Drucksache 16/5651 06. 10. 2015 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 11. November 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Martin Brandl und Dr. Norbert Mittrücker (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Chancen der Elektromobilität in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3718 vom 10. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Chance räumt die Landesregierung der Elektromobilität in Rheinland-Pfalz ein? 2. Wie hoch ist der Anteil der Elektromobilität im Rahmen des aktuellen Verkehrsaufkommens in Rheinland-Pfalz? 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in der Vergangenheit ergriffen, um Elektromobilität in Rheinland-Pfalz zu fördern? Welche zukünftigen Maßnahmen sind geplant? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Chancen von Elektromobilität im/für den rheinland-pfälzischen ÖPNV? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Förderung der Elektromobilität ist ein Kernbestandteil der Anstrengungen für eine zukunftsfähige Klimaschutz- und Verkehrspolitik in Rheinland-Pfalz. Moderne Elektrofahrzeuge, der weitere Ausbau des Rheinland-Pfalz-Taktes und die Elektrifizierung von Bahnstrecken sind zusammen mit dem Erhalt und Ausbau des Straßenbahnsystems (z. B. „Mainzelbahn“) hierzu wichtige Maßnahmen . Neben dem Öffentlichen Verkehr und der zunehmenden Nutzung von E-Bikes nimmt der Bereich Elektroautos zukünftig eine Funktion wahr. Innovative elektrische Antriebe auf Batterie- und Brennstoffzellenbasis sollen den Straßenverkehr umweltfreundlicher machen. Rund 20 % der CO2-Emissionen stammen in Deutschland aus dem Verkehrssektor. Der Verkehr im Land ist immer noch der drittgrößte Emittent von CO2 und verursacht trotz Rückgängen mehr als die Hälfte des Stickoxid-Ausstoßes. In Rheinland-Pfalz als Flächenland ist er mit knapp einem Drittel am gesamten Endenergieverbrauch beteiligt. Den Hauptanteil hat dabei der Kraftfahrzeugverkehr . Allerdings verfügt der Verkehrssektor über hohe Klimaschutz- und Energieeinsparpotenziale mithilfe innovativer Antriebstechnologien , die es mittel- und langfristig zu nutzen gilt. Insbesondere die Elektromobilität auf Basis von wieder aufladbaren Batterien und Wasserstoffbrennstoffzellen ist ein wichtiger Baustein für die Mobilität der Zukunft. Innovative Antriebe mit elektrischen Energiespeichern oder Wasserstoffbrennstoffzellen werden langfristig im Straßenverkehr auch in Rheinland-Pfalz eine große Bedeutung gewinnen. Die Bundesregierung strebt im Jahr 2020 bundesweit einen Bestand von einer Million Elektrofahrzeugen an. Für die Elektromobilität sprechen insbesondere folgende Gründe: – Fahren mit elektrischem Strom kann die weitgehende Abhängigkeit des Kraftfahrzeugverkehrs von Ölimporten und die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Risiken vermindern. – Elektromobilität kann langfristig einen signifikanten Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor leisten. Ziel muss es sein, die benötigte elektrische Energie durch Strom aus erneuerbaren Quellen (Wind, Fotovoltaik, Biomasse etc.) abzudecken. Drucksache 16/5651 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode – Elektrofahrzeuge können die Städte lokal von Schadstoffen und Lärm entlasten und so die Lebensqualität steigern. – Elektrofahrzeuge können die Entwicklung intermodaler und multimodaler Mobilitätskonzepte, wie kombinierte Angebote des öffentlichen Verkehrs mit E-Carsharing- und E-Bikesharing-Angeboten unterstützen. – Deutschland kann zum Leitmarkt für Elektromobilität werden und der deutschen Wirtschaft einen neuen Innovationsschub verleihen . Zu Frage 2: Zahlen über Anteile von Elektrofahrzeugen am rheinland-pfälzischen Verkehrsaufkommen, also dem Anteil an den täglichen Fahrten , liegen der Landesregierung nicht vor. Vorhanden sind aber die Bestandsdaten aus der Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamts . Danach gliedert sich der Pkw-Bestand in Rheinland-Pfalz wie folgt: Bestand an Personenkraftwagen am 1. Januar 2015 nach Bundesländern und ausgewählten Kraftstoffarten absolut (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt). Rheinland-Pfalz liegt bei dem Anteil der zugelassenen reinen Elektro-Pkw am Gesamtfahrzeugbestand im Bereich vergleichbarer Flächenländer. Keine landesweiten Bestandszahlen liegen für die im Alltags- und Freizeitverkehr zunehmend an Bedeutung gewinnenden Elektrofahrräder vor. Bundesweit wird der Absatz im Jahr 2014 auf 480 000 Stück beziffert, was einer Steigerung von 17 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Bestand in Deutschland wird auf 2,1 Millionen veranschlagt. Zu Frage 3: Mit dem Ziel, den rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürgern einen raschen Zugang zur Elektromobilität zu ermöglichen, hat die Landesregierung gemeinsam mit Partnern aus der Industrie, den regionalen und kommunalen Energieversorgern, Kommunen, Verbänden und der Wissenschaft das Projekt „Netzwerk Elektromobilität Rheinland-Pfalz“ im Mai 2010 auf den Weg gebracht. Bei der Planung des Netzwerks wurden die Stärken der rheinland-pfälzischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich der Elektromobilität speziell berücksichtigt. Es wurden Forschungsvorhaben in den Bereichen „vehicle-to-grid“, Einbindung in die Netze der Zukunft, Entwicklung von Abrechnungssystemen und Ladeinfrastruktur gestartet. Rheinland-Pfalz weist hier Unternehmen mit europäischer Bedeutung wie z. B. die Görlitz AG und die Walther Werke auf, die auch in internationalen und nationalen Fachgremien entscheidend mitarbeiten. Zum Jahreswechsel 2014/2015 wurde das Projekt abgeschlossen. Das Netzwerk wird künftig durch die Energieagentur RheinlandPfalz koordiniert. Das EU-Interreg-Projekt „ELEC’TRA“ beschäftigte sich interdisziplinär mit der Mobilität der 210 000 grenzüberschreitenden Pendler innerhalb der Großregion SaarLorLux. Diese ist durch einen hohen Anteil an motorisiertem Individualverkehr gekennzeichnet . Ziel des Projekts war es, eine Potenzialstudie für einen energieeffizienteren motorisierten Individualverkehr, basierend auf Elektromobilität durch die Bündelung von Fahrten mittels Carsharing oder Fahrgemeinschaften, zu ermöglichen. Auf dem ersten/letzten Kilometer sollte dieser mit einer inter- oder multimodalen Ergänzung unterstützt werden. Als Umsteigepunkte sollen innovative , zentral gelegene „eHubs“ dienen. Dabei sind die Pendler, deren tageszeitliche Verteilung, Wohn- und Arbeitsorte sowie Wegeketten unbekannt; dies ist nicht zuletzt eine Problemstellung um die eHubs zielgerichtet zu verorten. Eine repräsentative Umfrage unter 7 500 Pendlern und ca. 50 Unternehmen analysierte das Verhalten und Umsteigepotenzial. Ergänzend wurde das notwendige Flotten- und Energiemanagement simuliert, um die Auswirkungen auf das Energienetz einschätzen zu können. Der Fokus lagt dabei auf den Hauptkorridoren zwischen den vier Großstädten der Großregion: Trier, Luxemburg, Metz und Saarbrücken . Das Mitte 2015 abgeschlossene Forschungsprojekt hat es ermöglicht, mehr über die Nutzungsgewohnheiten der Grenzgänger in den Partnergebieten sowie über ihre Erwartungen hinsichtlich eines möglichen Fahrgemeinschaft-Dienstes mit Elektrofahrzeugen als Ergänzung zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erfahren. Die im Rahmen des EU-Projekts entwickelten Simulationsinstrumente haben einen ersten Ansatz für die Planung und Dimensionierung eines Netzes von „eHubs“ ermöglicht. Neben den Elektrofahrzeugen gewinnt das Fahrrad mit elektrischer Unterstützung als Verkehrsträger zunehmend an Bedeutung. Pedelecs und E-Bikes sind eine attraktive Alternative und in Städten bereits eine verbreitete Mobilitätsform, die gerade in der Nahmobilität große Vorteile hat. Im ländlichen Raum sind Zweiräder mit elektrischem Antrieb bisher noch wenig verbreitet. Um diese Potenziale zu erschließen, unterstützt das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz das Projekt e-Velo des Instituts für Mobilität & Verkehr (IMOVE) der TU Kaiserslautern mit einer Projektförderung. Fachlich wird das Projekt vom Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur mitbetreut. 2 Land Benzin Diesel Flüssiggas (einschließlich bivalent) Erdgas (einschließlich bivalent) Elektro Hybrid Insgesamt Rheinland-Pfalz 1 583 061 760 628 21 778 3 239 622 5 104 2 374 497 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5651 Im Rahmen des Projekts soll bis Anfang 2016 detailliert erforscht werden, welches Potenzial Zweiräder mit elektrischem Antrieb besitzen, um Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in der Nahmobilität im ländlichen Raum in Rheinland-Pfalz zu substituieren, welche Rahmenbedingungen insbesondere auf der Infrastrukturseite zu schaffen sind, um die gewünschten Effekte zu realisieren, und welche Auswirkungen auf Emissionen und Energieverbrauch zu erwarten sind. Zukünftig ist vorgesehen, weitere Projekte im Zusammenhang mit der Markthochlaufphase der Elektromobilität zu unterstützen. Insbesondere vor dem Hintergrund der rheinland-pfälzischen Charakteristik als ländlich geprägtes Flächenland stehen Konzepte zur flächendeckenden Verbreitung der Elektromobilität im Fokus. Auch ist vorgesehen das EU-Interreg-Projekt „ELEC’TRA“ in der kommenden EU-Förderperiode weiterzuführen, um die gewonnen Erkenntnisse der ersten Projektphase in die Umsetzung zu bringen. Zu Frage 4: Neben dem Ausbau der Elektromobilität im Bereich Schiene/Straßenbahn durch moderne Fahrzeuge und Infrastrukturen betrachtet die Landesregierung mit hohem Interesse Modellprojekte im Bereich elektrisch angetriebenen und oberleitungsunabhängigen Straßenfahrzeugen im ÖPNV. Entscheidende Vorteile der Elektromobilität gegenüber Antrieben mit konventioneller Technik sind die völlige lokale Emissionsfreiheit der Motoren was die Luftschadstoffe betrifft und der niedrige Geräuschpegel der Fahrzeuge vor allem beim Anfahren und bei geringen Geschwindigkeiten. Diese Eigenschaften machen elektrische Antriebskonzepte für Fahrzeuge gerade in Ballungsräumen interessant, da die dortige Bevölkerung in besonders hohem Maße Lärmbelastungen und toxischen Stoffen in der Umgebungsluft ausgesetzt ist. Der Entwicklung von elektrisch angetriebenen und oberleitungsunabhängigen Straßenfahrzeugen im ÖPNV ist aber noch in einem frühen Stadium. Die hohen Fahrzeugmassen und täglichen Fahrleistungen stehen gegenwärtig noch den Möglichkeiten entgegen , die bei der Batterietechnik im Hinblick auf Speicherkapazität, Gewicht und Lademöglichkeiten zu vertretbaren Kosten gegeben sind. Aus diesem Grund werden in Rheinland-Pfalz wie auch in den anderen Bundesländern vergleichsweise wenige elektrisch betriebene Fahrzeuge im ÖPNV eingesetzt. Dennoch kommt es darauf an, diese Zukunftstechnologie angesichts der unbestreitbaren ökologischen Vorteile auch in RheinlandPfalz modellhaft einzusetzen. Die Landesregierung hat daher der Stadt Bingen am Rhein, die den Einsatz eines Elektrobusses im Linienverkehr im Rahmen eines Pilotprojekts verfolgt, eine finanzielle Förderung des Vorhabens in Aussicht gestellt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) sowie ein in Koblenz ansässiges privates Verkehrsunternehmen mehrere sogenannte Hybridbusse im Einsatz haben und die MVG anstrebt, in den kommenden Jahren erste Erfahrungen mit Brennstoffzellenbussen mit Unterstützung des bundesweiten Brennstoffzellen-Busbeschaffungsclusters zu sammeln. Eveline Lemke Staatsministerin 3