Drucksache 16/5861 24. 11. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christine Schneider und Johannes Zehfuß (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Pflanzenschutzmittelrückstände in Oberflächengewässern Die Kleine Anfrage 3880 vom 2. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Falle nachgewiesener Pflanzenschutzmittelrückstände in Oberflächengewässern wird regelmäßig darauf verwiesen, dass diese Rückstände aus der Landwirtschaft stammen obwohl inzwischen erwiesen ist, dass dort auch Rückstände von Bioziden gefunden werden, die in der Landwirtschaft keine oder nur in geringem Umfang Anwendung finden. Aus diesem Grund bitten wir um Beantwortung folgender Fragen: 1. Von welchen Wirkstoffen, die nicht aus der Landwirtschaft stammen, wurden in den vergangenen fünf Jahren Rückstände in rheinland-pfälzischen Oberflächengewässern gefunden? 2. Wie hoch ist der Anteil der gefundenen Biozide? 3. Wie hoch war der Anteil des Wirkstoffes DEET und in welchen Produkten findet dieses Mittel Anwendung? 4. Gibt es in der gewerblichen Wirtschaft, außerhalb der Landwirtschaft einen Sachkundenachweis für den Umgang mit Bioziden, die zur Imprägnierung von Baumaterialien (z. B. antibakterieller Putz oder Holzschutzmittel etc.) verwendet werden? 5. Wie wird der Einsatz von Bioziden in der gewerblichen Wirtschaft (z. B. beim Einsatz in Baumaterialien) und im privaten Bereich (z. B. Insektenschutzmittel) kontrolliert? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 23. November 2015 wie folgt beantwortet: Die Landesregierung befasst sich seit über 20 Jahren sehr intensiv mit der Problematik des Vorkommens von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern. Zu dem Thema existiert seit vielen Jahren die Arbeitsgruppe „Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Grundund Oberflächenwasser“, die aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsverwaltung, sowie seit zwei Jahren auch der Gewerbeaufsicht zusammengesetzt ist. In dieser Arbeitsgruppe werden Pflanzenschutzmittel- und Biozid- Einträge aus landwirtschaftlicher und auch nicht landwirtschaftlicher Anwendung fachlich aufgearbeitet. Der Landesregierung sind deshalb die verschiedenen Eintragspfade bekannt, und die Pestizid-Einträge werden nicht einseitig der Landwirtschaft zugewiesen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Das Spektrum der vom Landesamt für Umwelt (LfU) aktuell untersuchten Spurenstoffe umfasst ca. 185 Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe mit Metaboliten und ca. 65 Arzneimittelwirkstoffe. Einige Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe werden sowohl in der Landwirtschaft als auch von anderen Flächennutzern eingesetzt (z. B. Kleingärten, Privatgrundstücken, kommunalen Flächen, Bahngrundstücken ). Ebenfalls werden Farben Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe, die z. B. vor Algenbildung schützen sollen, zugesetzt. Es können mehrere Biozidwirkstoffe eindeutig benannt werden, von denen Rückstände zu finden sind, die nicht aus landwirtschaftlicher Anwendung kommen, z. B. Cybutryn (Handelsname: Irgarol; Unterwasseranstriche, z. B. bei Booten), Diuron und Terbutryn (z. B. bei Fassadenfarben) oder Diethyltoluamid (DEET; Repellent gegen Insekten). Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 22. Dezember 2015 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5861 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Im Allgemeinen kann bei Immissionsmessungen in Gewässern eine Unterscheidung nach Herkunft der Wirkstoffe nicht durchgeführt werden. Manche Wirkstoffe kommen sowohl in Pflanzenschutzmitteln als auch in Biozidprodukten zur Anwendung. Daher ist die Frage, wie hoch der Anteil der Biozidprodukte an den in Gewässern gefundenen Pestiziden ist, nicht eindeutig zu beantworten. Der Nachweis eines Wirkstoffs kann entweder auf Pflanzenschutzmittelanwendungen oder auf die Verwendung von Biozidprodukten oder eine Kombination beider Anwendungsarten zurückzuführen sein. Mitunter hilft eine Untersuchung der zeitlichen Verteilung der Einträge weiter, eine gewisse Unsicherheit bleibt jedoch bestehen. Eine genaue Identifizierung eines „landwirtschaftlichen Anteils“ oder eines „Biozid-Anteils“ ist daher nicht möglich. Bei Gewässeruntersuchungen in Rheinland-Pfalz gefundene Wirkstoffe, die sowohl aus landwirtschaftlicher als auch aus Biozid- Anwendung stammen können, sind Isoproturon, Mecoprop, Tebuconazol, Propiconazol, Carbendazim oder Imidacloprid. Zu Frage 3: Diethyltoluamid, abgekürzt DEET, ist ein Biozidwirkstoff, der für die Produktart 19 (Repellentien und Lockmittel) verwendet werden darf und früher auch in Flüssigkeiten zur Einbalsamierung und Taxidermie verwendet wurde. Für die Gewässerbelastung dürfte die Verwendung als Repellent, das der Vergrämung bzw. Abschreckung lästiger Insekten dient, ausschlaggebend sein. Insbesondere gegen Stechmücken wird es in einer Vielzahl von Produkten unter Handelsnamen wie beispielsweise Parazeet, Nobite oder Anti Brumm vertrieben und zumeist im privaten Bereich, aber auch von beruflich im Freien tätigen Personen eingesetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind der Schutz gegen Sandfliegen und Zecken. Seit Dezember 2010 wurden an 32 Probenahmestellen, die an 29 unterschiedlich großen Gewässern liegen, 1 136 Oberflächengewässerproben u. a. auf Diethyltoluamid (DEET) untersucht. Die Bestimmungsgrenze der genutzten Methode lag bei 0,02 μg/l. Die Dauer der Überwachung auf DEET war an den Probenahmestellen unterschiedlich. An 29 der 32 Probenahmestellen wurde die Verbindung mindestens in einer Probe positiv nachgewiesen. Die festgestellten Konzentrationen reichen im Mittelwert von 0,02 μg DEET /l bis 0,14 μg DEET/l bei einer Maximalkonzentration von 0,71 μg/l. Der prozentuale Anteil von DEET-Funden bei den Messungen ist relativ gering. Dies ist bedingt durch die Vielzahl der untersuchten Spurenstoffe. Es ist jedoch von einer weiten Verbreitung in Gewässern auszugehen. Nachdem der Wirkstoff DEET von der EU genehmigt wurde, sind inzwischen 14 Biozidprodukte nach der Biozidverordnung zugelassen worden. Zusätzlich können ältere Produkte noch im Rahmen von Übergangsregelungen vermarktet werden, wenn vom Hersteller rechtzeitig ein Antrag gestellt wurde. Dies ist z. B. für Autan Protect Spray der Fall. Biozid-Produkte, die neben DEET einen weiteren Wirkstoff enthalten, der sich noch im Prüfprogramm befindet, dürfen für die Dauer des Genehmigungsverfahrens dieses Wirkstoffs ohne Zulassung auf dem Markt bereitgestellt werden. Dies ist der Fall für INSECT OFF, das neben DEET noch Margosa-Extrakt als Biozid-Wirkstoff enthält. Zu Frage 4: Bereits bei der Genehmigung von Biozid-Wirkstoffen und der Zulassung von Biozidprodukten müssen Gesundheits- und Umweltgefahren ermittelt und auch die Risiken der Biozidanwendung für Oberflächengewässer betrachtet werden. Nach der Chemikalien-Verbotsverordnung bedarf derjenige, der gewerbsmäßig giftige Stoffe, einschließlich Biozidprodukt, in den Verkehr bringt, einer Erlaubnis der zuständigen Behörde. Eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis ist der Nachweis der Sachkunde. Im Falle von Biozidprodukten muss hierfür eine Sachkundeprüfung abgelegt werden, in der einschlägige Kenntnisse über die Anwendung und Gefahren von Biozidprodukten abgeprüft werden. Der Abgebende muss den Erwerber über die mit dem Verwenden des Stoffes bzw. des Produkts verbundenen Gefahren, die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und für den Fall des unvorhergesehenen Verschüttens oder Freisetzens sowie über die ordnungsgemäße Entsorgung unterrichten. Zu Frage 5: Die Gewerbeaufsicht überprüft die rechtmäßige Verwendung von Biozidprodukten im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit. Dies kann bei routinemäßigen Betriebsrevisionen oder in speziellen Überwachungsprogrammen erfolgen. Auch für das Jahr 2016 ist wieder eine „Programmarbeit“ zur Überprüfung von Biozidprodukten bei Inverkehrbringern wie Herstellern, Großhandel und Einzelhandel geplant. Auch das Vorliegen der Sachkunde für das Inverkehrbringen gefährlicher Stoffe und Gemische wird überprüft. Die Landesregierung hält es für dringend erforderlich, dass bereits in den Zulassungsverfahren für Biozidprodukte und Pflanzenschutzmittel verstärkt auf mögliche Umweltauswirkungen geachtet wird. Ulrike Höfken Staatsministerin