Drucksache 16/6264 15. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Christian Baldauf und Dr. Axel Wilke (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Arbeit im Strafvollzug Die Kleine Anfrage 4107 vom 24. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: In einem Beschluss vom 3. Februar 2016 gibt das Bundesverfassungsgericht Hinweise zur Bedeutung der Arbeit im Strafvollzug und äußert Zweifel an der Vereinbarkeit des LJVollzG mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche rechtlichen Folgerungen und Handlungsaufträge ergeben sich für die Landesregie rung aus dem Beschluss? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Zweifel des Bundesverfassungsgerichts, dass Resozialisierung von Strafgefangenen im rheinland -pfälzischen Strafvollzug, die nicht arbeiten, hinreichend gewährleistet werden kann? 3. Muss nicht auch aus Sicht der Landesregierung wieder eine Arbeitspflicht in das Gesetz aufgenommen werden, um der Arbeit als Resozialisierungsfaktor den ihr nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts zukommenden Stellenwert zu sichern? 4. Hält die Landesregierung das derzeitige Vergütungssystem – ausschließlich monetäre Ver gütung – nach den Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts noch für verfassungsgemäß? Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. März 2016 wie folgt beantwortet: Ich gehe davon aus, dass sich die Kleine Anfrage auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2015 bezieht, zu dem das Bundesverfassungsgericht am 3. Februar 2016 eine Pressemeldung herausgegeben hat. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Derzeit besteht kein Handlungsbedarf. Die Verfassungsbeschwerde betraf die Neuregelung der Vergütung für freiwillige Arbeit im Strafvollzug. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Sache nicht entschieden, sondern die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde war unzulässig, weil nicht erkennbar war, dass der Beschwerdeführer den Grundsatz der materiellen Subsidiarität gewahrt hatte. Soweit das Bundesverfassungsgericht sich in Bezug auf die Interpretation der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gefangenenentlohnung durch den Landesgesetzgeber und die rheinland-pfälzischen Gerichte zu einem Hinweis veranlasst gesehen hat, ist im Beschluss ausdrücklich ausgeführt, dass für eine abschließende Bewertung eine umfassende Prüfung des Vollzugskonzepts und seiner praktischen Umsetzung erforderlich wäre. Eine solche Prüfung ist aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht erfolgt. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. April 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6264 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Der Strafvollzug soll die Strafgefangenen befähigen, künftig ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Grundgedanke der dem Landesjustizvollzugsgesetz zugrunde liegenden Konzeption ist es, dass die Strafgefangenen während der Haftzeit die für ihre Straftaten (mit-)ursächlichen Defizite beheben und die einer künftigen Straffälligkeit entgegenwirkenden Fähigkeiten stärken sollen. In einer sorgfältigen Planung des Vollzugs wird daher festgelegt, welche Maßnahmen dafür im Einzelfall am besten geeignet sind. „Arbeit“ stellt dabei – anders als noch im Strafvollzugsgesetz – nicht den zentralen, sondern nur einen – wenngleich durchaus wichtigen – von verschiedenen Resozialisierungsfaktoren dar. Arbeit bzw. Beschäftigung allein reicht bei den meisten Strafgefangenen zur Erreichung des Vollzugsziels nicht aus; in vielen Fällen stehen die Bearbeitung einer Sucht-, Gewaltoder Sexualproblematik sowie das Training sozialer Fähigkeiten im Vordergrund. Das Landesjustizvollzugsgesetz löst sich daher von dem Gedanken, dass der Arbeit als solcher unabhängig von den konkreten Bedürfnissen der Strafgefangenen ein eigenständiger behandlerischer Wert zukomme. Die vollzuglichen Maßnahmen müssen vielmehr auf den individuellen Behandlungsbedarf zugeschnitten werden. Zu Frage 3: Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung nochmals festgehalten, dass das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot den Gesetzgeber nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festlegt, sondern ihm für die Entwicklung eines wirksamen Konzepts ein weiter Gestaltungsraum eröffnet ist. Es steht ihm grundsätzlich frei, dem Resozialisierungsgebot mit anderen Maßnahmen als durch Arbeit Rechnung zu tragen. Die Wiedereinführung einer Arbeitspflicht für Strafgefangene ist weder erforderlich noch angezeigt. Gerade freiwillige Arbeit trägt dem Angleichungsgrundsatz Rechnung und entspricht den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, wonach Gefangenenarbeit als ein positiver Bestandteil des Strafvollzugs betrachtet werden soll. Zu Frage 4: Ja. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Vergütung der Gefangenenarbeit besitzt, sodass eine gesetzgeberische Neukonzeption möglich ist. Die Vergütung für im Vollzug geleistete Arbeit muss zwar stets geeignet sein, dem Resozialisierungsgebot gerecht zu werden; auf welche Weise der Gesetzgeber dies erreicht, bleibt aber ihm überlassen. Die aktuelle Vergütungsregelung ist im Hinblick auf die Vollzugskonzeption im Landesjustizvollzugsgesetz angemessen. Prof. Dr. Gerhard Robbers Staatsminister