Drucksache 16/6270 16. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Asylverfahren/Strafverfahren in Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 4091 vom 24. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Laut einer Pressemeldung der Bundespolizeiinspektion Kaiserslautern nahmen am 23. Februar 2016 Bundespolizisten einen 31-jährigen Eritreer nach einem Messerangriff im Mainzer Hauptbahnhof vorläufig fest. Der Beschuldigte war aufgrund fehlender Ausweis - papiere zur Dienststelle verbracht worden. Im Revier griff der Mann in seine Manteltasche, holte ein Messer heraus und ging auf die Bundespolizisten los. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Mainz musste der Angreifer auf freien Fuß gesetzt und in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Ingelheim verbracht werden. Dort wird zukünftig sein Asylverfahren betrieben. Es wurde Strafverfahren wegen Widerstand, Bedrohung, versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie unerlaubtem Aufenthalt eingeleitet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landessregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Rechtsauffassung, dass auch Flüchtlinge während eines laufenden Asylverfahrens bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ausgewiesen werden können? Wenn nein, warum nicht? 2. Wenn die Frage 1 mit Ja beantwortet wird, wie viele Flüchtlinge wurden während eines laufenden Asylverfahrens bei einer Verurteilung zu eines Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ausgewiesen (bitte aufgegliedert nach Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015)? 3. Warum wird in den Pressemeldungen der rheinland-pfälzischen Landespolizei, im Gegensatz zu den Pressemeldungen der Bundes polizei, nicht die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen mitangegeben? Wenn nein, warum nicht? 5. Warum wurde der Tatverdächtige nicht auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Mainz dem Haftrichter vorgeführt? Warum wurde kein Haftbefehl erlassen? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass Ausweisungen während eines laufenden Asylverfahrens entsprechend der geltenden Rechtslage von den Ausländerbehörden konsequent vorgenommen werden sollen. Nach der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage kann nach § 53 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG – neue Fassung) ein verurteilter Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn 1. ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3 eine Ausweisung rechtfertigt oder 2. eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. § 53 Abs. 3 AufenthG (neue Fassung) regelt die Ausweisung eines Ausländers, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 6. April 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6270 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Daueraufenthalt – EU besitzt. Er darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. § 54 Abs. 2 AufenthG (neue Fassung) normiert in typisierter Form schwerwiegende Ausweisungsinteressen, die in die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG (neue Fassung) einzubeziehen sind. Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse liegt u. a. bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor (§ 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG – neue Fassung). Zu Frage 2: Eine Statistik, wie viele Flüchtlinge während eines laufenden Asylverfahrens bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ausgewiesen wurden, wird nicht geführt. Zu Frage 3: In Pressemeldungen der rheinland-pfälzischen Polizei wird die Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigten dann genannt, wenn hierfür ein polizeiliches Erfordernis vorliegt. Diese Handlungsmaxime ist Gegenstand der bereits im Jahr 2011 durch das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur, der Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration, dem damaligen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen sowie der Beauftragten der Landesregierung für Migration und Integration gemeinsam erarbeiteten „Zielvereinbarung für ein Miteinander ohne Vorbehalte“. Sie entspricht im Wesentlichen auch der kürzlich noch einmal bestätigten Richtlinie 12.1 des Deutschen Presserates, wonach die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt wird, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders zu beachten ist hiernach, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte. Ergänzend wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 4033 „Auswirkungen der Zielvereinbarung für ein Miteinander ohne Vorbehalte auf die Arbeit der rheinland-pfälzischen Polizei“, Landtagsdrucksache 16/6185, hingewiesen. Zu Frage 4: Die Einsatzbewältigung, die Einleitung des Strafverfahrens sowie die Durchführung aller erforderlichen polizeilichen Maßnahmen unmittelbar am Ereignisort erfolgten durch Kräfte des Bundespolizeireviers Mainz. Einsatzkräfte der Landespolizei waren am Ereignisort nicht eingebunden. Die Bundespolizei verbrachte den Beschuldigten nach Durchführung der polizeilichen Maßnahmen zur Landeseinrichtung für Asylbegehrende und Ausreisepflichtige nach Ingelheim am Rhein. Die Kräfte der dortigen Ermittlungsgruppe (EG) Migration begleiteten den Beschuldigten zur Registrierung. Der Beschuldigte wurde am selben Tag um 15.00 Uhr mit dem Bus in die Aufnahmeeinrichtung Diez verbracht. Ein Aufenthaltsverbot gemäß § 13 Abs. 3 POG für die Mainzer Innenstadt wurde aufgrund der räumlichen Distanz nach der Verbringung in die AfA Diez nicht ausgesprochen. Zu Frage 5: Der schriftlichen Beantwortung dieser Frage stehen schutzwürdige Interessen entgegen. Es handelt sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren . Deshalb sind Auskünfte zu dem Verfahren nur in vertraulicher Sitzung des Ausschusses für Justiz und Verbraucherschutz möglich. Irene Alt Staatsministerin