Drucksache 16/5640 01. 10. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 21. Oktober 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Martin Brandl (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Zwischenfazit der Energiewende Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3717 vom 10. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Inwiefern hat der Ausbau der Windkraft in Rheinland-Pfalz zu einer Energieeffizienzsteigerung beigetragen? 2. Welche Ziele wurden vonseiten der Landesregierung seit dem ausgegebenen Ziel (100 % bilanzielle Energieversorgung in Rheinland -Pfalz durch erneuerbare Energien bis 2030) bei der Umsetzung ihrer Energiepolitik in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz sowie im Bereich Ausweitung der Speichervolumina erreicht? 3. Welche künftigen Ziele hat sich die Landesregierung in den genannten Bereichen gesetzt und bis wann will sie diese erreichen? 4. Welche Strommengen hat Rheinland-Pfalz seit dem ausgegebenen Ziel (100 % bilanzielle Energieversorgung in Rheinland-Pfalz durch erneuerbare Energien bis 2030) aus anderen Bundesländern und dem benachbarten Ausland bezogen? 5. Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um die Abhängigkeit von Stromimporten künftig zu verringern? 6. Inwieweit hat sich die Landesregierung mit den umliegenden Bundesländern über gemeinsame Ziele und vor allem über eine abgestimmte Vorgehensweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien verständigt? 7. Welche konkreten Vereinbarungen wurden dabei getroffen und umgesetzt? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. September 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode einen energiepolitischen Schwerpunkt auf die Themenbereiche Energieeinsparung , Energieeffizienz und erneuerbare Energien gelegt. Neben den erneuerbaren Energien sind die Steigerung der Energieeffizienz und die Energieeinsparung zentrale Bausteine zum Gelingen der Energiewende. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ausbau der Windenergie und der Steigerung von Energieeffizienz bei der Nutzung von Strom besteht nicht. Um möglichst viele Effizienzpotenziale in Rheinland-Pfalz zu nutzen, fördert die Landesregierung vielfältige Angebote für unterschiedliche Zielgruppen. Vor allem die Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH, die Energieberatung der Verbraucherzentrale sowie das Effizienznetz Rheinland-Pfalz (EffNet) geben unterschiedlichen Akteuren Erstinformationen auch auf dem Gebiet der Energieeffizienz und der Energieeinsparung. Zu Frage 2: Es ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, die Ziele der Energiewende in Rheinland-Pfalz auch umwelt- und naturverträglich zu erreichen. Die Rahmenbedingungen für die Energieversorgung in Rheinland-Pfalz müssen daher den Zielen der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit Rechnung tragen. Dabei sollen auch die Kommunen bei einer sicheren und umweltfreundlicheren Energieversorgung gestärkt werden. Hierzu wurden mit der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV, dem neu gefassten Rundschreiben Windenergie und dem Windatlas Rheinland-Pfalz entscheidende Weichen für die Energiewende gestellt. Drucksache 16/5640 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Darüber hinaus haben zur Gewährleistung einer naturverträglichen Umsetzung der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz die Experten der Staatlichen Vogelschutzwarte und des LUWG im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten (MULEWF) den „Naturschutzfachlichen Rahmen zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz“ erarbeitet. Die Studie ist der Leitfaden in Rheinland-Pfalz für Behörden, Kommunen, Planungsbüros und Windenergie-Unternehmen , um potenzielle Konflikte mit dem Artenschutz (Vögel, Fledermäuse) und NATURA 2000-Gebieten bei der Entwicklung von Windkraft-Standorten zu bewerten, zu vermeiden und zu lösen. Der Leitfaden hat sich in Rheinland-Pfalz bewährt. Als Indiz hierfür kann bei dem erfolgreichen Ausbau der Windenergienutzung die vergleichsweise geringe Anzahl dokumentierter verunglückter Vögel in Rheinland-Pfalz in der zentralen Datensammlung der Vogelschutzwarten gewertet werden. Seitens Landesforsten Rheinland-Pfalz werden auch Staatswaldstandorte für eine umweltverträgliche Windenergienutzung – gerade auch für kommunale Windenergie-Projekte – bereitgestellt. Als Standort für Windkraftanlagen und als Lieferant des CO2-neutralen Energieträgers Holz leistet der Wald somit wichtige Beiträge zur umwelt- und naturverträglichen Energiewende. Um die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Kommunen für einen effizienteren Umgang mit dem nachhaltig nur begrenzt zur Verfügung stehenden Energieholz zu sensibilisieren und somit die Energieeffizienz im Bereich der Nutzung von Energieholz weiter zu steigern , hat Landesforsten mit der Energieagentur Rheinland-Pfalz eine Kooperationsvereinbarung zur Förderung der Energiewende in Rheinland-Pfalz geschlossen. Hierdurch ergeben sich zusätzliche Potenziale, um noch besser über die Entwicklungen und Chancen der Energiewende zu informieren sowie zielführende Projekte anstoßen und begleiten zu können. Durch die Zertifizierung des Staatswaldes nach den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) wird durch einen externen Gutachter bescheinigt, dass die Nutzung und Bereitstellung von Biomasse aus dem Wald für energetische Zwecke nach strengen Nachhaltigkeitskriterien umwelt- und naturverträglich erfolgt. Im Hinblick auf die Wärme-, Kraftstoff- oder Stromerzeugung ist die Bioenergie ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende . Neben der Forstwirtschaft leistet auch die Landwirtschaft einen bedeutenden Beitrag zur Bioenergieproduktion. Grundsätzlich erfolgt der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zur Biomasseproduktion nach der guten fachlichen Praxis und steht somit weder den Belangen des Natur- noch Umweltschutzes entgegen. In Rheinland-Pfalz wurden 2013 auf 18 300 Hektar bzw. 4,4 Prozent der Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe, die primär der Energiegewinnung dienen, angebaut und der Aufwuchs von 1 100 Hektar Grünland (< 1 Prozent der Grünlandfläche in Rheinland -Pfalz) in Biogasanlagen genutzt. Zusätzlich dazu werden in rheinland-pfälzischen Biomasseanlagen in erheblichem Umfang Rest- und Abfallstoffe verwertet, sodass diese Nutzung entsprechend dem Kreislaufwirtschaftsgedanken direkt zum Umwelt- und Ressourcenschutz beiträgt. Zu nennen ist hier bspw. die umfassende Nutzung von Gülle in Biogasanlagen, wo jährlich über 450 000 t Wirtschaftsdünger (Gülle und Festmist) im Sinne einer Kaskadennutzung vergoren werden. Zusätzlich zu der Biomassenutzung zur Stromerzeugung wurden 2013 in Rheinland-Pfalz auf 46 000 Hektar (11 Prozent) der Ackerfläche Raps angebaut. Speziell in Marktfrucht-Anbauregionen führt der Rapsanbau zu einer weiteren Fruchtfolge, was zu positiven Fruchtfolgeeffekten, auch im Sinne des Natur- und Umweltschutzes, führt. Zur Speicherung von Energie z. B. in Form von Strom, kinetischer Energie, Druckluft, Wärme oder chemischen Verbindungen stehen unterschiedliche Technologien zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer technischen Spezifikationen stark unterscheiden und daher für unterschiedliche Verwendungszwecke, beispielsweise als Kurzzeit-, Tages- oder auch saisonaler Speicher, eingesetzt werden können. Da der technische Entwicklungsstand der verschiedenen Speichertechnologien noch sehr unterschiedlich ist, werden im Land verschiedene Modellprojekte zur technischen Entwicklung und Markteinführung von Speichertechnologien mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union, des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz durchgeführt. Hierzu zählen u. a. die nachfolgend aufgeführten Energiespeicherprojekte: – Power-to-Gas-Anlage der Stadtwerke Mainz AG, – Pilotanlage zur Methanisierung von Kohlendioxid mit Wasserstoff im Energiepark Pirmasens-Winzeln, – Modellprojekt „myPowerGrid“ des Fraunhofer ITWM, Kaiserslautern, – Projekt „Vevide“ (Transferstelle Bingen und Kooperationspartner), – Projekt „Industrialisierung und Anwendung stationärer Energiespeichersysteme“ des StoREgio Energiespeichersysteme e. V. Ludwigshafen. Im Bereich der Abwasserbeseitigung unterstützt die Landesregierung schwerpunktmäßig die Energieoptimierung auf Kläranlagen. Kläranlagen sind mit die größten Energieverbraucher der Kommunen, sodass verfahrens- und maschinentechnische Maßnahmen zur Nutzung der vorhandenen Einsparpotenziale unterstützt werden. Haupteinsparpotenziale für Abwasseranlagen liegen vor allem im Bereich der Belüftung in der biologischen Stufe, aber auch bei der Umstellung der Verfahrenstechnik (MSR-Technik) sowie der maschinentechnischen Optimierung (energiesparende Pumpen, Zentri fugen etc.). Auf der Grundlage einer aktuellen Abschätzung ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch der rheinland-pfälzischen Kläranlagen in den letzten zehn Jahren von etwa 260 000 MWh im Jahr auf etwa 195 000 MWh im Jahr reduziert werden konnte. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5640 Für die Stromerzeugung aus Klärgas wird von einer Steigerung von etwa 37 000 MWh im Jahr 2011 auf etwa 43 000 MWh im Jahr 2014 ausgegangen. Viele weitere Maßnahmen der Energieeinsparung und Energieerzeugung auf Kläranlagen sind in der Umsetzung oder in Planung. Eine Potenzialabschätzung für Rheinland-Pfalz hat ergeben, dass durch die Nutzung von Einsparpotenzialen der Stromverbrauch von aktuell etwa 195 000 MWh im Jahr auf bis zu 150 000 MWh im Jahr reduziert werden kann. Die Stromerzeugung aus Klärgas (Biogas) kann von aktuell 43 000 MWh im Jahr auf bis zu 60 000 MWh im Jahr gesteigert werden. Das langfristige Ziel ist es, diese Zielwerte ggf. sogar noch zu übertreffen. Zu Frage 3: Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die elektrische Energie, die in Rheinland-Pfalz verbraucht wird, bis 2030 bilanziell vollständig aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Die wesentlichen Anteile an der regenerativen Stromerzeugung sollen auf die Windkraft mit 7 500 MW zu ca. zwei Drittel und die Photovoltaik mit 5 500 MW zu ca. einem Viertel entfallen. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft wird mit ca. fünf Prozent zur Deckung des Strombedarfs des Landes beitragen. Biomasse kann einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Ausgleichs- und Regelenergie leisten und soll ebenfalls ca. fünf Prozent abdecken. Wesentliche Beiträge der tiefen Geothermie zur regenerativen Stromversorgung werden nicht vor 2030 erwartet. Bezüglich der Stromspeicherung wird derzeit keine Notwendigkeit für die Erstellung einer konkreten Ausbauplanung gesehen. Nach Einschätzung der Landesregierung werden Stromspeicher als vergleichsweise kostenintensive Flexibilitätsoption in der Regel erst nach Nutzung anderer kostengünstigerer Optionen zur Flexibilisierung des Energieversorgungssystems, wie z. B. der Netzausbau auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene, die Flexibilisierung der Stromerzeugung oder die wirtschaftliche Erschließung von zahlreich vorhandenen Lastmanagementpotenzialen auf der Verbraucherseite, in größerem Umfang zum Einsatz kommen. Im Rahmen der im Februar 2014 veröffentlichten Verteilnetzstudie Rheinland-Pfalz wurde für das Land Rheinland-Pfalz ein Speicher - konzept erstellt und eine Einsatzreihenfolge der einzelnen Flexibilitätsoptionen entwickelt. Zu Frage 4: Der rheinland-pfälzische Stromverbrauch wird durch die eigene Erzeugung von Strom im Land sowie durch Stromimporte aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland gedeckt. In den zurückliegenden Jahren ist die Stromerzeugung in Rheinland-Pfalz insbesondere durch den Ausbau der erneuerbaren Energien kontinuierlich angestiegen und der Importanteil beim Strom entsprechend gesunken. Umfang und Anteil der Stromimporte am Bruttostromverbrauch des Landes Rheinland-Pfalz sind für den Zeitraum 2011 bis 2013 in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Die Stromerzeugung in Rheinland-Pfalz hat in 2013 mit einem Anteil von ca. 65 Prozent am Bruttostromverbrauch des Landes einen neuen Höchstwert erreicht. Zu Frage 5: Die Landesregierung setzt sich für einen Ausbau der erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz ein. Das bisherige Vergütungssystem aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014) soll zukünftig auf Ausschreibungsmodelle umgestellt werden. Dazu wurde Ende Juli das Eckpunktepapier des BMWi zu den geplanten Ausschreibungen veröffentlicht und die Konsultationsphase gestartet . Das Land wird seine Stellungnahme dazu nutzen, mit konstruktiven Vorschlägen und Hinweisen zum Erhalt eines dynamischen dezentralen Ausbaus der erneuerbaren Energien beizutragen. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in RheinlandPfalz wird zu einer weiteren Verringerung der Stromimporte führen. Zu den Fragen 6 und 7: Die Koordination und Steuerung der Energiewende auf nationaler Ebene erfolgt durch die Bundesregierung, welche die nationalen Energiewendeziele definiert und die aufgrund der ihr vom Grundgesetz verliehenen gesetzgeberischen Kompetenzen auch die zur Erreichung der nationalen Energiewendeziele notwenigen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen muss. Die Bundes - länder bringen sich bei diesen Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat konstruktiv in den Energiewendeprozess ein. 3 Jahr Stromaustauschsaldo(in GWh) Anteil des Stromaustauschsaldos am Bruttostromverbrauch des Landes (in Prozent) 2011 12 478 43,2 2012 11 011 38,4 2013 10 237 34,6 Drucksache 16/5640 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Für den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung in Deutschland hat der Bund im Rahmen der EEG-Novellierung im Jahr 2014 einen Ausbaukorridor mit Ober- und Untergrenzen festgelegt. Für das Jahr 2025 sieht das EEG einen Ausbaukorridor mit einem Anteil von 40 bis 45 Prozent der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch vor und benennt für das Jahr 2050 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von mindestens 80 Prozent als Ausbauziel. Bund und Länder stimmen sich entsprechend den Beschlüssen der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 24. bis 26. Oktober 2012 kontinuierlich bei der Umsetzung der Energiewende ab. Anlassbezogen finden Treffen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder statt, um den Umsetzungsstand der Energiewende zu erörtern . Die zuständigen Ministerinnen und Minister von Bund und Ländern beraten zudem auf der Ebene von Fachministerkonferenzen (z. B. Wirtschaftsministerkonferenz, Ministerkonferenz für Raumordnung oder Umweltministerkonferenz) halbjährlich die nächs - ten Schritte der Energiewende. Rheinland-Pfalz steht auf der Fachebene u. a. im Rahmen der Plattformen beim BMWi, wie z. B. Strommarkt, Energieeffizienz, Gebäude, Energienetze, Forschung und Innovation, aber auch des Bund-Länder-Gesprächskreises EEG und der Bund-LänderInitiative Windenergie im intensiven fachlichen Austausch mit den anderen Bundesländern. Eveline Lemke Staatsministerin 4