Drucksache 16/6318 29. 04. 2016 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Matthias Lammert und Michael Wäschenbach (CDU) und A n t w o r t des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung Stegskopf Die Kleine Anfrage 4141 vom 6. April 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Landesregierung hat beschlossen, dass die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Daaden auf dem Stegskopf geschlossen wird. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie hoch waren bisher die einzelnen Investitionen des Landes und der Kommunen für die Errichtung der AfA Daaden am Stegs - kopf? 2. Wie soll arbeitsrechtlich mit den über 40 Mitarbeitern verfahren werden, die der DRK-Kreisverband Altenkirchen, die Kreisverwaltung Altenkirchen, das Gesundheitsamt und das Land (einschl. der Polizeikräfte) in den zurückliegenden Wochen und Monaten für die Arbeit der AfA in Daaden am Stegskopf eingestellt oder abgeordnet hat? 3. Für welche Laufzeiten wurden die Verträge mit der Kantine/Caterer, der Reinigungsfirma und dem Sicherheitsdienst auf dem Stegskopf abgeschlossen und welche Kündigungsklauseln enthielten diese, auch im Hinblick auf die bei diesen Firmen Beschäftigten ? 4. Wäre es nicht sinnvoller, den Aufenthalt von Asylbewerbern in der AfA in Daaden am Stegskopf zu verlängern, damit die sowieso schon überlasteten Kommunen bei der Aufnahme von weiteren Asylbewerbern nicht noch weiter überfordert werden? Wenn nein, warum nicht? 5. Welche Kosten entstehen am Stegskopf im sogenannten „Stand-by-Modus“ der AfA (u. a. für Gebäudeunterhaltung, den Sicher - heits- und Hausmeisterdienst)? 6. Wie hoch waren die Kosten für die Verträglichkeitsstudie und mit welchem Ergebnis und welchen Perspektiven wurde diese abgeschlossen ? 7. Warum wurde die Auflösung erst nach der Landtagswahl und in unüblicher Form bekannt gegeben und die beispielhaft und mus tergültig agierenden freiwilligen ehrenamtlichen Helferdienste nicht frühzeitiger informiert? Das Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen hat die Kleine Anfrage namens der Landes regierung mit Schreiben vom 28. April 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Im Oktober 2015 wurden in den Unterbringungsgebäuden der ehemaligen Bundeswehrliegenschaft am Stegskopf die Voraussetzungen geschaffen, dort den Betrieb einer AfA-Außenstelle zur Erstaufnahme von in Rheinland-Pfalz ankommenden Flüchtlingen aufzunehmen. Diese schnelle Herrichtung der Liegenschaft wurde erforderlich, weil allein in den letzten vier Monaten des vergangenen Jahres nach der Grenzöffnung durch die Bundeskanzlerin über 33 000 geflüchtete Menschen in Rheinland-Pfalz nach der sogenannten EASY-Statistik im vergangenen Jahr aufgenommen wurden – im Jahr 2015 insgesamt fast 53 000 Flüchtlinge. Bereits am 29. Oktober konnten Unterkünfte für bis zu 150 Personen am Stegskopf zur Verfügung gestellt werden. Bis zur 52. Kalenderwoche 2015 steigerte sich die Belegung der AfA-Außenstellen auf 1 376 Personen. Die Herrichtung und Eröffnung der AfA-Außenstelle am Stegskopf war Teil eines Auf- und Ausbauprogramms der Landesregierung, durch das bis zum Jahresende 2015 eine Gesamtkapazität von mehr als 13 000 Plätzen genutzt werden konnte. Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 19. Mai 2016 LANDTAG RHEINLAND-PFALZ 16. Wahlperiode Drucksache 16/6318 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Wenn auch im Januar und Februar 2016 die absoluten Zugangszahlen geflüchteter Menschen zurückgingen, mussten noch im Februar 2016 aufgrund der bundesweiten Zugänge in den ersten beiden Monaten des Jahres bis zu 1,5 Mio. Flüchtlinge in Deutschland erwartet werden. Aufgrund der seit Mitte März 2016 deutlich gesunkenen Zugangszahlen und der Vorsorge, die die Landesregierung durch das Ausbauprogramm in 2015 und ihre Kapazitätsplanung betrieben hat, sind die Belegungszahlen in den Einrichtungen deutlich zurückgegangen . Die Landesregierung hat daher in der zwölften Kalenderwoche 2016 entschieden, die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Daaden am Stegskopf zeitnah in einen sogenannten „Stand-by-Betrieb“ zu versetzen und als Reservekapazität vorzuhalten . Ziel des Stand-by-Betriebs ist es, die Ressourcen verantwortungsvoll einzusetzen, jedoch gleichzeitig eine Reservekapazität zu erhalten, um auf einen jederzeit möglichen Anstieg der Flüchtlingszahlen reagieren zu können, zumal seit Monaten keine aktuelle Prognose des Bundes mehr dazu vorgelegt wird. Noch am 8. April 2016 erklärte Bundesinnenminister De Maizière, er wolle noch keine Prognose zur erwarteten Zahl an Asylbewerbern für das Gesamtjahr abgeben. Eine Prognose sei nicht seriös, weil die weitere Entwicklung der Fluchtbewegungen zu wenig absehbar sei. Am 20. April 2016 wurde das Stufenkonzept der Landesregierung zur Anpassung der Kapazitäten in der Erstaufnahme vorgestellt, das den Stand-by-Betrieb der Einrichtung bei Daaden beinhaltet. Die Landesregierung hat damit seinerzeit – übrigens ganz im Sinne der Forderungen der Opposition nach einer Unterbringung aller Flüchtlinge in festen Unterkünften – das Erforderliche getan, um die schnelle Herrichtung aller verfügbaren und geeigneten Liegenschaften zu ermöglichen. Sie wird auf der Grundlage eines bereits vorgelegten Konzepts auch weiterhin – unter Beachtung der sich ändernden Bedürfnisse und notwendigen wirtschaftlichen Erwägungen – alle notwendigen und angemessenen Maßnahmen ergreifen, um ihrer gesetzlichen Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung weiterhin erfolgreich nachzukommen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Für die Inbetriebnahme der AfA Stegskopf waren Arbeiten an den Kanal- und Versorgungsanlagen, Elektroinstallationen sowie Blitzschutzanlagen und die Anbringung von Rauchmeldern erforderlich. Nach Auskunft des Landesbetriebs für Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) belaufen sich die kostenintensivsten Gewerke der AfA Stegskopf auf insgesamt 1 947 456 Euro. Im Einzelnen betragen die Kosten für Entwässerungskanalarbeiten 1 407 328 Euro, für Gas-, Wasser- und Entwässerungsanlagen innerhalb der Gebäude 275 579 Euro und für Nieder- und Mittelspannungsanlagen sowie Blitzschutzanlagen 264 549 Euro. Die Maßnahmen sind zum Teil noch nicht schlussgerechnet. Über eventuelle Investitionen der Kommunen kann abschließend noch kein Überblick gegeben werden. Zu Frage 2: Das Land steht zu seinen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sodass niemand der Beschäftigten eine Kündigung aus betrieblichen Gründen erhalten soll. Ein Großteil der Bediensteten des Landes hat bereits einen alternativen Arbeitsplatz innerhalb des Landesdienstes angeboten bekommen und dieses Angebot auch ausnahmslos angenommen. Ein kleiner Teil der Beschäftigten verbleibt auf dem Stegskopf, um dort den Stand-by Betrieb aufrechtzuerhalten. Dies betrifft insbesondere Aufgaben der Liegenschaftsbetreuung. Abgeordnete Kräfte werden wieder zu ihrer Stammdienststelle zurückkehren und ihr originäres Aufgabengebiet übernehmen. Nach bereits erfolgten Gesprächen mit dem Kreisverband des DRK Altenkirchen wird es auch dort keine Kündigungen geben. Um alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden, werden mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kürze noch entsprechende Gespräche gemeinsam mit dem DRK geführt. Insgesamt wurden bereits mit allen Vertragspartnern und Beteiligten zufriedenstellende Lösungen gefunden, sodass auch in Zukunft gemeinsam und engagiert in der Flüchtlingshilfe zusammengearbeitet werden kann. Zu Frage 3: Mit den Vertragspartnern für die Verpflegung und Reinigung konnten einvernehmliche Lösungen für eine vorzeitige Beendigung der Verträge erreicht werden. Der Vertragspartner für die Bewachung der Liegenschaft entwickelt ein Bewachungskonzept, das dem Stand-by-Betrieb angepasst ist und wird dieses mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) zeitnah verhandeln. Die Frage nach den Vertragslaufzeiten und Kündigungsklauseln berühren geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter und können gegebenenfalls in vertraulicher Sitzung genannt werden. Zu Frage 4: Der von der Landesregierung betriebene Kapazitätsausbau und die zurückgegangenen Zugangszahlen geflüchteter Menschen in den vergangenen Wochen haben es möglich gemacht, dass die durchschnittliche Verweildauer der Asylbegehrenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes seit Februar von sechs bis acht Wochen auf aktuell durchschnittlich zwölf Wochen verlängert werden konnte. Damit hat das Land die Kommunen in ihren Unterbringungsverpflichtungen bereits deutlich entlastet. Im Dezember 2015 sind den Kommunen landesweit noch 8 777 Personen zugewiesen worden, während die Zahl der Zuweisungen im März 2016 2 Landtag Rheinland-Pfalz – 16.Wahlperiode Drucksache 16/6318 landesweit nur noch bei 2 496 Personen lag. Die aktuellen niedrigen Zugangszahlen in Rheinland-Pfalz von täglich zwischen zehn bis 70 Personen werden sich mit entsprechender Zeitverzögerung auf die Aufnahmezahlen bei den Kommunen auswirken. Um die Integration von Asylsuchenden und insbesondere von Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter nicht zu verzögern , verbleiben Familien mit schulpflichtigen Kindern möglichst kurz in den Einrichtungen. Im Übrigen wird die zugesagte Entlastung der Kommunen durch eine flexible integrationsangemessene Verteilung sichergestellt. Flüchtlinge aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ und Folgeantragsteller verbleiben bis zum Verfahrensende in der Erstaufnahmeeinrichtung. Eine Verteilung auf die Kommunen findet nur bei Anerkennung statt. Der Anteil der Asylsuchenden aus Herkunftsländern wie Syrien, Irak, Iran, Eritrea, Afghanistan etc. liegt bei den im Jahr 2016 angekommenen Asylsuchenden bei fast 80 Prozent (Auswertung des BAMF vom 23. April 2016). Diese Asylsuchenden erhalten in aller Regel Schutz und damit ein Aufenthaltsrecht und verbleiben absehbar auf Dauer in Deutschland. Grundsätzlich sind die Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende für die gesundheitliche Erstversorgung, die Unterbringung und soziale Betreuung, die Erfassung personenbezogener Daten zuständig. Während des Aufenthalts soll der Asylantrag gestellt und möglichst entschieden werden. In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden zwar Informations- und Freizeitveranstaltungen, Spielstuben mit Kinderbetreuungen und Sprachkurse angeboten, die zur ersten Orientierung in Deutschland förderlich sind. Zur Knüpfung von sozialen Kontakten und zur gesellschaftlichen Teilhabe ist ein Umzug in die Kommunen jedoch von großer Bedeutung. Die Kommunen bieten aufgrund der günstigeren Infrastruktur und der vielfältigen sozialen Angebote mit zahlreichen Integrationsmöglichkeiten u. a. in Kindertagesstätten, Schulen und Vereinen bessere Bedingungen zur Bildung sozialer Kontakte und für die gesellschaftliche Integration. Zu Frage 5: Die wesentlichen Kostenpositionen für den Stand-by-Betrieb werden durch die Liegenschaftsbetreuung entstehen. Drei Hausmeis - ter gewährleisten in dieser Zeit den gesamten Liegenschaftsunterhalt, d. h. des Gebäudes, der Freiflächen, Straßen und Wege sowie der technische Einrichtungen (geschätzte Kosten bis Ende 2016 rund 80 000 Euro). Zur Aufrechterhaltung eines Standby-Betriebs wird die Liegenschaft weiter bewacht werden. Um eine Sicherung von täglich 24 Stunden zu organisieren, wird voraussichtlich eine Personalstärke von acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erforderlich sein. Die Vertragsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Zu Frage 6: Das Land hat im November 2015 eine Expertise beauftragt, durch die Empfehlungen zur Ausgestaltung der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Daaden (Stegskopf) unter Einbeziehung der Einwohnerinnen und Einwohner der Region, der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Beschäftigten der Einrichtung ausgearbeitet werden sollten. Die Kosten für die Förderung der Studie, die im November und Dezember 2015 mit verschiedenen Fokusgruppen in und um die AfA Außenstelle Daaden erarbeitet wurde, belaufen sich auf 19 813 Euro. Die Ergebnisse der Expertise wurden u. a. den kommunalpolitischen Vertreterinnen und Vertretern der Region in zwei internen Veranstaltungen und allen Interessierten in einer öffentlichen Veranstaltung am 26. Februar vorgestellt und erörtert. Die Expertise empfiehlt für einen weiteren Betrieb der Einrichtung mit höherer Kapazität u. a. die ausschließliche Nutzung der bestehenden Gebäudestruktur und den Verzicht auf Erweiterungen durch modulare Einheiten, die Bereitstellung von (psychosozialen ) Versorgungsangeboten und Aktivitäten, das Vorhalten von Gemeinschafts- und Rückzugsräumen, die Gewährleistung ausreichender Informationsmöglichkeiten für die Bewohnerinnen und Bewohner, die Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation , die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems, Maßnahmen der Konfliktprävention durch die Gestaltung von Strukturen und Abläufen, die Koordination und den Einsatz von Ehrenamtlichen sowie die Beteiligung kommunalpolitischer Vertreterinnen und Vertreter in der Region und eine kontinuierliche Information der Bevölkerung. Zu Frage 7: Nach der Entscheidung der Landesregierung über den Stand-by-Betrieb der Einrichtung am Stegskopf hat die ADD unmittelbar mit den Vorbereitungen zur Umsetzung des Stand-by-Betriebs begonnen und unverzüglich die Kreisverwaltung Altenkirchen, den Ortsbürgermeister von Daaden, die Verbandsgemeindeverwaltung, den DRK Landesverband, den DRK Kreisverband und die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Entscheidung und die weitere Vorgehensweise informiert und zu Gesprächsterminen eingeladen. Eine gesonderte Information der in der Flüchtlingshilfe engagierten Ehrenamtlichen wurde leider versäumt. Die Integrationsministerin lud daraufhin die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zeitnah zu einer Informationsveranstaltung am 5. April 2016 in Daaden ein, um sich für das Kommunikationsversehen zu entschuldigen und die Entscheidung für den Stand-by-Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung am Stegskopf zu erläutern. In einer kritischen und offenen Diskussion konnten viele allgemeine und persönliche Fragen geklärt werden und Vereinbarungen über die Fortsetzung der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe sowie Unterstützungsmöglichkeiten durch das Land getroffen werden. Irene Alt Staatsministerin 3