahmenprogramme für den Zeitraum 2016 bis 2021 aktualisiert worden. Von den 117 Grundwasserkörpern (GWK) befinden sich derzeit insgesamt 42 GWK im „schlechten chemischen Zustand“. Diese Einstufung ist allein auf erhöhte Stickstoffeinträge aus diffusen Quellen zurückzuführen, im Wesentlichen 26 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 als Folge der Düngemittelanwendung bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung. In den genannten 42 GWK sind Nitratwerte im oberflächennahen Grundwasser anzutreffen, die die europäische Qualitätsnorm von 50 mg/l zum Teil deutlich übersteigen. Bezogen auf Rheinland-Pfalz bedeutet dies, dass unter 23 Prozent der Landesfläche bzw. unter 51 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche derzeit der „gute chemische Zustand“ des Grundwassers nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie verfehlt wird. Weitere Stickstoff- und Phosphorreduzierungsmaßnahmen müssen daher insbesondere im Bereich der diffusen Einträge stattfinden . Durch die konsequente Umsetzung von bestehenden Rechtsnormen (wie z. B. der Nitratrichtlinie in Verbindung mit der Düngeverordnung) wird eine weitere Reduzierung von diffusen Stickstoff- und Phosphoreinträgen erwartet. Zur Ergänzung hierzu werden Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (EULLa) durchgeführt. Zusätzlich kommen weitere ergänzende Maßnahmen , wie das Programm „Gewässerschonende Landwirtschaft“ zur Reduzierung der diffusen Stickstoffeinträge in die Oberflächengewässer und das Grundwasser, zum Einsatz. Das Programm setzt sich mit dem Ziel der nachhaltigen Etablierung gewässerschonender Produktionsverfahren und/oder Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft aus drei Komponenten zusammen: – Wasserschutzberatung Rheinland-Pfalz (betriebsindividuell, regionalspezifisch, Kooperationsmanagement); insbesondere in Wasserschutzgebieten und Grundwasserkörpern mit schlechtem chemischen Zustand – Förderung (AUKM mit zwei neuen Programmteilen für die gewässerschonende Landbewirtschaftung) – Aktion Blau Plus Landwirtschaft (Projektförderung, Kooperationen zwischen WVU und Landwirtschaft); insbesondere in Wasserschutzgebieten Mit diesen Maßnahmen soll der gute chemische Zustand des Grundwassers bis spätestens 2027 möglichst in ganz Rheinland-Pfalz wiederhergestellt werden. Damit wird auch eine weitere Grundlage geschaffen, um die bestehende Trinkwasserversorgung, aber auch notwendige künftige Trinkwassergewinnungsgebiete (landesweit bedeutsame Bereiche nach LEP IV), vor maßgeblichen diffusen Nährstoffeinträgen zu schützen. 32. In welchem Umfang stellt die Landesregierung Mittel zur Erreichung des guten Zustands der Gewässer in Rheinland-Pfalz gemäß den Anforderungen der EG-WRRL in den Planungshorizonten 2015, 2021 und 2027 zur Verfügung? Für den Planungszeitraum 2010 bis 2015 wurden alleine für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis Oktober 2014 rund 275 Mio. Euro Fördermittel des Landes eingesetzt und ca. 390 Mio. Euro investiert. Mit diesen Ausgaben wurden rund 1 200 Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte und Gewässerstruktur durch die Maßnahmenträger (Kommunen) umgesetzt. Bis August 2015 wurden seit 2010 bereits insgesamt 336 Mio. Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt und damit 447,3 Mio. Euro in kommunale Maßnahmen investiert. Förderung und Investitionen werden sich bis Ende 2015 schätzungsweise auf rund 360 Mio. bzw. 480 Mio. Euro erhöhen. Für den Planungszeitraum 2015 bis 2021 sind rund 345 Mio. Euro an Fördermitteln des Landes eingeplant. Für den Planungszeitraum 2021 bis 2027 gibt es noch keine konkreten Planungen. Es ist davon auszugehen, dass der Fördermittelbedarf der kommunalen Maßnahmenträger sich in ähnlicher Größenordnung bewegt. 33. Wie ist die Versorgung in den rheinland-pfälzischen Schulen mit Trinkwasserspendern? Der Landesregierung liegen keine Daten über die Versorgung rheinland-pfälzischer Schulen mit Trinkwasserspendern vor. Für die Installation solcher Geräte ist der jeweilige Schulträger zuständig, der dies in eigener Verantwortung und nach den jeweiligen örtlichen Voraussetzungen regelt. Aus der bundesweiten Befragung zur Qualität der Schulverpflegung der Hochschule Hamburg aus 2014 lässt sich ablesen, dass bundesweit Wasserspender in 23,2 Prozent der Schulen vorhanden sind und Trinkbrunnen in 9,1 Prozent der Schulen. Ernährung und Umwelt 34. Der erste Artenschutz-Report (2015) des Bundesamts für Naturschutz nennt die intensive Landwirtschaft als zentralen Verursacher für den Artenschwund in Deutschland. Welche konkreten Maßnahmen hat das Land zur Stützung und Verbesserung der AgrarBiodiversität umgesetzt? Das Land setzt sich mit einer Vielzahl von Maßnahmen und unterschiedlichen Ansätzen für den Erhalt und eine Verbesserung der Agro-Biodiversität ein: Agrarumweltmaßnahmen Die Agrarumweltmaßnahmen leisten einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Gemeinsame Ziele aller Programmteile sind die Umweltverträglichkeit der Produktion, die Schonung der natürlichen Ressourcen, die Sicherung der Artenvielfalt und die Erhaltung des Landschaftsbilds durch eine umweltschonende Landbewirtschaftung. Speziell die Vertragsnaturschutzprogramme (VN), insbesondere VN Grünland und VN Kennarten, zielen auf die Erhaltung naturschutzfachlich hochwertiger Grünlandflächen und deren biologischer Vielfalt ab. Die Evaluierung zeigt, dass auf allen Grünlandflächen, die im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen bewirtschaftet werden, eine höhere Artenzahl als auf den konventionell bewirtschafteten Vergleichsflächen festzustellen ist. Im Ackerbau konnte festgestellt werden, dass Betriebe, die an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen, eine deutlich längere Bodenbedeckung ihrer Ackerflächen aufweisen und damit die Biodiversität und den Erosionsschutz unterstützen. 27 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Durch die naturschutzorientierten Bewirtschaftungsvorgaben im Vertragsnaturschutzprogramm Acker wird ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der Ackerwildkräuter und der Artenvielfalt auf Ackerflächen geleistet, insbesondere durch die Anlage von Ackerrandstreifen, Empfehlungen zur Anlage sogenannter „Lerchenfenster“ und die Reduzierung der Aussaatstärke. Die umweltschonende Bewirtschaftung der Steillagen unterstützt den Erhalt von Moosarten, die nur auf Rebflächen auftreten. Aufgrund der positiven Ergebnisse in der vorherigen Förderperiode hat Rheinland-Pfalz in dem Entwicklungsprogramm Umweltmaßnahmen Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährung (EULLE) dem Handlungsschwerpunkt Agrarumwelt, Klimaschutz und sonstige Umweltmaßnahmen für die neue Förderperiode hohe Bedeutung zugemessen und unterstützt damit die Biodiversität im Agrarbereich. Partnerbetrieb Naturschutz Durch den einzelbetrieblichen Beratungsansatz im „Partnerbetrieb Naturschutz“ wird ein deutliches Signal gesetzt in Richtung Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für besondere Schutzbelange von artenreichem Grünland und Stärkung der Biodiversität. Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen wie z. B. Grünlandextensivierung, Beweidungsprojekte oder Freistellung von Trockenmauern in den Weinbergslagen leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft. Natura 2000 Bewirtschaftungspläne Auch die Natura 2000 Bewirtschaftungspläne tragen zur Strukturvielfalt und Biodiversität in der Landwirtschaft bei, da sie Maßnahmen zur Erhaltung der europäisch geschützten Lebensraumtypen und Arten enthalten. Landesnaturschutzgesetz Der Regierungsentwurf eines neuen Landesnaturschutzgesetzes sieht ausdrücklich eine Kompensation von Eingriffen durch produktionsintegrierte Maßnahmen vor. Diese zielen u. a. auf eine ökologische Verbesserung bestehender landwirtschaftlicher Bodennutzung ab, z. B. durch Extensivierung oder Verzicht auf chemische Düngung und Pflanzenschutzmittel. Landes-Biodiversitätsstrategie Mit der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie leistet das Land ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Es werden Leitziele, Oberziele sowie konkrete Handlungsziele und Maßnahmenschwerpunkte staatlicher und nichtstaatlicher Akteure genannt und beispielhaft veranschaulicht. Analog der Nationalen Biodiversitätsstrategie wird durch eine Landesstrategie mithilfe von Indikatoren der Erfolg von Maßnahmen, Projekten und Programmen „messbar“ gemacht. Die Landesregierung sieht sich damit im Einklang mit der Nationalen Biodiversitätsstrategie, der europäischen Strategie und den internationalen Forderungen der UN-Biodiversitätskonvention (CBD). Biodiversität – Förderung historischer Nutzpflanzen Darüber hinaus engagiert sich die Landesregierung auch im Hinblick auf den Erhalt alter bzw. historischer Nutzpflanzen. Hierzu wurde ein eigenes, durch Landemittel finanziertes Projekt am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Projekts „Biodiversität – Förderung historischer Nutzpflanzen“ werden Informationen über noch vorhandene historische Nutzpflanzensorten aus Rheinland-Pfalz erfasst und gesammelt. Zur Erhaltung der Vielfalt der genetischen Ressourcen wird derzeit in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren zusätzlich der Anbau historischer und gebietsheimischer Obst- und Gemüsepflanzen im On-Farm-Verfahren überprüft. Zudem wurde mit dem „Wegweiser Sortenvielfalt“ ein spezieller „Einkaufsführer“ für Sorten- und Arten für die Verbraucher herausgegeben. Mit diesem Einkaufsführer soll dazu beigetragen werden, sich über die Sortenvielfalt in den verschiedenen Regionen von Rheinland-Pfalz zu informieren und sie zu fördern. Erhalt des Glanrinds Zur Erhaltung der tiergenetischen Ressourcen wird das Glanrind gefördert. 35. Wie wirken sich die Maßnahmen des Landes zum Schutz von Bienen und anderer Wildbestäuber auf die Landwirtschaft und damit das Lebensmittelangebot aus? Eine Vielzahl von Blütenpflanzen ist auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Damit ist auch unsere Ernährung von dem Wohlergehen der bestäubenden Insekten abhängig. Dies sind neben den Honigbienen auch wildlebende Insekten, wie Hummeln oder Mauerbienen. Die Haltung von Honigbienen und das Imkereiwesen stehen mit blühenden Pflanzen und damit auch der Landwirtschaft in einer wechselseitigen Beziehung. Der gegenseitige Nutzen besteht in der Bereitstellung von Trachtpflanzen, wie Klee oder Raps, die den Bienen als Nektar- oder Pollenquelle dienen. Im Gegenzug tragen die Honigbienen dazu bei, die Bestäubung der Blüten und damit die Fruchtbildung sicherzustellen. Auch die wildlebenden Bienen spielen eine wesentliche Rolle bei der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Der Schutz der Bienen durch die Erhaltung oder Schaffung geeigneter Lebensräume mit einem ausreichenden Angebot über die gesamte Wachstumsperiode an Nahrung und Nistplätzen kann daher zur Sicherung landwirtschaftlicher Erträge beitragen. 28 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Die Bedeutung des volkswirtschaftlichen Nutzens der Bestäubungsleistung wurde von verschiedenen Stellen kalkuliert. Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Agrarforschung (INRA) und des Zentrums für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) aus Frankreich sowie des Helmholz-Zentrums für Umweltforschung veröffentlichten im Jahr 2008 eine Studie zu den Leistungen von Insekten wie der Bienen, die Agrarpflanzen bestäuben. Nach dieser Studie hat der ökonomische Nutzen durch diese Bestäuber im Jahre 2005 weltweit etwa 150 Milliarden Euro betragen. Nach Angaben des Deutschen Imkerbunds übersteigt der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung den Wert der Honigproduktion um das 10- bis 15-fache. Die Maßnahmen des Landes zum Schutz und zur Förderung von Bienen und Wildbienen werden im Folgenden beschrieben: Förderung der Bienenhaltung und Imkerei Rheinland-Pfalz unterstützt Imkerinnen und Imker insbesondere über das „Operationelle Programm des Bundeslands RheinlandPfalz zur Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen für Bienenzuchterzeugnisse “. Die Fördermaßnahme wird über die vier in Rheinland-Pfalz tätigen Imkerverbände abgewickelt. Gefördert werden u. a. Projekte zur Bekämpfung der Varroose (ein Bienenparasitz), Fortbildungsmaßnahmen, die Trachtbeobachtung, Honiguntersuchungen und Forschungsprogramme zur Verbesserung der Honigqualität. Die Maßnahmen in den Projektgruppen erhöhen den Wissensstand der Imker über Krankheiten, Parasitenbefall, Tracht, Haltungsbedingungen und Honigproduktion. Damit kann insbesondere dazu beigetragen werden, die Verluste an Bienenvölkern zu verringern. Förderung von Bienen in den Agrarumweltmaßnahmen Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) besteht aus zwei Säulen. In der zweiten Säule werden landesspezifische Agrarumweltmaßnahmen angeboten, die einen großen Beitrag zum Bienenschutz bzw. zur Förderung von Bienen und Wildbienen leisten. Die landesspezifischen Maßnahmen des EULLE-Programms (Entwicklungsprogramm Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung) für die Jahre 2014 bis 2020 umfassen insbesondere folgende Programmteile, die blütenbestäubende Insekten nützen und schützen: – ökologische Wirtschaftsweise im Unternehmen, – Beibehaltung von Untersaaten und Zwischenfrüchten über den Winter, – Saum- und Bandstrukturen im Ackerbau, – Grünlandprogrammteile (z. B. Vertragsnaturschutz Streuobst-Neuanlage und Pflege von Streuobst), – Vielfältige Kulturen im Ackerbau. Fachzentrum Bienen und Imkerei (FBI) in Mayen Mit dem FBI am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Westerwald-Osteifel in Mayen unterhält das Land eine der sieben bienenwissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland. Für die Imkerinnen und Imker liefert die Arbeit des Forschungsinstituts wertvolle Erkenntnisse zur Haltung von Bienen und Honigerzeugung. Weiterhin nimmt das FBI am Deutschen Bienenmonitoring teil, einem Verbundprojekt mehrerer Bieneninstitute der Länder. Die über mehrere Jahre durchgeführten Beobachtungen, Messungen und Bewertungen tragen wesentlich zur Ursachenanalyse von bekannten und neu auftretenden Bienenkrankheiten und zur zielgerichteten Beratung der Imker zur Vermeidung von Bienenverlusten bei. Das Projekt „Deutsches Bienenmonitoring“ wird vom Projektträger „Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)“ gefördert. Schutz der Bienen und Wildbienen im Pflanzenschutz Bienen und andere Bestäuberinsekten können durch den Einsatz von Insektiziden oder Akariziden geschädigt werden. Die Vermeidung dieser Gefährdung hat hohe Priorität in der Arbeit der Pflanzenschutzberatung in Rheinland-Pfalz. Die Pflanzenschutzberatung empfiehlt den weitgehenden Verzicht auf Insektizid-/Akarizid-Einsätze. Bei der Bekämpfung von Schadinsekten bzw. -milben stehen biologische Verfahren im Vordergrund. Sehr erfolgreich werden im Weinbau TraubenwicklerArten durch den Einsatz der Verwirrungsmethode (Pheromone) und Spinnmilben durch Raubmilben bekämpft, InsektizidEinsätze unterbleiben. Im Obstbau haben mechanische Verfahren (Leimringe) und der Einsatz von biologischen Insektiziden (Granulosevirus- und Bacillus thuringiensis-Mittel) verbreitet Eingang gefunden. Im Gemüsebau werden in vielen Kulturen Vliese oder Kulturschutznetze eingesetzt. Sollte der Einsatz von Insektiziden erforderlich werden, so sind vorrangig bienenungefährliche Mittel zu benutzen. Vor dem Hintergrund des Bienenschutzes hat sich die Landesregierung dafür eingesetzt, die Zulassung der bienentoxischen Neonicotinoide bis auf Weiteres auszusetzen. Zur Pflanzenschutz-Bienenschutz-Problematik findet ein steter Austausch mit den Imkerverbänden statt. 29 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 36. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von Produkten aus bäuerlicher Landwirtschaft im Hinblick auf Umweltschutz und den Erhalt der Biodiversität? Die Landeregierung misst der bäuerlichen Landwirtschaft im Hinblick auf Umweltschutz und dem Erhalt der Biodiversität eine große Bedeutung zu. Zudem leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der regionalen Produktion und Ernährung, zum Schutz natürlicher Ressourcen, zum Erhalt der Biodiversität sowie zur Entwicklung des ländlichen Raums. Der Umweltschutz und der Erhalt der biologischen Vielfalt sind zentrale Themen der Landesregierung. Der gesellschaftliche und umweltbezogene Nutzen einer bäuerlichen Landwirtschaft wird von der Bevölkerung heutzutage oft nicht mehr wahrgenommen. Daher ist es ein großes Anliegen der Landesregierung den Menschen in Rheinland-Pfalz wieder bewusst zu machen, dass mit den vielen, heute so oft als selbstverständlich wahrgenommenen Leistungen für unsere Umwelt, Wirtschaft und den Erhalt der Kulturlandschaft, die bäuerlichen Betriebe mit ihren Familien und Angestellten, mit ihrer tagtäglichen Arbeit, ihrem Engagement und ihrer festen Verwurzelung in der Region, einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Viele bäuerliche Familienbetriebe erwirtschaften generationsübergreifend ihr Einkommen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern z. B. auch mit Direktvermarktung, Agro-Tourismus, in der Energieproduktion oder mit anderen Dienstleistungen. Als kreative und erfolgreiche landwirtschaftliche Unternehmerfamilien tragen sie maßgeblich zu einem vitalen ländlichen Raum und einem vielfältigen Erscheinungsbild in Rheinland-Pfalz bei. Die bäuerliche Landwirtschaft übernimmt damit ihre gesellschaftliche Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs, für die Umwelt, für die Tiere, für die Mitmenschen und nicht zuletzt für den Erhalt der Biodiversität. 37. Wie bewertet die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von ökologisch erzeugten Produkten im Hinblick auf Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität? Durch eine nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen, durch den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel, den Verzicht auf mineralische Düngemittel und den bevorzugten Anbau regionaler Sorten und Arten, tragen gerade die ökologisch wirtschaftenden Betriebe mit ihren ökologisch erzeugten Produkten zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt bei. Auch aus Sicht des Gewässerschutzes ist der ökologische Landbau positiv zu bewerten. Durch den Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und mineralische Düngemittel sind mit dieser Wirtschaftsweise in der Regel weniger Nitrat- und Pestizidbelastungen der Grund- und Oberflächengewässer verbunden. Dies ist zum einen von Bedeutung, um die europäischen Gewässerschutzziele zu erreichen. Zum anderen reduzieren geringere Belastungen des Grundwassers mit Nitrat aus der landwirtschaftlichen Flächennutzung die Kosten, die für die Aufbereitung von nitrathaltigem Grundwasser anfallen würden. Davon profitieren letztendlich auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Darum ist es ein besonderes Anliegen der Landesregierung, die nachhaltigen Produktions- und Haltungsformen der ökologisch wirtschaftenden Betriebe in Rheinland-Pfalz zu fördern. Ein kontinuierlicher Ausbau des Ökolandbaus wird somit weiterhin angestrebt. Die Landwirtschaft verfolgt hierbei das Ziel einer wirtschaftlich erfolgreichen und umweltschonenden sowie nachhaltigen Produktion von gesunden, qualitativ hochwertigen und regionalen Erzeugnissen aus Tierhaltung und Ackerbau. Aufgrund einer artenreichen Fruchtfolge insbesondere im ökologischen Landbau werden langfristig die Bodenorganismen gefördert. Diese beeinflussen die Stoff- und Energiekreisläufe sowie die Struktureigenschaften in den Böden und fördern somit maßgeblich auch die Bodenfruchtbarkeit durch den Aufbau von Humus. Ein reichhaltiges Bodenleben weist auf einen gesunden, biologisch aktiven Boden hin. Humus beeinflusst nahezu alle Bodeneigenschaften und -funktionen. Humus ist nicht nur Nähstoffquelle für ein gesundes Wachstum unserer Kulturpflanzen, sondern er trägt auch zur Stabilisierung des Bodens bei. Er schützt damit vor Erosion und entlastet durch seine Speicherung von CO2 zusätzlich die Atmosphäre. Aufgrund der vielfältigen Wirkungen stellt eine an den Standort angepasste optimale Humusversorgung in landwirtschaftlichen Betrieben die Grundlage zur nachhaltigen Bodenfruchtbarkeit, zur Ertragssicherung, zum Bodenschutz und zum Umweltschutz dar. Die praxisorientierte Stärkung der heimischen ökologischen Erzeugung land- und weinwirtschaftlicher Produkte und deren Vermarktung – Ökoland- und Ökoweinbau – bilden einen Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Agrar- und Weinbaupolitik. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher lässt sich anhand des ökologischen Land- und Weinbaus der Grundsatz „Öffentliches Geld für gesellschaftlich erwünschte Leistungen!“ am deutlichsten nachvollziehen. Dies belegen auch die statistischen Daten zur Entwicklung des ökologischen Landbaus. Deshalb – und aus den bereits in der Antwort zu Frage 34 dargelegten Gesichtspunkten – stuft die Landesregierung den gesellschaftlichen Nutzen von ökologisch erzeugten Produkten im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz, gesunde Ernährung, Gesundheit und Erhalt der Biodiversität sehr hoch ein. Ökologisch erzeugte Produkte sind Wegweiser und Aushängeschild für nachhaltige Landwirtschaft zugleich: Für die Landesregierung besteht nachhaltige Landwirtschaft aus einem Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Tragfähigkeit, Umweltschutz und gesellschaftlicher Akzeptanz. Diese drei Aspekte sind eng miteinander verwoben. 38. Welche Relevanz haben aus Sicht der Landesregierung die Agrar- und Ernährungswirtschaft für die Entstehung von Treibhausgasen bzw. für den Schutz des Klimas? Die Bedeutung der Agrar- und Ernährungswirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zum einen können Treibhausgas(THG)-Emissionen eingespart werden und zum anderen verfügt der Sektor über bedeutende Potenziale zur Speiche- 30 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 rung von CO2 Der FAO zufolge werden weltweit rund 30 Prozent der THG-Emissionen durch Landnutzungsformen verursacht. Davon verursachen die Tierhaltung und der Pflanzenbau rund die Hälfte der THG-Emissionen aus Landnutzungsformen. Das Umweltbundesamt (UBA) legt nach Quellenbilanz dar, dass 2012 innerhalb der EU-15 rund 10 Prozent der gesamten THG-Emissionen (372 Mio. t CO2-Äquivalent) durch die Landwirtschaft verursacht wurden. Seit 1990 konnten in der EU im Bereich der Landwirtschaft 15 Prozent der THG-Emissionen eingespart werden. Das UBA berichtet, dass 2012 in Deutschland rund 7 Prozent der THG-Emissionen (70 Mio. t CO2-Äquivalent) durch die Landwirtschaft verursacht wurden. Die Landwirtschaft ist für 53 Prozent der gesamten deutschen Methanemissionen (CH4) und über 77 Prozent der Lachgasemissionen (N2O) verantwortlich, die beide eine deutlich höhere klimaschädigende Wirkung haben als CO2. Seit 1990 konnten in der Landwirtschaft rund 24 Prozent eingespart werden. Hierzu hat insbesondere der Abbau der Tierhaltung in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung beigetragen. Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung des Landes Rheinland-Pfalz stellt in der Eröffnungsbilanz zum Klimaschutzkonzept dar, dass die Landwirtschaft im Jahr 2011 rund 5 Prozent (1,8 Mio. t CO2-Äquivalent) der THGEmissionen in Rheinland-Pfalz verursachte. Seit 1990 konnten in diesem Bereich in Rheinland-Pfalz rund 22 Prozent eingespart werden. 39. Wie bewertet die Landesregierung (auch vor dem Hintergrund der Sicherung der Welternährung) die Auswirkungen eines hohen Fleischkonsums auf: a) die Verfügbarkeit von landwirtschaftlicher Nutzfläche (global und lokal)? Für 2014 hatte die FAO einen Anstieg der weltweiten Fleischproduktion auf 311,6 Millionen Tonnen prognostiziert. Im globalen Schnitt standen 2012 pro Person 42,8 Kilogramm Fleisch im Jahr zur Verfügung. In den Entwicklungsländern lag der durchschnittliche Fleischverbrauch bei 33,4 kg pro Person, in den Industriestaaten bei 76,2 kg Fleisch bei steigender Tendenz. Nach einer Berechnung des UN-Umweltprogramms könnten die Kalorien, die bei der Umwandlung von pflanzlichen in tierische Lebensmittel verbraucht werden, theoretisch 3,5 Milliarden Menschen ernähren. Der ansteigende Futtermittelanbau im Zuge des Fleischkonsums führt darüber hinaus zu enormen Umweltbelastungen und negativen Auswirkungen auf die Menschen. Weltweit werden über 40 Prozent bzw. rund 800 Millionen Tonnen der Ernte von Weizen, Roggen, Hafer und Mais für die tierische Veredelung aufgewendet. Laut der UN werden ca. drei Viertel aller agrarischen Nutzflächen in irgendeiner Weise für die Tierfütterung beansprucht. Diese Flächen könnten viel effizienter für den Anbau von Nahrungsmitteln für den Menschen genutzt werden. Zudem kaufen reiche Länder und Konzerne im großen Stil Anbauflächen im Ausland ein („Landgrabbing “). Allein die europäische Fleischproduktion benötigt pro Jahr im Durchschnitt 13 Millionen Hektar süd-amerikanische Anbauflächen für Futtermittel. Dadurch gehen wertvolle Regenwälder verloren, Böden werden durch Pflanzenschutzmittel belastet, Preise für Nahrungsmittel und Nutzflächen steigen aufgrund der weltweit knapper werdenden Agrarflächen und die Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Nutzflächen nimmt angesichts der zu ernährenden Weltbevölkerung immer mehr ab.23) Würde man den Fleischkonsum in Deutschland alleine aus heimischer Produktion abdecken, müssten ca. 19 000 km2, also knapp die Fläche von Rheinland-Pfalz, vollständig mit Soja bepflanzt werden.24) Würde sich der Fleischkonsum in Deutschland dagegen beispielsweise den von der DGE empfohlenen Mengen annähern, würde dieser Flächenbedarf drastisch reduziert werden. Darum setzt sich die Landesregierung für den Verzehr gesunder und nachhaltig produzierter Lebensmittel ein. Verschiedene Kampagnen, wie z. B. „Rheinland-Pfalz isst besser“ sollen dazu beitragen, dass die Verbraucher die Lebensmittel wieder generell mehr wertschätzen , mehr Gemüse verzehrt wird und weniger Lebensmittel weggeworfen werden. b) den Wasserverbrauch? Auch die vorliegenden Daten zum Wasserverbrauch stützen die Initiativen der Landesregierung für einen an die DGE Standards angenäherten Fleischkonsum: Eine UNESCO-Studie aus dem Jahr 2010 ergab, dass der Wasserverbrauch für die Produktion tierischer Lebensmittel in der Regel um ein Vielfaches höher liegt als bei pflanzlichen Lebensmitteln. Daten des WWF aus dem Jahr 2009 zufolge kommen zum direkten Wasserverbrauch im Haushalt von durchschnittlich 120 Litern pro Tag rund 3 900 Liter aufgewendetes Wasser hinzu, vor allem für die Produktion tierischer Lebensmittel. 25) Wird der Futtermittelbedarf für die Produktion von Fleisch vor allem durch Importe gedeckt, wird mit dem Futtermittel virtuell, also bilanziell, auch das Wasser aus dem Futtermittelexportierenden Land importiert, das bei diesem Anbau verbraucht wurde. Die Produktion von Rindfleisch erzeugt beispielsweise mehr als das 8,5-fache an sogenanntem „virtuellem Wasser“ als die Produktion von Getreide; die Produktion von Schweinefleisch mehr als das 3-fache. 26) Das führt besonders in den Wasser-Risiko-Gebieten in Entwicklungsländern zu Problemen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird ein Fortsetzen dieser Praxis in den betroffenen Ländern den Wassermangel weiter vergrößern und zu einer Verstärkung der klima-/dürrebedingten Flucht führen. 31 23) Quelle: BUND 2014 – Fleischatlas. 24) Quelle: WWF Deutschland – Studie 2014 „Fleisch frisst Land“. 25) WWF 2009: Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. 26) Mekonnen und Hoekstra, 2010 und 2011. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode c) die Bodenfruchtbarkeit? Böden sind als wichtiger Produktionsfaktor nicht nur die Basis der Lebensmittelproduktion, sondern sie filtern Regenwasser, speichern Kohlenstoff und sind Lebensraum für eine Vielzahl an Tieren und Mikroorganismen. Grundsätzlich trägt die Viehhaltung bei einer nachhaltigen Nutzung der Wirtschaftsdünger zum Aufbau der Bodenfruchtbarkeit bei. Doch der weltweit hohe Fleischkonsum und die damit einhergehende Intensivierung von Tierhaltung und Futtermittelanbau führen zum Gegenteil. Der Umbruch von Grünlandstandorten für den Anbau von Mais sowie der Anbau von Futterpflanzen in Monokulturen mit intensivem Pestizidund Mineraldüngereinsatz führen zu Humusabbau und Erosion. Schätzungen zurfolge, sind derzeit bereits über 70 Prozent des weltweiten Weidelandes aufgrund von Überweidung, Verdichtung oder Erosion zerstört. 27) Dies hat direkten Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit. d) den Tierschutz? Die Nachfrage nach tierischen Produkten in Deutschland bestimmt nicht allein das Ausmaß der Produktion in Deutschland. Der gesamte Agrarmarkt bewegt sich auf dem europäischen Binnen- und dem Weltmarkt. Der Selbstversorgungsgrad mit Fleisch lag 2013 bei 120 Prozent. 28) Der Verbrauch von Fleisch- und Wurstwaren ist 2013 im Vergleich zu 2012 um 2,3 Prozent gesunken (AMI, 2014). Dieser rückläufige Trend ist in Deutschland schon seit einigen Jahren zu verzeichnen. Gleichzeitig steigen die Preise für Fleisch- und Wurstprodukte in Deutschland an, von 2012 auf 2013 um 1,2 Prozent. Auch die Fleischproduktion in Deutschland steigt laut dem Statistischen Bundesamt weiter, im ersten Halbjahr 2015 verzeichnete sie einen neuen Spitzenwert und stieg um 2,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Kommen wachsende Märkte und Preisdruck in der Erzeugung zusammen, ist davon auszugehen, dass die Aspekte des Tierschutzes in der Nutztierhaltung darunter leiden. Tierschutzmaßnahmen wie eine strukturierte Haltungsumgebung, tiergerechte Besatzdichten , intensive Tierbetreuung und Möglichkeiten zum Ausleben des arteigenen Verhaltens, stellen Kosten dar, die ohne ausreichende gesetzliche Regelungen und Standards auf dem europäischen wie auf dem Weltmarkt kaum gedeckt werden können. Das Konsumverhalten kann deshalb großen Einfluss auf die Produktionsverfahren nehmen. Aufgeklärte Verbraucherinnen und Verbraucher können Verantwortung übernehmen und mit ihren Kaufentscheidungen auf die Tierhaltungsbedingungen einwirken. Der Tierschutz in der Nutztierhaltung wird vor allem durch den bewussten Kauf tierschutzgerecht erzeugter Produkte erhöht. Da durch die höheren Preise tierschutzgerecht erzeugter Produkte ein Rückgang des Fleischkonsums zu erwarten ist, kann man darauf schließen, dass sich der Fleischkonsum reduziert, wenn in der Nutztierhaltung mehr Tierschutzmaßnahmen durchgesetzt werden. Der Umkehrschluss, dass weniger Fleischkonsum zu mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung führt, ist wegen der exportorientierten Agrarmärkte in Europa nicht zutreffend. Um den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu ermöglichen, gezielt Einfluss zu nehmen, setzt sich die Landesregierung im Bundesrat für die Kennzeichnung von in der Erzeugung berücksichtigten Tierschutzstandards auf Lebensmitteln ein. Allerdings ist die Bundesregierung bislang nicht gewillt, in diesem Sinne tätig zu werden. Näheres zur Kennzeichnung siehe Frage 48. e) den Ausstoß von Treibhausgasen? An der Entstehung von jährlichen Treibhausgasemissionen pro Kopf in Deutschland hat die Ernährung einen Anteil von ca. 25 Prozent .29) Das sind knapp 2 t THG-Emissionen pro Person. Eingeschlossen sind darin Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette von der Düngung bis hin zur Weiterverarbeitung. Weltweit entfallen etwa 72 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Ernährung auf die Produktion tierischer Erzeugnisse. Laut FAO werden 18 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Tierhaltung verursacht. Das ist mehr als der weltweite Transportsektor mit all seinen Autos, Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen beiträgt. 30) 40. Wie hoch sind die Futtermittelimporte in die Europäische Union und nach Deutschland? Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Auswirkungen des globalen Futtermittelmarkts auf die Futtermittel exportierenden Länder? In die EU wurden laut EUROSTAT im Jahr 2013 rund 57 Mio. t Futtermittel eingeführt. Die Futterarten können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 32 27) Brot für die Welt und Vegetarier Bund Deutschland – Kampagne für Ernährungssicherheit. 28) Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI), 2014. 29) Toni Meier, Nachhaltige Ernährung im Spannungsfeld von Umwelt und Gesundheit, Ernährungs Umschau 2/2015. 30) Food an Agriculture Organization, Statistics Division (FAOSTAT :Data Archives.). Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt rund 16,1 Mio. t Futtermittel aus Drittländern verfüttert. Die Futterarten können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Zu den Auswirkungen auf die Futtermittel exportierenden Länder nimmt die Landesregierung in Frage 39 Stellung. 41. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Vorkommen und Ursachen von Umweltschadstoffen aus der landwirtschaftlichen Produktion, wie beispielsweise Pestizide, Nitrat oder Arzneimittelresten? Zu Nitrat: Unser Grundwasser enthält oft zu viel Nitrat. Und nur 30 Prozent unserer Flüsse und Seen sind in einem guten chemischen Zustand . Die EU-Wasserrahmenrichtlinie schreibt allen Mitgliedsstaaten vor, ihre Gewässer bis 2027 in einen guten Zustand zu bringen . Beim Grundwasser wird der „gute chemische Zustand“ bei 77 Prozent der Landesfläche, aber nur bei 49 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche erreicht. Die Gewässer werden nach wie vor durch Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft belastet. Die Nitratkonzentration in Deutschland lag im Jahr 2014 bei ca. 50 Prozent der Grundwassermessstellen bei über 10 mg/l. Der europaweite Schwellenwert von 50 mg/l, bei dem Maßnahmen zur Verringerung des Nitrateintrags getroffen werden müssen, wurde an 15 Prozent der Messstellen überschritten.33) Der überwiegende Eintrag dieses Nitrats kommt aus der Landwirtschaft. Rheinland-Pfalz hält daher eine Novellierung der Düngeverordnung (DüV) für dringend notwendig, um die wichtigen Ziele der EU-Nitratrichtlinie zum Wasserschutz zu erreichen und die Qualität des Trinkwassers, unseres Lebensmittel Nummer Eins, zu sichern . Deutschland hat hier nach Auffassung der EU noch nicht genug getan. Die europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet, weil die EU-Nitratrichtlinie nur unzureichend umgesetzt ist. Die Bundesregierung hat zwar Ende 2014 einen Entwurf zur Düngeverordnung vorgelegt. Dieser Vorschlag muss nach Auffassung der Landesregierung erheblich überarbeitet werden, um tatsächlich wirksam die Nitratbelastung senken zu können: RheinlandPfalz setzt sich für eine Düngeverordnung ein, die dort strenge Regelungen trifft, wo es Probleme gibt und nicht auch diejenigen Regionen bürokratisch belastet, in denen die Nitratbelastungen nicht problematisch sind. Eine Forderung aus Rheinland-Pfalz wird 33 Import von Futtermitteln in die EU (in 1 000 t) 31) Getreide 14 163 Energiereiche Produkte 6 037 davon Maiskleberfutter 439 Maniok 9,2 Melasse 2 105 Proteinreiche Produkte 36 889 davon Sojaschrot 27 812 Sonnenblumenschrot 2 944 Summe 57 089 Futterverbrauch des inländischen Nutzviehs nach Futtermitteln (in 1 000 t) 32) Getreide 3 855 Hülsenfrüchte 104 Ölkuchen 9 296 Sonstiges 2 647 Milch 200 Summe 16 102 31) EUROSTAT – COMEXT, 2014. 32) Statistisches Bundesamt 2015. 33) Umweltbundesamt 2014: „Zuviel Nitrat im Grundwasser“. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode daher sein, die Düngeverordnung so zu gestalten, dass in Gebieten mit stark belastetem Grundwasser (Risikogebiete) strengere Maßnahmen vorgegeben werden. Dafür sollen für Betriebe in Gebieten ohne Nitratprobleme Erleichterung zu den derzeit bestehenden Regeln geschaffen werden. Betriebe, die umwelt- und tiergerecht wirtschaften, dürfen nicht unsachgemäß belastet werden. Auch Verschärfungen im Bereich der Weidehaltung sind nicht zielführend. Gerade Betriebe, die mit Stallmist oder Kompost wirtschaften, sollen in solchen Regionen auch über Winter diese Stoffe ausbringen dürfen. Dies reduziert dann auch die notwendige Lagerkapazität. Anders als Mineraldünger geben diese organischen Dünger den Stickstoff nur langsam und durch Umsetzungsprozesse im Boden ab. Eine wichtige Forderung bei der Umsetzung der neuen Düngeverordnung ist auch die Beratung und wissenschaftliche Begleituntersuchungen . Das gilt insbesondere für Betriebe mit einem besonders hohen Umsatz an stickstoffhaltigen Stoffen, zum Beispiel in Gemüsebaubetrieben. Zur Verbesserung der Vollzugskontrolle setzt sich die Landesregierung außerdem für die Ermöglichung des Datenabgleichs mit Datenbanken ein, die zu anderen als düngerechtlichen Zwecken erhoben wurden. Zu Ammoniak Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil von etwa 95 Prozent eine der Hauptquellen für Ammoniak-Emissionen. Dabei stammt der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen aus der Rinderhaltung (ca. 52 Prozent), der Schweinehaltung (ca. 20 Prozent), der Geflügelhaltung (ca. 9 Prozent) sowie der Mineraldüngeranwendung (ca. 15 Prozent).34) Während in der Schweinehaltung der Großteil der Emissionen direkt im Stall entsteht, sind die Ammoniak-Emissionen in der Rinderhaltung insbesondere auf die Wirtschaftsdüngerlagerung und -ausbringung zurückzuführen. In Tierhaltungsanlagen entsteht Ammoniak hauptsächlich durch Zersetzung von stickstoffhaltigem organischem Material in Exkrementen. Ammoniak und seine Reaktionsprodukte haben umweltschädigende Wirkungen, letztlich insbesondere eine versauernde sowie eine eutrophierende (Nährstoff anreichernde) Wirkung. Diese Effekte beeinträchtigen empfindliche Ökosysteme, z. B. Waldökosysteme mit nährstoffarmen Böden, und führen zu Veränderungen der biologischen Artenvielfalt. Durch die Freisetzung und Auswaschung überschüssiger Stickstoffverbindungen, z. B. Nitrat, können zusätzlich die Ökosysteme in Gewässern belastet werden. Zu Pflanzenschutzmitteln Pflanzenschutzmittel können auf verschiedene Arten in die Umwelt gelangen: durch Verflüchtigung in die Luft und anschließende Deposition auf Flächen, durch Versickerung nach der Anwendung durch die Böden in das Grundwasser, durch Abdrift bei der Applikation in die nähere Umgebung der behandelten Flächen, durch Abschwemmung von behandelten Flächen und durch sogenannte Punkteinträge (Abläufe von Hofstellen, Gullys). Von großer Bedeutung sind Einträge in die Oberflächengewässer hauptsächlich durch Punkteinträge und durch Abschwemmung. Punkteinträge entstehen durch unsachgemäße Reinigung der Pflanzenschutzgeräte auf befestigten Hofflächen, Fehler oder Unfälle bei der Befüllung der Pflanzenschutzgeräte, Abschwemmung von illegalerweise behandelten befestigten Flächen oder Abschwemmung von befestigten Wirtschaftswegen oder Straßen, wenn auf der Fahrt zu Behandlungsflächen Spritzbrühe aus den Pflanzenschutzgeräten schwappt oder abtropft. Pflanzenschutzmittelwirkstoffe gelangen so in die Kanalisation, in die Kläranlagen und von dort weiter in größere Oberflächengewässer. Ebenfalls bedeutsam sind Abschwemmungen von Ackerflächen meist nach Starkregen-Ereignissen („run-off“). Zusammen mit Bodenpartikeln fließen anhaftende Pflanzenschutzwirkstoffe in angrenzende Gräben oder Bäche (Erosion). Die übrigen Eintragspfade sind von geringer Relevanz für Austräge aus den Produktionsflächen. In ca. 16 Prozent der Oberflächenwasserkörper in Rheinland-Pfalz 35) ist der schlechte chemische oder ökologische Zustand u. a. auch auf das Vorkommen von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen zurückzuführen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass verschiedene Pflanzenschutzmittelwirkstoffe ebenfalls in Bioziden und Baustoffen enthalten sind, und Oberflächenwasserkontaminationen auch aus diesen Anwendungen bzw. Verwendungen stammen können. Zu Arzneimittelrückständen Hinsichtlich der Auswirkungen des hohen Einsatzes von Antibiotika in der Intensivtierhaltung auf die Umwelt, insbesondere das Grundwasser und den Boden, besteht noch großer Forschungsbedarf. In einer ersten Untersuchung zu möglichen Belastungen des Grundwassers, die das Umweltbundesamt in 2012 und 2013 an 48 Messstellen in vier Bundesländern durchgeführt hatte, wurden an 39 Messstellen keinerlei Wirkstoffe gefunden. Bei sieben Messstellen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fanden sich allerdings Sulfonamide. Die Werte waren mit maximal elf Nanogramm pro Liter (ng/l) allerdings sehr gering. Bei zwei Messstellen wurde der Wirkstoff Sulfamethoxazol in Konzentrationen von mehr als 100 ng/l gefunden und lag damit über dem Grenzwert für Pflanzen- 34 34) Quelle: Umweltbundesamt – http://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/ammoniak. 35) Quelle: Zusammenfassung der Beiträge des Landes Rheinland-Pfalz zum zweiten Bewirtschaftungsplan und der Maßnahmenprogramme für den internationalen Bewirtschaftungsplan Rhein 2016 bis 2021 (Entwurf): Seiten 63 ff. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 schutzmittel oder Biozide im Grundwasser.36) Das UBA empfiehlt aus Vorsorgegründen die Übertragung des Grenzwerts für Pflanzenschutzmittel -Wirkstoffe von 0,1 Mikrogramm pro Liter im Grundwasser auf Azneimittel, damit bei Überschreitungen geeignete Maßnahmen zum Grundwasserschutz ergriffen werden können. 42. Welche Notwendigkeit sieht die Landesregierung in der Bildung von Kooperationen zwischen der Landwirtschaft und dem Umweltschutz insbesondere in den Bereichen Wasserwirtschaft, Naturschutz und Bodenschutz? a) Welche konkreten Kooperationen bestehen bzw. sind geplant? b) Welches sind die konkreten Ziele dieser Kooperationen? c) Welche Erfolge sind bereits festzustellen bzw. sind mittelfristig zu erwarten? 43. Wie bewertet die Landesregierung den Kooperationsansatz hinsichtlich der Vermeidung des Eintrags von ökologisch und gesundheitlich bedenklichen Schadstoffen wie Pestizide und Nitrat in die Umwelt? Die Fragen 42 und 43 werden aufgrund des Sinnzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung sieht in der Bildung von Kooperationen ein wichtiges Instrument, um Strategien wirkungsvoll umzusetzen und nachhaltige Effekte zu erzielen. Daher ist eine horizontale und vertikale Verzahnung der einzelnen Bereiche auch in der Landwirtschaft unerlässlich. Darüber hinaus sind Kooperationen ein sinnvolles Element, um das bestehende Ordnungsrecht im Umweltbereich zu ergänzen. Sie beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Durch den Entschluss zur freiwilligen Zusammenarbeit entsteht bei den Beteiligten in der Regel ein größeres Bewusstsein für die vorhandene Umweltproblematik und mehr Engagement für gemeinsame Problemlösungen. Mit dem Greening und weiteren EU-Vorgaben der neuen EU-Agrar-Förderperiode sind die Anforderungen an Landwirtschaft und Weinbau im Bereich Umwelt- und Naturschutz weiter gestiegen. Verbindliche Regelwerke wie Natura 2000, die Biodiversitätsstrategie oder auch die EU-Wasserrahmenrichtlinie und der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz sind umzusetzen und stellen Landwirte und Winzer vor neue große Herausforderungen. Kooperationen bzw. Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft und dem Naturschutz Die Umsetzung der neuen Anforderungen soll insbesondere über die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen erfolgen. Mit den Förderangeboten dieser Programme werden finanzielle Anreize geschaffen, damit die Landwirte Naturschutzleistungen umsetzen . Die speziellen Vertragsnaturschutz-Programmteile zielen besonders auf den Erhalt der Kulturlandschaft sowie die Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft. Darüber hinaus hat das Land Rheinland-Pfalz zur Bewältigung der neuen Herausforderungen in der Agrarlandschaft die seit über 25 Jahren erfolgreich tätige Vertragsnaturschutzberatung neu konzipiert. Durch die Zusammenführung der beiden Beratungsstränge – Vertragsnaturschutzberatung und landwirtschaftliche Offizialberatung – wurden stabile Strukturen für die Kooperation und Kommunikation zwischen Agrarwirtschaft und Naturschutz geschaffen. Gleichzeitig wurde mit der Übertragung der Koordinationsund Steuerungsfunktion an das DLR Rheinhessen-Nahe der Aufbau eines neuen Beratungsangebots „Agrarwirtschaft und Naturschutz “ geschaffen, um mehr Naturschutzbelange in die betrieblichen Abläufe der Landwirtschaftsbetriebe zu integrieren. Für immer komplexere Anforderungen bei Umwelt- und Naturschutz an die Landwirtschaft wird somit ein adäquates Beratungsangebot bereitgestellt, bei deren Umsetzung alle sechs DLR verantwortlich eingebunden sind. Mehrjährige Erfahrungen in der Zusammenarbeit von Landwirtschafts- und Naturschutzberatung bietet außerdem das Beratungsinstrument „Partnerbetrieb Naturschutz“. Auf einzelbetrieblicher Ebene wird hier in allen Nutzungsrichtungen die gemeinsame Beratung von landwirtschaftlicher und naturschutzfachlicher Beratung im Team und auf Augenhöhe gemeinsam mit dem Betriebsleiter umgesetzt. Der „Partnerbetrieb Naturschutz“ ist mittlerweile ein landesweit eingeführtes und anerkanntes Instrument in Rheinland-Pfalz für einzelbetriebliche Naturschutzberatung in der Landwirtschaft. Kooperationen im Bereich Artenrückgang Es bestehen spezielle Artenhilfsprogramme des Landesamts für Umwelt und Wasserwirtschaft (LUWG). Der BUND lobt zudem einen jährlichen Wiesenwettbewerb zum Erhalt der Kulturlandschaft und der Artenvielfalt in Mähwiesen. Kooperationen im Bereich Grünlandverlust In der Eifel besteht eine „Wiesen- und Weidenallianz“ zum Schutz und Erhalt von Grünlandstandorten. Kooperationen im Bereich Wasserwirtschaft Im Bereich der Wasserwirtschaft zeigen erste Ergebnisse, dass Kooperationen zwischen Wasserversorgern und Landwirten, verbunden mit der entsprechenden Fachberatung, dazu beitragen können, diffuse Nährstoffeinträge aus der landwirtschaftlichen Flächennutzung zu reduzieren. 35 36) UBA 2014: Antibiotika und Antiparasitika im Grundwasser unter Standorten mit hoher Viehbesatzdichte. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Bisher sind vier neue Kooperationen (Verbandsgemeinde Maikammer, Wasserversorgungszweckverband Maifeld-Eifel (Metternich ), Verbandsgemeinde Kirn-Land, Stadtwerke Ramstein-Miesenbach) nach den Anforderungen des „Programms Gewässerschonende Landwirtschaft“ entstanden. Weitere 14 Wasserversorger haben Interesse an einer Kooperation bekundet, bzw. befinden sich im Gespräch mit der Wasserschutzberatung . Darunter sind einige Wasserversorger, die bereits seit längerem mit der Landwirtschaft kooperieren, diese Zusammenarbeit aber jetzt durch die Beratung intensivieren und am Programm orientieren wollen. Die konkreten Ziele dieser Kooperationen sind: – Ergänzung des Ordnungsrechts durch freiwillige Maßnahmen – Unterstützung der Landwirtschaft, um die Anforderungen der europäischen Gewässerschutzpolitik zu erreichen, – Reduzierung diffuser Einträge von Nährstoffen (Stickstoff und Phosphat) und von Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer, – Unterstützung der Wasserversorger zur langfristigen Sicherung der Trinkwasserqualität, – Spürbare Verbesserung der Zusammenarbeit von Wasser- und Landwirtschaft – Vermeidung von Konflikten zwischen Wasserund Landwirtschaft – Nutzung von Synergieeffekten. Die Landesregierung wertet es als Erfolg des „Programms Gewässerschonende Landwirtschaft“, dass sich bereits jetzt so viele Wasserversorger für eine Kooperation mit der Landwirtschaft interessieren. Das Angebot zur freiwilligen Beratung wird von den Betroffenen positiv aufgenommen. Bei der Kooperation in der Verbandsgemeinde Edenkoben/Maikammer kann eine erste Abschätzung zur Wirkung der Zusammenarbeit zwischen Wasserversorger und Landwirtschaft vorgenommen werden. Seit September 2009 arbeiten dort Wasserwirtschaft , Winzer und das DLR Rheinpfalz eng zusammen, um zu hohe Stickstoffeinträge in das Grundwasser zu reduzieren. In der Kooperation Maikammer sind 24 Betriebe mit 70 Parzellen auf einer Fläche von 25 ha eingebunden. Es zeigt sich, dass die zielgerichtete Beratung auf der Grundlage der durchgeführten Boden- und Blattstielanalysen erste Früchte trägt und die Stickstoffgaben parzellenscharf optimiert werden konnten. Durch konsequente Umsetzung der Beratungsempfehlungen ist zukünftig eine signifikante Reduktion der Nitratauswaschungen ins Grundwasser zu erwarten. Es wird erwartet, dass sich mittelfristig auch bei den weiteren Kooperationen eine Trendumkehr beim Eintrag von Nährstoffen (insbesondere bei Nitrat) feststellen lassen wird. 44. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Ernährungssicherheit in Rheinland-Pfalz, Deutschland und weltweit? Die Auswirkungen des Klimawandels sind unterschiedlich je nach Land und Region. Die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion wird in Abhängigkeit der jeweiligen geografischen Exposition und der regionalen Zunahme und Verteilung von Wetterextremen stärker variieren. Der Grad der Stabilität bzw. Instabilität politischer, sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse in den jeweiligen Regionen und Ländern kann dabei die Gefährdung der Ernährungssicherheit verstärken oder auch abschwächen. Insbesondere Länder mit aktueller Ernährungsunsicherheit (Südasien, Indien, Subsahara-Afrika, Lateinamerika) werden infolge der Zunahme extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und Schaderregeraufkommen eine signifikante Reduktion der Agrarproduktion durch Ernteausfälle erleiden, die Ernährungssicherheit wird dort in der Folge durch Nahrungs- und Wassermangel weiter gefährdet. 37) Dadurch wird der Klimawandel auch als Fluchtursache mehr Bedeutung bekommen. Deutschland und Rheinland-Pfalz liegen in der gemäßigten Klimazone und verfügen im Vergleich zu den oben genannten Ländern über eine geringere Vulnerabilität und gleichzeitig über ein hohes Anpassungsvermögen (finanzielle, technische, infrastrukturelle Ressourcen). Produktionsprozesse, Ertragsstabilität und Produktqualität von Lebens- und Futtermitteln stehen in Abhängigkeit von regional bzw. lokal auftretenden Wetterereignissen und extremen Witterungsphasen (Hitze, Dürre, UV-Strahlungsintensität, Hagel, Starkregen ) sowie dem Aufkommen von Schaderregern. Dies führt auch in Deutschland zu Ertragseinbußen, die jedoch über den europäischen Binnenmarkt und den Zugang zum Weltmarkt kompensiert werden und die Ernährungssicherheit hierzulande nicht gefährden. In Rheinland-Pfalz wirkt sich der Klimawandel auf die Erzeugung und Qualität von Rohstoffen für die Lebensmittelerzeugung insofern aus, als sich Anbaugebiete verschieben werden (Verlagerung in nördliche Regionen oder Höhenlagen) oder sich Arten- und Sortenspektren verändern (z. B. Trend zu Rotweinen und wärmeliebenden Rebsorten, trockenheits- und strahlungstolerante Sorten). Um ein erhöhtes bzw. neues Schadenerregeraufkommen zu bewältigen, werden Investitionen in technische Ausstattung (Beregnungstechnik und -steuerung, Kulturschutzeinrichtungen, Stalltechnik) und in die Wissensgenerierung und -vermittlung erforderlich sein. Bereits jetzt treten in landwirtschaftlichen, gartenbaulichen Kulturen und im Weinbau Schadinsektenarten auf, die ursprünglich im mediterranen Klima beheimatet sind. Insbesondere die Kirsch-Essig-Fliege führt bereits zu deutlichen Schäden im Wein- und Obstbau. Des Weiteren sind z. B. ein verstärktes Zikadenaufkommen und eine Einwanderung verschiedener Schnellkäferarten (Drahtwürmer) zu beobachten. Ferner haben Populationsdichten bestimmter Blatt- und Schildlausarten aufgrund der höheren 36 37) Zeller und Beuchelt, (2009): „Ernährungssicherung in Zeiten des Klimawandels“. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Temperaturen erheblich zugenommen und machen zusätzliche Bekämpfungsmaßnahmen erforderlich. Die Einwanderung verschiedener Neophyten hat bisher noch keine Auswirkungen auf die agrarische Produktion. 45. Mit welchen Maßnahmen versucht das Land die Lebensmittelverschwendung einzudämmen um beispielsweise den unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden? Laut einer aktuellen Studie des WWF (2015) gehen in Deutschland insgesamt, wenn die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Endverbraucher betrachtet wird, über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel im Jahr verloren. Dies entspricht fast einem Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs Deutschlands (54,5 Millionen Tonnen). Davon wären über die Hälfte vermeidbar, fast 10 Millionen Tonnen. Umgerechnet sind diese 10 Millionen Tonnen mit einem Ausstoß von Treibhausgasen von fast 22 Millionen Tonnen verbunden, was in etwa einem Drittel der landwirtschaftlichen Emissionen an Treibhausgasen unseres Landes entsprechen würde oder dem Doppelten des Klimagasausstoßes der deutschen Abfallwirtschaft. 38) Die Landesregierung hat zahlreiche Aktivitäten auf den Weg gebracht, um auf das Problem der Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette aufmerksam zu machen und Lösungsansätze zu entwickeln. Durch eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung auf allen Ebenen der Lebensmittelkette könnte der Verbrauch enormer Mengen an Energie, Dünger und anderer Ressourcen vermieden werden, die durch die Millionen Tonnen entsorgter Lebensmittel jährlich unnötig verloren gehen. Zu den Aktivitäten des Landes gehören: Dialogreihe „Lebensmittel mehr wertschätzen – Lebensmittelverluste verringern“ In Kooperation mit der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz wurde 2012 ein Dialogprozess angestoßen, um gemeinsam mit den Akteuren der Wertschöpfungskette für Lebensmittel (Erzeuger, Handel, Verbraucher, Gastronomie/Großverbraucher) über Möglichkeiten zur Verringerung von Lebensmittelverlusten zu diskutieren. Die Gespräche werden seitdem auf Arbeitsebene verstetigt. Bisherige Ergebnisse: Es wurde in Zusammenarbeit mit der AgroScience Rheinland-Pfalz eine Analyse der landwirtschaftlichen Produktion im Land erarbeitet, die zeigt, dass die Lebensmittelverluste auf dieser Stufe der Lebensmittelkette im Land relativ gering sind. Aus der Dialogreihe sind zudem das Schulprojekt “Ernährung nachhaltig gestalten – Was ist uns unser Essen wert?“ entstanden sowie das Projekt „Kochbus“. Diese sind in der Antwort auf Frage 24 beschrieben. Unterrichtsmaterial zur Ausleihe An allen Dienstleistungszentren Ländlicher Raum sowie im Ernährungsministerium kann zudem ein Spiel zum Thema Lebensmittellagerung (Kühlschrankspiel) ausgeliehen werden. Es eignet sich für den Einsatz an Schulen oder Kitas als auch z. B. für Veranstaltungen. Deutsch-belgisches Schulprojekt „Lebensmittel wertschätzen in der Großregion“ Im Zuge der rheinland-pfälzischen Präsidentschaft des 14. Gipfels der Großregion 2013/2014 wurden interregionale Aktionstage zum Thema „Lebensmittel wertschätzen in der Großregion“ veranstaltet. Es nahmen Kinder der 6. Klasse aus drei Schulen (Belgien und Deutschland) teil. Sie entdeckten gemeinsam die Herkunft, Ernte/Gewinnung und Zubereitung von regionalen Lebensmitteln. Ziel war es, den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die Lebensmittelproduktion und -verarbeitung zu ermöglichen und dabei einen Bezug zum persönlichen Konsum zu schaffen. Stellungnahme des EU-Ausschusses der Regionen Die Ergänzung seitens des MULEWF, dass die „Reduzierung der Verschwendung von Lebensmitteln als Thema in die ‚Ausbildung in Erzeugung, Verarbeitung, Gastronomie und Handel‘ aufgenommen werden“ sollte, wurde in die Endfassung der Stellungnahme des EU-Ausschusses der Regionen zur EU-Abfallpolitik aufgenommen (ENVE-V-035/102. Plenartagung des EU-Parlaments am 3. und 4. Juni 2013). Ernährung und Landwirtschaft 46. Welchen Einfluss hat die Art und Weise der Erzeugung der Lebensmittel auf die Ernährungsqualität und die Umwelt? 47. Welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der Landesregierung in der Landwirtschaft geschaffen werden, um den Wechsel zu einer klima-, umwelt- und verbraucherfreundlicheren und tiergerechteren Ernährung zu ermöglichen? Die Fragen werden wegen des Sinnzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Innerhalb der agrarpolitischen Rahmenbedingungen entscheidet die Landwirtschaft durch ihren Umgang mit der Natur, dem Klima, dem Boden und der Umwelt sowie dem Tierschutz maßgeblich über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Die nationalen und europäischen Förderpolitiken im Agrarbereich sollten dahingehend weiterentwickelt werden, eine nachhaltige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft zu fördern, die gleichzeitig effizient und ressourcenschonend wirtschaftet. Die Entloh- 37 38) WWF (2015): Das Große Wegschmeißen. Vom Acker bis zum Verbraucher: Ausmaß und Umwelteffekte der Lebensmittelverschwendung in Deutschland. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode nung gesellschaftlicher Leistungen einschließlich des Erhalts der Kultur- und Naturlandschaften sollte beim Einsatz der Fördermittel stärker im Vordergrund stehen. Denn diese Leistungen werden momentan nur sehr begrenzt über die Preise der Produkte entgolten. Die politischen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass die Kosten der Erzeugung durch die erzielten Preise gedeckt werden und faire Löhne und Einkommen erzielt werden können. Die Landwirtschaft ist zudem stärker als Teil der regionalen Wertschöpfungskreisläufe zu sehen und nicht einer unbegrenzten und unreflektierten Globalisierung und neoliberalen Deregulierung der Märkte zu unterwerfen. Dies setzt auch voraus, dass Verbraucher über die Zusammenhänge objektiv informiert und die Erzeugnisse aus regionaler Erzeugung bzw. besonders umweltfreundlicher oder tiergerechter Produktionsverfahren entsprechend gekennzeichnet werden. Damit werden die Verbraucher in die Lage versetzt, Kaufentscheidungen bewusst zu treffen. Die Kennzeichnung ökologisch erzeugter Produkte mit ihrem eigenständigen Kontrollsystem ist hierfür als bewährtes Erfolgsmodell zu sehen. Das Land Rheinland-Pfalz setzt sich daher für eine klare Kennzeichnung tiergerecht und regional erzeugter Lebensmittel ein. Im Qualitätszeichen Rheinland-Pfalz wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass die Produzenten zur Kennzeichnung auch das 2014 bundesweit eingeführte Regionalfenster verwenden können. Das Land arbeitet zudem intensiv in einer von der Agrarministerkonferenz eingerichteten Arbeitsgruppe zur verpflichtenden Kennzeichnung der Tierhaltungsbedingungen mit. Mit der aktuellen Reform der GAP ist ein Schritt in eine ökologischere und sozial gerechtere Agrarpolitik erreicht worden. Die mittelständisch-bäuerliche Landwirtschaft wird in Deutschland durch die Zuschläge bei der Förderung der ersten Hektare nunmehr stärker unterstützt. Mit der Koppelung eines Teils der Direktzahlungen an Umweltauflagen, dem sogenannten Greening, wurde außerdem ein neuer Förderansatz eingeführt. Dieser muss kontinuierlich auf seine ökologische Wirksamkeit überprüft und nachgebessert werden. Losgelöst davon ist im Rahmen der Weiterentwicklung der GAP eine Stärkung der 2. Säule anzustreben. Dies bietet die Möglichkeit, zielgenaue regionalangepasste Förderangebote für eine nachhaltige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft zu machen. Für Maßnahmen, die der Realisierung gesellschaftlicher Leistungen dienen, sollte die Europäische Union einen höheren Finanzierungsanteil tragen. Die im Rahmen der aktuellen Reform auch aufgrund rheinland-pfälzischen Engagements in Deutschland erfolgte Umschichtung in Höhe von 4,5 Prozent der Direktzahlungen zeigt die Chancen hierfür. Bei der kommenden Halbzeitbewertung der Agrarreform sollten weitere Mittel aus der 1. in die 2. Säule umgeschichtet werden. Gleichzeitig ist die Gemeinschaftsausgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) auch mit Blick auf die Förderung der Entwicklung ländlicher Räume finanziell zu stärken. Hier ist die Bundesregierung am Zug, die Vereinbarungen von der Sonder-AMK im Herbst 2013 umzusetzen. Bei der Weiterentwicklung der GAP sind gerade auch im Interesse einer mittelständisch-bäuerlichen Landwirtschaft Verwaltungsvereinfachungen unerlässlich. Förderangebote für eine nachhaltige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft müssen einerseits attraktiv gestaltet sein, andererseits aber auch für Landwirte wie die Verwaltung umsetzbar sein. Um eine ausreichende Lenkungswirkung zu erzielen, müssen Förderangebote zur Erzielung gesellschaftlicher Leistungen Anreize zur Anpassung der Produktionsverfahren ermöglichen, um sie angemessen honorieren zu können. Hier reicht es auch angesichts der unternehmerischen Risiken der Änderung der Verfahrensabläufe in einem Unternehmen nicht, lediglich die zusätzlichen Kosten auszugleichen. Hier muss die gesamte Wertschöpfungskette stärker einbezogen werden. 48. Wie unterstützt das Land den Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer artgerechten Nutztierhaltung? Welchen Verbesserungsbedarf sieht das Land im Hinblick auf die Tierschutzstandards in der Landwirtschaft in Deutschland und RheinlandPfalz ? Verbraucherinnen und Verbraucher greifen zu artgerecht erzeugten Produkten, wenn sie diese erkennen können. Dies belegt der durchschlagende Erfolg der 2004 eingeführten Kennzeichnung für Schaleneier. Um einerseits Verbrauchern eine bewusste Entscheidung für Produkte aus artgerechter Nutztierhaltung zu ermöglichen und andererseits eine höhere Marktdifferenzierung und damit bessere Entlohnung von Tierschutzanstrengungen für die Landwirtschaft zu erreichen, macht sich die Landesregierung für die Einführung transparenter Kennzeichnungssysteme stark. Im Rahmen einer Bundesratsinitiative (Bundesratsdrucksache 813/11) hat sich die Landesregierung für die Ausweitung der Eierkennzeichnung auf verarbeitete Eier eingesetzt, die vom Bundesrat beschlossen wurde. Die Bundesregierung lehnt die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses bislang jedoch ab. Die Landesregierung befürwortet ferner aus Sicht des Tierschutzes die Einführung eines verbindlichen bundeseinheitlichen Tierwohllabels auch für Frischfleisch. Die Bundesregierung ist bislang nicht gewillt, diesem Anliegen zu folgen. Angesichts der Ablehnung einer staatlichen Regelung gibt es mittlerweile die „Initiative Tierwohl“ der Wirtschaft (ohne Kennzeichnung der Produkte) und ein zweistufiges Label des Deutschen Tierschutzbundes. Aus Sicht der Landesregierung sind diese Initiativen Schritte in die richtige Richtung, die jedoch noch nicht weit genug gehen und keine ausreichenden Ergebnisse zeigen. Sie hat daher auf der Herbst-AMK 2014 die Gründung einer Länderarbeitsgruppe unterstützt, die ein Konzept für eine Tierhaltungskennzeichnung von Frischfleisch entwickeln soll. Neben einer besseren Kennzeichnung ist die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft bei der Verbesserung der Tierhaltung und der Beibehaltung bäuerlicher Haltungsformen wie Weidehaltung ein essentieller Baustein für die tiergerechtere Gestaltung der Nutztierhaltung. Im rheinland-pfälzischen ELER-Entwicklungsprogramm „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (Entwicklungsprogramm EULLE) sind Förderanreize für eine an die gesellschaftlichen Forderungen angepasste, tiergerechte und multifunktionale Landwirtschaft vorgesehen. Eine Förderung erfolgt grundsätzlich nur, wenn über die gesetzlichen 38 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Mindeststandards hinausgehende Leistungen durch die Begünstigten erbracht werden. Dies gilt auch für die Grundförderung im investiven Bereich (M 4 a), die beispielsweise an einen Flächenbesatz von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar selbstbewirtschafteter Fläche und maximale Bestandsgrößen gebunden ist. Durch die höhere Unterstützung besonders tiergerechter Haltungsverfahren werden gesellschaftliche Anforderungen berücksichtigt. Im Rahmen der Premiumförderung werden für Investitionen in besonders tiergerechte Haltungsverfahren Förderzuschläge von 10 bis 20 Prozentpunkten gegenüber der Grundförderung gewährt. So liegt beispielsweise die Premiumförderung für tiergerechte Rinderhaltung mit Aufstallung auf Stroh (Tiefstreu ) bei 35 Prozent und für tiergerechte Schweinhaltung auf Stroh bei 40 Prozent. Die Einführung und Weiterentwicklung besonders tiergerechter Haltungsverfahren wird zudem durch zahlreiche Fördermaßnahmen , angefangen von einer bedarfsgerechten Beratung, bis hin zur Förderung von Innovationen, unterstützt. Im Entwicklungsprogramm EULLE werden beispielsweise extensive und nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken (vgl. beispielsweise M 10.1 a), umweltschonende Grünlandbewirtschaftung im Unternehmen und tiergerechte Haltung auf Grünland gefördert. Die Einführung und Beibehaltung der extensiven Bewirtschaftung aller Grünlandflächen im Unternehmen und die tiergerechte Haltung von Milchkühen auf den Grünlandflächen des Unternehmens sind Ziel dieses Programmteils. Dabei wurden die Prämien für die umweltschonende Bewirtschaftung des Grünlands von 85 Euro auf 110 Euro je Hektar angehoben. Die besonders umweltschonende Bewirtschaftung des Grünlands mit geringerem Tierbesatz (max. 1,0 RGV/ha) und bei Verzicht auf mineralische N-Düngung wird mit einem zusätzlichen Bonus von 40 Euro je Hektar honoriert. Die Prämien im Talauenprogramm werden von 125 Euro auf 140 Euro je Hektar angehoben. Im Rahmen der Förderung der Einrichtung und Tätigkeit operationeller Gruppen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (M 16) können im Rahmen des Entwicklungsprogramms EULLE auch die Entwicklung tiergerechter Haltungs- und Zuchtverfahren gefördert werden. Mit der Förderung besonders tiergerechter Haltungsverfahren sollen gleichzeitig auch Absatzmöglichkeiten von regional erzeugten Agrarprodukten verbessert, die Wettbewerbsfähigkeit des Einzelbetriebes gestärkt sowie die Erhöhung der regionalen Wertschöpfung in ländlichen Räumen erreicht werden. Nach Ansicht der Landesregierung sind neben dem Förderansatz weitere Verbesserungen bei den Haltungsbedingungen für Nutztiere erforderlich, denn die geltenden Mindestanforderungen der Tierschutznutztierhaltungsverordnung sind aus Sicht einer artgerechten Tierhaltung nicht befriedigend. So sind bei Masthühnern noch Besatzdichten von 20 Tieren pro qm zulässig. Dem Einzeltier steht damit am Ende der Mast eine Fläche von weniger als einem DIN-A-4-Blatt zur Verfügung. Mastschweine von einem Gewicht bis 110 kg müssen sich mit der Fläche eines Kopfkissenbezugs (0,75 qm) zufrieden geben. Rheinland-Pfalz setzt sich daher im Rahmen des Bundesrats und der Agrarministerkonferenz für verbesserte Standards bei der Tierhaltung ein. So engagiert sich die Landesregierung seit Jahren intensiv für ein Ende der Käfighaltung von Legehennen. Nachdem die Normenkontrollklage der Landesregierung zur Kleingruppenhaltung 2010 erfolgreich war, erarbeitete Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Niedersachsen einen Kompromiss zum Ausstieg aus der Käfighaltung. Die im März 2013 vom Bundesrat beschlossene Verordnung wurde bislang von der Bundesregierung nicht in Kraft gesetzt. Am 20. März 2015 hat die Landesregierung zusammen mit Niedersachsen das Thema mit einem Entschließungsantrag im Bundesrat (Bundesratsdrucksache 112/15) erneut aufgegriffen. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, das endgültige Verbot der tierschutzwidrigen Käfighaltung von Legehennen endlich umzusetzen. Dieser Antrag soll am 19. Oktober 2015 im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz abschließend beraten werden. Aktuell verhandeln die Länder mit dem Bund über akzeptable Übergangsfristen. Die Landesregierung unterstützt des Weiteren grundsätzlich vorliegende Bundesratsinitiativen zur Änderung der Mindestanforderungen an die Schweinhaltung (Bundesratsdrucksache 318/13), zur Einführung von Mindestanforderungen an die Putenhaltung (Bundesratsdrucksache 311/15) sowie zur Beendigung des Tötens männlicher Eintagsküken (Bundesratsdrucksache 310/15). Diese Initiativen werden zurzeit fachlich beraten. Auf Landesebene wurde das Gesundheitsmonitoring Rind ins Leben gerufen, um den besonderen Anforderungen, die größere Rinderbestände an Herdenmanagement und Tierwohl stellen, besser gerecht zu werden. Durch den Aufbau eines Datenerfassungssystems für Diagnosedaten und die Bereitstellung und Aufbereitung dieser Informationen zur Nutzung im Herdenmanagement und in der Zucht können Faktoren, die die Gesundheit der Milchrinder beeinflussen, besser erkannt und Fehlentwicklungen besser vermieden werden. Diese fundierten Informationen können dann zur Optimierung des Herdenmanagements eingesetzt werden. Außerdem werden die Informationen zur Zucht verwendet. Die Züchter erhalten weitere wertvolle Parameter für eine Selektion auf verbesserte Gesundheit und eine verlängerte Lebensdauer der Tiere. 49. Was unternimmt das Land für eine maßgebliche Reduktion des Einsatzes von Antibiotika in der Nutztierhaltung in Rheinland-Pfalz? Eine unangemessene Verordnungspraxis und Anwendung von Antibiotika in der Humanmedizin und der intensiven Nutztierhaltung führen dazu, dass immer mehr Keime gegen immer weitere Antibiotika resistent werden. Denn Bakterien entwickeln ständig neue Strategien, um die Angriffe mit diesen Wirkstoffen zu überstehen. Dass Mediziner und Mikrobiologen bereits vor dem Rückfall in ein präantibiotisches Zeitalter warnen, belegt das dramatische Ausmaß dieser Entwicklung. Deswegen hält die Landesregierung die Minimierung des Einsatzes von Antibiotika im Sinne der Deutschen Antibiotika ResistenzStrategie 2020 (DART 2020) der Bundesregierung zur Bekämpfung des Wirkungsverlustes von Antibiotika für eine wichtige globale Herausforderung. Dabei sollte ein ganzheitlicher und umfassender Ansatz beschritten werden, der sowohl im humanmedizinischen Bereich als auch im veterinärmedizinischen Sektor den Einsatz auf das therapeutisch gebotene Maß reduziert. 39 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Bei Tierarzneimitteln werden seit dem Jahr 2011 mithilfe eines Tierarzneimittel-Abgabemengenregisters unter anderem die von den pharmazeutischen Unternehmern und Großhändlern an Tierärzte abgegebenen Antibiotika zentral erfasst und vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit systematisch ausgewertet. Dabei zeigt sich zum dritten Mal in Folge bundesweit ein erkennbarer Rückgang der abgegeben Tierarzneimittel bzw. Antibiotika. In Deutschland wurden im Jahr 2014 rund 1 238 t Antibiotika an Tierhalter abgegeben und damit wesentlich mehr als in der Humanmedizin. Im Vergleich zu 2013 (1 452 t) und dem Ersterhebungsjahr 2011 (1 706 t) sind deutlich Rückgänge im Antibiotikaverbrauch zu verzeichnen. Allerdings stieg der Verbrauch der kritischen Wirkstoffgruppen Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation an, der Verbrauch der Cephalosporine der 4. Generation bleibt auf gleichem Niveau. Da die Einzeldosis bei diesen Wirkstoffen deutlich niedriger ist als bei anderen Antibiotika, kann durch eine Verwendung dieser Wirkstoffe die Gesamteinsatzmenge an Antibiotika auf einem Betrieb reduziert werden. Unter kritischen Antibiotika oder Reserveantibiotika werden Wirkstoffe verstanden, die im Humanbereich nicht als erstes Mittel der Wahl eingesetzt werden sollen, sondern erst, wenn sicher ist, dass kein anderes (nicht kritisches) Antibiotikum wegen vorhandener Resistenzen verwendet werden kann. Der steigende Einsatz dieser Wirkstoffe in der Tierhaltung ist also sehr kritisch zu sehen. Nach Inkrafttreten der 16. Novellierung des Arzneimittelgesetzes Anfang April 2014 wird zusätzlich die Anwendung von Antibiotika in Tierhalterbetrieben bundesweit durch eine Tierarzneimittel-Datenbank systematisch erfasst. Meldepflichtig sind Mastbetriebe mit mehr als 20 Mastkälbern, mehr als 20 Mastrindern, mehr als 250 Ferkeln und/oder Mastschweinen, mehr als 1 000 Puten und/oder mehr als 10 000 Masthähnchen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermittelt die bundesweiten Kennzahlen 1 und 2. Kennzahl 1 ist der Median aller Therapiehäufigkeiten, ab Kennzahl 2 beginnt das vierte Quartil. Wird Kennzahl 1 überschritten, muss der Tierhalter die Ursache mit dem Bestandstierarzt ermitteln. Wird Kennzahl 2 überschritten, muss durch den Tierhalter ein Antibiotikareduktionsplan bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Durch diese Maßnahmen soll auf einzelbetrieblicher Ebene der Antibiotikaeinsatz minimiert werden. Nach ersten Erfahrungen mit diesem neuen, lernenden System bewegt sich Rheinland-Pfalz im Bundesvergleich auf einem unauffälligen Niveau, das derzeit keinen Anlass zur Sorge gibt. Die Landesregierung wird die Entwicklung in diesem Sektor aber auch weiterhin im Sinne des erforderlichen Verbraucherschutzes kontinuierlich beobachten und auswerten. Da der hohe Antibiotikaverbrauch eng mit den Haltungsbedingungen der Tiere zusammenhängt, setzt sich die Landesregierung für die Festlegung von tierschutzgerechten Haltungsbedingungen ein. Insbesondere in der Mastputenhaltung werden große Mengen an Antibiotika verwendet. 39) Darum unterstützt die Landesregierung die Bundesratsinitiativen des Landes Nordrhein-Westfalen zur Festlegung von Haltungsbedingungen von Mastputen und zur Verbesserung der Haltungsbedingungen von Schweinen (siehe auch Antwort zu Frage 48). Im Rahmen der Agrarministerkonferenzen (AMK) bzw. Amtschefkonferenzen (ACK) am 15. Januar 2015 in Berlin haben sich die Amtschefs der Agrarressorts von insgesamt neun Ländern, darunter Rheinland-Pfalz, dafür ausgesprochen, Reserveantibiotika in der Tiermast grundsätzlich zu verbieten. Am 20. März 2015 hat die AMK auf Antrag von Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern die Bundesregierung aufgefordert, die Einführung von Anwendungsbeschränkungen für Reserveantibiotika in der Veterinärmedizin vorzubereiten. Dazu soll die Gruppe der Reserveantibiotika bzw. der kritischen, antimikrobiell wirksamen Stoffe definiert werden. Diese kritischen Wirkstoffe sollen, je nach ihrer therapeutischen Bedeutung, nicht in der Veterinärmedizin oder nur nach Erstellung eines Antibiogramms oder nur streng nach Zulassungsbedingungen (kein Umwidmen) eingesetzt werden dürfen. 50. Wie kann aus Sicht des Landes bereits in der landwirtschaftlichen Urproduktion vorgesorgt werden, damit Lebensmittel hygienisch einwandfrei hergestellt werden können? Die amtliche Lebensmittelüberwachung berücksichtigt bei ihrer Tätigkeit das Prinzip „vom Stall/vom Acker bis auf den Teller“ und kontrolliert risikoorientiert die Primärproduktion von Lebensmitteln und die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen durch den Lebensmittelunternehmer (z. B. Landwirte, Schlachthöfe usw.). Grundsätzlich ist der Lebensmittelunternehmer dafür verantwortlich, dass die Sicherheit der Lebensmittel auf allen Stufen der Lebensmittelkette, einschließlich der Primärproduktion, gewährleistet ist. Die Erzeugung von Lebensmitteln unterliegt europaweit geltenden hygienerechtlichen Bestimmungen. Die Vorschriften umfassen auch Hygienevorgaben auf der Stufe der sog. Primärproduktion oder landwirtschaftlichen Urproduktion. So dürfen zum Beispiel nur gesunde Nutztiere und gesundheitlich unbedenkliche Nutzpflanzen zur Lebensmittelgewinnung verwendet werden. Zur Sicherstellung einer hohen Tiergesundheit werden in den Betrieben Monitoringprogramme, beispielsweise auf Salmonellen bei Schweinen und Geflügel, durchgeführt. Weitere Beispiele sind regelmäßige Untersuchungen auf Brucellose bei Rindern, Schafen und Ziegen. Das Tuberkulose-Monitoring in rheinland-pfälzischen Rinder-Betrieben in den Jahren 2013 und 2014 hat eindrucksvoll bestätigt, dass die Tuberkulose bei unseren Tieren derzeit kein Problem darstellt. Diese Programme haben alle auch das Ziel, Krankheitserreger zu erkennen, um unbedenkliche Lebensmittel zu produzieren. 40 39) Evaluierung des Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast, LANUV-Fachbericht 58, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Recklinghausen 2014. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 51. Über 80 Prozent der Verbraucher wollen laut einer repräsentativen Umfrage keine Gentechnik auf ihrem Teller. Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Landesregierung erforderlich, um den Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Lebensmitteln insbesondere bei tierischen Produkten, die ohne den Einsatz von Agrogentechnik erzeugt wurden, nachzukommen? 52. Wie bewertet die Landesregierung die Haltung der Bundesregierung zur Regelung von nationalen Anbauverboten von gentechnisch veränderten Organismen? Die Fragen werden wegen des bestehenden Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aus Sicht der Landesregierung sollten aufgrund der negativen Erfahrungen keine neuen Zulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen erteilt werden. Die Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene, insbesondere auch für Importe, müssen grundlegend überarbeitet werden. Diese stehen stark in der Kritik. Regelmäßig können sich die Mitgliedstaaten im zuständigen Ausschuss und im Rat der EU nicht einigen, weder auf eine Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit, noch auf eine Ablehnung des Antrags mit qualifizierter Mehrheit. Die Folge ist, dass letztlich ersatzweise die Kommission entscheidet und in aller Regel den gentechnisch veränderten Organismus (GVO) zulässt. Es wird oft als undemokratisch empfunden, wenn die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten gegen die Zulassung ist, aber diese trotzdem letztlich erteilt wird. Auch von Rheinland-Pfalz wird seit Langem gefordert, das Verfahren deutlich zu verbessern, indem die inhaltlichen Anforderungen überarbeitet und Kriterien erweitert, konkretisiert und gesetzlich festgeschrieben werden. Zuletzt hat der Bundesrat in seinem aktuellen Beschluss vom 10. Juli 2015 (Bundesratsrucksache 183/15) festgestellt, dass der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in der EU im Hinblick auf die fehlende Akzeptanz in den Mitgliedstaaten einer grundlegenden Änderung des Zulassungsverfahrens bedarf. Dazu gehört auch die Limitierung des Einflusses der für Lebensmittelsicherheit zuständigen EU-Behörde, der EFSA (European Food Safety Agency) zugunsten einer Stärkung der Rolle der Mitgliedstaaten sowie eine verbesserte Prüfung der Umweltbelange beim Zulassungsverfahren. Für den Fall weiterer Zulassungen der EU soll vorsorglich eine Untersagungsmöglichkeit des Anbaus von GVO auf nationaler Ebene ermöglicht werden. Die EU hat mit der sog. Opt out-Richtlinie (EU) 412/2015 die Voraussetzungen hierfür geschaffen. Diese Richtlinie muss nun zeitnah in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung hat bisher keinen ressortabgestimmten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Opt- out-Richtlinie vorgelegt. Es kursieren lediglich Referentenentwürfe des BMEL, die aber nicht als geeignete Lösung des Problems erscheinen. Insbesondere eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder ist abzulehnen, da sie zu einer Zersplitterung des bisher bundeseinheitlich geregelten Gentechnikrechts führen würde. Es wäre ein Flickenteppich mit unterschiedlichen rechtlichen Gegebenheiten in Deutschland zu erwarten, der den Überwachungsaufwand für die Landesbehörden enorm steigern sowie eine Zunahme von Kontaminationen landwirtschaftlicher Produkte und damit Kostensteigerungen für unsere gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft hervorrufen würde. Noch dazu ist Rechtsgutachten zufolge zu erwarten, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Landesregelungen weniger rechtssicher wäre als eine einheitliche Bundesregelung zum GVO-Anbau. Um die Intention der Opt out-Richtlinie zu verfolgen und die Aufrechterhaltung der bisherigen gentechnikfreien Produktion in Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft sicherzustellen, hat Rheinland-Pfalz zusammen mit einigen anderen Bundesländern einen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Gentechnikgesetzes um eine Beschränkungs- oder Untersagungsmöglichkeit für den GVO-Anbau in Deutschland erarbeitet und zur Plenarsitzung am 10. Juli 2015 in den Bundesrat eingebracht. Dies ist ein Beitrag zur Beibehaltung unserer gentechnikfreien Ernährung. Die Landesregierung begrüßt darüber hinaus das steigende Interesse der Lebensmittelwirtschaft an der „Ohne Gentechnik-Kennzeichnung “. Eine Vielzahl von Produkten und Produktgruppen von Lebensmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft wird bereits nach dem nationalen EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz gekennzeichnet. Dieses Gesetz enthält auch Vorgaben zur Kennzeichnung tierischer Produkte mit dem Label „Ohne Gentechnik“. Diese freiwillige Kennzeichnung wurde auch vor dem Hintergrund einer Regelungslücke auf EU-Ebene hinsichtlich tierischer Produkte, die unter Verfütterung von gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden, eingeführt. Die Landesregierung befürwortet die weitergehenden Initiativen der Lebensmittelwirtschaft zum Verzicht auf die Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen bei der Herstellung von Lebensmitteln. Damit werden die Wahlmöglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher, die die Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft ablehnen, verbessert. 53. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen von Bio-Patenten auf Zuchtverfahren von Tieren und Pflanzen sowie auf Saatgut für die Zukunft einer bäuerlich und mittelständisch geprägten Land- und Weinwirtschaft in Rheinland-Pfalz und die Ernährungsvielfalt für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Die Landesregierung lehnt die Patentierung von Tieren und Pflanzen sowie von Züchtungsverfahren, die im Wesentlichen biologische Verfahren darstellen, ab. Diese Position wird von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. 2012 hat auch der deutsche Bundestag in einem einstimmigen Beschluss das Verbot von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere und daraus abgeleitete Produkte gefordert (Bundesratsdrucksache 17/8344). Von den ethischen Bedenken einer Erteilung von Patenten auf Lebewesen abgesehen, fördert die Patentierung von Züchtungsverfahren und deren Produkten eine Konzentrierung auf wenige, 41 Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode unter hohem Kostenaufwand geschützte landwirtschaftliche Produkte und verursacht so eine Reduzierung der Biodiversität. Mittelständische Züchter werden gegenüber wenigen finanzstarken Konzernen benachteiligt, die Monopolisierung am Saat- und Züchtungsmarkt wird weiter vorangetrieben. Eine sortenarme Landwirtschaft steigert wiederum die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern und vermindert die Anpassungsfähigkeit beispielsweise an den Klimawandel. Die Wahlfreiheit von Landwirten und Gärtnern wird durch Patente und Sortenrückgang eingeschränkt. Es hat sich gezeigt, dass die EU-Biopatentrichtlinie nicht konkret genug gefasst ist, sodass das Europäische Patentamt EPA in der Vergangenheit zu Fehlentscheidungen gelangt ist. In Einzelfällen wurden diese durch die Große Beschwerdekammer des EPA korrigiert, doch ist eine ausreichende Rechtssicherheit nur durch eine konkrete gesetzliche Regelung, insbesondere in der EUBiopatentrichtlinie zu erreichen. Die herkömmliche Züchtungspraxis und ihre Ergebnisse müssen von der Patentierbarkeit ausgenommen sein. Auch im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren sowie die Tiere und Pflanzen, die Ergebnis solcher Verfahren sind, dürfen nicht patentiert werden. Es ist auch zukünftig mit Versuchen zu rechnen, rechtliche Spielräume zu nutzen, um weitergehende Patentierungen zu erreichen. Darum muss der Begriff „im Wesentlichen biologische Verfahren“ so konkretisiert werden, dass eine exzessive Patentierung bei Züchtungsverfahren mit biotechnischen Zwischenschritten vermieden und das Ermessen der Patentbehörden gelenkt wird. Der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundeslandwirtschaftsministerium hatte bereits vor Jahren eine Klarstellung in der Richtlinie empfohlen, die auch ein Stoffpatent ausschließt, dass auf solchen Verfahren beruht. Ähnliches hatte bereits im Jahr 2009 eine Expertenanhörung im Bundestag ergeben. Das Problem ist also längst bekannt, und die aktuelle Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA sollte zum Anlass genommen werden, durch die Bundesregierung die Änderung der EU-Richtlinie anzustoßen. Hierzu hat auch der Bundesrat mit den Stimmen von Rheinland-Pfalz die Bundesregierung in einem aktuellen Beschluss (Bundesratsdrucksache 297/15) aufgefordert. Die Landesregierung wird dieses Thema weiter verfolgen. 54. Wie haben sich der Ökolandbau und die Nachfrage nach den Produkten im Land in den letzten fünf Jahren entwickelt? Die nachstehende Übersicht enthält die erfragten Daten: Die Zahl der Ökobetriebe ist in den letzten fünf Jahren um 36,5 Prozent gestiegen, die Ökofläche hat sich in den letzten fünf Jahren um 43,1 Prozent erhöht. Damit liegt Rheinland-Pfalz im Ländervergleich bundesweit an der Spitze. Der Anteil der Ökofläche an der Gesamtlandesfläche betrug 7,7 Prozent in 2014 und lag damit 1,4 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt von 6,3 Prozent. Die Nachfrage nach Ökolebensmitteln steigt. Dies geht aus der Steigerung des bundesweiten Bio-Lebensmittel-Umsatzes hervor. Dieser hat sich in Deutschland von 2010 bis 2014 um mehr als 30 Prozent erhöht. Er ist von 6,02 Mrd. Euro in 2010 auf 7,91 Mrd. Euro in 2014 gestiegen. Daten für die Nachfrage in Rheinland-Pfalz nach Ökoprodukten liegen nicht vor. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung des prozentualen Anteils der Einkaufsmengen privater Haushalte in Deutschland bei einzelnen ökologischen Lebensmitteln auf. 42 Ökobetriebe und ökologisch bewirtschaftete Fläche in Rheinland-Pfalz von 2010 bis 2014 40) Jahr Anzahl Betriebe Veränderung zum Vorjahr in Prozent Fläche in ha Veränderung zum Vorjahr in Prozent 2010 926 8,8 37 733 17,3 2011 973 5,1 40 450 7,2 2012 1 076 10,5 44 215 9,3 2013 1 149 6,78 47 19641) 6,7 2014 1 264 10 53 988 14,4 40) Anzahl der Betriebe und Flächen aus Jahreserhebungen der ADD Trier. 41) Nach Prüfung einer fehlerhaften Meldung der Ökoflächenzahl in mehreren Bundesländern für 2013 wurde die Flächenzahl für RheinlandPfalz auf die o. a. Hektarzahl korrigiert. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 (Quelle: AMI-Markt-Report 2011 und 2015, AMI-Analyse auf Basis GfK-Haushaltspanel.) Mit wachsender Öko-Nachfrage kommen viele Bio-Erzeugnisse aus dem Ausland nach Deutschland. Die Importanteile sind je nach Produkt sehr unterschiedlich und schwanken von Jahr zu Jahr in Abhängigkeit von der deutschen Produktion. Die Importe umfassen nicht nur Kaffee und Bananen sondern auch Produkte, die bei uns erzeugt werden können. So ist beispielsweise bei Eiern die inländische Produktion 2013 gestiegen und der Importanteil gesunken. Bei Äpfeln ging die deutsche Produktion 2012 und 2013 zurück und die private Nachfrage 2013/2014 wurde zu etwa 50 Prozent durch Importe gedeckt. Aufgrund der großen Erntemenge in 2014 ist mit rückläufigen Importen und einem steigenden Anteil inländischer Ware in 2014/2015 zu rechnen (AMI). Der Importanteil von Trink-Milch hat sich von 33 Prozent in 2013/2014 auf 21 Prozent verringert. Bei Öko-Getreide blieb der Importanteil von 2012/2013 auf 2013/2014 stabil bei 17 Prozent (AMI). 55. Ist aus Sicht der Landesregierung eine ökologische Ernährungsweise von der Höhe des Familieneinkommens abhängig? Verbraucher geben einen immer geringeren Anteil des Haushaltseinkommens für Nahrungs mittel, Getränke und Tabak waren aus. Im Jahr 2012 lag dieser Anteil bei 13,9 Prozent der Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland. 42) Noch im Jahre 1980 erreichte der Ausgabenteil einen Wert von 16,7 Prozent des Haushaltseinkommens. Schon damals war der Betrag für die Ernährung gegenüber den 1950er Jahren, als noch fast die Hälfte des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben werden musste, stark gesunken. Bis 1990 schrumpfte der Anteil der Nahrungsmittel an den gesamten Konsumausgaben auf 14,4 Prozent und hatte im Jahr 2000 mit nur noch 11,5 Prozent seinen bisherigen Tiefstand erreicht. Ursache sind steigende Einkommen auf der einen und unterdurchschnittlich steigende Preise für Nahrungsmittel auf der anderen Seite. Die aktuelle Studie des Öko-Instituts „Ist gutes Essen wirklich teurer? ‚Versteckte Kosten‘ unserer Ernährung in Deutschland“ zeigt auf, dass Verbraucherinnen und Verbraucher für eine nachhaltigere Ernährung jährlich nur 3 Prozent also 80 Euro pro Person mehr ausgeben müssen als bei einer durchschnittlichen Ernährung mit konventionell erzeugten Produkten. Die höheren Preise für Biound fair gehandelte Nahrungsmittel können durch einen reduzierten Fleischkonsum nahezu ausgeglichen werden. Für insgesamt vier verschiedene Ernährungsstile haben die Forscher konkrete Ernährungstagespläne entsprechend der Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) aufgestellt und diese ausgewertet.43) Den Geldbeutel schonen zudem gering verarbeitete Lebensmittel, da kostenintensive Verarbeitungsschritte wegfallen und sie somit preisgünstiger sind. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in einer Untersuchung die Kosten für 21 Fertigprodukte den Kosten für Zutaten und Energie von selbst gekochten Gerichten gegenübergestellt. Die Verbraucherschützer hatten für ihren Vergleich bewusst Gerichte gewählt, die einfach zuzubereiten sind, beispielsweise Grillkartoffeln oder Salatdressing. Das Ergebnis des Vergleichs sind Preisaufschläge bis zum Siebenfachen für das Fertigprodukt. Verwendet eine Familie öfter Fertigprodukte und zahlt dafür Mehrkosten von 3 Euro pro Tag, kommen im Jahr über 1 000 Euro Mehrkosten zusammen. 44) Dies übersteigt die Mehrkosten einer nachhaltigen Ernährung um einVielfaches. Ökoprodukt Nachfrage 2010 in Prozent Nachfrage 2014 in Prozent Anstieg der Nachfrage von 2010 zu 2014 in Prozent Eier 7,0 9,7 + 2,7 Frischgemüse 5,4 5,8 + 0,4 Frischobst 4,0 4,9 + 0,9 Frischkartoffeln 4,7 4,8 + 0,1 Brot 3,8 4,1 + 0,3 Konsummilch 3,8 5,4 + 1,6 Joghurt 3,7 4,5 + 0,8 Butter 1,6 2,4 + 0,8 Käse 1,8 2,0 + 0,2 Fleisch 0,9 1,5 + 0,6 Fleischwaren/Wurst 0,7 1,2 + 0,5 Geflügel 0,3 1,0 + 0,7 43 42) Laufende Wirtschaftsrechnungen (LWR) 2012, Statistisches Bundesamt. 43) Öko-Institut Working Paper 2/2014 Ist gutes Essen wirklich teuer? Hintergrundbericht zum Spendenprojekt „Ist gutes Essen wirklich teuer? ‚Versteckte Kosten‘ unserer Ernährung in Deutschland“. 44) Verbraucherzentrale Hamburg 2011: Ich habe fertig. Tasche leer.(www.vzhh.de/ernaehrung/133177/ich-habe-fertig-tasche-leer.aspx). Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode In der Broschüre „Nachhaltige Ernährung – Was unser Essen mit Klimaschutz und Welternährung zu tun hat“, die in Zusammenarbeit mit den renommierten Ernährungswissenschaftlern Dr. Markus Keller und Dr. Karl von Koerber veröffentlicht wurde, werden die Verbraucherinnen und Verbraucher von der Landesregierung umfangreich über Möglichkeiten für eine nachhaltige Ernährung informiert. Tipps zu regionalem und saisonalem Einkaufen werden durch umfangreiche Hintergrundinformationen und aktuelle Studien ergänzt. 56. Wie bewertet die Landesregierung die Vorschläge der Europäischen Kommission im Zuge der Novelle der EU-Öko-Verordnung? Mit welchen Auswirkungen wäre hierbei auf die Öko-Branche in Rheinland-Pfalz zu rechnen? Politisch setzt sich die Landesregierung unter anderem für einen verlässlichen Rechtsrahmen ein. Die Europäische Kommission hat im Frühjahr 2014 einen Vorschlag für eine neue EU-Ökoverordnung vorgelegt. Die Landesregierung hält eine Totalrevision der EU-Ökoverordnung nicht für zielführend und in der vorliegenden Form hinsichtlich der gewünschten Weiterentwicklung des Ökolandbaus für bedenklich. Insbesondere die vorgesehene Einführung gesonderter Schwellenwerte für Rückstände, die undifferenzierte Abschaffung fast aller Ausnahmeregelungen, die vollständige Ausgliederung der Bio-Kontrollregelungen aus dem Bio-Fachrecht , die geplante Vielzahl delegierter Rechtsakte sowie zahlreiche inhaltliche Mängel lassen befürchten, dass vor allem kleine und mittlere Betriebe aus dem Ökolandbau aussteigen müssten, weil sie die überzogenen Anforderungen der Verordnung nicht mehr erfüllen könnten. Dies wäre auch nicht im Sinne von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die regional erzeugte Biolebensmittel bevorzugen. Nach über einjährigem Verhandlungsmarathon einigte sich der Agrarministerrat mit qualifizierter Mehrheit und der Zustimmung von Deutschland in seiner letzten Sitzung unter der Präsidentschaft Lettlands am 16. Juni 2015 in Luxemburg auf eine allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag der Ökolandbau-Verordnung. Die allgemeine Ausrichtung greift ebenso wie der Berichtsentwurf des Berichterstatters des Europäischen Parlaments, Martin Häusling, wichtige Kritikpunkte der Landesregierung am Verordnungsentwurf auf. So wenden sich beide gegen die Einführung gesonderter Rückstandswerte für die ökologische Erzeugung und halten am Prinzip der Prozesskontrolle mit im Regelfall jährlichen Vor-Ort-Kontrollen fest. Trotz dieser Teilerfolge hat die Landesregierung elementare Kritik und sieht nach wie vor grundlegenden Änderungsbedarf am Verordnungsentwurf, beispielsweise hinsichtlich einer deutlichen Reduzierung von Bürokratie und Verwaltungsaufwand oder bezüglich der Importregelungen, die in der vorgesehenen Ausgestaltung zu einer Reduzierung der Importe insbesondere aus Entwicklungsländern führen könnten. Diese Position wird vom Bundesrat geteilt (Bundesratsdrucksache 298/15). Ob sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission tatsächlich auf eine einvernehmliche Revision der EU-Öko-Verordnung mit einem vorgesehenen Inkrafttreten zum 1. Januar 2018 verständigen können, bleibt dem im Herbst 2015 beginnenden Trilog vorbehalten. Die Landesregierung wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten in das weitere Beratungsverfahren einbringen. 57. Wie bewertet die Landesregierung die kürzlich vom Bundeslandwirtschaftsministerium ins Leben gerufene Initiative „Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau“ und welche Voraussetzungen bedarf es aus Sicht der Landesregierung, 20 Prozent ökologischen Anbau zu erreichen? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat am 19. Mai 2015 in Zusammenarbeit mit der ökologischen Lebensmittelwirtschaft die Erarbeitung einer Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau begonnen, um dem Ökolandbau in Deutschland zusätzliche Wachstumsimpulse zu geben. Ziel dieser auf 15 Monate begrenzten Initiative 45) ist es, den Ökolandbau in Deutschland zu stärken, damit das in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verankerte Ziel „20 Prozent Öko-Landbau“ (gemessen an der LF – derzeit: rund 6 Prozent der LF) erreicht werden kann. Bis Ende 2016 sollen im Rahmen dieser Initiative unter Einbeziehung der Länder, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verbände Handlungskonzepte mit konkreten Einzelmaßnahmen für folgende Handlungsfelder erarbeitet werden: Angebot von ÖkoVorleistungen , Ausbildungs- und Beratungsangebote, Öffentliche Beschaffung, Wertschöpfungsketten und Vermarktung, kohärente und innovative Politikkonzepte. Für die Handlungsfelder EU-Rechtsvorschriften/Stärkung der Kontrolle, Forschung, Entwicklung und Wissenstransfer, Koordination und Zusammenarbeit wurden keine Arbeitsgruppen eingerichtet, da es sich um parallel laufende Prozesse handelt, deren Ergebnisse in die Zukunftsstrategie integriert werden sollen. Die Initiative und die Zielsetzung der Bundesregierung sind zu begrüßen und werden von der Landesregierung geteilt. Die vorgeschlagenen Handlungsfelder der Initiative bewertet die Landesregierung allerdings kritisch, da sie unter dem Blickwinkel der Praxis des ökologischen Landbaus nicht vollständig sind. Es fehlen insbesondere Ansätze im Bereich der materiellen und inhaltlichen Förderung des ökologischen Landbaus, innovative Finanzierungs- (EU-/Bund-/Länderbeteiligung) und Wertschöpfungsmodelle sowie die Prüfung der Marketingaktivitäten bis hin zur Produktionstechnik im ökologischen Landbau (z. B. der Optimierung der mechanischen Beikrautregulierung und ökologischer Schädlingsbekämpfung). Die Landesregierung beabsichtigt daher, die Defizite aufzugreifen und in den zuständigen Fachministerkonferenzen zur Vervollständigung der Anforderungsprofile zu thematisieren. Von der Bundesregierung werden ein zielführendes Konzept und die nötigen Programme zur Umsetzung des 20 Prozent-Ziels erwartet. 44 45) Ergebnisvorstellung: voraussichtlich im Februar 2017. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 58. Wie bewertet die Landesregierung die Flächenkonkurrenz zwischen der Lebensmittelerzeugung und dem Bioenergiepflanzenanbau in Rheinland-Pfalz? Die Landesregierung fühlt sich dem Prinzip „Food first“ verpflichtet. Die Erzeugung von Lebensmitteln muss Vorrang haben vor der Erzeugung von Bioenergiepflanzen aber auch von Futtermitteln für die Intensivtierhaltung. Aus Sicht der Landesregierung erfolgt in Rheinland-Pfalz eine ausgewogene landwirtschaftliche Flächennutzung, die primär der Erzeugung von hochwertigen Lebensmitteln dient. Zusätzlich leistet die landwirtschaftliche Bioenergieerzeugung einen wichtigen Beitrag für die Energiewende im Land und trägt zur Wertschöpfung in strukturschwachen Regionen sowie zur Sicherung von Arbeits-, Ausbildungsplätzen und zur Fachkräftesicherung im ländlichen Raum bei. Durch die Erzeugung von Strom und Wärme aus Biomasse und Bereitstellung von nachhaltig produzierten Energieträgern, wie z. B. Brennholz oder Rapsöl, werden neue Einkommensquellen in der Land- und Forstwirtschaft erschlossen, die u. a. Marktschwankungen bei anderen Produkten ausgleichen können und somit zur Sicherung bestehender Betriebe beitragen. In Rheinland-Pfalz wurden 2013 auf 18 300 ha bzw. 4,4 Prozent der Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe, die primär der Energiegewinnung dienen, angebaut und der Aufwuchs von 1 100 ha Grünland (< 1 Prozent der Grünlandfläche in Rheinland-Pfalz) in Biogasanlagen genutzt. Von den 18 300 ha wurde auf 300 ha mehrjährige Kulturen, wie z. B. Miscanthus oder Kurzumtriebsplantagen , primär für die thermische Nutzung angebaut. Die Restfläche wurde für den Anbau von Biogassubstraten genutzt, wobei auf 12 000 ha Silomais angebaut wurde. Dies waren ca. 2 000 ha weniger Silomais als im Jahr 2011. Demgegenüber wurden 2013 verstärkt alternative Substrate, wie Ganzpflanzensilage, Feld-Klee-Gras, Grünroggen oder auch Sudangras angebaut. Zusätzlich zu den Kulturen, die primär zur Energiegewinnung angebaut werden, wurden 2013 in Rheinland-Pfalz auf 46 000 ha (11 Prozent) der Ackerfläche Raps angebaut, wobei schätzungsweise deutschlandweit 40 Prozent des Ölertrags der Rapsernte für die Lebensmittelproduktion und 60 Prozent für die Treibstoffproduktion genutzt wurden. Bei der Rapsproduktion fällt zudem doppelt so viel Rapspresskuchen, ein hochwertiges GVO-freies Eiweiß-Futtermittel, an. Durch die Menge an Rapspresskuchen (schätzungsweise 110 000 t) aus der rheinland-pfälzischen Rapsproduktion von 2013 (schätzungsweise 160 000 t) konnten in nicht näher zu bestimmendem Umfang Soja-Importe substituiert werden. Anhand dieser Kennwerte kann rückgeschlossen werden, dass lediglich 24 Prozent der Rapsanbaufläche ausschließlich zur Bioenergieerzeugung genutzt wurden. Demnach wurden 2013 schätzungsweise 11 400 ha der Rapsanbaufläche ausschließlich für die Bioenergieerzeugung genutzt. 59. Wie würde sich eine weitestgehend gesunde und fleischarme Ernährungsweise in den westlichen Industrieländern auf die Ernährungssituation in den Entwicklungs- und Schwellenländern auswirken? Wäre dies aus Sicht der Landesregierung ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers? Die Landesregierung sieht in einer weitestgehend gesunden und pflanzenbasierten Ernährungsweise in den westlichen Industrieländern wirksame Ansatzpunkte und Wege, um Mangel- und Unterernährung sowie den Welthunger zu bekämpfen. Ein Großteil der Futtermittel für die heimische Rind-, Schweine- und Geflügelproduktion wird aus Südamerika importiert. Allein für den Fleischkonsum deutscher Verbraucherinnen und Verbraucher wird im Ausland eine Sojaanbaufläche von 19 000 Quadratkilometern beansprucht . 46) Die Ackerflächen, auf denen heute Futtermittel wachsen, könnten auch direkt der Ernährung der Weltbevölkerung dienen. Allein die Mengen an Getreide, die derzeit an Tiere verfüttert werden, wären ausreichend, um den jährlichen Kalorienbedarf von 3,5 Milliarden Menschen zu decken. 47) Hoher Fleischkonsum in den Industrieländern geht somit unzweifelhaft zulasten der Mangel- und Unterernährten und begünstigt den Welthunger. Er schränkt zudem die Möglichkeiten zur Umstellung auf ökologische Erzeugung sowie zur Bioenergieproduktion mit ihren klima- und ressourcenschonenden Potentialen ein. 60. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung für die Fortentwicklung der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik in Rheinland -Pfalz aus dem Weltagrarbericht „Landwirtschaft am Scheideweg“ des Weltagrarrats (IAASTD) von 2008? In dem sogenannten Weltagrarbericht des IAASTD 48) hatten über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und weitere Experten aus 86 Ländern im Auftrag der Weltbank und der Vereinten Nationen zusammengetragen, wie die Menschheit mit den nachhaltig verfügbaren Ressourcen weltweit ausreichend gesunde Nahrungsmittel für alle auf eine Weise produzieren kann, die weder die Grenzen des Planeten überschreitet noch die Sozialsysteme gefährdet. Wichtigste Erkenntnis ist: Insbesondere die kleinbäuerlichen Strukturen einer ökologisch wie regional angepassten und multifunktional ausgerichteten Landwirtschaft mit niedrigem Vorleistungsniveau garantieren die Ernährungssicherheit und -souveränität. 45 46) WWF, 2011 47) UNEP, 2009 48) IAASTD = International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, eingerichtet im Jahr 2002: Über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und weitere Experten aus 86 Ländern hatten im Auftrag der Weltbank und der Vereinten Nationen nach vierjähriger Arbeit im Jahre 2008 in ihrem Bericht eine umfassende Bestandsaufnahme des globalen Wissens über die Landwirtschaft veröffentlicht. Ziel war die Darstellung, welche Auswirkungen das agrikulturelle Wissen inklusive Wissenschaften und Technologien haben, um folgende Ziele zu erreichen: a) Verminderung von Hunger, Armut und Mittellosigkeit, b) Verbesserung der Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen einschließlich der Gesundheit sowie c) gleichberechtigte, soziale, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Aus der weltumspannenden Perspektive dieses Berichts können sieben Jahre nach seiner Veröffentlichung generelle Wirkungen festgestellt werden: Die bäuerliche Landwirtschaft steht im Blickpunkt des medialen und gesellschaftlichen Interesses. Die Vereinten Nationen hatten im November 2013 das Jahr 2014 zum „Internationalen Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft“ – für die meisten ein Synonym für den bäuerlichen Familienbetrieb – ausgerufen. Die Landesregierung – wie auch die die derzeitige Landesregierung tragenden Parteien in ihrem Koalitionsvertrag (Kapitel 5) – hat bei allen wichtigen Gelegenheiten sowohl der politischen Mitgestaltung als auch in den in eigener Zuständigkeit liegenden Einflussund Gestaltungsmöglichkeiten die grundsätzlichen Erkenntnisse des Weltagrarberichts im Hinblick auf die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts berücksichtigt und zahlreiche eigene Initiativen ergriffen und umgesetzt. An dieser Stelle werden, ohne auf die institutionellen Einzelheiten einzugehen, beispielhaft genannt: die erstmalige Erwähnung der „Ernährung“ in dem für die Landwirtschaft und die Umwelt zuständigen Ministerium sowie zahlreiche Projekte zum Thema „Gesunde Ernährung“, sowie die Verhandlungserfolge hinsichtlich einer ökologisch und sozial gerechteren Ausgestaltung der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) für die EU-Förderperiode 2014 bis 2020 (Greening, Stärkung erste Hektare, Umschichtung von Finanzmitteln aus der 1. in die 2. Säule). Weitere Engagements der Landesregierung hin zur nachhaltig-bäuerlichen Landwirtschaft – gegen agrarindustrielle Entwicklungen – betreffen ihren Einsatz für eine praxisorientierte, an verlässlichen Rahmenbedingungen orientierte Neufassung der EU-Öko-Verordnung . Auf nationaler Ebene sind zu erwähnen die zahlreichen Initiativen für die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“, zur Stärkung der artgerechten Tierhaltung und des Klima-, Natur- und Gewässerschutzes in der Landwirtschaft, gegen Lebensmittelverschwendung und zur Verbesserung der Schul- und Kitaverpflegung – unterstützt durch entsprechend justierte investive Fördermaßnahmen. Schließlich sei diese exemplarische Auflistung ergänzt um den Hinweis auf die Ausweisung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald – ein besonderes Element für zukunftsorientierte Nachhaltigkeit – und den Einsatz der Landesregierung für den Erhalt einer gentechnikfreien Landwirtschaft und die Bewahrung der hohen Verbraucherschutzstandards in den anhängigen Handelsvereinbarungen der EU mit den USA (TTIP), ebenso wie mit Kanada (CETA; Vertragsentwurf liegt vor) und den Verhandlungen um die internationalen Dienstleistungen (Tisa). Ernährung und Wertschöpfung 61. Wie entwickelten sich die Erzeuger- und Verbraucherpreise in der Vergangenheit und wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung ? Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sind entsprechend der nachstehenden Übersicht für die Jahre 2000 bis 2014 im Vergleich zu den Verbraucherpreisen durch größere Preisschwankungen und – ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 – in den letzten vier Jahren durch ein höheres Niveau gekennzeichnet. Hauptursachen der massiven Preisvolatilitäten sind die Globalisierung und Marktorientierung bzw. Deregulierung der Agrarmärkte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik z. B. bei Milch und Zucker, die Konkurrenz durch die Energiepflanzenerzeugung sowie die Spekulation mit Agrarrohstoffen. Die fortschreitende Monopolisierung aufseiten der Verarbeitung und des Handels schwächt zudem die Stellung der Erzeuger in der Lebensmittelkette weiter. In diesem Zusammenhang hat der Einfluss der Weltmärkte auf die Markt- und Preisentwicklung in der EU zugenommen. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte in Deutschland liegen nach einem zwischenzeitlichen Hoch, das im Wirtschaftsjahr 2012/2013 zu verzeichnen war (vgl. hierzu den höchsten Indexwert des Betrachtungszeitraums), nun wieder etwa auf dem niedrigeren Niveau vom Herbst 2010 (aktuell sogar darunter). Zugleich wurden die landwirtschaftlichen Betriebe in den Jahren 2013 und 2014 durch sinkende Betriebsmittelpreise, u. a. für Treibstoffe, Futtermittel und Düngemittel, zwar entlastet, inzwischen ist wieder eine Trendumkehr festzustellen. Für die Bewertung dieser Situation mit Blick auf die bäuerlichen Betriebe ergeben sich daraus mehrere Folgen: volatile Agrarpreise stellen grundsätzlich höhere Anforderungen an die Betriebsleiterfähigkeiten und neue Herausforderungen im Bereich des Risikomanagements dar – erweitert auch um neue Instrumente wie den Umgang mit Warenterminmärkten und -börsen. Volatile Erzeugerpreise beeinträchtigen des Weiteren die Planungssicherheit und Verlässlichkeit als zentrale Eckpunkte für die Bereitschaft zur Hofübernahme, die Investitionsbereitschaft und die betriebliche Weiterentwicklung. Auf die Einkommenslage der bäuerlichen Betriebe kann aus den in der Fragestellung erwähnten Preisen nicht geschlossen werden, da die Kostenseite bei dieser Betrachtung unberücksichtigt bleibt. In schwierige, nicht selten sehr kritische Liquiditätslagen kommen die Betriebe, wenn – wie in der momentanen Situation – in der Abwärtsbewegung befindliche Erzeugerpreise (Beispiel: Milch; vgl. auch Antwort zu Frage 65) mit steigenden Produktionskosten, Kapitalkosten fremdfinanzierter Investitionen und Sonderabgaben zusammentreffen. 46 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 62. Wie bewertet die Landesregierung den Zusammenhang zwischen der Wertschätzung von Nahrung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Wertschöpfung in der Lebensmittelkette? Essen ist weit mehr als gesunde Ernährung: Es ist ein Stück Kultur. Essen schafft eine Verbindung zur Region, zur Natur und zu den Menschen, die die Lebensmittel herstellen. Für die Ernährungspolitik in Rheinland-Pfalz ist es ein wichtiges Ziel, den Verbraucherinnen und Verbrauchern diese Zusammenhänge wieder nahezubringen. Dies hat die Landesregierung im Koalitionsvertrag verankert und deshalb hat das Land zum Beispiel die Landesinitiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ ins Leben gerufen. Weil regionale Strukturen überschaubar sind, entsteht mehr Transparenz und damit gleichzeitig Vertrauen bei allen Beteiligten. Regionale Produkte fördern eine nachhaltige Ernährungskultur und führen zu einer Wertschätzung regionaler Spezialitäten und biologischer Vielfalt. Die bereits bestehenden rheinland-pfälzischen Regionalinitiativen sind bedeutende Multiplikatoren für den weiteren Ausbau von Wertschöpfungsketten. Auch bringt etwa die Verarbeitung und Vermarktung land- und weinwirtschaftlicher Erzeugnisse Wertschöpfung in die Regionen und sichert unseren Landwirtinnen und Landwirten, Winzerinnen und Winzern, der handwerklichen Lebensmittelverarbeitung und -herstellung und den kleinen und mittelständischen Betrieben des gesamten Sektors mit aktuell rund 100 000 Arbeitsplätzen auch zukünftig eine wirtschaftliche Grundlage. Das Ziel der Landesregierung ist, in diesem Sektor kostendeckende Preise für die Produkte und eine nachhaltige Verbesserung der Einkommenssituation zu erreichen. Um die Regionalvermarktung im Land zu stärken, hat das Land u.a. folgende Maßnahmen entwickelt: Qualitätszeichen Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz hat ein Qualitätszeichen etabliert. Es wird vor allem in den Bereichen Obst und Gemüse sowie bei Kartoffeln, Getreide und Eiern genutzt. Zeichennutzer sind unter anderem die VOG Ingelheim, der Pfalzmarkt Mutterstadt oder die EZG Pfälzer Grumbeere, also Akteure, die auch größere Nachfragen bedienen können. Agrarmarketing Im Rahmen der Fördermöglichkeiten des Agrarmarketings können Projekte zur Stärkung des Absatzes regionaler Produkte gefördert werden. Als Zuwendungsempfänger kommen sowohl Anbieter (z. B. die Träger regionaler Dachmarken) wie auch Nachfrager regionaler Produkte (z. B. auch Großküchen) in Frage. Internetportal Das Internetportal www.regionalmarkt.rlp.de stellt umfassend Adressen von Anbietern regionaler Produkten bereit. Hier finden sich Hofläden, Erzeuger, Gastronomie und vieles mehr. Verbraucherinnen und Verbraucher können so gezielt regional einkaufen. Die Projekte der Landesinitiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ sind in der Antwort auf Frage 24 beschrieben. 47 Jahr Entwicklung der Verbraucherpreise49) Entwicklung Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte 50) 2000 85,7 89,4 2001 87,4 95,8 2002 88,6 89,4 2003 89,6 90,6 2004 91,0 89,0 2005 92,5 87,5 2006 93,9 93,9 2007 96,1 104,9 2008 98,6 108,8 2009 98,9 88,1 2010 100,0 100,0 2011 102,1 113,4 2012 104,1 119,4 2013 105,7 120,7 2014 106,6 111,8 49) Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2015 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/Verbraucherpreisindizes/Tabellen_/VerbraucherpreiseKategorien 50) Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2015 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Preise/PreisindizesLandForstwirtschaft/Tabellen/ErzeugerpreiseLandwirtschaft Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode 63. Welche ökonomische Bedeutung hat der Lebensmittelsektor in Rheinland-Pfalz? Mit rund 4,8 Mio. Beschäftigten in 755 100 Betrieben, die in der Landwirtschaft 53 Mrd. Euro, im Lebensmittelhandwerk 31 Mrd. Euro, in der Ernährungsindustrie 163 Mrd. Euro, im Lebensmittelgroßhandel 166 Mrd. Euro, im Lebensmitteleinzelhandel 200 Mrd. Euro und im Außer-Haus-Markt 70 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaften, stellt die Lebensmittelwirtschaft einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland dar und beschäftigt rund 12 Prozent aller hier Erwerbstätigen. Viele dieser Arbeitsplätze sind im ländlichen Raum angesiedelt und bilden dort eine wichtige Stütze in der regionalen Wirtschaftsstruktur. Mit derzeit ca. 305 000 Auszubildenden investiert die Branche aktiv in ihre Zukunft und in den gesamten deutschen Arbeitsmarkt. Auch in Rheinland-Pfalz spielt die Lebensmittelwirtschaft eine im Verhältnis zu den vorerwähnten Zusammenhängen entsprechende Rolle. Infolge der günstigen klimatischen Voraussetzungen kommt in Rheinland-Pfalz dem Sonderkulturbereich (Wein, Gemüse, Obst) eine überdurchschnittliche Bedeutung im Vergleich zur übrigen Landwirtschaft zu. Dies kommt in allen wichtigen Kennzahlen der rheinland-pfälzischen Agrarbranche zum Ausdruck und stellt einen wesentlichen Unterschied zu den Verhältnissen in den übrigen Bundesländern dar. In Rheinland-Pfalz waren im Jahr 2014 im Wirtschaftsbereich „Herstellung von Nahrungsund Futtermitteln“ 17 787 Personen beschäftigt. Der Umsatz betrug 4 550 696 000 Euro. Im Wirtschaftsbereich „Getränkeherstellung “ wurden 5 465 Beschäftigte gezählt. Der Umsatz betrug 2 426 011 000 Euro. Addiert man die Zahlen beider Wirtschaftsbereiche , so sind dort 8,1 Prozent der Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes tätig. Der Gesamtumsatz beider Bereiche entspricht 7,7 Prozent des Umsatzes des verarbeitenden Gewerbes. 64. Welche Chancen sieht die Landesregierung im Bereich der Erzeugung von Qualitätsprodukten für die landwirtschaftlichen Betriebe in Rheinland-Pfalz? Als „Qualitätsprodukte“ im engeren Sinne sollen im Folgenden Erzeugnisse verstanden werden, die die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel erfüllen. Darüber hinaus sind aus Sicht der Landesregierung auch Erzeugnisse des ökologischen Landbaus sowie daraus hergestellte Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte mit daraus gewonnenen Verarbeitungsprodukten, die nach anderen Qualitätsregeln, z. B. von regionalen Vermarktungsinitiativen, erzeugt wurden, als Qualitätserzeugnisse zu betrachten. Derzeit werden in Rheinland-Pfalz keine Erzeugnisse erzeugt, die die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 erfüllen und entsprechend gekennzeichnet werden können. Dagegen ist die Erzeugung im ökologischen Landbau deutlich angestiegen (vgl. Antwort zu Frage 54). Zugleich haben insbesondere regionale Vermarktungsinitiativen in verschiedenen Teilen von Rheinland -Pfalz eigene Qualitätsregeln für die Erzeugung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse erstellt, die unter dem Dach von Regionalmarken vermarktet werden. Die Landesregierung begrüßt die wachsende Bereitschaft landwirtschaftlicher Betriebe, durch die Umstellung auf den ökologischen Landbau oder die Erzeugung von Produkten unter Beachtung der Qualitätsregeln regionaler Vermarktungsinitiativen zusätzliche Marktchancen zu nutzen. Sowohl in Vermarktung ökologisch erzeugter Produkte als auch regionaler Qualitätserzeugnisse sieht sie die Möglichkeit, zusätzliche Wertschöpfungspotenziale für landwirtschaftliche Betriebe zu erschließen. 65. Wie bewertet das Land das Niveau der Erzeuger- und Verbraucherpreise insbesondere bei Milch und Milchprodukten im europäischen Vergleich und welche Schlussfolgerungen leitet es daraus für Rheinland-Pfalz ab? Entwicklung der Erzeugerpreise Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Milcherzeugerpreise seit 2013. Die Milcherzeugerpreise sind deutschlandweit im Mai 2015 nach einer kurzen Erholungsphase im Februar/März wieder deutlich unter die 30 Ct Marke gefallen – aktuell im August 2015 auf 27 Ct/kg Rohmilch. Gründe dafür sind zum einen die deutlich gestiegene Produktion in Ozeanien bei einer gleichzeitig gedämpften Nachfrage insbesondere aus China sowie der Fortsetzung des Russland-Importembargos. Sie sind aber auch eine Konsequenz der politischen Entscheidungen, vor allem auf EU-Ebene zur Deregulierung des Agrarsektors. Dem aktuellen Überangebot auf dem Weltmarkt lediglich mit Liquiditätshilfen und Exportwerbung und -subventionen zu begegnen, genügt nicht. Es lindert lediglich die Symptome, setzt aber nicht an den grundlegenden Problemen an. Ziel der Landesregierung ist es deshalb, auf eine Reduzierung der EU-Milchmenge hinzuwirken. 48 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Bei dem derzeitigen Erzeugerpreiseniveau besteht in vielen Betrieben eine Kostenunterdeckung von bis zu 40 v. H., was für zahlreiche Betriebe schwere Liquiditätskrisen und nicht selten sogar eine existentielle Notlage bedeutet. Die Landesregierung hat diese schwierige Situation der Milchbäuerinnen und Milchbauern erkannt und unterstützt diese mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Im Bundesrat hat Rheinland-Pfalz die inzwischen in Kraft getreten Verordnung unterstützt, mit der die Nutzung des Futteraufwuchses von bestimmten ökologischen Vorrangflächen ermöglicht wird. Eine weitere wichtige Stütze zum Erhalt der Liquidität ist die Betriebsprämie, die möglichst im Dezember dieses Jahres ausgezahlt werden soll. Darüber hinaus setzt sich Rheinland-Pfalz dafür ein, dass die EU die Einnahmen aus der „Superabgabe“ der zum 1. April 2015 ausgelaufenen Milchquotenregelung zweckgebunden für mengenreduzierende Krisenmaßnahmen zugunsten des Milchsektors verwendet. Auch steuerliche Erleichterungen räumt die Landesregierung gefährdeten Betrieben ein. Zudem hat die landwirtschaftliche Rentenbank zur Überbrückung finanzieller Engpässe in Futterbaubetrieben aktuell ein Liquiditätsdarlehen aufgelegt. Bereits die Frühjahrs-AMK 2015 hat auf Antrag von Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern die Bundesregierung aufgefordert , sich auf europäischer Ebene für eine Verbesserung der bestehenden Kriseninstrumente und den Ausbau der EU-Marktbeobachtungsstelle zu einem effizienten Frühwarnsystem für Marktkrisen einzusetzen. Insgesamt bedarf es eines umfassenden gesamtstrategischen Handlungsansatzes zur Sicherung einer nachhaltigen, bäuerlichen Milcherzeugung, die tierartgerecht wirtschaftet. Hierzu gehört nach Ansicht der Landesregierung auch die Entwicklung neuer Kriseninstrumente insbesondere auch zur Mengenreduzierung . Entwicklung der Verbraucherpreise Im Laufe des Jahres 2014 sind die Produktmärkte immer mehr unter Druck geraten, sodass die Molkereien im weißen und im gelben Sortiment teils deutliche Zugeständnisse machen mussten. Anfang August 2015 kostete abgepackte Butter im Laden 78 Ct und damit 41 Ct weniger als noch zu Jahresbeginn 2014 (– 34 v. H.). Auch bei Konsummilch und anderen Milchfrischprodukten gingen die Preise zurück. Nach einem leichten Minus im Mai folgte ein kräftiger Abschlag im November. Für die Verbraucher wurde dadurch beispielsweise Trinkmilch um 10 Ct/l günstiger und kostete zum Jahresende 2014 so viel wie zuletzt Ende 2012. Darüber hinaus ist es im Herbst 2014 auch bei weiteren Molkereiprodukten der weißen Linie sowie beim Schnittkäse zu deutlichen Preisrücknahmen gekommen. Die niedrigen Verbraucherpreise für Milch und Milchprodukte setzten sich 2015 fort. So konnten die Verbraucher im 1. Halbjahr 2015 Milch und Milchprodukte durchschnittlich 11,7 Prozent günstiger einkaufen als im Jahr zuvor. Milch ist aus Sicht der Landesregierung kein Rohstoff, mit dem spekuliert werden sollte. Sie ist ein hochwertiges Lebensmittel, das seinen fairen Preis haben muss, zumal die Milcherzeugung wichtige, positive Nebeneffekten insbesondere in den schwach strukturierten ländlichen Räumen ohne echte Produktionsalternativen entfaltet und eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt von Grünland ist. In diesem Zusammenhang sieht die Landesregierung als zentralen Punkt die schwache Position der Erzeuger in der Wertschöpfungskette an. Daraus resultiert ein sehr geringer Einfluss auf die Märkte und die Rohstoffverwertung. Deshalb fördert die Landesregierung den Zusammenschluss von Erzeugern, um deren Marktmacht in der Wertschöpfungskette zu stärken. 66. Welchen Änderungsbedarf sieht die Landesregierung bei der Kennzeichnung und Bewerbung von Haltungsbedingungen und Herkunft auf Lebensmitteln tierischer Herkunft nicht zuletzt im Hinblick auf den Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz? Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Lebensmittel, die nachhaltig und tiergerecht produziert werden. Einer aktuellen Umfrage von TNS Infratest zufolge ist es 96 Prozent der Bürger wichtig, dass Nutztiere tiergerecht gehalten werden. 81 Prozent wollen, dass die Politik klare und verbindliche Regelungen hierfür schafft.51) Beim Einkauf fällt es allerdings häufig schwer, sich für tiergerecht erzeugte Produkte zu entscheiden, denn Verpackungen mit missverständlichen Bildern von Bauernhof idylle und Freilandhaltung und romantisierende Handelsmarken stehen oftmals nicht im Einklang mit den wahren Haltungsbedingungen. Diese Form der Werbung muss nach Ansicht der Landesregierung beendet werden. Sonst fehlt den Landwirten, die ihre Tiere tiergerecht halten und darum höhere Preise für ihre Produkte erzielen müssen, jegliche Möglichkeit, für ihre Produkte zu werben. Darüber hinaus setzt sich Rheinland-Pfalz für die Einführung eines bundeseinheitlichen Tierwohllabels ein, mit dem die Verbraucherinnen und Verbraucher höhere Tierhaltungsstandards erkennen können. Da zu diesem Ansatz noch keine bundeseinheitliche Regelung gefunden wurde, arbeitet das Land in einer von der AMK eingesetzten Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer Tierhaltungskennzeichnung für Frischfleisch mit und unterstützt zudem privatrechtliche Label, die Produkte mit hohem Tierschutzstandard kennzeichnen, wie das Label des deutschen Tierschutzbundes (Einzelheiten auch hierzu siehe Antwort zu Frage 48.). 67. Welche Rolle spielen aus Sicht des Landes regionale Lebensmittelverarbeiter als Zwischenglied zwischen Landwirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern? Regionale Lebensmittelverarbeiter spielen aus Sicht der Landesregierung eine wichtige Rolle. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen möglichst genau wissen, wie ihre Lebensmittel produziert werden und wo sie herkommen. Regional erzeugte und verarbeitete Lebensmittel genießen oftmals einen beträchtlichen Vertrauensvorschuss. Darüber hinaus halten regional 49 51) Trendstudie VIER PFOTEN, Wippermann Trendforschung,TNS Infratest, 9/2014. Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode erzeugte Lebensmittel die Wertschöpfung in der Region und sichern dort Arbeitsplätze und Kaufkraft. Nicht zuletzt tragen regionale Wertschöpfungsketten in Verbindung mit der räumlichen Nähe zu Verbraucherinnen und Verbrauchern aufgrund der kurzen Wege zu einem klimafreundlichen und ressourcenleichten Wirtschaften bei. 68. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hinsichtlich der Kennzeichnung von regionalen Produkten? Bei der Beantwortung der Frage wird davon ausgegangen, dass es sich nicht um die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformations-Verordnung, LMIV, mit Inkrafttreten am 13. Dezember 2014) gesetzlich vorgeschriebenen Herkunftsangaben für bestimmte Produkte handelt, sondern um freiwillige regionale Kennzeichnungen. Um den Trend zu mehr regionalen Produkten zu nutzen und zu stärken ist es wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher schnell und verlässlich regional erzeugte Produkte im Regal erkennen können. Neben den Dachmarken dient in Rheinland-Pfalz das „Qualitätszeichen Rheinland-Pfalz“ zur Kennzeichnung. Ein Kontrollverfahren garantiert, dass die Produkte aus RheinlandPfalz stammen und nach festgelegten Kriterien erzeugt wurden. Auf Initiative des MULEWF wurde zudem die Webseite „regionalmarkt .rlp.de“ eingerichtet. Sie soll Verbraucherinnen und Verbrauchern die Suche nach regionalen Angeboten erleichtern und die vielen seriösen Initiativen, die es im Land bereits gibt, bündeln. Im Januar 2014 wurde zudem das freiwillige „Regionalfenster“ bundesweit eingeführt. Die Region (kleiner als Deutschland) muss eindeutig und nachweisbar genannt werden. Dasselbe gilt für Verarbeitungsort und Kontrollstelle. Vonseiten der Landesregierung wird kritisiert, dass mit 51 Prozent regionale Zutaten bereits ein sehr geringer Anteil für eine Kennzeichnung reicht. Zudem werden Vereinfachungen beim Zertifizierungsverfahren gefordert, damit auch Regionalinitiativen und Dachmarken das Zeichen nutzen können. 69. Welche regionalen Dachmarken bestehen in Rheinland-Pfalz und wie haben sie sich in den letzten zehn Jahren entwickelt? In Rheinland-Pfalz gibt es folgende regionale Dachmarken, unter denen Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vertrieben werden: Eifel, SooNahe, Ebbes von hei, Kräuterwind und Mosel. In den vergangenen zehn Jahren haben sich diese Marken sehr gut entwickelt, nicht zuletzt wegen der Beratungs- und Förderangebote der Landesregierung und der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum. Daten zur Entwicklung der Umsatz- und Mitgliederzahlen in den vergangenen zehn Jahren liegen der Landesregierung nicht vor. Auf eine gesonderte Erhebung wurde verzichtet, weil dies gegenüber den Trägern der Dachmarken als unverhältnismäßig erscheint. 70. Wie bewertet die Landesregierung diese regionalen Dachmarken im Hinblick auf die Stärkung der Nachfrage nach rheinland-pfälzischen Lebensmitteln? Regionale Dachmarken sind hervorragend geeignet, um die Nachfrage nach rheinland-pfälzischen Lebensmitteln zu stärken, denn sie folgen und bedienen den Trend zu mehr Regionalität. Neben den reinen ökonomischen Effekten (siehe Frage 63), die in der Gegenwart realisierbar werden, stiften regionale Wirtschaftskreisläufe Identifikation, bieten Synergieeffekte mit anderen Wirtschaftsbereichen wie dem Tourismus und schaffen damit auch Bleibeperspektiven für junge Menschen aus ländlich geprägten Regionen. 71. Wie fördert das Land die regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten? Um langfristig wettbewerbsfähig zu sein und nachhaltig zu wirtschaften, muss der Agrarsektor sich an die geänderten Rahmenbedingungen fortwährend anpassen. Dabei muss seine Innovations- und Anpassungsfähigkeit gestärkt werden. Gleichzeitig sind besondere öffentliche Leistungen wie beispielsweise die Offenhaltung der Kulturlandschaft oder besonders tiergerechte Haltungsverfahren zu honorieren. Im Rahmen der Agrarförderung wird den Betrieben daher eine breite Palette an Förderangeboten gemacht. Dies reicht von der Beratung, die einzel- und überbetriebliche Investitionsförderung, Marketingmaßnahmen bis zur Förderung von Innovationen. – Beratungsdienstleistungen zielen auch darauf ab, das Wissen zu regionalen Wertschöpfungsketten und ihre Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Ressourcenschutz zu vermitteln. Im Rahmen der SWOT-Analyse zum Entwicklungsprogramm EULLE wurde in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit aufgezeigt, kooperative Modelle insbesondere im Bereich regionaler Wertschöpfungsketten zu unterstützen. Im Rahmen des neuen Entwicklungsprogramms EULLE werden künftig auch Investitionen von Partnern regionaler Wertschöpfungen insbesondere in kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Unternehmen sowie Unternehmen der Verarbeitung und Vermarktung gefördert. Ziel ist es, Investitionen zur Qualitätsverbesserung und Einkommensdiversifizierung landwirtschaftlicher, weinbaulicher und gartenbaulicher Unternehmen im nichtlandwirtschaftlichen Bereich sowie Investitionen zur Verarbeitung und Vermarktung regionaler Erzeugnisse in regionalen Wertschöpfungsketten anzuregen. – Im Rahmen des Entwicklungsprogramms EULLE können zudem über die EIP-Förderung oder im LEADER-Ansatz neue Produkte, Verfahren, Prozesse und Technologien bis hin zu regionalen Marken unterstützt werden. Ziel ist dabei die Verbesserung der wirtschaftlichen Rentabilität für die Primärerzeuger und Stärkung der Akteure entlang regionaler Wertschöpfungsketten in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (einschließlich vor- und nachgelagerter Bereiche). 50 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 – Auch die Förderung flächenbezogener Agrarumwelt- und -klimamaßnahmen sowie des ökologischen Landbaus und des Agrarmarketings leisten einen Beitrag zur Unterstützung und zum Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten sowie der Erzeugung und Vermarktung von Qualitätsprodukten. Damit unterstützen sie indirekt die regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. 72. Welchen Nutzen haben die europäischen Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“ und „geschützte geografische Angaben“ für die rheinland-pfälzische Land-, Wein- und Ernährungswirtschaft? Diese Siegel haben bislang noch keinen Nutzen für die Land- und Ernährungswirtschaft, weil sich in Rheinland-Pfalz trotz intensiver Informationsarbeit der Landesregierung und Fördermöglichkeiten über das Agrarmarketing bislang keine Schutzgemeinschaften gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel gegründet haben. Daher gibt es momentan weder geschützte Produkte noch sich im Verfahren befindende Schutzanstrengungen. In der rheinland-pfälzischen Weinwirtschaft werden die in der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse beschriebenen Ursprungsbezeichnungen in der Kennzeichnung bislang nicht genutzt, obwohl die Voraussetzungen erfüllt sind. In der Weinwirtschaft wird weit überwiegend von Art. 119 Abs. 3 a VO (EU) Nr. 1308/2013 Gebrauch gemacht, wonach bestimmte traditionelle Begriffe in der Kennzeichnung die Angabe „geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder „geschützte geografische Angaben“ ersetzen dürfen. Am Markt wird daher beispielsweise die Angabe „Qualitätswein Rheinhessen“ anstelle der Bezeichnung „geschützte Ursprungsbezeichnung [g. U.] Rheinhessen“ verwendet. Auch in der Kategorie der geschützten geografischen Angaben [g. g. A.]“ werden nach wie vor ausschließlich die traditionellen Begriffe wie z. B. „Rheinischer Landwein“ verwendet. Auflistung der bestehenden rheinland- pfälzischen geschützten Ursprungsbezeichnungen [g. U.] und geschützten geografischen Angaben [g. g. A.]: Zudem ist der Pfälzer Weinbrand in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 als geografische Angabe eingetragen. 73. Welche Maßnahmen ergreift das Land, damit die hohe Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten aus Rheinland-Pfalz bedient werden kann? Die Förderung des ökologischen Landbaus durch das MULEWF basiert auf drei Säulen: Agrarförderung, insbesondere die Förderung der ökologischen Wirtschaftsweise im Unternehmen Den Schwerpunkt der Förderung bildet das Agrarumweltprogramm Programm PAULa bzw. EULLa. Ökobetriebe, die ihren Betrieb umstellen, erhalten eine Förderprämie. In den ersten beiden Jahren der Umstellung erhalten die Betriebe z. B. für Ackerland und Grünland 300 Euro Prämie je Hektar und in den drei Folgejahren 200 Euro je Hektar. Seit 2012 erhalten Betriebe zudem einen Kontrollkostenzuschuss. Im Rahmen des Agrarinvestitionsförderprogramms (AFP) werden in der einzelbetrieblichen Förderung verstärkt Tierschutz, artgerechte Tierhaltung und Flächenbindung der Tierhaltung berücksichtigt. Dieser Ansatz wurde mit Beginn der neuen EU-Förderperiode 2014 bis 2020 weiter ausgebaut. Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur und Marketingmaßnahmen Effiziente Vermarktungsstrukturen sind eine wichtige Voraussetzung, damit die Ökoerzeuger möglichst auskömmliche Erlöse für ihre Produkte erzielen. In den vergangenen Jahren haben sich in Rheinland-Pfalz zwei ökologische Erzeugerzusammenschlüsse gegründet: Im April 2012 wurde die Vermarktungsgesellschaft Bioland Naturprodukte mbH & Co KG in Gusterath als Erzeugerzusammenschluss anerkannt. Die Vermarktungsgesellschaft ist hauptsächlich im Vertrieb von Bio-Getreide tätig. 51 Qualitätswein geschützte Ursprungsbezeichnungen [g. U.] Landwein geschützte geografische Angaben [g. g. A.] Ahr Ahrtaler Mittelrhein Rheinburgen Mosel Mosel Saar Ruwer Nahe Nahegauer Pfalz Pfälzer Rheinhessen Rheinischer Rhein Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Ende 2013 hat sich der Erzeugerzusammenschluss „Bio Rind & Fleisch GmbH RLP“ gegründet und im Januar 2014 seinen Geschäftsbetrieb aufgenommen. Beide Zusammenschlüsse wurden und werden in den kommenden Jahren auf Grundlage der Fördergrundsätze der GAK Zuschüsse zu den entstandenen Organisationskosten erhalten können. Die Gründung eines weiteren Zusammenschlusses für die Vermarktung sonstiger ökologischer Produkte ist angekündigt. Beratung, Versuchswesen, Schule und Ausbildung: Die Umstellungsberatung erfolgt in erster Linie durch das Kompetenzzentrum ökologischer Landbau (KÖL) am DLR RheinhessenNahe -Hunsrück. Das KÖL berät objektiv und umfassend im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten. Weitergehende Beratungen werden beispielsweise durch die Bioland Beratungs GmbH, die AÖL und die staatlichen Fachberater durchgeführt. Im Rahmen des Öko-Versuchswesens hat sich das rheinland-pfälzische Projekt Öko-Leitbetriebe zu einer festen Größe im Versuchsund Beratungskonzept des Landes entwickelt. In der Aus- und Fortbildung der Landwirte und Winzer in Rheinland-Pfalz werden Themen des ökologischen Landbaus bzw. Weinbaus sowohl in der Berufs- wie auch in der Fachschule explizit umgesetzt. Neben der lernfeldübergreifenden Behandlung von Ökothemen und den Wahlpflichtmodulen Ökoweinbau und Ökolandbau in der Fachschule wird es in der Berufsschule ab dem kommenden Schuljahr eine Verpflichtung zur Verankerung von Ökothemen in den Jahresarbeitsplänen aller drei Berufsschuljahre der Landwirtschaft geben. Für die Fachschule Weinbau und Oenologie wird es an DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach einen Zertifikatskurs Ökoweinbau geben, der ein Zusatzmodul Ökoweinbau und ein Praxisprojekt im Ökoweinbau beinhaltet. 74. Wie beurteilt die Landesregierung mögliche Auswirkungen der europäischen Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA (CETA und TTIP) sowie des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) auf die rheinland-pfälzische Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie die Weiterentwicklung der Agrar- und Ernährungspolitik? Die Verhandlungen zu den genannten Abkommen befinden sich in unterschiedlichen Stadien. Während das zwischen der EU und Kanada verhandelte Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) als Vertragsentwurf vorliegt, laufen die Verhandlungen zum Trade in Services Agreement (TiSA) und zum Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)-Abkommen noch. Auswirkungen auf die rheinland-pfälzische Agrar- und Ernährungswirtschaft werden dabei vorrangig die mit Kanada und den USA geplanten Abkommen haben. Zum Umfang dieser Auswirkungen liegen derzeit nur ökonomische Modellrechnungen mit unzureichender regionaler Differenzierung vor. Sie werden maßgeblich davon bestimmt, in welchem Umfang tarifäre Handelshemmnisse wie Zölle und Einfuhrabgaben und nichttarifäre Handelshemmnisse, zu denen auch Standards zählen, abgebaut werden. Allerdings sind die potenziellen Auswirkungen der Freihandelsabkommen, wie sie sich auf Grundlage des Vertragsentwurfs von Ceta und den Verlautbarungen zu TTIP gestalten, mit Blick auf die rheinland-pfälzische, mittelständisch geprägte Land- und Ernährungswirtschaft mit Besorgnis zu betrachten. Eine Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Europäischen Parlaments (2014) stellt fest, das TTIP negative Auswirkungen auf die Wertschöpfung der europäischen Lebensmittelwirtschaft haben wird. Die europäische Wertschöpfung werde in diesem Sektor in den nächsten zehn Jahren um etwa 0,5 Prozent schrumpfen. In der deutschen Lebensmittelwirtschaft, mit allein in Rheinland-Pfalz 100 000 Arbeitsplätzen, werde die Wertschöpfung sogar um 0,7 Prozent sinken. 52) Der Studie zufolge würde das Freihandelsabkommen in Rheinland-Pfalz somit einen Sektor hart treffen, der im Land einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung im Ländlichen Raum und damit auch zu seiner Stärkung leistet. Grund dafür sind die je nach Sektor sehr verschiedene Produktionsweisen und -vorgaben. Erkennbar beispielsweise an niedrigeren Produktionskosten in den USA, die durch eine weitgehend industrialisierte Produktion landwirtschaftlicher Güter und niedrigerer Produktionsstandards erreicht werden. Insbesondere in den Sektoren Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch liegen die Produktionskosten pro Einheit 20 bis 30 Prozent unter den Kosten, die hierfür in der EU aufgewendet werden müssen. Rheinland-pfälzische, deutsche und europäische Errungenschaften im Bereich der Tierschutz- und Umweltauflagen (z. B. Haltungsbedingungen, Lagerung und Nutzung von Gülle und Mist etc.) sind in Nordamerika nicht in gleicher Weise vorhanden und vergleichsweise weniger kostenaufwendig. 53) Diese Konstellation führt bei einer Marktöffnung somit zu Wettbewerbsnachteilen für die hiesigen Erzeuger und birgt die Gefahr eines nachhaltigen Absenkens der Erzeugerpreise. Können die Landwirtinnen und Landwirte in RheinlandPfalz ihre Produkte nicht mehr kostendeckend auf dem Markt platzieren, wird dies absehbar zu einer deutlichen Beschleunigung des Strukturwandels in der rheinland-pfälzischen bäuerlichen Landwirtschaft führen, für deren Erhalt sich das Land nachhaltig einsetzt . Diese Verzerrung des Wettbewerbs wird auch die Standards in der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz, Deutschland und der EU erheblich unter Druck setzen, wenn der Strukturwandel mit Verlagerungen der Erzeugung einhergeht. Wenngleich die Standards durch das Abkommen nicht abgesenkt würden, höhlt es Sie so auf lange Sicht aus. Unterstützt durch die Maßnahmen aus Gemeinsamer Agrarpolitik und Landesförderprogrammen, wie Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen , leistet die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, zum 52 52) European Parliament: „FOCUS ON: Risks and Opportunities for the EU Agri-Food Sector in a Possible EU-US Trade Agreement“ (2014). 53) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft – öffentliche Anhörung, Stellungnahme Deutscher Bauernverband, 20. Juni 2014. Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5553 Natur- und Klimaschutz sowie zum Erhalt unserer Kulturlandschaften. Diese kooperativen Lösungsansätze für diese wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben könnten durch eine Abwärtsspirale bei den Erzeugerpreisen unter erheblichen Druck geraten und in einem ansteigenden Förderbedarf durch Landesmittel resultieren. Hervorgerufen durch den aktuellen Preisverfall im Milchsektor werden derzeit vereinzelt Hoffnungen auf steigende Preise durch die Freihandelsabkommen laut. Kurzfristigen Exportpotenzialen stehen allerdings auch in diesem Wirtschaftszweig unterschiedliche Produktionsbedingungen entgegen. Durch den Einsatz von Leistungsförderern und dem weitgehenden Fehlen gesetzlicher Tierschutzstandards produziert eine Milchkuh in den USA durchschnittlich knapp 1,5 mal so viel Milch pro Jahr wie eine Milchkuh in der EU. 54) Auf mittlere und lange Sicht ist eine Verlagerung der Produktion zugunsten der USA zu erwarten. Auch im Wirtschaftszweig der Weinproduktion liegen unterschiedliche Normen vor, die nach aktuellem Stand negative Auswirkungen auf die rheinland-pfälzischen Winzerinnen und Winzer haben würden. So sind die europäischen Normen im Weinbausektor an die Vereinbarungen der OIV (Internationale Organisation für Rebe und Wein) angelehnt. Die USA sind 2001 aus der OIV ausgetreten, da sie sich nicht an Normen binden wollten. Auch das europäische System der geografischen Herkunftsangaben für Weine, die wichtige Alleinstellungsmerkmale für rheinland-pfälzische Weine auf dem Exportmarkt sind, scheinen die USA nach bekanntgewordenen Verlautbarungen nicht anerkennen zu wollen. Die Versammlung der europäischen Weinbauregionen (AREV) hat daher unter anderem gefordert, dass die USA auf europäische geografische Angaben (z. B. Burgundy, Champagne usw.) verzichten und ausschließlich die Anwendung von durch die OIV anerkannte önologische Verfahren für den auf den europäischen Markt exportierten Wein sicherstellen müssen. Diese Forderungen sind bisher nicht erfüllt. Durch TTIP und CETA droht eine Konkurrenz nicht nur wie bisher auf den Drittlandsmärkten sondern auch in Europa. Die in beiden Handelsabkommen vorgesehene Stärkung der regulatorischen Kooperation birgt die Gefahr, dass das Vorsorgeprinzip als Kernelement europäischer Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik ausgehöhlt wird. Geplant ist die Einrichtung eines Regulierungsrats auf Verwaltungsebene, der nicht nur bestehende Standards angleicht, sondern frühzeitig auch unter Einbindung von Großkonzernen über geplante neue Regulierungsvorhaben diskutiert und der Industrie so Einfluss gewährt. Europäische Standards beispielsweise hinsichtlich der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, der Kennzeichnungs- und Informationspflichten oder der Einschränkungen für Patente auf Pflanzen und Tiere könnten in Gefahr geraten. Neue Regulierungsvorhaben könnten vom Regulierungsrat bereits verworfen werden, bevor ein demokratisch gewähltes Parlament und die Bürgerinnen und Bürger überhaupt von ihnen erfahren. Dies ist weder im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher noch der qualitätsorientierten Landund Lebensmittelwirtschaft. Nach Ansicht der Landesregierung dürfen die hohen europäischen und nationalen Standards nicht ausgehöhlt werden. Beim Verdacht auf negative Auswirkungen auf Gesundheit oder Umwelt muss politisches Handeln auf nationaler und europäischer Ebene auch weiterhin möglich sein. Auch der geplante Investorenschutz würde die Weiterentwicklung von Standards und Umwelt- bzw. Verbraucherschutzvorgaben erheblich behindern. Zudem kommt er aufgrund der hohen Verfahrenskosten, die laut OECD bei durchschnittlich 8 Mio. Euro pro Verfahren liegen, vor allem Großunternehmen und kaum dem Mittelstand zugute. 75. Welche Entwicklung nahm der Import und Export von Lebensmitteln und Agrarprodukten und welche Auswirkungen haben Agrar - und Lebensmittelimporte und -exporte nach Kenntnissen des Landes innerhalb von Deutschland und in den Entwicklungsländern ? Das Volumen des deutschen Außenhandels mit Agrarprodukten einschließlich Lebensmitteln ist in den vergangenen zehn Jahren bis 2014 mit leichten Schwankungen insgesamt deutlich angestiegen. Dabei war der Gesamtwert der Einfuhren jährlich stets größer als der der Ausfuhren. Im Jahr 2014 erreichte der Wert der Importe einen Betrag von ca. 70 Mrd. Euro, während der Ausfuhrwert insgesamt ca. 63 Mrd. Euro betrug. Deutschland nahm im Jahr 2013 im weltweiten Vergleich hinsichtlich der Importe den dritten Rang ein und war ebenfalls drittstärkste Exportnation. Im Jahr 2014 wurden aus Rheinland-Pfalz Nahrungs- und Futtermittel im Wert von 1 570 391 889 exportiert, während der Importwert 959 881 328 Euro betrug. Damit verbuchte dieser Bereich einen Anteil von 3,3 Prozent an den rheinland-pfälzischen Ausfuhren bzw. 3,9 Prozent an den Einfuhren. Gegenüber dem Vorjahr sind die Exporte um 1,3 Prozent zurückgegangen, während bei den Importen ein Anstieg von 2,1 Prozent zu verzeichnen ist. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sind die Exporte gegenüber dem Jahr 2008 um 14,6 Prozent und die Importe um 30,8 Prozent angestiegen. Die Agrar- und Lebensmittelimporte und -exporte haben vielfältige Auswirkungen, die in der Summe nicht näher abschätzbar sind. Exporte aus Deutschland können dazu beitragen, übermäßige Angebote bestimmter Produkte zu vermeiden. Dadurch können die deutschen Märkte entlastet werden und die Erzeugerpreise stabilisiert und verbessert werden. Allerdings hat mit der zunehmenden Exportorientierung die Volatilität der Erzeugerpreise zugenommen. Die Einkommensentwicklung hat sich dagegen nicht positiv entwickelt. Agrar- und Lebensmittelexporte aus Entwicklungsländern können für die betreffenden Länder wichtige Einnahmequellen sein. In den Entwicklungsländern besteht allerdings die Gefahr, dass durch eine einseitig auf bestimmte Exportprodukte ausgerichtete Lebensmittel- und Agrarproduktion die Produktion von Lebensmitteln für die einheimische Bevölkerung verdrängt wird und Kleinbauern ihr Land an Agrarkonzerne verlieren. Dies unterläuft das Menschenrecht auf Nahrung. 53 54) AMI nach nationalen Statistiken, USDA, FAOSTAT, IDF/MULEWF (07.2015). Drucksache 16/5553 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Importe tragen in Deutschland zu einer besseren, preisgünstigen Versorgung mit Agrarprodukten und Lebensmitteln bei. In Entwicklungsländern können Agrar- und Lebensmittelimporte dazu beitragen, die Versorgungslage der Bevölkerung zu verbessern. Andererseits besteht die Gefahr in Deutschland und besonders in den Entwicklungsländern, dass billige Produkte aus dem Ausland in Konkurrenz zur heimischen Agrar- und Lebensmittelproduktion treten und die heimische Produktion zurückgedrängt wird. Ökologisches und soziales Dumping sowie eine stärkere Klimabelastung durch den Anstieg der Transporte sind weitere Problemfelder , die eine zunehmende Globalisierung der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft mit sich bringt. Ulrike Höfken Staatsministerin 54