Drucksache 16/5918 03. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Prävention: Umsetzung des „Konzepts zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in Rheinland-Pfalz“ Die Kleine Anfrage 3915 vom 12. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Der Ministerrat hat das „Konzept zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung junger Menschen in RLP“ beschlossen, dass das federführende Kinder- und Jugendministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, dem Bildungsministerium und dem Justizministerium erarbeitet hat. Bundesweit ist eine Zunahme von islamistischer Radikalisierung zu verzeichnen. In diesem Rahmen existieren verschiedene Gruppen oder Organisationen, aber auch Einzelpersonen, die radikalislamistisch geprägte Ideologien vertreten und über ein großes Gewaltpotenzial verfügen. Nach Auskünften von rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden ist derzeit von einer Gesamtzahl von ca. 600 Islamistinnen und Islamisten auszugehen, von denen 120 salafistische Bestrebungen aufweisen. Überwiegend junge Menschen sind empfänglich für islamistische Radikalisierungen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Ziele verfolgt das Konzept? 2. Wie ist das Konzept aufgebaut? 3. Wie vollzieht sich die Arbeit in der Beratungsstelle? 4. Wie wird das Präventionskonzept finanziert? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Um die islamistische Radikalisierung junger Menschen zu verhindern, sind jenseits von sicherheitspolitischen oder strafrechtlichen Maßnahmen grundlegende gesellschaftspolitische Initiativen erforderlich, die generell eine gleichberechtigte Teilhabe ethnischer und religiöser Minderheiten sicherstellen können. Abgesehen von solchen, eher mittel- bis langfristig umzusetzenden Maßnahmen wird, bezogen auf die jungen Menschen, aktuell ein besonderer Bedarf für pädagogische Maßnahmen gesehen, um zu verhindern, dass diese sich radikalisieren oder dauerhaft islamis-tischer Ideologie und Struktur verhaftet bleiben. Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Das Hauptanliegen des Gesamtkonzepts ist es, jeder Verklärung und Heroisierung islamistischer Bewegungen den Boden zu entziehen . Es geht darum, jungen Menschen ein tragfähiges Gegenangebot zur Unterstützung ihrer persönlichen Entwicklung sowie zur Orientierung in der Gesellschaft anzubieten und sie zur gesellschaftlichen Teilhabe zu befähigen, oder jedenfalls zu einer solchen Befähigung beizutragen. Die einzelnen Teilziele des Konzepts, in deren Summe das genannte Hauptanliegen erreicht werden soll, ergeben sich aus der Beantwortung der Frage 2 und der Frage 3. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 29. Januar 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5918 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Das Gesamtkonzept wird im Wesentlichen von zwei Säulen getragen: Allgemeine und spezifische Prävention einerseits und Intervention andererseits. Letztgenannte Säule wird in der Beantwortung der Frage 3 weiter ausdifferenziert. Der präventive Bereich untergliedert sich in a) ein nicht stigmatisierendes, salutogenetisch orientiertes Präventionskonzept b) die Unterstützung und Begleitung der örtlichen Präventionspraxis c) ein Modellprojekt zur praxisnahen Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren d) Maßnahmen gegen Islamophobie und Muslimenfeindlichkeit. Mit der Erweiterung des einschlägigen Bundesprogramms zum Programm „Demokratie leben“ wird die beim Landesjugendamt (LSJV) angesiedelte Landeskoordinierungsstelle auch zuständig für die Koordinierung und Vernetzung der Maßnahmen gegen islamistischen Extremismus. Dabei geht es um alle Programme, die durch „Demokratie leben“ gefördert werden, darüber hinaus um die Einbindung aller sonstigen Projekte zur Verhinderung der islamistischen Radikalisierung junger Menschen in einen entsprechenden themenbezogenen fachlichen Austausch. Vor diesem Hintergrund sind die entsprechenden allgemeinen bzw. fallübergreifenden Koordinierungsaufgaben des Konzepts mit dem entsprechenden Auftrag aus dem Bundesprogramm verbunden und es wird im LSJV für diese Aufgabe eine zusätzliche Stelle geschaffen. Eingebunden in das Konzept wird die Hotline des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – Beratungsstelle Radikalisierung – als Element der niederschwelligen Erstansprache. Für das rheinland-pfälzische Präventionskonzept wird die Hotline mit einer regionalen (z. B. Mainzer) Vorwahl geschaltet. Das BAMF gibt dann den telefonischen Fall entsprechend nach Rheinland- Pfalz weiter (dann an die Beratungsstelle zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung; vgl. Antwort zu Frage 3). Flankiert wird die Arbeit im Konzept von einem interministeriellen Beirat, bestehend aus staatlichen und zivilgesellschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern. Wichtig ist in allen Bereichen des Konzepts die Zusammenarbeit mit kommunalen Ansprechpartnern, beispielsweise der Herstellung von Kontakten zu örtlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, zu Moscheegemeinden etc. Zu Frage 3: Im Nachgang einer telefonischen Erstberatung durch das BAMF (siehe der Beantwortung Frage 2) oder durch eine direkte Kontaktaufnahme mit der Beratungsstelle sind für unmittelbar von islamistischer Radikalisierung betroffene junge Menschen und für ihr soziales Umfeld konkrete einzelfallbezogene Interventions- bzw. Hilfeangebote nötig. Sie werden hier in einer Beratungsstelle zusammengefasst, sollen aber unterschiedliche Elemente integrieren. Im Einzelnen soll es eine weitergehende Beratung für Angehörige und das soziale Umfeld islamistisch radikalisierter junger Menschen geben, daneben ein Beratungsangebot für die jungen Menschen selbst sowie Ausstiegshilfen für jene, die sich bereits für diesen Schritt geöffnet haben. Zu den Aufgaben der Beratungsstelle gehört a) die Beratung von Angehörigen sowie Personen aus dem Umfeld Radikalisierter b) die Beratung und Deradikalisierung von Radikalisierten in frühem Stadium mit dem Ziel der Verhinderung der Verstetigung islamistischer Einstellungen c) Ausstiegshilfen z.B. für Syrienrückkehrer und Radikalisierte in Justizvollzugsanstalten. Zu Frage 4: Die jährlich notwendigen Haushaltsmittel belaufen sich auf 291 000 Euro, welche durch die nachstehenden Ressorts zur Umsetzung des Ministerratsbeschlusses vom 29. September 2015 im Rahmen verfügbarer Mittel bereitgestellt bzw. bei der Haushaltsführung berücksichtigt werden. Zwischen den Ressorts ist vereinbart, dass das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen 100 000 Euro das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur 86 000 Euro das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie 70 000 Euro das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur 35 000 Euro jährlich für die Durchführung des Konzepts tragen. Irene Alt Staatsministerin