Drucksache 16/5919 03. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Benedikt Oster und Ingeborg Sahler-Fesel (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen 17. Shell Jugendstudie Die Kleine Anfrage 3917 vom 12. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Als „bemerkenswert, überraschend und richtungsweisend“ kommentieren die beteiligten Wissenschaftler das Ergebnis der aktuell vorgelegten 17. Shell Jugendstudie. Die heutige junge Generation befindet sich offensichtlich im Aufbruch. Sie will mitgestalten und immer mehr junge Leute entdecken dabei auch ihr Interesse an Politik. Der großen Mehrheit der Jugendlichen ist es wichtig, „die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und zu respektieren“. Respekt gegenüber Kultur und eigener Tradition, Anerkennung der Vielfalt der Menschen und Bewusstheit für Umwelt und Gesundheit spielen eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der Shell Studie? 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Ergebnisse der Shell Jugendstudie für Rheinland-Pfalz? 3. Mit welchen Projekten unterstützt die Landesregierung die Einbindung von Jugendlichen in politische und gesellschaftliche Gestaltungsprozesse in Rheinland-Pfalz? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Zu den Fragen 1 und 2: Die Landesregierung begrüßt die 17. Shell Jugendstudie und erachtet die Ergebnisse als zugleich interessant und herausfordernd. Eine Reihe von Ergebnissen unterstützen und bestätigen die Ergebnisse des 2. Kinder- und Jugendberichts Rheinland-Pfalz: – Vergleichbar des Modells des Aufwachsens, das der 2. Kinder- und Jugendbericht der Lebensphase Jugend zugrunde legt, zeigt die Shell Jugendstudie auf, dass für die 2 558 befragten jungen Menschen im Alter zwischen zwölf und 25 Jahren Familie, Schule und Freundschaft zu Gleichaltrigen (Peers) die zentralen Bezugspunkte im Heranwachsen sind. – Die Autorinnen und Autoren der Shell Jugendstudie heben hervor, dass die jungen Menschen (= 61 %) positiv bzw. optimistisch in die persönliche Zukunft schauen. Hier ist ein Zuwachs gegenüber 2010 um 2 % und gegenüber 2006 sogar um 11 % zu verzeichnen . Die Differenzierung dieser Aussage nach sozialen Schichten zeigt, dass die jungen Menschen mit sozial schwacher Herkunft nur zu 33 % die eigene Zukunft positiv bewerten. Mit Blick auf die gesellschaftliche Zukunft zeigt sich, dass die Jugendlichen erstmals seit den 1990er Jahren mehrheitlich positiv in die Zukunft blicken (= 52 %), wobei auch hier gilt: junge Menschen mit einem niedrigen sozialen Status sehen die gesellschaftliche Zukunft weniger positiv (= 43 %). Diese Ergebnisse sind in der Tendenz mit denen des 2. Kinder- und Jugendberichts Rheinland-Pfalz vergleichbar. In Rheinland- Pfalz schauen rund 70 % der jungen Menschen positiv in die Zukunft. – Hinsichtlich der Realisierbarkeit ihrer beruflichen Wünsche zeigt die Shell-Jugendstudie, dass drei Viertel der jungen Menschen überzeugt sind, diese umsetzen zu können, die Differenzierung nach sozialen Schichten macht deutlich, dass Jugendliche aus sozial schwachen Verhältnissen zu 46 % meinen, ihre Berufswünsche realisieren zu können. Die Autorinnen und Autoren konstatieren, dass vor dem Hintergrund tendenziell höherer Bildungsabschlüsse auch die Erwartungen an die Berufsarbeit gewachsen sind. Der Beruf soll interessant und sinnerfüllend sein. Gleichzeitig wünschen sich die Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 28. Januar 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5919 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode jungen Menschen einen sicheren Arbeitsplatz (= 95 %), ebenso sollen Berufsleben und Familie respektive Kinder gut vereinbar sein (= 90 %). Der Kinderwunsch geht gleichwohl leicht zurück. 64 % der Jugendlichen wünschen sich Kinder. Bei der Befragung 2010 waren es 69 %. Trotz der hohen Erwartungen an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie deuten die Autorinnen und Autoren dieses Ergebnis so, dass junge Menschen auch die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Blick haben. – Im Hinblick auf den Nutzungszugang zum Internet bzw. der Online-Nutzungsmöglichkeiten, sprechen die Autorinnen und Autoren von einer Vollversorgung von 99 %. Durchschnittlich sind die Jugendlichen 18 Stunden in der Woche online (via Smartphone , Laptop etc.). Zum Vergleich: 2010 waren die jungen Leute durchschnittlich 13 Stunden online, 2006 weniger als zehn Stunden, 2002 sieben Stunden. Für 2015 hält die Studie fest, dass der Unterschied in der Internetnutzung zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen im Vergleich zu früheren Untersuchungen deutlich abgenommen hat: männliche Jugendliche sind im Durchschnitt 19,2 Stunden pro Woche online, weibliche Jugendliche 17,6 Stunden. Aus der Studie geht hervor, dass die aktive Teilhabe der Mediennutzung Kindern und Jugendlichen nicht nur zahlreiche Chancen bietet, sondern auch Risiken und Gefahren mit sich bringt. Im Zeitalter mobiler Internetnutzung müssen Kinder und Jugendliche befähigt werden, sich vor Gefahren im Internet zu schützen. Der Erwerb von Medienkompetenz ist daher der wichtigste Baustein für einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Medien. Dabei ist der Zugang in der Jugendhilfe nach § 14 SGB VIII für die Stärkung von Medienkompetenz von großer Bedeutung. – 73 % der Jugendlichen sind nach Angaben der Shell Jugendstudie mit der Demokratie in Deutschland zufrieden (2010: 63 %; 2006: 59 %). Differenziert nach West- und Ostdeutschland zeigt sich, dass Jugendliche aus dem westlichen Bundesgebiet zu 77 % zufrieden sind, Jugendliche aus dem östlichen Bundesgebiet (inklusive Berlin) zu 54 %. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass im Längsschnitt 2002 bis 2015 betrachtet die Jugendlichen aus dem Osten 2015 erstmals in der Mehrzahl zufrieden sind. – Positiv zu bewerten ist, dass, wie die Shell-Jugendstudie zeigt, das politische Interesse der jungen Generation (bezogen auf das Alter 15 bis 24 Jahren) weiter gestiegen ist. Im Längsschnitt zeigt sich, dass 2002 34 % der jungen Menschen politisch interessiert waren, 2015 sind es 46 % (2006: 39 %; 2010: 40 %). Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass das merklich gestiegene Interesse an Politik nicht einhergeht mit einem gestiegenen Vertrauen in die politischen Parteien. – Seit dem Beginn der Erhebungen der Shell-Jugendstudien in den 1950er Jahren ist es das erste Mal, dass die Mehrheit der Jugendlichen (= 54 %) sich dafür ausspricht, dass künftig genauso viele Zuwanderer oder mehr nach Deutschland kommen sollen. Dass die Jugendlichen gegenüber dem Thema Migration offener geworden sind, ist positiv. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass 37 % der Jugendlichen die Aussage unterstützen, die Zuwanderung nach Deutschland zu verringern; in den westlichen Bundesländern sind dies 35 %, in den östlichen Bundesländern (einschließlich Berlin) 49 %. Diese Ergebnisse zeigen, dass es umso mehr nötig ist in politische und soziale Lern- und Bildungsprozesse zu investieren, um die Entwicklung zu einer größeren Toleranz weiter zu stabilisieren und auszubauen. Zu Frage 3: Die Landesregierung unterstützt schwerpunktmäßig mit folgenden Programmen, Maßnahmen und Projekten die Einbindung von Jugendlichen in politische und gesellschaftliche Gestaltungsprozesse: – Über die Förderung von Maßnahmen der politischen und sozialen Bildung der verbandlichen und kommunalen Jugendarbeit werden jährlich rund 160 000 junge Menschen erreicht. Die Stärkung sozialer, persönlicher und demokratischer Kompetenzen ist die Zielsetzung. – Durch die Förderung von Schulungen ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese befähigen u. a. leitend in der Jugendarbeit tätig zu werden, werden jährlich fast 15 000 junge Menschen erreicht; hinzu kommt das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit, das eine Aufwandsentschädigung von Lohnausfall für ehrenamtlich und leitend in der Jugendarbeit Tätige (ab 16 Jahren) vorsieht. – Ferner ist die strukturelle Förderung der Jugendverbandsarbeit zu nennen. Dazu gehören insbesondere die institutionelle Förde - rung des Landesjugendrings sowie die Personalkostenförderungen der Bildungsreferentinnen und Bildungsreferenten der auf Landes - ebene organisierten Jugendverbände. – Zu erwähnen ist ebenso die Förderung von Jugendtreffs, die Förderung von Personalkosten in Häusern der offenen Tür (Jugendzentren) sowie die Förderung von Personalkosten der Jugendarbeit im ländlichen Raum über die junge Menschen Zugänge finden, sich gesellschaftlich zu engagieren. – Rheinland-Pfalz war das erste Bundesland mit einer Leitstelle Partizipation, die das Ziel verfolgt, über die Förderung einzelner Partizipationsprojekte hinaus, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen landesweit strukturell zu verankern, sodass sich eine dauerhafte kommunale Beteiligungskultur etabliert, u. a. durch fachliche Unterstützung und Qualifizierung sowie die Schaffung von Netzwerken und Informationsbereitstellung. Insbesondere die kommunalen Jugendvertretungen werden hier gefördert , wie zuletzt beim landesweiten Treffen am 14. und 15. November 2015. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5919 – Unter dem Motto „liken, teilen, was bewegen – jugendforum rlp“ startete die Landesregierung mit der Bertelsmann Stiftung im Mai 2012 das landesweit angelegte Beteiligungsprojekt „jugendforum rlp“ für und mit Jugendlichen. Das Konzept basiert auf einer Verknüpfung von Diskussionsprozessen in Online- und Offline-Formaten. Mit einer Tour durch Rheinland-Pfalz wurde das Jugendforum in Schulen, Jugendzentren und bei Jugendparlamenten vorgestellt. Während der Dialogphase im Internet von Mitte August bis Mitte September 2012 konnten auf der Partizipationsplattform www.jugendforum .rlp.de Themen und Anliegen gesammelt und diskutiert werden. Dies diente als Grundlage für die Jugendkonferenz am 21. und 22. September 2012 in Mainz. Ergebnis dieses Prozesses war ein Jugendmanifest mit Vorschlägen zu Themen wie Ausbildung und Arbeit, Mitbestimmung in der Schule, mehr Chancengleichheit und Bildung, nachhaltige Entwicklung, Mobilität und neue Medien. Das Manifest wurde im November 2012 der Landesregierung übergeben und anschließend im Ministerrat behandelt . Im Februar 2014 berichtete die Landesregierung in einer öffentlichen Feedback-Veranstaltung zum Stand der Umsetzung der erarbeiteten Ideen, Vorschläge und Forderungen. Mit dem „jugendforum europa rlp“ (www.jugendforum-europa.rlp.de) und dem Jugend-Engagement-Wettbewerb Rheinland- Pfalz „Sich einmischen – was bewegen“ wurden Folgeprojekte zur nachhaltigen Verstetigung des Projekts aufgelegt. Insbesondere der Jugend-Engagement-Wettbewerb, der im Jahr 2015 in die zweite Auflage ging, ermöglicht es, dass Initiativen von Jugendlichen eine unkomplizierte finanzielle Unterstützung erhalten, damit sie ihre Ideen und Vorhaben vor Ort realisieren können. – Die Medienkompetenz junger Menschen und der sie begleitenden Erwachsenen zu stärken ist mit Blick auf die große Nutzung der Online-Medien durch junge Menschen ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Sie unterstützt daher zahlreiche Projekte des „medien.rlp – Institut für Medien und Pädagogik e. V.“ (ehemaliger Landesfilmdienst e. V.) und fördert darüber hinaus auch in einem landesweiten Fortbildungsprogramm die Medienbildung von Fachkräften der außerschulischen Jugendarbeit (Zertifikats - kurs „Medienbildung in der Jugendarbeit“). Zusätzlich unterstützt die Landesregierung Jugendverbände in Rheinland-Pfalz mit jährlichen Zuschüssen zur Förderung der Medienarbeit (z. B. Video-Workshops, Grundseminar zur Öffentlichkeitsarbeit, medien pädagogische Zeitungsprojekte, Medienlehrgang Video- und Tonaufnahmetechnik u. v. m.). – Mit dem Programm „Zukunftsformer – was bleibt, entscheidest du.“ werden Jugendeinrichtungen unterstützt, Projekte im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gemeinsam mit Jugendlichen zu entwickeln, zu planen und durchzuführen. Das Programm wurde erstmals 2013/2014 durchgeführt und ist 2015 in eine weitere Runde gegangen. Es wird von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung im Auftrag und in Kooperation mit der Landesregierung durchgeführt. Das Programm wirkt auf drei Ebenen: 1. Die Jugendlichen lernen während der praktischen Projektarbeit, das eigene Tun und Handeln zu hinterfragen und betrachten ihre Vorstellungen der Zukunft unter Gesichtspunkten der Nachhaltigen Entwicklung. 2. Die erwachsenen Begleiterinnen und Begleiter qualifizieren sich in den Themengebieten bei pädagogischen Werkstätten weiter. 3. Die Jugendeinrichtungen erweitern auf diese Weise ihr Freizeit- und Bildungsangebote um Themenfelder der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Die UNESCO zeichnete das Programm „Zukunftsformer – was bleibt, entscheidest du.“ im Frühjahr 2014 als offizielles Projekt der UN Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ aus. Im Dezember 2014 hat das Programm „Zukunftsformer – was bleibt, entscheidest du.“ eine weitere Auszeichnung erhalten: Der Rat für Nachhaltige Entwicklung zeichnete das Programm als eines von 100 Werkstatt N-Projekten in Deutschland für das Jahr 2015 aus. – Mit Blick auf den schulischen Bereich ist festzuhalten, dass Schule junge Menschen zu Selbständigkeit, Selbstverantwortlichkeit und zur Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen erziehen soll. Dieser Auftrag für Schulen ist im rheinland-pfälzischen Schulgesetz normiert. Die Politische Bildung an Schulen, die Wissen um den Verfassungsstaat vermitteln und die jungen Menschen befähigen soll, eine politische Urteilsfähigkeit auszubilden, hat zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Staat und Gesellschaft und für deren Fortbestand. Sowohl im Sozialkundeunterricht als auch im fächerverbindenden Arbeiten der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wird dieses Wissen vermittelt. Die neuen Lehrpläne für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer liefern dafür eine gute Grundlage; ihre Erarbeitung wurde im Sommer 2015 abgeschlossen. Die Lehrpläne fordern von den Lehrkräften der genannten Fächer, gemeinschaftlich an der Demokratiefähigkeit zu arbeiten und jährlich innerschulische Demokratietage durchzuführen. Wenn es darum geht, eine demokratische Haltung oder den Wert der demokratischen Lebensform zu vermitteln, müssen Schulen aber auch als Ganzes handeln. Indem sie etwa die Demokratieerziehung in ihr Leitbild aufnehmen oder sich zum Beispiel entscheiden, Europaschule zu werden und für Europa einzutreten. Um die Demokratieerziehung an Schulen zu stärken, hat die Landesregierung am Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz (PL) die Koordinierungsstelle „Demokratie lernen und leben“ eingerichtet, die Schulen berät, alle demokratiepädagogischen Aktivitäten koordiniert und Fortbildungen anbietet. Um die Schulen, die sich dieser Entwicklung verschrieben haben, zu unterstützen, wurde in 2015 das Netzwerk der Schulen der Demokratie und der Partizipation neu organisiert und ebenso das Netzwerk der Europaschulen neu eingerichtet. Flankiert werden die Maßnahmen zur Demokratieerziehung durch weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die erfolgreiche Juniorwahl, die auch 2016 parallel zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz durchgeführt werden wird. Irene Alt Staatsministerin 3