Drucksache 16/6279 18. 03. 2016 Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 13. April 2016 b. w. LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Wolfgang Schlagwein (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie für Rheinland-Pfalz Die Kleine Anfrage 4101 vom 24. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Der Ministerrat verabschiedete Anfang des Jahres 2016 die Fortschreibung der Nachhaltig keits strategie des Landes. Erstmals wurden dabei konkrete Nachhaltigkeitsziele für Rhein land-Pfalz festgelegt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Was sind die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie für Rheinland-Pfalz? 2. Aus welchen Überlegungen weist die Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung erstmals Nachhaltigkeitsziele aus? 3. Was sind die größten Herausforderungen, die sich für das Land aus der Fortschreibung 2015 der Nachhaltigkeitsstrategie ergeben? 4. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Nachhaltigkeit mit Blick auf die weltweite Flüchtlingsbewegung zu? Das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu Frage 1: Die Nachhaltigkeitsziele für Rheinland-Pfalz sind: – Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 mindern, – Klimaneutralität bis 2050, mindestens jedoch eine Reduktion um 90 Prozent gegenüber 1990 erreichen, – Klimaneutralität der Landesverwaltung bis 2030 erreichen, – den Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken, – den Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert erhöhen, – den Anteil der vom Aussterben bedrohten und stark gefährdeten Arten bis 2025 verringern, – die weitere Zerschneidung der Landschaft stoppen, – den Anteil von Gewässern mit einem guten und sehr guten ökologischen Zustand bis 2027 erhöhen, – Naturparke zu nachhaltigen Modellregionen entwickeln, – die Energieproduktivität steigern, – die Ressourceneffizienz steigern, – die tägliche Flächenneuinanspruchnahme bei unter einem Hektar stabilisieren, – die Schadstoffbelastung der Luft senken, – den Anteil der FSC-zertifizierten Waldfläche erhöhen, – die Anbaufläche des ökologischen Landbaus auf 20 Prozent erhöhen, – die Zahl der nach einheitlichen BNE-Kriterien zertifizieren Bildungsanbieter in Rheinland-Pfalz bis 2020 steigern, – bis 2020 berücksichtigen 25 Kommunen in Rheinland-Pfalz bei ihrer Beschaffung soziale und ökologische Kriterien und erlassen einen diesbezüglichen Ratsbeschluss. Drucksache 16/6279 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Zu Frage 2: Nachhaltigkeitsziele sind Teil eines modernen Managementkonzepts für eine nachhaltige Entwicklung. Sie stellen ein notwendiges Instrument dar, um den Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu messen. Zudem legen sie die Perspektiven der Landesregierung offen und unterstreichen den politischen Willen, das Land auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung voranzubringen . Gleichzeitig geben die Nachhaltigkeitsziele Rheinland-Pfalz auch Orientierung. Sie sind als eine Einladung an die Bürgerinnen und Bürger, an die Unternehmen und die Zivilgesellschaft zu verstehen, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung hat Ziele für nachhaltige Entwicklung auf Bundesebene bereits mit der Erarbeitung der ersten Nachhaltigkeitsstrategie im Jahre 2002 eingeführt. Seither haben mehrere Länder diese Entwicklung nachvollzogen (etwa Bayern, Hessen, Sachsen und demnächst Nordrhein-Westfalen). Mit der Fortschreibung 2015 gehört Rheinland- Pfalz nun zum Kreis der Länder, die Nachhaltigkeitsziele eingeführt haben. Ein weiterer Grund dafür, dass die Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz mit der Fortschreibung 2015 erstmals Nachhaltigkeitsziele ausweist, liegt in den Entwicklungen auf globaler Ebene. Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung haben die Vereinten Nationen im September 2015 erstmals globale Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) vereinbart. Diese Ziele sollen für alle Staaten gleichermaßen gelten. Gleichzeitig sollen die Staaten für die Umsetzung der Agenda 2030, also das Erreichen der Ziele, ihre jeweilige Situation zum Ausgangspunkt nehmen. In Deutschland ist, einem Beschluss der Bundesregierung zufolge, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie das zentrale Instrument zur Umsetzung der Agenda 2030. Zu Frage 3: Aus Nachhaltigkeitssicht ist die zentrale Frage, wie es gelingen kann, die soziale und ökonomische Entwicklung so zu gestalten, dass die Belastbarkeitsgrenzen der Ökosysteme nicht überschritten werden. Dazu sind der Schutz des Klimas, der Erhalt der biologischen Vielfalt und der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen die entscheidenden Stellschrauben. Die Fortschreibung 2015 der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz macht für den Bereich Klimaschutz deutlich, dass im Betrachtungszeitraum (1990 bis 2011) die Treibhausgasemissionen im Land zurückgehen, dass aber zur Erreichung der im Landesklimaschutzgesetz festgelegten Ziele die konsequente Umsetzung des 2015 verabschiedeten Klimaschutzkonzepts erforderlich ist. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die Frage der Energie- und Ressourcenproduktivität. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung . Die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum auf der einen sowie Energie- und Rohstoffverbrauch auf der anderen Seite nimmt zunehmend Gestalt an, allerdings liegt der Energie- und Ressourcenverbrauch mit Blick auf die globale Verträglichkeit nach wie vor zu hoch. Legt man das mit dem Zwei-Grad-Ziel zum Klimaschutz kompatible Szenario des Ressourcen-Panels der Vereinten Nationen zugrunde, wonach die Industrieländer ihren Ressourcenverbrauch bis 2050 gegenüber 2000 um mindestens zwei Drittel reduzieren müssten, so ist die Reduktion des Rohstoffverbrauchs in Rheinland-Pfalz von 2000 bis 2012 um rund 14 Prozent (Deutschland : knapp 8 Prozent) bei steigender Rohstoffproduktivität als Erfolg zu werten – gleichzeitig sind, auch mit Blick auf die schwankende Entwicklung der letzten Jahre, noch beträchtliche Anstrengungen erforderlich, um das Ziel eines auch in globaler Perspektive nachhaltigen Wirtschaftens zu erreichen. In der Fortschreibung 2015 wird gezeigt, dass der Bereich Biodiversität mit Blick auf die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen der Erde ein besonders kritischer Faktor ist. Die im globalen Maßstab Besorgnis erregende Entwicklung ist auch in Deutschland zu beobachten, wo der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zufolge in den vergangen 40 Jahren ein Verlust an biologischer Vielfalt von ca. 40 Prozent zu verkraften ist. Die für Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehenden Daten sind nicht direkt vergleichbar, lassen jedoch den Schluss zu, dass die Entwicklung in Rheinland-Pfalz zwar etwas günstiger verläuft als in Deutschland insgesamt, dieser Befund allerdings keinerlei Anlass für Entwarnung bietet. Angesichts zunehmenden Nutzungsdrucks gehört der Schutz der biologischen Vielfalt nach wie vor zu den wichtigsten Herausforderungen für die Nachhaltigkeitspolitik des Landes. Zu Frage 4: Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung stellen wichtige – und voraussichtlich immer wichtiger werdende – Instrumente zur Fluchtursachenbekämpfung dar. So gehört zu den Folgen des Klimawandels, dass das Leben der Menschen in Teilen der Welt zunehmend schwieriger, im Falle aufgrund des steigenden Meeresspiegels untergehender Inseln gar unmöglich wird. Schätzungen gehen für das Jahr 2050 weltweit von 50 bis 200 Millionen Klimaflüchtlingen aus. Der Wettbewerb um knappe Ressourcen, der Verlust der biologischen Vielfalt und hier insbesondere der Agrobiodiversität sind zusätzliche , teilweise mit dem Klimawandel zusammenhängende Fluchtursachen. Von daher leisten Maßnahmen in diesen Bereichen unverzichtbare Beiträge für eine globale Fluchtursachenbekämpfung. Unser Beitrag zum Erhalt der Agrobiodiversität stärkt die globale genetische Vielfalt und damit die Basis für die Ernährungssituation auch außerhalb unseres Landes; der verantwortliche Umgang mit Ressourcen schließlich mindert den Druck auf die lokale Umweltsituation und die Beeinflussung der Lebensbedingungen der Menschen in den Abbau- beziehungsweise Förderregionen, im Falle knapper Ressourcen erweitert er zudem deren Verfügbarkeit. Eveline Lemke Staatsministerin