LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode b. w. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. April 2016 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Manfred Geis, Ruth Leppla und Fritz Presl (SPD) und A n t w o r t des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Kulturprojekte für Flüchtlinge Die Kleine Anfrage 4100 vom 24. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Um die Kulturschaffenden bei Projekten zu unterstützen, die der kulturellen Bildung von jungen Flüchtlingen dienen oder deren Teilnahme am kulturellen Leben unterstützen, hat das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur ein neues Förder - programm in Höhe von 50 000 Euro aufgelegt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Was sind die Voraussetzungen für eine Landesförderung aus diesem Programm? 2. Welche Projekte für Flüchtlinge gibt es bereits im Kulturbereich? Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 16. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Als förderungswürdig gelten Vorhaben (Projekte), wenn sie zum Beispiel nachfolgende Kriterien erfüllen: – Sie ermöglichen geflüchteten Menschen gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe und tragen so zu deren Integration bei. – Sie erleichtern den Zugang zu Kunst und Kultur und vermitteln einen Eindruck vom kulturellen Leben in Rheinland-Pfalz. – Sie stehen in engem Kontakt zu anderen Initiativen, die sich um die Belange geflüchteter Menschen kümmern, und sind somit in kooperative Netzwerke eingebunden. – Sie bieten geflüchteten Menschen die Möglichkeit, sich in die Projekte kreativ und künstlerisch einzubringen. – Sie tragen zur kulturellen Vielfalt und zum interkulturellen Austausch bei. – Sie helfen geflüchteten Menschen, Kenntnisse der deutschen Sprache zu erweitern bzw. zu erwerben. – Sie bereichern das kulturelle Leben der Region oder des Landes Rheinland-Pfalz. – Sie zeichnen sich durch eine hohe künstlerische bzw. kulturpädagogische Qualität aus. – Die Projekte haben Modellcharakter. Zu Frage 2: Kulturelle Angebote, die sich an Menschen mit einem Flüchtlingshintergrund richten, werden vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur nicht statistisch erfasst. Auf Basis beantragter und geförderter Projekte sowie anhand von Rückmeldungen der Kulturszene selbst lässt sich allerdings festhalten, dass landesweit bereits zahlreiche Kulturprojekte von Kultureinrichtungen sowie von Künstlerinnen und Künstlern realisiert wurden bzw. werden, die Flüchtlingen gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe ermöglichen. In ihrer Arbeit werden die Einrichtungen sowie Künstlerinnen und Künstler, von denen viele der Freien Szene angehören, bereits über die neue Förderinitiative hinaus mit Landesmitteln unterstützt. Dies geschieht zum Beispiel im Rahmen des Landesprogramms Drucksache 16/6276 17. 03. 2016 Drucksache 16/6276 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode „Jedem Kind seine Kunst“ und des Landesprogramms zum Auf- und Ausbau von Jugendkunstschulen ebenso wie über Projektförderungen seitens des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur und des Kultursommers Rheinland-Pfalz. Weitere Mittel stehen über die Initiative der Ministerpräsidentin zur Verfügung, mit der ehrenamtliche Kleinprojekte zugunsten von Flüchtlingen in Rheinland-Pfalz unterstützt werden. Bei der Realisierung von Kulturprojekten spielen die kulturelle Bildung und Teilhabe junger Flüchtlinge eine wichtige Rolle. So ermöglicht das Landesprogramm „Jedem Kind seine Kunst“ Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, unter Anleitung einer professionellen Künstlerin oder eines professionellen Künstlers selbst künstlerisch tätig zu werden. Projekte für und unter Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Fluchterfahrungen finden hierbei in den verschiedenen Kultursparten wie Bildende Kunst, Film, Fotografie, Musik, Tanz und Theater statt. Auch die Jugendkunstschulen in Rheinland-Pfalz richten zahlreiche Angebote an junge Menschen, die geflüchtet sind. Bei den realisierten Projekten handelt es sich zum Beispiel um Bandworkshops, in denen Jungen und Mädchen aus verschiedenen Herkunftsländern miteinander Musik machen. Andere nehmen an Kunstkursen teil, zum Beispiel in den Bereichen Kalligrafie und Graffiti. Gemeinsam haben Künstlerinnen und Künstler mit jungen Flüchtlingen Trickfilme erarbeitet, mit ihnen deren Flüchtlingsunterkunft künstlerisch gestaltet oder sie bieten regelmäßig Workshops zu verschiedenen Kulturthemen an, in denen mitunter gesungen, getanzt oder eine Clown-Nummer einstudiert wird. Nachfolgend sind einige Projekte, die sich der Zielgruppe der jungen Geflüchteten auf individuelle Weise und unter einem speziellen thematischen Fokus widmen, exemplarisch dargestellt. Das Beda-Institut für Europäische Kulturbildung in Bitburg hat sich der Frage gewidmet, wie sich mit kulturellen Mitteln die Zeit der Ungewissheit, in der die Bleiberechtssituation von Flüchtlingen noch nicht geklärt ist, für Kinder und Jugendliche sinnvoll nutzen lässt. Hierfür hat das Institut das Modell einer Kulturellen Ergänzungsschule auf den Weg gebracht. Junge Geflüchtete können so auch in ihrer Unterkunft am Unterricht des Instituts in Fächern wie „musikalische Grundbildung“, „Ballett“ und „Chor“ teilnehmen . Auch Kinder und Jugendliche, die noch kein Instrument beherrschen, können zudem beim inklusiven Kinderorchester mitmachen . Bei all dem spielt die Vermittlung der deutschen Sprache eine große Rolle. Mitgestaltet wird der Unterricht auch von Lehrenden und Künstlern, die selbst in der Flüchtlingsunterkunft leben. Bei dem Projekt H.E.R.O.E.S. handelt es sich um eine Tanz- und Bildungsmaßnahme, die die Choreografin Hannah Ma gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern aus dem arabischen Raum und der Großregion realisiert. Aus einer Performance, die sie mit syrischen Tänzern in jener Zeit erarbeitete, als die Tänzer noch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier lebten, hat sich inzwischen ein grenzübergreifendes euro-arabisches Netzwerk entwickelt, das die Fluchterfahrungen und das Leben im Nahen Osten zum Thema macht. Gleichzeitig bietet sich geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern damit eine Wirkungsstätte, in der sie ihr Können und ihre Ideen einbringen können. Der Tanz ist zugleich jenes Medium, mit dem die beteiligten Künstlerinnen und Künstler Themen wie Flucht und Heimatverlust auch Kindern und Jugendlichen in Schulen und Kulturzentren näherbringen. Mit den Mitteln des Theaters nähert sich das Projekt MAHALA INTERNATIONAL der Flüchtlingsthematik. Im Auftrag des Theaters im Pfalzbau in Ludwigshafen hat Luise Rist mit ihrem „boat people projekt“ 2015 einen Theaterworkshop für junge Flüchtlinge eröffnet. Die Gruppe arbeitete so gut und intensiv zusammen, dass sie beim internationalen Festival „Offene Welt“ im vergangenen Jahr ihr erstes eigenes Theaterstück präsentieren konnte. Obwohl die Jugendlichen aus verschiedenen Ländern stammten, fanden sie im Theaterspiel eine gemeinsame Sprache. Auf spielerische Weise haben sie sich schnell der deutschen Sprache angenähert und Wege gefunden, gemeinsame Erfahrungen von Krieg und Ausgrenzung kreativ zu verarbeiten. In diesem Jahr setzt Luise Rist ihr Theaterprojekt mit Jugendlichen fort. Proben- und Spielstätte wird hierbei eine Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen sein, in die Bürgerinnen und Bürger aus Ludwigshafen eingeladen werden. Insgesamt ist festzustellen, dass die Bereitschaft der Kulturszene, geflüchtete Menschen zu unterstützen – vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene –, sehr groß ist. Die Ideen hierzu sind vielfältig und innovativ. Gleichsam nimmt die Zielgruppe diese Angebote begeistert in Anspruch. Vera Reiß Staatsministerin