Drucksache 16/5934 08. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Dr. Rahim Schmidt (fraktionslos) und A n t w o r t des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Adipositas – Entwicklung in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 3926 vom 13. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Zahl der Menschen mit Übergewicht und Adipositas, insbesondere auch im Kindesalter, steigt alarmierend. Hauptgründe hierfür sind mangelnde Bewegung und falsche Ernährung. Adipositas schränkt die Lebensqualität ein, erhöht die Kosten der medizinischen Versorgung mit frühzeitigem Renteneintritt, begünstigt v. a. durch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck , Herzinfarkt, Schlaganfall und verkürzt die Lebenserwartung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Zahl der Menschen mit Übergewicht in den letzen 20 Jahren verdreifacht. Bei Kindern und Jugendlichen sind laut Studie des Robert-Koch-Instituts (KiGGS-Studie) rund 15 Prozent übergewichtig und 6 Prozent adipös. Das bedeutet, dass 800 000 Kinder und Jugendliche an Fettsucht leiden. Vor diesem Hintergrund bitte ich die Landesregierung um die Beantwortung der folgenden Fragen: 1. Wie hat sich die Zahl der Fälle von Adipositas in den letzten zehn Jahren bei Jugendlichen in der Schule und bei den Erwachsenen in Rheinland-Pfalz entwickelt? 2. Welchen Platz nimmt Rheinland-Pfalz nach Kenntnis der Landesregierung ländervergleichend bei diesem Thema ein? 3. Besteht hier ein Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft, Jugendliche und Erwachsene mit einem und ohne Migrations - hintergrund? 4. Wie haben sich in den letzten Jahren die Essstörungen wie Adipositas, Magersucht und Bulimie bei den Jugendlichen, unterschieden nach sozialer Herkunft, und bei den Menschen mit und ohne Migrationshintergrund entwickelt? 5. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Adipositas und schulischen Leistungen? 6. Welche Kosten entstehen insgesamt durch Adipositas für die Krankenkassen? 7. Welche Präventionsmaßnahmen und Forschungsinitiativen wurden ergriffen, um die Anzahl der Erkrankungen mit Adipositas zu reduzieren bzw. zu verhindern und gibt es Evaluationsergebnisse der geförderten Projekte? Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 6. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Seit dem Jahr 2003 setzt sich Rheinland-Pfalz für eine Bekämpfung des krankhaften Übergewichts (Adipositas) ein. Mittlerweile stellt die Zunahme eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen dar. Adipositas ist eine weltweite Epidemie, die insbesondere auch Menschen in prekären Lebenssituationen betrifft. Sie ist als Krankheit anerkannt und löst vielfach Folgeerkrankungen aus, beispielsweise die Zuckerkrankheit, Typ 2-Diabetes, Herzinfarkt, Hirnschlag, Erkrankungen des Skeletapparates und andere. Rheinland-Pfalz räumt der Förderung eines gesunden Lebensstils einen hohen Stellenwert ein. Zusammen mit dem Nationalen Aktionsplan zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten wird das Ziel verfolgt, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Kindern und Erwachsenen nachhaltig zu verbessern, ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, das Gesundheitsbewusstsein zu erhöhen sowie die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit zu steigern. Zu 1.: Grundsätzlich zeichnet sich seit Jahren weltweit ein Trend hin zur Adipositas ab. Statistische Angaben zum Gewicht Erwachsener werden im Rahmen des Mikrozensus erhoben. Hierunter versteht man jährliche Stichprobenerhebungen der Statischen Landes- Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 3. Februar 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/5934 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode ämter, die alle vier Jahr auch Angaben zur Gesundheit/Gewicht untersuchen. Der Begriff Adipositas wird im Rahmen der Erhebung mit „starkem Übergewicht“ gleichgesetzt. Folgende Definition aus den Angaben des Mikrozensus für das Jahr 2013 hat sich etabliert: „Übergewicht wird nach dem sogenannten Body-Mass-Index bestimmt. Dieser Index wird errechnet, indem man das Körpergewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der Körpergröße (in Metern) teilt. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Erwachsene mit einem Body-Mass-Index über 25 als übergewichtig ein, mit einem Wert über 30 als stark übergewichtig. So gilt beispielsweise ein 1,80 Meter großer Erwachsener ab 81 Kilogramm als übergewichtig und ab 97 Kilogramm als stark übergewichtig. Für Rheinland-Pfalz liegen für Erwachsene folgende Angaben über starkes Übergewicht/Adipositas aus dem Mikrozensus vor: Die Ergebnisse beruhen auf Selbstangaben zur Körpergröße und Gewicht. Im Zehn-Jahresvergleich hat Adipositas demnach sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern zugenommen. Darüber hinaus werden Daten für Erwachsene in Deutschland im Rahmen des jährlich durchgeführten bundesweiten telefonischen Gesundheitssurvey „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) vom Robert Koch-Institut (RKI) erhoben. Danach sind 44 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen (Alter 18 bis über 80 Jahre) übergewichtig (Body Mass Index/BMI 25 bis 30) und 16 Prozent der Männer beziehungsweise 15 Prozent der Frauen adipös (BMI ≥30). Somit sind insgesamt 60 Prozent der Männer übergewichtig beziehungsweise adipös und 44 Prozent der Frauen. Daten für Kinder und Jugendliche liegen aus der Studie zur „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ (KiGGS-Studie, 2003 bis 2006) vor. Sie basieren auf Messwerten. Danach sind 8,8 Prozent der 3- bis 17-jährigen Jungen und 8,5 Prozent der gleichaltrigen Mädchen übergewichtig (jedoch nicht adipös) und 6,3 Prozent der Jungen beziehungsweise 6,4 Prozent der Mädchen stark übergewichtig , also adipös. Für Rheinland-Pfalz liegen Daten zum Übergewicht aus den Schuleingangsuntersuchungen der letzten fünf Untersuchungsjahrgänge vor. Dies betrifft Kinder mit einem Alter von knapp sechs Jahren. Die Anteile stark übergewichtiger Kinder liegen in dieser Altersgruppe zwischen 3,9 und 4,4 Prozent (ohne erkennbaren Trend). Zu 2.: Nach den Erhebungen des Mikrozensus 2013 waren 17,1 Prozent der befragten rheinland-pfälzischen Männer und Frauen stark übergewichtig (Body-Mass-Index über 30,0). Dieser Anteil lag über dem Bundesdurchschnitt von 15,7 Prozent. Zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen lag der rheinland-pfälzische Anteil stark übergewichtiger Kinder mit insgesamt 4,3 Prozent im Mittel der Angaben der übrigen Länder (von 3,2 bis 5,3 Prozent). Insgesamt liegen die neuen Bundesländer deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Rheinland-Pfalz nimmt bei den alten Bundesländern den zweiten Platz nach dem Saarland ein. Zu 3. und 4.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Zu 5.: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Zu 6.: Laut befragter Krankenkassen ist eine Beurteilung der aktuellen Kosten nur im beschränkten Umfang möglich. Auf der Seite des Statistischen Bundesamts finden sich Angaben über Krankheitskosten zum Thema Übergewicht für die Jahre 2002 bis 2008. Hiernach verursachte Fettleibigkeit dem deutschen Gesundheitswesen seit dem Jahr 2002 steigende Kosten von 779 Millionen Euro bis zu 863 Millionen Euro im Jahr 2008. Eingeflossen sind Kosten aus ambulanter und stationärer Versorgung. Eine weitere Differenzierung liegt nicht vor. Als zentraler Risikofaktor für eine Vielzahl metabolischer Störungen und weiterer Erkrankungen verursacht Adipositas Kosten, die in Deutschland auf 15 bis 20 Milliarden Euro im Jahr geschätzt werden. Zu 7.: In Rheinland-Pfalz kommen zwei wesentliche Strategien zum Tragen. Zum einen liegt der Fokus der Präventionsmaßnahmen auf den Kindern, zum anderen werden Projekte unterstützt, die einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz haben. Exemplarisch werden mehrere Konzepte vorgestellt, ohne dass es sich hierbei um eine abschließende Auflistung handelt. Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, dass bereits im Kindesalter der Weg zu einer gesunden Ernährung aufgezeigt wird. Zur Umsetzung dieses Ziels haben zum Beispiel die Vernetzungsstelle Schul- und Kitaverpflegung des Landes und die Ernährungsberatung der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) ein umfangreiches Informations- und Beratungsangebot entwickelt. So werden regelmäßig Seminarreihen für Verantwortliche und für Akteure in der Schul- und in Kitaverpflegung angeboten. 2 Frauen Männer 2003 12,2 Prozent 2003 14,9 Prozent 2005 13,2 Prozent 2005 15,5 Prozent 2009 13,8 Prozent 2009 17,2 Prozent 2013 14,8 Prozent 2013 19,2 Prozent Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5934 Für Schulmensen gibt es ein Qualifizierungsprojekt, bei dem die Ernährungsberatung der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum Schule und Schulträger auf ihrem individuellen Weg zu einer guten Schulverpflegung unterstützt und gelungene Konzepte mit Qualifizierungssternen auszeichnet. Schulen können ihre Verpflegung im Rahmen eines Speiseplanchecks daraufhin überprüfen lassen, ob sie den Kriterien des DGE-Qualitätsstandards genügt. Für Schulträger wurde ein Online-Tool entwickelt, das diese kostenlos zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses für die Verpflegung in ihren Einrichtungen nutzen können. Für Kindertagesstätten hat die Ernährungsberatung an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum in Zusammenarbeit mit peb (Plattform Ernährung und Bewegung e. V.) ein Coaching-Projekt entwickelt, in dessen Rahmen Kindertagesstätten professionell bei der Umsetzung einer guten Verpflegung in Kombination mit nachhaltiger Ernährungsbildung unterstützt werden. Ziel dieses Projekts ist, dass Ernährungsbildung und gute Ernährung langfristig in möglichst vielen Kitas verankert werden. Auch eine fünfteilige Seminarreihe zum Thema „Essen und Trinken in Kindertagesstätten“ für die Verpflegungsverantwortlichen von Kindertageseinrichtungen wird angeboten. Rheinland-Pfalz setzt das EU-Schulobst- und -gemüseprogramm um. Grund- und Förderschulen sowie Kindertagesstätten können teilnehmen, pro Kind wird einmal wöchentlich eine Portion Gemüse beziehungsweise Obst geliefert. Die Durchführung begleitender Ernährungsbildungsmaßnahmen ist verpflichtender Bestandteil des Programms. Das Schulobst- und -gemüseprogramm wurde von der EU als Präventionsmaßnahme gegen Übergewicht und Adipositas ins Leben gerufen. Im laufenden Schuljahr nehmen 271 000 Kinder in rund 2 900 Einrichtungen teil. Des Weiteren werden in dem durch die Landesregierung geförderten Projekt der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e. V. (VZ RLP) unter anderem Einkaufstrainings für Schülerinnen und Schüler sowie Informationsveranstaltungen zur Ernährungsbildung in der Kita, Ernährungsberatung sowie weitere verschiedene Workshops und Informationsveranstaltungen angeboten. Darüber hinaus bietet die Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz e. V. (LZG) zahlreiche Angebote im Bereich der Schnittstelle gesunde Ernährung/Körpergewicht an. Im Zuge von Kita!Plus Säule VII und dem dort angesiedelten Kita-Obstprogramm wurde im Jahr 2014 den Kindertageseinrichtungen in Rheinland-Pfalz neben der wöchentlichen kostenfreien Lieferung von Obst und Gemüse zusätzlich Material für pädagogische Begleitmaßnahmen zum Thema Ernährungsbildung zur Verfügung gestellt . Gefördert vom Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hatte die Landeszentrale für Gesundheitsförderung bereits für Spiel- und Lernstuben (SLS) den Praxisordner „Clever essen in der Spiel- und Lernstube“ entwickelt. Gemeinsam mit einer Praxisbox, die Spiele und Info-Materialien enthält, wird dieser Ordner zur Unterstützung von Kitas in benachteiligten Wohngebieten eingesetzt. An dieses Projekt wurde im Jahr 2013 angeknüpft und in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten und dem Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Erweiterungsmaterial entwickelt, das allen Kitas im Land zur Verfügung gestellt wurde. Ernährungsbildung in der Schule ist als Querschnittsthema von der Primarstufe bis zum Abschluss in allen Bildungsgängen verankert . Grundlage dafür ist die Richtlinie Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen in Rheinland-Pfalz. Begleitend dazu stehen den Schulen landesweit eine Vielzahl an Projekten und Maßnahmen verschiedener Anbieter zur Unterstützung der Ernährungsbildung im Unterricht zur Verfügung, wie z. B. der Lernort Bauernhof, das ABC der Lebensmittel, Projekte zur Prävention von Essstörungen , Unterrichtskisten zu Themen wie Milch, Streuobst, Essen und Trinken, Kartoffel und Bienen und nachhaltiger Ernährung; Ernährungsführerschein, Schulgärten u. v. m. Das EU-Schulobst- und -gemüseprogramm wird seit dem Schuljahr 2010/2011 umgesetzt. Derzeit nehmen knapp 1 000 Grund- und Förderschulen sowie mehr als 1 800 Kindertagesstätten am Programm teil. Verpflichtender Bestandteil des Programms ist Umsetzung der begleitenden Ernährungsbildungsmaßnahmen. Der Ernährungsführerschein ist ein Unterrichtskonzept für Grundschule, bei dem der praktische Umgang mit Lebensmitteln und Küchengeräten im Mittelpunkt steht. Die Vermittlung dieser Kenntnisse erfolgt über geschulte Fachkräfte, die die Unterrichtseinheiten vor Ort in den Klassen durchführen. Die Organisation erfolgt über die LandFrauen Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach. Erweitert wurde das Konzept jetzt für die 5. und 6. Klasse mit dem Programm „SchmExperten“. Der aid Infodienst führt regelmäßig in Kooperation mit dem PL Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte auch in Rheinland-Pfalz durch. Die Unterrichtsreihe „ABC der Lebensmittel“ für die Klassen 1 bis 4 der Grundschule wird von der Ernährungsberatung Rheinland -Pfalz an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) in Zusammenarbeit mit hauswirtschaftlich qualifizierten und geschulten Fachkräften in 75 Schulklassen des Landes umgesetzt. Klasse2000 ist das bundesweit größte Programm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltvorbeugung in der Grundschule. Es begleitet Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse, um ihre Gesundheits- und Lebenskompetenzen frühzeitig und kontinuierlich zu stärken. Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannung sind ebenso wichtige Bausteine von Klasse2000 wie der Umgang mit Gefühlen und Stress, Strategien zur Problem- und Konfliktlösung. Dazu arbeiten Lehrkräfte und Klasse2000-Gesundheitsförderer zusammen. Im Schuljahr 2014/15 beteiligten sich in Rheinland-Pfalz 232 Schulen mit 1 160 Klassen und über 23 000 Kindern an dem Programm. Träger des Projekts ist der Verein Klasse2000 e. V. Mit der kürzlich unterzeichneten Landeskooperationsvereinbarung des Bildungsund Gesundheitsministeriums, der Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG), des Lions Clubs International im Distrikt 111- Mitte-Süd, Rheinland Pfalz, und dem Verein Klasse2000 setzen sich alle Partner für einen weiteren Ausbau des Präventionsprogramms an Grundschulen im Land ein. Die LZG unterstützt Klasse2000 bei der Durchführung von Veranstaltungen, der Netz- 3 Drucksache 16/5934 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode werkarbeit und mit Materialien. Der Stundenplan „Fit an jedem Tag – Spaß und Gesundheit mit dabei“ wurde in Kooperation mit dem Adipositas-Netzwerk Rheinland-Pfalz entwickelt: Kinder können hier ihre regelmäßigen Tagesaktivitäten eintragen und werden dafür sensibilisiert, dass ein gesunder Tag neben ausreichend Bewegung, ausgewogener Ernährung auch Zeit zum Entspannen und soziale Kontakte ausmachen. Die Programme für Kindertagesstätten, die speziell auf die Förderung gesunder Ernährung ausgerichtet sind, werden ergänzt durch zwei kontinuierliche Förderstränge des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen zur Bewegungsförderung: Die Verleihung des Qualitätssiegels „Bewegungskindertagesstätte Rheinland-Pfalz“ durch den gleichnamigen Verein, der die Kitas bei der Etablierung eines ganzheitlichen Konzepts zur Bildungs-, Gesundheits- und Entwicklungsförderung mit der Verbesserung der quantitativen und qualitativen Bewegungssituation für Kinder unterstützt und neben der Schärfung des bewegungsfördernden Profils der Kitas auch für eine kontinuierliche Fortbildung Sorge trägt. Als zweiter Förderstrang ist das Programm der Sportjugend „Bewegungsorientierte Gesundheitsförderung durch Kooperation Kita-Sportverein: Kita-Kids mit Bewegung schlau und fit“ zu nennen, das in der Kita u. a. auch den Grundstein für weitere sportliche Aktivitäten zur Freizeitgestaltung legen soll. Die Broschüre „Starke Kinder lernen gut“ richtet sich an Eltern, deren Kinder eingeschult werden. Sie gibt Anregungen und Tipps, wie Eltern die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden ihres Kindes fördern und damit fit für die Schule machen können. Schwerpunkte sind dabei die Bewegungsförderung im Alltag und Informationen über eine ausgewogene und vollwertige Ernährung. Die Broschüre erhalten alle Eltern zur Einschulung über die Gesundheitsämter. Essstörungen haben in den letzten zwanzig Jahren stark zugenommen. Dies hat sicherlich mit veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, veränderten gesellschaftlichen und persönlichen Figurerwartungen, einem veränderten Nahrungsangebot und einer veränderten Ernährungsweise zu tun. An Magersucht und Bulimie erkranken hauptsächlich Mädchen und junge Frauen, der Anteil der essgestörten Männer nimmt jedoch stetig zu. Seit 2008 gibt es das Kooperationsprojekt „MaiStep“ zur Prävention von Essstörungen, das sich an Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 und 8 richtet. Das von der Arbeitsgruppe der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsmedizin Mainz initiierte und vom Gesundheits- und Bildungsministerium sowie dem Verein zur Förderung feministischer Mädchenarbeit e. V. (FEMMA) unterstützte Primärpräventionsprogramm basiert auf dem „life-skill Ansatz“ und erlebnisorientierten Methoden und wurde im Jahr 2011 mit dem deutschen Innovationspreis für Prävention ausgezeichnet. Nach Beendigung der Entwicklungs- und Projektphase haben Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen nun die Möglichkeit, MaiStep im Rahmen einer ganztägigen Fortbildung zu sich an die Schule zu holen und im Anschluss präventiv im Rahmen des Unterrichts einzusetzen. Auch das Büro für Suchtprävention befasst sich mit der Prävention von Essstörungen und koordiniert hierzu Maßnahmen auf Landesebene. Dazu gehört die Koordination der 38 regionalen Arbeitskreise Suchtprävention, die in den Regionen des Landes Präventionsprojekte, auch zu Essstörungen, umsetzen. Neben der Förderung der Projektanträge sind die fachliche Begleitung sowie das Bereitstellen von Fortbildungsangeboten und Materialien wesentliche Bestandteile. In der Reihe „Elterninfo“ sind die Themen „Bulimie“ und „Magersucht“ ebenfalls aufgenommen. Im Netzwerk sind die Suchtberatungsstellen, die Prävention, der stationäre Bereich und die Selbsthilfe durch jeweils eine landesweite Institution vertreten. Das Adipositas-Netzwerk Rheinland-Pfalz e. V. (ANP RLP) und seine Mitglieder aus den Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung , Gesundheitsförderung, Prävention, Krankenversorgung, Rehabilitation, Gesundheitswirtschaft, des Verbraucherschutzes , Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD), des Sports, der Seelengesundheit und aus den erziehungsbetrauten Organisationen erstellen seit über einem Jahrzehnt kontinuierlich Fachbeiträge zu den Themen Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung. Ziel ist es, Lebensstilorientierte Handreichungen zur Vermeidung von Übergewicht, zur Bewältigung von Adipositas und ihren Folgeerkrankungen zu übermitteln. Bei dieser Aufgabe nutzt das Adipositas-Netzwerk Rheinland-Pfalz e. V. die Zusammenarbeit und Expertise von seriösen Fachorganisationen . Das Adipositas-Netzwerk wird finanziell und fachlich insbesondere durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie gefördert. Die Projekte des Adipositas-Netzwerks Rheinland-Pfalz e. V. werden in der Regel mit den Mitteln der Selbstevaluation, seltener bei vorhandenen Mitteln auch via Fremdevaluation, auf deren Wirksamkeit hin überprüft. Dabei zeigt sich in allen Ergebnisstudien etwa der gleiche Effekt. Die besten Ergebnisse zeigen sich direkt nach Abschluss der Präventionsprojekte . Im weiteren Verlauf schwächt sich die beabsichtigte, salutogene Wirksamkeit der Maßnahmen kontinuierlich ab. Dies weist auf die Notwendigkeit immer wiederholter, gesundheitsfördernder Interventionen hin, zum Beispiel auch durch die dauerhafte mediale Bewerbung gesunder Lebensstile. Einige Beispiele aus der Arbeit des Netzwerks sind in der Anlage dargestellt. Sie nehmen dabei den Zeitraum der aktuellen Legislaturperiode in Anspruch. Adipositas bleibt weltweit, europaweit, national und regional eine prominente Herausforderung. Primärpräventive Ansätze, so früh wie möglich – am besten schon pränatal – durch überzeugende und emotionale Ansprache zur gesunden Ernährung, zur ausreichenden Bewegung und zur Seelengesundheit, bleiben das Ziel der Landesregierung. Dazu wurde bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. Es ist aber auch Aufgabe der Krankenkassen, gezielte Präventionsmaßnahmen für ihre Versicherten anzubieten. Sabine Bätzing-Lichtenthäler Staatsministerin 4 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/5934 Anlage Projekte des Adipositas-Netzwerkes Rheinland-Pfalz e. V. Digitale und papierschriftliche Handreichungen zur Vermeidung und/oder Bewältigung von Übergewicht. Betrieb einer monatlich aktualisierten Homepage: www.adipositas-rlp.de und Herausgabe eines Newsletters. Betrieb einer Telefonhotline bis 2014. Betrieb einer Online Sprechstunde. Broschüren/ PDF „Starke Kinder lernen gut“ (MSAGD/LZG/AOK/ANW RLP), Broschüre zum Schulanfang. Gesamtauflage bisher ca. 150 000. Elterninfos (MSAGD/LZG/ANW RLP), teils mehrsprachig, zu: „Schwanger is(s)t gesund“; „Snack to go“; „Trinken“. Gesamtauflage bisher ca. 6 000. Broschüre „Empfehlungen für die Ernährung von übergewichtigen Kindern“ (ANW RLP/Novo Nordisc/FKE - Forschungsinstitut für Kinderernährung, Dortmund ); Auflage 1 300 Exemplare (ANW RLP). Fachprojekte Modellprojekt für übergewichtige Kinder an Ganztagsschulen (MSAGD/ÖGD Mainz-Bingen/Rheinhessischer Turnerbund/ANW RLP). „Gesundheitspartys mit und für Menschen mit Migrationsgeschichte“, (MSAGD/LZG/ANW RLP u. a.). Entwicklung, Mitgestaltung und Teilnahme von und an Aktionen von „Lecker Entdecker“ (Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland -Pfalz/ANW RLP u. a.). Fortbildungen „Adipositas und Stigmatisierung“ (Katholische Hochschule Mainz, Prof. Ursula Rieke, ANW RLP). Fortbildung zu Bewegungsspielen (Bad Dürkheim LK/ÖGD Bad Dürkheim/ANW RLP u. a.). Fortbildung für Hebammenschülerinnen (MSAGD/LZG/ANW RLP/QZE u. a.). Landesweite Fachtage „Dick und Doof? „ Adipositas und Stigmatisierung, im Kreishaus Ingelheim, Prof. Warschburger, Universität Potsdam (MSAGD//LK/ÖGD Mainz- Bingen), 2015. „Fette Probleme – dünne Strategien“ in der Verbraucherzentrale in Mainz, Prof. Thomas Ellrott, Prof. Michael Urschitz (VZ RLP/MSAGD/ANW RLP), 2014. „Gesundheitsförderung und Prävention nachhaltig gestalten“, im Erbacher Hof in Mainz, Prof. Stefan Aufenanger, Universität Mainz (MSAGD/LZG/ANW RLP/Arzneimittel Fonds Hessen, Rheinland Pfalz Saarland), 2012. 5