Drucksache 16/6220 24. 02. 2016 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Polizei in Rheinland-Pfalz unterbesetzt Die Kleine Anfrage 4047 vom 29. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Polizei-Gewerkschaften in Rheinland-Pfalz fordern vom Land Rheinland-Pfalz, deutlich mehr Polizisten einzustellen. In den kommenden Jahren würden zahlreiche Beamtinnen und Beamte in Pension gehen, außerdem seien viele Polizisten völlig überlastet , beispielsweise sei im Polizeipräsidium Koblenz derzeit kein Kommissariat voll besetzt. Grund sei: Zu wenig ausgebildeter Nachwuchs und ein hoher Krankenstand, sowie über 1 000 Beamtinnen und Beamte aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt dienstfähig. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es zutreffend, dass beim Polizeipräsidium Koblenz derzeit kein Kommissariat voll besetzt ist? Wenn ja, welche Maßnahmen werden ergriffen, damit dieser Missstand umgehend behoben wird? 2. Bei wie vielen rheinland-pfälzischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten liegt eine begrenzte Dienstfähigkeit i. S. d. § 44 Abs. 6 Landesbeamtengesetz vor? 3. Wie viele rheinland-pfälzischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind aktuell länger als sechs, zwölf oder 18 Monate dienst - unfähig erkrankt? Was wird in solchen Fällen veranlasst? 4. Gibt es rheinland-pfälzische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die länger als zwei Jahre dienstunfähig sind? Wenn ja, wie viele und was wird in diesen Fällen unternommen? 5. Werden die Ursachen der vorübergehenden verminderten Dienstfähigkeit von rheinland-pfälzischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte hinterfragt? Wenn nein, warum nicht? 6. Wie viele rheinland-pfälzische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wurden seit dem 1. Januar 2010 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt (bitte aufgegliedert nach Alter und Dienstzugehörigkeit der Beamtinnen und Beamten)? 7. Welche Maßnahmen werden zum Erhalt der Dienstfähigkeit von rheinland-pfälzischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ergriffen? Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 23. Februar 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Nein. Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Koblenz ist diese Aussage nicht zutreffend. Zur personellen Ausstattung bestehen grundsätzlich keine Richtwerte oder Vorgaben. Vielmehr richtet sich die Besetzung nach Auslastung der einzelnen Kommissariate und kann im Bedarfsfall temporär angepasst oder durch die Einrichtung von Ermittlungsgruppen ergänzt werden. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachkommissariate beispielsweise in Form von Ermittlungsgruppen ist auf Grund der Vielschichtigkeit mancher Kriminalitätsphänomene und bei Sofortlagen alltäglich in der Arbeit der Kriminalpolizei, sodass die personelle Ausstattung der Fachkommissariate ständig variieren kann. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 15. März 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6220 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Nach Auswertung der im Integrierten Personalmanagementsystem (IPEMA) von den Polizeibehörden und -einrichtungen eingepflegten Daten sind landesweit sieben Polizeibeamtinnen und -beamte begrenzt dienstfähig im Sinne des § 27 Beamtenstatusgesetz in Verbindung mit § 44 Abs. 6 Landesbeamtengesetz. Zu Frage 3: Auf Basis der in IPEMA erhobenen Daten und der ergänzenden Rückmeldungen der Polizeibehörden und -einrichtungen ist die folgende Anzahl der Polizeibeamtinnen und -beamten – im jeweiligen Intervall – zum Stichtag 1. Februar 2016 dienstunfähig erkrankt: Nach Mitteilung der Polizeibehörden und -einrichtungen wird in allen Fällen nach den geltenden Vorschriften ein Betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten. Auf Wunsch der Betroffenen werden die Personalvertretung, die Schwerbehindertenvertretung oder die Gleichstellungsbeauftragte eingebunden. Daneben werden häufig die hauptamtlichen Sozialberaterinnen und Sozialberater oder die nebenamtlichen sozialen Ansprechpartner zur Begleitung der Betroffenen involviert. Den Beamtinnen und Beamten wird von allen Polizeibehörden und -einrichtungen jegliche Unterstützung zu Teil, die im Rahmen der Möglichkeiten steht. Sofern die Dienstunfähigkeit auf einem Dienstunfall beruht, kann darüber hinaus das in Zusammenarbeit mit der Schadensregulierungsstelle eingeführte Fallmanagement zum Tragen kommen. Aus dienstrechtlicher Sicht werden bei Zweifeln an der (Polizei-)Dienstfähigkeit der Polizeibeamtin oder des Polizeibeamten der Polizeiärztliche Dienst oder die Amtsärztinnen und Amtsärzte der Gesundheitsämter mit der entsprechenden ärztlichen Untersuchung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben (§ 26 Beamtenstatusgesetz in Verbindung mit §§ 112, 113 Landesbeamtengesetz) beauftragt. Steht in schwerwiegenden Fällen eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit im Raum, kommt auch eine entsprechende ärztliche Untersuchung durch die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung (ZMU) gem. § 47 Landesbeamtengesetz in Betracht. Im Sinne des § 26 Beamtenstatusgesetz steht jedoch in allen Fällen die weitestgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der dienstlichen Verwendbarkeit zur Vermeidung einer Ruhestandsversetzung im Vordergrund. Die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen bieten den Dienstvorgesetzten valide Entscheidungsgrundlagen für den weiteren Umgang mit den Betroffenen, insbesondere über notwendige Wiedereingliederungsmaßnahmen oder Einschränkungen hinsichtlich der weiteren dienstlichen Verwendbarkeit. Zu Frage 4: Zum Stichtag 1. Februar 2016 sind auf Basis der aus IPEMA erhobenen Daten lediglich acht Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte länger als 24 Monate erkrankt. In grundsätzlich allen Fällen liefen oder laufen Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit bzw. werden aufgrund ärztlicher Begutachtungen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Wiedereingliederungsmaßnahmen oder das Verfahren zur Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit betrieben. In lediglich zwei Fällen wurde wegen einer absehbar anstehenden regulären Ruhestandsversetzung bzw. einem sonstigen Ausscheiden aus dem Dienst von weiteren Maßnahmen im obigen Sinne abgesehen. Zu Frage 5: Grundsätzlich besteht für die Beamtinnen und Beamten keinerlei Verpflichtung gegenüber der Dienststelle, die Art ihrer Erkrankung oder deren Ursachen offenzulegen. Mögliche Ursachen im Arbeitsumfeld werden jedoch bei Einbindung von Sozialberaterinnen und Sozialberatern oder den Sozialen Ansprechpartnern hinterfragt und vertraulich behandelt. Inwieweit es zur Offenlegung kommt, liegt in der Entscheidung der betroffenen Beamtin oder des Beamten. Auch Gutachten der ZMU, des polizeiärztlichen Dienstes oder der Gesundheitsämter enthalten keine Diagnose oder Aussagen zur Ursache einer Erkrankung. Insoweit ist, von offensichtlichen Sachverhalten wie z. B. Sportunfällen abgesehen, weder den Dienstvorgesetzten noch dem Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur in aller Regel bekannt, welche Ursachen einzelnen, sich auf die Dienstfähigkeit auswirkenden Erkrankungen zugrunde liegen. Um einen Überblick über die empfundenen körperlichen, emotionalen und sozialen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kontext mit ihrer Arbeit zu erhalten und gleichzeitig gesundheitsrelevante Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zu eruieren, wurde bereits im Sommer 2008 eine Mitarbeiterbefragung durch die Polizeiabteilung des 2 > 6 Monate > 12 Monate > 18 Monate 41 18 9 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/6220 Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur mit fachlicher Unterstützung der Unfallkasse Rheinland-Pfalz und deren Kooperationspartner der Hochschule Magdeburg-Stendal durchgeführt. Die Ergebnisse wurden anschließend in den Polizeibehörden und -einrichtungen präsentiert und im Rahmen von Gesundheitszirkeln und Workshops mit dem Ziel aufgegriffen, Lösungen zu erarbeiten und diese mithilfe von verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen vor Ort umzusetzen. So entwickelte sich im Laufe der vergangenen Jahre ein vielfältiges Angebot an gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen. Zu Frage 6: Nach Angaben der Polizeibehörden und -einrichtungen wurde die folgende Anzahl von Polizeibeamtinnen und -beamten, aufgegliedert nach Schutz- und Kriminalpolizei, seit dem 1. Januar 2010 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt: *) Zur Vereinfachung der Darstellung wurden bis zum 50. Lebensjahr Alterskohorten gebildet. Zu Frage 7: Innerhalb der rheinland-pfälzischen Polizei findet ein personeller Umbruch statt, bedingt durch hohe Ruhestandsversetzungen, die Verjüngung des Personalkörpers durch rund 3 300 Neueinstellungen der Jahre 2009 bis 2016 sowie den derzeit rund 970 eingeschränkt Dienstfähigen. Insoweit bildet das Thema „Gesundheit“, einschließlich des alters- und alternsgerechten Arbeitens, einen Schwerpunkt in den strategischen Überlegungen der Landesregierung. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wird eine breite Palette von Maßnahmen zum Erhalt der Dienstfähigkeit angeboten, die im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage lediglich exemplarisch dargestellt werden kann. Als bundesweit führend gilt das Behördliche Gesundheitsmanagement der rheinland-pfälzischen Polizei mit seinen Maßnahmen zur Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung. Im Jahr 2014 hat die rheinland-pfälzische Polizei am „Corperate Health Award“ teilgenommen und das darauffolgende Corperate Health Audit erfolgreich in der Kategorie „Exzellenz“ bestanden. Das Projekt „Gesünderes Arbeiten in der Polizei“ wurde in 2015 mit einer Auftaktveranstaltung offiziell gestartet. Zunächst wird der Wechselschichtdienst mit seinen derzeit praktizierten Arbeitszeitmodellen in den Blick genommen, um sich in der Folge mit weiteren besonders belasteten Bereichen, z. B. in der Kriminal- und der Bereitschaftspolizei, zu beschäftigen und Möglichkeiten zur Reduzierung der gesundheitlichen Belastungen auszuloten. Bislang wurde die betriebsärztliche Betreuung im Polizeibereich teilweise von externen Dienstleistern, teilweise von den Polizeiärzten übernommen. Der Aufbau eines polizeieigenen umfassenden betriebsärztlichen Dienstes wird derzeit geprüft. Im Bereich des Arbeitsschutzes wird unter Mitwirkung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit und unter Begleitung durch die Unfallkasse Rheinland-Pfalz eine Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz für den Wechselschichtdienst, insbesondere auch im Hinblick auf dessen psychische Belastungen, erarbeitet. 3 Kalenderjahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Lebensalter *) S K S K S K S K S K S K ≥ 39 2 0 1 0 3 0 4 0 4 1 2 2 40 bis 45 1 0 2 0 0 0 2 0 2 0 3 0 45 bis 49 1 3 5 1 1 0 1 1 2 1 0 1 50 2 0 0 0 1 1 0 0 1 0 0 0 51 1 0 2 0 0 3 1 0 0 0 0 0 52 0 0 1 0 0 0 1 0 2 0 0 0 53 5 0 0 0 1 0 2 0 1 0 3 0 54 2 2 1 0 1 0 1 1 0 0 1 0 55 4 0 1 0 1 1 2 0 2 0 0 1 56 2 2 1 2 3 0 2 0 2 0 2 2 57 2 0 2 1 2 0 4 2 0 0 1 1 58 3 0 2 1 2 1 1 0 1 0 4 1 59 5 3 2 0 2 1 2 0 4 0 0 0 60 1 0 1 0 0 1 1 2 1 0 0 0 61 5 0 0 2 1 0 1 2 1 1 2 1 62 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Summe Kalenderjahr 46 28 26 33 26 27 Drucksache 16/6220 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Die Schutzausstattung sowie die persönliche Ausstattung werden weiter modernisiert. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der bestehenden Bedrohungslage und als notwendige Reaktion auf die zunehmende Gewalt gegen polizeiliche Einsatzkräfte. Die Anschaffung von 450 ballistischen Unterziehschutzwesten und die Erweiterung des Pilotprojekts „Bodycam“ zur Eigensicherung der Einsatzkräfte auf alle Polizeipräsidien seien beispielhaft benannt. Unter Anrechnung von Dienstzeiten können die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auf ein umfangreiches Dienstsportangebot zurückgreifen. Auch die Hochschule der Polizei sowie die Landespolizeischule widmen sich in Aus- und Fortbildung intensiv Themen der Gesunderhaltung; beispielhaft im Stress- und Konfliktbewältigungstraining sowie in der Führungskräftefortbildung mit Inhalten zum „Gesunden Führen“. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege wird auch als ein Baustein zur Gesunderhaltung weiter verbessert. Roger Lewentz Staatsminister 4