LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 12. Februar 2016 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Schulartübergreifende Orientierungsstufe Diez Die Kleine Anfrage 3984 vom 23. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger wollen vor dem Hintergrund eines stärker werdenden Wettbewerbs die schulartübergreifende Orientierungsstufe zwischen dem Sophie-Hedwig-Gymnasium und der Theodissa-Realschule plus in Diez auflösen. Der Kreisausschuss des Rhein-Lahn-Kreises hat die Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe beschlossen. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat den Antrag auf Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe zwischen dem Sophie-Hedwig-Gymnasium und der Theodissa-Realschule plus in Diez abgelehnt. Mit Schreiben vom 21. Januar 2013, Aktenzeichen: 9411 B – Tgb. Nr. 1073/12, von Staatssekretär Beckmann an die unabhängige rheinlandpfälzische Initiative „EINE Schule für ALLE – länger gemeinsam lernen e. V.“, begründet er die Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe zwischen dem Friedrich-Spee-Gymnasium und der Realschule plus Ehrang in Trier damit, „dass nach den deutlich zurückgehenden Anmeldezahlen die Kombination zwischen schulartübergreifender Orientierungsstufe und G8-Gymnasium bei den Eltern nicht die gewünschte Akzeptanz gefunden hat und somit ein schulisches Bedürfnis für die schulartübergreifende Orientierungsstufe nicht mehr gegeben war.“ Auch bei dem Sophie-Hedwig-Gymnasium und der Theodissa-Realschule plus in Diez sind die Anmeldezahlen deutlich zurückgegangen und die schulartübergreifende Orientierungsstufe findet bei den Eltern auch nicht die gewünschte Akzeptanz. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele schulartübergreifende Orientierungsstufen wurden in den letzten 25 Jahren in Rheinland-Pfalz aufgelöst und worin lag der Wegfall des schulischen Bedürfnisses (bitte aufgegliedert nach den einzelnen Schulen)? 2. Wie viele Anträge auf Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufen wurden in den letzten 25 Jahren in Rheinland- Pfalz gestellt und was waren die Gründe für die Ablehnung der Anträge (bitte aufgegliedert nach den einzelnen Schulen)? 3. Wie ist ein schulisches Bedürfnis definiert? 4. Hat der Schulträger und haben die Schulelternbeiräte die rechtliche Möglichkeit, gegen einen abgelehnten Antrag auf Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht einzulegen? Wenn nein, wa rum nicht? 5. Warum wurde der Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe zwischen dem Friedrich-Spee-Gymnasium und der Realschule plus Ehrang in Trier, begründet mit dem Rückgang der Anmeldezahlen, zugestimmt und der Auflösung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe zwischen dem Sophie-Hedwig-Gymnasium und der Theodissa-Realschule plus in Diez nicht, obwohl auch dort die Anmeldezahlen rückläufig sind und die schulartübergreifenden Orientierungsstufe bei den Eltern auch nicht die gewünschte Akzeptanz findet? 6. Wird ein Vertreter des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur am 13. Januar 2016 anlässlich des Informationsabends für die Eltern der Viertklässler zur geplanten Neuausrichtung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe im Schulzentrum zur Verfügung stehen? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 16/6091 20. 01. 2016 Drucksache 16/6091 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 20. Januar 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Der Rhein-Lahn-Kreis als Schulträger hat mit Schreiben vom 20. April 2015 die Aufhebung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe der Theodissa-Realschule plus und des Sophie-Hedwig-Gymnasiums in Diez beantragt. Die für diesen Antrag vorgetragenen Gründe des Schulträgers und der beiden Schulen wurden in mehreren gemeinsamen Gesprächen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, der Schulleitungen, der Schulelternbeiräte und des Schulträgers erörtert. Mit Schreiben an den Rhein-Lahn-Kreis vom 24. November 2015 hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Außenstelle Schulaufsicht Koblenz als zuständige Schulbehörde – auch unter Berücksichtigung dieser Erörterungsgespräche – den Antrag abgelehnt, weil ein schulisches Bedürfnis zur Aufhebung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe nicht vorliegt. Die von den beiden Schulen vorgetragenen Problemanzeigen wurden von den Schulbehörden aber zum Anlass genommen, gemeinsam mit den Schulen ein neues Konzept für die schulartübergreifende Orientierungsstufe in Diez zu erarbeiten. Hierüber haben beide Schulen auf einem Elternabend am 13. Januar 2016 informiert. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu den Fragen 1 und 2: Die folgenden schulartübergreifenden Orientierungsstufen wurden seit dem Schuljahr 1991/1992 auf Antrag der jeweiligen Schulträger aufgehoben: Zum 1. August 2001 wurden die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Realschule und des Marion-Dönhoff-Gymnasiums Lahnstein sowie die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Geschwister-Scholl-Realschule und des Konrad-Adenauer-Gymnasiums Westerburg aufgehoben. Maßgeblicher Grund an beiden Standorten war die Feststellung, dass leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler zunehmend an benachbarten Gymnasien ohne schulartübergreifende Orientierungsstufe angemeldet wurden und dadurch die Erhaltung eines leistungsfähigen gymnasialen Schulangebots gefährdet war. Zum 1. August 2002 wurde die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Kooperativen Gesamtschule Altenkirchen aufgehoben . Maßgeblicher Grund war die Größe der schulartübergreifenden Orientierungsstufe, die mit ihren elf bis 13 Zügen die erforderliche pädagogische Abstimmung deutlich erschwerte und damit den ordnungsgemäßen Unterrichtsbetrieb gefährdete. Zum 1. August 2013 wurde die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Johann-Amos-Comenius-Realschule plus und des Friedrich-Spee-Gymnasiums Trier aufgehoben. Bedingt durch die Kombination von Gymnasium mit achtjährigem Bildungsgang und schulartübergreifender Orientierungsstufe gingen die Anmeldezahlen an dieser Orientierungsstufe zuletzt so weit zurück, dass die für die Mindestzügigkeit der beiden Schulen erforderliche Schülerzahl (§ 13 SchulG) deutlich unterschritten war. Zum 1. August 2014 wurde die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Ernst-Barlach-Realschule plus und des Gymnasiums im Kannenbäckerland Höhr-Grenzhausen aufgehoben. Nach der Umwandlung des Gymnasiums in ein Gymnasium mit achtjährigem Bildungsgang und damit verbundenen unterrichtsorganisatorischen Änderungen (abweichende Zeittaktung, längere Unterrichtseinheiten, rhythmisiertes Ganztagsangebot) war die strukturelle Kompatibilität beider Schulen als Grundlage für eine funktionierende schulartübergreifende Orientierungsstufe nicht mehr gegeben. Die schulartübergreifende Orientierungsstufe der Geschwister-Scholl-Realschule und des Gymnasiums Betzdorf ist im Zuge der Aufhebung der Realschule und der Errichtung der Integrierten Gesamtschule Betzdorf-Kirchen zum Schuljahr 2010/2011 ausgelaufen. Ebenso sind die schulartübergreifenden Orientierungsstufen zwischen Hauptschulen und Realschulen an den Standorten Nassau, Neuerburg, Oberwesel und Speicher aufgrund schulorganisatorischer Maßnahmen (Aufhebung der Schulen, Überführung in Realschulen plus) im Rahmen der Schulstrukturreform ab dem Schuljahr 2009/2010 ausgelaufen. Der Landkreis Kusel hatte im Zuge der Beantragung einer Realschule plus die Aufhebung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe der Realschule und des Gymnasiums Kusel zum 1. August 2009 beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil gemäß § 11 SchulstrukturEinfG schulartübergreifende Orientierungsstufen auch bei Umwandlung von Realschulen in Realschulen plus bestehen blieben und kein entsprechendes schulisches Bedürfnis vorlag. In einer Neukonzeption der schulartübergreifenden Orientierungsstufe wurden die vorgetragenen Probleme aufgegriffen. Zu Frage 3: Das schulische Bedürfnis, das gemäß § 91 SchulG Voraussetzung für alle schulorganisatorischen Maßnahmen (Errichtung, Aufhebung , Erweiterung und Einschränkung von Schulen) ist, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Diese sind gesetzlich nicht definiert. Bei der Prüfung des schulischen Bedürfnisses sind die schulgesetzlichen Vorgaben zur Mindestgröße der einzelnen Schularten zu beachten (§ 13 SchulG) und die regionalen Schulentwicklungspläne zu berücksichtigen (§ 91 Abs. 3 SchulG). Die Rechtsprechung hat darüber hinaus weitere im Rahmen des schulischen Bedürfnisses zu prüfende Aspekte entwickelt bzw. anerkannt, z. B. die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Unterrichtsbetriebs, eine unzumutbare Beeinträchtigung des Erziehungsrechts der Eltern, die Erhaltung eines leistungsfähigen Schulangebots, die (Un-)Zumutbarkeit des Schulwegs oder auch finanzielle Belastungen des Schulträgers . Die Prüfung des schulischen Bedürfnisses erfolgt im Rahmen einer Gesamtabwägung aller im jeweiligen Einzelfall relevanten Aspekte. 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/6091 Zu Frage 4: Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. In der Regel findet zuvor gemäß § 68 VwGO ein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) statt. Da sowohl die Aufhebung der schulartübergreifenden Orientierungsstufe als auch die Ablehnung dieses Antrags Verwaltungsakte sind, sind diese Rechtsbehelfe statthaft. Der Ablehnungsbescheid der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 24. November 2015 an den Rhein-Lahn-Kreis als Schulträger enthält deshalb auch eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung . Bei den Schulelternbeiräten ist nach Auffassung der Landesregierung ein solcher Rechtsbehelf jedoch unzulässig, da diese als schulische Gremien zur Wahrnehmung kollektiver Elternrechte in diesem Fall nicht in eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO) verletzt sind und somit keine Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis gegeben ist. Zu Frage 5: Die Kombination zwischen schulartübergreifender Orientierungsstufe und achtjährigem Bildungsgang am Friedrich-Spee-Gymnasium in Trier fand bei den Eltern keine Akzeptanz, sodass Kinder mit Gymnasialempfehlung bevorzugt an anderen Gymnasien in Trier und Schweich angemeldet wurden. Die Anmeldezahl an der schulartübergreifenden Orientierungsstufe in Trier sank dadurch so erheblich, dass die schulgesetzlich erforderliche Mindestzügigkeit der beiden beteiligten Schulen (Zweizügigkeit des Gymnasiums und Dreizügigkeit der Realschule plus) nicht mehr erreicht wurde. Dies ist an der schulartübergreifenden Orientierungsstufe in Diez nicht der Fall. Zu Frage 6: Der Elternabend am 13. Januar 2016 wurde von beiden Schulen ohne vorherige Absprache mit der Schulaufsicht terminiert. Er fand im Rahmen der Elterninformationen für Grundschuleltern statt, die alle Schulen der Sekundarstufe I vor den Anmeldeterminen durchführen. Bei solchen schulischen Informationsveranstaltungen sind Vertreterinnen oder Vertreter der Schulbehörden in der Regel nicht beteiligt. In Vertretung: Hans Beckmann Staatssekretär 3