Drucksache 16/6140 05. 02. 2016 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Bernhard Braun und Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Kritik des Rechnungshofs wegen Ersatzzahlungen bei Windenergieanlagen Die Kleine Anfrage 4003 vom 14. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut: Im aktuellen Jahresbericht des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs wird der Vorwurf erhoben, dass im Zusammenhang der gesetzlich vorgeschriebenen Ersatzzahlungen für den Eingriff in Natur und Landschaft bei der Errichtung von Windenergiean lagen in den vergangenen Jahren Nachteile für das Land entstanden seien. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Genehmigungsbescheide von Kreisverwaltungen und kreisfreien Städten wurden im Bericht des Rechnungshofs gerügt? 2. Auf welche Rechtsgrundlage geht die Ermäßigung der Ersatzzahlungen zurück und seit wann wurde diese angewendet? 3. War die Durchführung von tatsächlichen Ausgleichsmaßnahmen (Realkompensation) durch Windenergiebetreiber anstatt der Abführung von Ersatzzahlungen zulässig? 4. Wofür wurden die von den Kreisverwaltungen nicht an das Land abgeführten Ersatzzahlungen verwendet? 5. Entstand ein Schaden am Naturhaushalt durch die Realkompensation bzw. die Maßnahmendurchführung durch die Kreisverwaltungen ? 6. Wie sehen die jetzigen Rechtsgrundlage und die Praxis der Ausgleichsleistungen aus? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat die Kleine Anfrage namens der Landes - regierung mit Schreiben vom 5. Februar 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Gegenstand der stichprobenhaften Prüfungen des Rechnungshofs waren Genehmigungsbescheide der Kreisverwaltungen und kreisfreien Städte mit dem Schwerpunkt „Mast- und Turmbauten“. Der überwiegende Teil der in die Prüfung einbezogenen Maßnahmen betraf große Windenergieanlagen. Im Einzelnen geprüft wurden die Landkreise Alzey-Worms, Bad Kreuznach, Bitburg-Prüm, Kaiserslautern, Mayen-Koblenz, Rhein- Hunsrück, Südwestpfalz, Trier-Saarburg, Westerwald und die kreisfreien Städte Kaiserslautern, Trier und Worms. Zu Frage 2: Eine Ermäßigung der Ersatzzahlung für Windenergieanlagen haben die vom Landesrechnungshof beschuldigten Landkreise auf Grundlage des § 4 Absatz 3 der Landesverordnung über die Erhebung und Verwendung der Ersatzzahlung vom 24. Januar 1990 (AusglV) in Verbindung mit einem Erlass des Ministeriums für Umwelt vom 3. Februar 1992 vorgenommen. Auch nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) im März 2010 bestand diese Regelung fort, da der Bund keinen Gebrauch von der im Gesetz festgehaltenen Regelungsmöglichkeit gemacht hat. Dies bestätigt der vom Bundeskabinett in 2013 beschlossene Entwurf der Bundeskompensationsverordnung (Bundesratsdrucksache 332/13), in dessen Vorblatt festgestellt wird: „Wesentliche Schlüsselbegriffe […] der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind zwar bereits auf gesetzlicher Ebene bestimmt, bedürfen aber für den Vollzug der weiteren Ausfüllung und Konkretisierung. Dies belegt der nahezu unübersehbaren Bestand an gesetzlichen und untergesetzlichen Normen, Verwaltungsvorschriften, Erlassen und Leitfäden […].“ Die unterschiedlichen Regelungen der Länder, Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 1. März 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6140 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode auch die rheinland-pfälzische AusglV, werden in diesem von der Bundesregierung verabschiedeten Dokument im Einzelnen erläutert . Keine einzige der sehr unterschiedlichen Länderregelungen wird als nicht mehr anwendbar oder gar rechtswidrig beanstandet. Der Entwurf dieser Vereinheitlichung beinhaltet darüber hinaus ebenfalls eine Ermäßigungsregelung, und zwar eine Mengenrabattregelung . Dass die AusglV auch nach dem Beschluss des BNatSchG 2010 anzuwenden war, bestätigt auch die rechtliche Stellungnahme der Verwaltungsexperten Prof. Dr. Hendler und Dr. Kerkmann, die dem Landtag zur Verfügung gestellt wurde (Drucksache 16/6350). Es war aber seit der Amtsübernahme der politische Wille der amtierenden Landesregierung, die Ermäßigungen abzuschaffen. Sie hat sich auf Bundesebene für eine entsprechende bundesweite Regelung eingesetzt und dies auch im Rundschreiben Windenergie 2013 gegenüber den nachgeordneten Behörden so vorgegeben. Nachdem das Ziel einer bundeseinheitlichen Kompensationsverordnung von der Bundesregierung aufgegeben wurde, hat die Landesregierung Ihren Handlungsspielraum genutzt. Die AusglV ist mit dem Inkrafttreten des neuen Landesnaturschutzgesetzes vom 6. Oktober 2015 außer Kraft getreten. Zu Frage 3: Die Realkompensation von Eingriffen ins Landschaftsbild ist nach Bundesrecht nicht nur möglich, sondern vorrangig. § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG lautet: „Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen).“ Die Nachrangigkeit von Ersatzzahlungen gegenüber Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen folgt aus § 15 Abs. 6 Satz 1: „Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten.“ Die Bundesregierung hat mit ihrem Entwurf zur Bundeskompensationsverordnung das Ziel verfolgt, diese Entscheidungskaskade, an deren Ende erst die Festsetzung von Ersatzzahlungen steht, im Falle von Turm- und Höhenbauten von mehr als 20 m Höhe umzukehren . So sollte in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Eingriffe nicht durch Maßnahmen unmittelbar zu kompensieren sind und folglich in der Regel Ersatzgelder festgesetzt werden sollten. Dieses Ziel verfolgte auch die Landesregierung mit der Aufforderung an die Landkreise im Rundschreiben Windenergie 2013, dort heißt es wörtlich: „Berechnungsgrundlage bis zur Ablösung durch eine Kompensationsverordnung des Bundes ist das sogenannte Alzeyer Modell. Da Eingriffe in das Landschaftsbild durch Höhenbauwerke in der Regel nicht real kompensierbar sind, ist hierfür eine Ersatzzahlung festzusetzen. Die Entscheidung über den Eingriff und die Kompensation trifft die für das Genehmigungsverfahren zuständige Behörde im Benehmen mit der gleichgeordneten Naturschutzbehörde (§ 7 Abs. 1 BNatSchG, § 13 Abs. 1 Satz 1 LNatSchG).“ Der Landesrechnungshof stellte fest, dass im Zeitraum vom 1. März 2010 bis zum 31. Dezember 2014 allein in den zwölf Landkreisen aus der Stichprobe für 320 Windenergieanlagen Realkompensationsmaßnahmen vor Ort durchgeführt wurden, für welche die Betreiber der Windenergieanlagen insgesamt 12,879 Millionen Euro gezahlt haben. Zu Frage 4: Die angeschuldigten Kreisverwaltungen machen geltend, sie hätten die einbehaltenen Mittel für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der Zweckbindung des § 15 Absatz 6 Satz 7 Bundesnaturschutzgesetz verwendet. Dies wird zurzeit überprüft. Zu Frage 5: Nein, bei der Festsetzung von Realkompensationsmaßnahmen haben die Betreiber die Kosten die Maßnahmen für den Naturschutz ohne Ermäßigungen, in voller Höhe getragen. Ein Schaden für den Naturhaushalt ist hierdurch nicht entstanden. Zu Frage 6: Die AusglV von 1990 ist inklusive der Ermäßigungsregelung durch § 70 Abs. 2 Nr. 4 LNatSchG am 6. Oktober 2015 außer Kraft getreten. Die Einnahme und Bewirtschaftung der Ersatzzahlung obliegt nach § 7 Abs. 5 des neuen Landesnaturschutzgesetzes vom 6. Oktober 2015 der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz. Die Ersatzzahlungen werden weiterhin für Projekte in der Träger - schaft der jeweiligen Naturschutzbehörden verwendet und hierfür von der Stiftung bereitgestellt. Soweit die Mittel innerhalb von drei Jahren nach der festgesetzten Fälligkeit nicht in Projekten gebunden sind, kann die Stiftung selbst mit Zustimmung oder auf Anforderung des Ministeriums über die Mittel im Rahmen der Zweckbindung verfügen. Ulrike Höfken Staatsministerin