Drucksache 16/5671 12. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Elisabeth Bröskamp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Klimaschutz und Energiewende in Stadt und Kreis Neuwied III Die Kleine Anfrage 3746 vom 21. September 2015 hat folgenden Wortlaut: Der fünfte Weltklimabericht aus dem Jahre 2013 und 2014 zeigte ein Szenario auf, das die Konsequenzen des weltweit klimapolitischen Nicht-Handelns deutlich macht, sollte so weiter verfahren werden wie bisher. Die Durchschnittstemperatur würde sich erheblich erhöhen, der Meeresspiegel würde weiter ansteigen und Küstengebiete überfluten , Wetterextreme wie Starkniederschläge oder Hitzewellen würden deutlich zunehmen. Ein entscheidender Faktor dies zu verhindern sind Maßnahmen vor Ort. Notwendig ist eine bewusste Energiewende in den Kommunen, Kreisen und Ländern, auch in Stadt und Kreis Neuwied. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit 2011 unternommen, um die Rolle der Kommunen und Stadtwerke in Stadt und Kreis Neuwied bei der Energiewende zu unterstützen? 2. Wie hoch war der Anteil der CO2-Emissionen aus dem Verkehrssektor in Stadt und Kreis Neuwied in den Jahren 2005 bis 2015? 3. Welche Rolle spielt die Energiewende im Verkehrssektor nach Auffassung der Landesregierung zur Erreichung der Klimaschutzziele in Stadt und Kreis Neuwied? 4. Welche Rolle spielt dabei die Verkehrsvermeidung sowie der ÖPNV in Stadt und Kreis Neuwied? 5. Welche Potenziale sieht die Landesregierung hierbei in der Nutzung von Wasserstoffsystemen für Pkw, Transporter, Lkw, Busse, Traktoren und Baufahrzeugen in Stadt und Kreis Neuwied? 6. Wie viele Elektroautos sind in Stadt und Kreis Neuwied bis heute zugelassen? 7. Wie viele Tankstellen gibt es hierfür in Stadt und Kreis Neuwied? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Landesregierung hat seit 2011 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Rolle rheinland-pfälzischer Kommunen, Gemeindenund Stadtwerke bei der Energiewende zu stärken. Zur Erleichterung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen auf dem Gebiet der Energieversorgung, der Wasserversorgung und des öffentlichen Personennahverkehrs wurde im Jahr 2009 die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung geändert. Die energiewirtschaftlichen Aktivitäten der Kommunen sind seitdem nicht mehr beschränkt auf die Fälle, in denen der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann (Abweichung vom Subsidiaritätsprinzip ). Auch können Kommunen nunmehr, soweit sie sich innerhalb des Gemeindegebiets wirtschaftlich betätigen dürfen, diese Tätigkeit auch auf Gebiete außerhalb des Gemeindegebiets ausweiten, wenn die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind (Abweichung vom Örtlichkeitsprinzip). Durch Artikel 1 des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung (GVBl. 2013 Nr. 20 S. 538) wurde das Gemeindewirtschaftsrecht für die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen weiter geöffnet. Die Gesetzesänderung erlaubt den Kommunen Beteiligungen an Energieerzeugungsanlagen auch außerhalb des Bundesgebiets, sofern dies in einem angemessenen VerDruck : Landtag Rheinland-Pfalz, 17. November 2015 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5671 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode hältnis zur Wirtschaftskraft beziehungsweise Leistungsfähigkeit der Gemeinde geschieht und dem öffentlichen Zweck dient. Dabei wird die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien explizit als öffentlicher Zweck der kommunalen Daseinsvorsorge definiert. Mit der am 11. Mai 2013 in Kraft getretenen Teilfortschreibung des LEP IV erfolgte eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Kommunen als Träger der Bauleitplanung. Die dadurch ermöglichte kommunale Steuerung der Windenergienutzung stellt einen wichtigen Beitrag zur Realisierung von Windenergieprojekten dar. In dem „Rundschreiben Windenergie“ wurden die einschlägigen geltenden Rechtsvorschriften erläutert, um deren einheitliche Umsetzung zu gewährleisten. Es dient den Behörden, die an den Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen beteiligt sind, als Interpretationsleitfaden. Die Landesregierung berät durch die Energieagentur Kommunen und Landkreise bei Fragestellungen in Zusammenhang mit der Energiewende. Dies bezieht sich sowohl auf den Ausbau der erneuerbaren Energien als auch auf die Umsetzung von EnergieeffizienzMaßnahmen und Energieeinsparungen. Zu den Fragen 2 und 3: Der Anteil des Endenergieverbrauchs des Verkehrssektors in Rheinland-Pfalz lag im Jahr 2013 bei 28 Prozent. Daten über den Anteil der CO2-Emissionen aus dem Verkehrssektor in Stadt und Kreis Neuwied in den Jahren 2005 bis 2015 liegen der Landesregierung nicht vor. Innerhalb des Sektors hatte der Straßenverkehr mit einem Anteil von 93 Prozent den weitaus größten Anteil. Bei den anthropogenen CO2-Emissionen belief sich der Anteil des Verkehrssektors auf 24 Prozent. Somit hat der Einsatz alternativer Antriebe mit geringem CO2-Ausstoß im Straßenverkehr grundsätzlich einen erheblichen positiven Einfluß auf das Erreichen der Klimaschutzziele in Rheinland-Pfalz und damit auch in Stadt und Landkreis Neuwied. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, dass im Jahr 2020 eine Million Pkw und Nutzfahrzeuge in Deutschland zugelassen sind. Dies umfasst reine Elektrofahrzeuge und sogenannte Plugin-Hybridfahrzeuge, die über eine Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor besteht und deren Batterien sich von außen laden lassen. Bei einem Gesamtfahrzeugbestand von derzeit rund 50 Millionen Pkw und Nutzfahrzeugen läge der Anteil der Elektrofahrzeuge im Jahr 2020 damit bei lediglich 2 Prozent. Gleichzeitig ist fraglich, ob das Ziel der Bundesregierung überhaupt ereicht wird. So wurde ein Zwischenziel von 100 000 Fahrzeugen im Jahr 2014 weit verfehlt, denn im vergangenen Jahr waren lediglich 24 000 zweispurige Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen. Es sind daher nach Auffassung der Landesregierung noch erhebliche Anstrengungen von Wirtschaft und Politik erforderlich, um die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu befördern. Denkbar ist, dass sich Elektrofahrzeuge erst in der Mitte des nächsten Jahrzehnts am Markt durchsetzen werden, weil Fahrzeughersteller und Zulieferer bis dahin eine Halbierung der Batteriekosten und eine Verdoppelung der Fahrzeugreichweiten prognostizieren. Die Landesregierung geht gleichwohl davon aus, dass sich – auch in Stadt und Landkreis Neuwied – die elektrische Antriebstechnik langfristig im Straßenverkehr etablieren und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Zu Frage 4: Verkehrsvermeidungsstrategien zielen darauf ab, die Wegelängen zu reduzieren und Zwänge, motorisierte Individualverkehrsmittel zu nutzen, möglichst aufzuheben. Zuvorderst sind Kreise und Kommunen - auch im Landkreis Neuwied - gefordert, ihre Siedlungs- und Verkehrsplanung auf Verkehrsvermeidung auszurichten und diese umzusetzen. Verkehrsvermeidend wirken ausgewogen gemischte und verträglich dichte bauliche Strukturen mit eigenständigen Entwicklungszentren und hoher Wohn- und Freiraumqualität. Sie begünstigen eine verkehrsreduzierende Zuordnung von Lebensfunktionen, schaffen kurze Wege und gute Bedingungen für die Verkehrsmittel des Umweltverbunds . Zu den weiteren vielfältigen Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, bei denen auch Bürger und Wirtschaft einzubeziehen sind, zählen beispielsweise: – Berücksichtigung der Erreichbarkeit im nichtmotorisierten Verkehr bei der Planung von Standorten öffentlicher Einrichtungen, – Verkehrsberuhigung, – gesamtstädtische Parkraumkonzepte, – Einsatz von Informations- und Verkehrsleittechniken, – Förderung und Bevorrechtigung des Nichtmotorisierten Individualverkehrs, – Telearbeitsplätze, – City-Logistik-Konzepte, – Hausbelieferungen, – Quartierwochenmärkte, – Verkaufswagen, – Nachbarschaftsläden, – Siedlungsform „Autofreies Wohngebiet“. Die Landesregierung unterstützt Maßnahmen der Verkehrsvermeidung im Rahmen ihrer finanziellen Förderprogramme für die Kommunen. Eine weitere Säule einer klimafreundlichen, energiesparenden Verkehrspolitik ist die Verlagerung möglichst großer Anteile des motorisierten Individualverkehrs auf Verkehrsmittel mit geringeren spezifischen Energieverbräuchen und Schadstoffemissionen. Im Personenverkehr sind dies die Verkehrsmittel des Umweltverbunds, also ÖPNV, Fahrrad und Fußweg; im Güterverkehr sind es die Bahn und das Binnenschiff. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5671 Mögliche Maßnahmen der Verkehrsverlagerung sind: – Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in kommunaler Trägerschaft, – Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs und des regionalen Busverkehrs im Rahmen des Rheinland-Pfalz-Taktes, – Schaffung und Weiterentwicklung einer radverkehrs- und fußgängerfreundlichen Infrastruktur. Für den Güterverkehr von Stadt und Landkreis Neuwied bietet, sich der rheinseitig gegenüberliegende Hafen Andernach für die umweltverträgliche Durchführung von Container- und Massenguttransporten auf der Wasserstraße an. Zu Frage 5: Nach Einschätzung der Landesregierung bietet neben Elektrofahrzeugen auf Basis elektrischer Speicherzellen, der elektrische Antrieb mit Wasserstoffbrennstoffzellen als Energiespeicher erhebliche ökologische Vorteile im Hinblick auf lokale Schadstoff-, Treibhausgas - und Lärmemissionen gegenüber Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Zudem ist die Reichweite dieser Fahrzeuge aufgrund des hohen Energiegehaltes von Wasserstoff der von Fahrzeugen mit Diesel oder Benzin getriebenen Verbrennungsmotoren vergleichbar. Die ökologische Gesamtbilanz des Wasserstoffbrennstoffzellenantriebs ist davon abhängig, ob der benötigte Wasserstoff regenerativ erzeugt wird, also etwa als Elektrolyseprodukt aus regenerativ erzeugtem Strom, dessen Anteil an der Gesamterzeugung ständig wächst. Aus Sicht der Landesregierung hat die Wasserstoffbrennstoffzellentechnologie im Fahrzeugsektor allerdings längst nicht den Reifestand der rein elektrischen Antriebstechnik erlangt. So ist erst seit Herbst dieses Jahres in Europa das erste Großserienfahrzeug verfügbar. Zudem sind bundesweit lediglich rund 20 öffentlich zugängliche Wasserstofftankstellen vorhanden. Bei dieser Sachlage ist es der Landesregierung nicht möglich, Aussagen zum Potenzial von Wasserstoffsystemen für Fahrzeuge in Stadt und Landkreis Neuwied zu treffen. Zu Frage 6: Am 1. Januar 2015 lag der Bestand an Pkws mit Elektroantrieb im Landkreis Neuwied einschließlich der kreiszugehörigen Stadt Neuwied bei 27 Fahrzeugen; am 1. Januar 2014 waren es zwölf Fahrzeuge. Hierbei handelt es sich um Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb, also nicht um Hybridfahrzeuge. Zu Frage 7: Die Lage und die Anzahl von öffentlich zugänglichen Stationen zum Laden elektrischer Fahrzeuge wird nicht amtlich erfasst. Laut Internetportal SmartTanken befinden sich in Stadt und Landkreis Neuwied fünf öffentlich zugängliche, elektrische Ladestationen für elektrisch angetriebene Pkws. Über die Anzahl privater Ladestationen liegen der Landesregierung keine Informationen vor. In Vertretung: Günter Kern Staatssekretär 3