Drucksache 16/5897 02. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Mehrarbeit bei den Familiengerichten aufgrund des Anwachsens der Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge Die Kleine Anfrage 3907 vom 12. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Laut Presseberichten ist mit einem deutlichen Anwachsen der Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zu rechnen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Mit welchem konkreten Mehrarbeitsanfall rechnet die Landesregierung deshalb bei den Familiengerichten? 2. Welche Schritte wurden oder werden ergriffen, um diese Mehrbelastung aufzufangen, ohne dass darunter andere Zuständigkeiten der Familiengerichte leiden? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: In jedem Fall eines dem Land Rheinland-Pfalz zugeordneten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings ist ein gerichtliches Vormundschaftsverfahren durchzuführen. In der Regel ist dem Vormundschaftsverfahren jedoch auch ein Verfahren zur Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge vorgelagert. Sind die Eltern des Kindes beispielsweise unbekannten Aufenthalts und können die elterliche Sorge daher nicht ausüben, ist der Rechtspfleger funktionell zuständig, das Ruhen der elterlichen Sorge aufgrund eines tatsächlichen Hindernisses nach § 1674 BGB festzustellen (§ 3 Nr. 2 a i. V. m. § 14 RPflG). Für die Anordnung einer Vormundschaft ist demgegenüber der Richter nach § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG zuständig. Die Führung der Vormundschaft übernimmt dann wiederum der Rechtspfleger. Da es sich hierbei sowohl um eine Familien- als auch um eine Vormundschaftssache handelt, erfolgt eine getrennte statistische Erfassung. Alternativ kann der Rechtspfleger in Abwandlung der vorgenannten Fallkonstellation die Sache gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG dem Richter vorlegen oder dieser nimmt seine Zuständigkeit nach § 6 RPflG an und stellt in einem Beschluss das Ruhen der elterlichen Sorge fest und ordnet gleichzeitig die Vormundschaft an. In diesem Fall wird aufgrund des inneren Sachzusammenhangs nur ein Vormundschaftsverfahren gezählt. Eine einheitliche Verfahrensweise der Amtsgerichte in Rheinland-Pfalz hat sich bislang noch nicht herausgebildet. Aufgrund der unterschiedlichen Handhabung vor Ort liegt derzeit auch noch kein valides statistisches Datenmaterial vor. Legt man die vom Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen mitgeteilte Zahl von 1 514 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zum 10. November 2015 zugrunde, beliefe sich der Personalmehrbedarf für die Anordnung der Vormundschaften bei den Richterinnen und Richtern landesweit auf rund zwei Arbeitskraftanteile (AKA). Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 26. Januar 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Darüber hinaus ist ein Personalmehrbedarf auch bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern festzustellen. Allein für die Durchführung des Vormundschaftsverfahrens (Verpflichtung des Vormundes sowie die weitere Durchführung der Vormundschaft) ergibt sich bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern ebenso ein Personalmehrbedarf von etwa zwei AKA. Dies gilt dann, wenn man davon ausgeht, dass in allen 1 514 Fällen der Richter das Ruhen der elterlichen Sorge feststellt und gleichzeitig die Vormundschaft anordnet. Geht man davon aus, dass in allen Fällen der 1 514 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auch gesondert das Ruhen der elterlichen Sorge feststellen, wäre aufgrund der einheitlichen Bewertung im Rahmen der Personalbedarfsberechnung ein weiterer Mehrbedarf von ebenfalls etwa zwei AKA anzunehmen. Da aufgrund der uneinheitlichen Handhabung in der Praxis verlässliche Zahlen nicht vorliegen, wird davon ausgegangen, dass die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger einen Personalmehrbedarf zwischen zwei und vier AKA generieren. Angesichts der kaum valide vorhersehbaren Entwicklung des Anstiegs unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine belastbare Prognose über die zukünftige Entwicklung des Personalmehrbedarfs in diesem Bereich abgegeben werden. Zu Frage 2: Anhaltspunkte für eine erhebliche Mehrbelastung oder gar für eine Beeinträchtigung der Familiengerichte in ihrer Funktionsfähigkeit gibt es bislang nicht. Personalverstärkungen in den erwartbaren Größenordnungen können bei etwa 1 200 Richter- und Staatsanwaltsstellen sowie über 650 Rechtspflegerstellen aus vorhandenen Mitteln jederzeit bewirkt werden. Im Übrigen sollen nach dem vorliegenden Haushaltsentwurf im Hinblick auf die Entwicklung der Asylverfahren drei Richterstellen weniger eingespart werden. Diese Richterstellen könnten bei Bedarf jedenfalls teilweise auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwendet werden, um Belastungsspitzen im Bereich der Familiengerichte aufzufangen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Mehrbelastungen durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge voraussichtlich nicht an einem oder einigen wenigen Standorten auftreten, sondern sich in derzeit nicht vorhersehbarer Weise auf die insgesamt 46 Amtsgerichte in Rheinland-Pfalz verteilen werden. Schon jetzt bewirkte Personalverstärkungen an einzelnen Standorten wären daher sachlich nicht gerechtfertigt. Prof. Dr. Gerhard Robbers Staatsminister Drucksache 16/5897 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode